Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 22.10.1993; Aktenzeichen L 11 J 18/93)

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.09.1992; Aktenzeichen S 16 J 2503/88)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. Oktober 1993 und das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 21. September 1992 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 25. März 1991 idF des Widerspruchsbescheides vom 15. August 1991 verurteilt, dem Kläger Zinsen auf die ihm gewährte Rentennachzahlung ab 1. August 1990 zu gewähren.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Verzinsung seiner Rentennachzahlung ab 1. August 1990 anstatt ab 1. Oktober 1990.

Am 18. Januar 1990 stellte der Kläger bei der Stadt H. … einen verkürzten Antrag auf Versichertenrente aus der Arbeiterrentenversicherung. Der Antrag gelangte am 12. März 1990 zur Beklagten. Die Beklagte gewährte dem Kläger durch Bescheide vom 21. September und 28. Dezember 1990 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und legte nach anfänglich anderer Datierung schließlich einen Versicherungsfall vom 6. November 1989 zugrunde. Mit Bescheid vom 25. März 1991 gewährte sie Zinsen auf die Nachzahlung für die Zeit von Oktober 1990 bis Februar 1991. Die Verzinsung bereits am 1. August 1990 zu beginnen, wie es der Kläger mit seinem Widerspruch verlangte, lehnte sie mit Bescheid vom 15. August 1990 ab.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) der Berufung nicht stattgegeben (Urteile vom 21. September 1992 und vom 22. Oktober 1993). Anders als das Bundessozialgericht (BSG) meine, sei es Sinn des Gesetzes (§ 44 Abs 2 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches ≪SGB I≫), der Beklagten den vollen Bearbeitungszeitraum von sechs Monaten zu sichern. Das sei nicht gewährleistet, wenn die Frist von sechs Monaten zu laufen beginne, sobald der Antrag bei einem anderen Leistungsträger oder einer Gemeinde eingehe (§ 16 Abs 1 SGB I).

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 44 und 16 SGB I.

Er beantragt,

die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. Oktober 1993 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. September 1992 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25. März 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 1991 zu verurteilen, Zinsen auf die Rentennachzahlung ab 1. August 1990 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich gemäß § 124 Abs 2 SGG mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist begründet. Er hat Anspruch darauf, daß die Beklagte die Rentennachzahlung ab 1. August 1990 verzinst.

Nach § 44 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonates nach ihrer Fälligkeit zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, § 44 Abs 2 SGB I. Streitig ist unter den Beteiligten, ob diesem Eingang des Antrages beim zuständigen Leistungsträger das Zugehen des Antrages bei einer der in § 16 Abs 1 SGB I genannten Stellen gleichsteht. Nur in einem solchen Fall ist das Begehren des Klägers berechtigt, da sein Antrag im Januar zunächst bei der Gemeinde H. … … einging und erst im März bei der Beklagten.

Mit der streitigen Frage hat sich das BSG bereits befaßt. Der 2. Senat hat mit Urteil vom 28. Februar 1990 (BSGE 66, 234 = SozR 3-2200 § 44 Nr 1) entschieden, daß § 16 Abs 2 Satz 2 SGB I im Rahmen des § 44 Abs 2 1. Halbsatz SGB I anzuwenden ist, für die Berechnung der Verzinsung also auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem der Antrag bei einer der in § 16 Abs 2 Satz 1 SGB I genannten Stellen eingegangen ist. Der im Schrifttum vertretenen Meinung, § 16 Abs 2 SGB I betreffe nur die Hauptleistung (Rente), nicht aber die akzessorische Nebenleistung (Zinsen), könne nicht zugestimmt werden. Sie werde – wie im einzelnen ausgeführt wird – weder vom Sinn der Regelung noch von den ihr zugrundeliegenden Gesetzgebungsmotiven getragen. In der Entscheidung wird allerdings nicht verkannt, daß sich auch Argumente für die gegenteilige Meinung finden lassen.

Damit ist die streiterhebliche Rechtsfrage geklärt. Ein oberster Gerichtshof des Bundes soll von seiner bisherigen Rechtsprechung nicht abweichen, wenn sowohl für die eine wie auch für die andere Ansicht gute Gründe sprechen (BSGE 40, 292 = SozR 5050 § 16 Nr 9). Der erkennende Senat legt daher seiner Entscheidung des vorliegenden Falles die Rechtsansicht des 2. Senats des BSG zugrunde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1174184

Breith. 1996, 214

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