Entscheidungsstichwort (Thema)
Beratungsgebühr neben Gebühr für Sonderleistung
Leitsatz (redaktionell)
1. Neben einer Gebühr für eine Sonderleistung kann eine Beratungsgebühr in einem Behandlungsfall nur einmal und nur dann angesetzt werden, wenn nicht zuvor schon eine Beratungs- oder Besuchsgebühr berechnet worden ist.
2. Ist in einem Behandlungsfall bereits eine Beratungs- oder Besuchsgebühr angesetzt worden und wird anschließend eine Beratung zusammen mit einer Sonderleistung erbracht, so kann entweder eine Beratungsgebühr oder eine Gebühr für eine Sonderleistung berechnet werden.
Normenkette
GOÄ Abschn. A Nr. 2c Fassung: 1965-03-18; GOÄ Nr. 2 Fassung: 1965-03-18, Nr. 3 Fassung: 1965-03-18, Nr. 4 Fassung: 1965-03-18
Tenor
Auf die Sprungrevision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29. August 1969 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
Der Kläger ist als praktischer Arzt in Oberaussem niedergelassen. Er ist Mitglied der beklagten kassenärztlichen Vereinigung, zur kassenärztlichen Versorgung der Versicherten zugelassen und berechtigt, Behandlungen gegen Bundesbehandlungsschein vorzunehmen. Im II. Quartal 1967 rechnete der Kläger für die Behandlung der Patientin B Z auf dem Bundesbehandlungsschein Beratungsgebühren nach Nr. 2 bis 4 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) nicht nur zusammen mit der ersten Sonderleistung ab, sondern stellte auch im Verlauf der Behandlung diese Gebühr neben denen für die Sonderleistungen in Rechnung. Mit Bescheid vom 26. März 1968 berichtigte die Beklagte insoweit die Honorarabrechnung des Klägers. Den vom Kläger hiergegen fristgerecht erhobenen Widerspruch wies die Beklagte am 15. August 1968 zurück.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage gegen diesen Bescheid abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Regelung in A I 2 c GOÄ sei nicht nur beim Zusammentreffen einer Beratungsgebühr nach Nr. 1 mit einer Sonderleistungsgebühr, sondern auch bei Beratungsgebühren nach Nr. 2 bis 4 GOÄ anzuwenden. Nach dieser Regelung könne in einem Behandlungsfall neben einer Gebühr für eine Sonderleistung eine Beratungsgebühr nur zusammen mit der ersten Sonderleistung berechnet werden. Diesem Ergebnis stehe auch nicht entgegen, daß es sich bei den beanstandeten Beratungen nicht um solche in der Sprechstunde im Sinne der Nr. 1 GOÄ gehandelt habe, sondern um solche nach den Nummern 2 bis 4 GOÄ. Die in A I 2 c GOÄ getroffene Regelung unterscheide nämlich nicht zwischen Beratungen nach Nr. 1 und nach Nr. 2 bis 4, in ihr seien unterschiedslos alle Beratungen erfaßt. Das SG hat die Berufung zugelassen.
Der Kläger hat gegen das Urteil mit Einwilligung der Beklagten und des beigeladenen Landes Sprungrevision eingelegt.
Er trägt vor: Die Tatbestände der Nr. 1 bis 4 A I 1 GOÄ seien unter sich selbständig und nicht von einander abhängig. Es handele sich um mehrere selbständige Begriffe, nämlich um die Beratung schlechthin, die Beratung außerhalb der Sprechstunde, die Beratung bei Nacht und diejenige an Sonn- und Feiertagen. Unter Beratungsgebühr in A I 2 c GOÄ sei nur diejenige unter Nr. 1 zu verstehen, nicht aber auch die anderen Beratungsgebühren. Mit der Regelung, daß neben einer Sonderleistung die erste Beratung im Behandlungsfalle berechnungsfähig sei, trage die Gebührenordnung dem Umstand Rechnung, daß in der Regel die Beratung zu Beginn eines Behandlungsfalles besonders aufwendig und zeitraubend sei. Bei der Fortsetzung der Behandlung seien diese Beratungen im allgemeinen kürzer, da der Arzt das Krankheitsbild bereits kenne. Aus diesem Grunde sei bei einem erneuten Zusammentreffen der Beratung mit einer Sonderleistung die Beratung nicht mehr berechnungsfähig. Die Beratungen zu ungelegener Zeit (außerhalb der Sprechstunden, bei Nacht und an Sonn- und Feiertagen) fänden nur bei besonderem Anlaß statt und bildeten die Ausnahme von der Regelleistung der Nr. 1 GOÄ. Wollte man auf diese Beratungen die Regelung bezüglich der Beratungsgebühr neben einer Sonderleistung anwenden, so würde eine Sonderleistung nicht höher honoriert werden als bei einer gewöhnlichen Behandlung während der Sprechstunde. Dieses Ergebnis stehe eindeutig im Widerspruch mit der Absicht des Gesetzgebers, den Arzt für den besonderen Aufwand außerhalb der Sprechstunde zusätzlich zu honorieren.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Düsseldorf vom 29. August 1969 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. März 1968 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 1968
aufzuheben.
Die Beklagte stellt keinen Antrag.
Der Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Wie der Senat in seinem Urteil vom 18. Februar 1970 - 6 RKa 1/69 - mit näherer Begründung zum Ausdruck gebracht hat, gilt die Regelung der GOÄ in Abschnitt A I 2 c Satz 2 und 3 des Gebührenverzeichnisses nicht nur für die Beratung während der Sprechstunde, sondern auch für Beratungen außerhalb derselben, bei Nacht und sonntags (Nr. 2 bis 4). Hiernach kann neben einer Gebühr für eine Sonderleistung eine Beratungsgebühr in einem Behandlungsfall nur im Zusammenhang mit der ersten Sonderleistung berechnet werden; dies gilt dann nicht, wenn in dem Behandlungsfall bereits eine Beratungs- oder Besuchsgebühr angesetzt worden ist. Weder der Wortlaut der Bestimmung noch ihr systematischer Zusammenhang (als allgemeine Bestimmung bezieht sie sich auf alle Gebührenpositionen des Abschnitts A I des Gebührenverzeichnisses) geben die Möglichkeit, Beratungen nach Nr. 2 bis 4 von ihr auszunehmen. Für die Annahme einer durch den Richter auszufüllenden Gesetzeslücke besteht kein hinreichender Anhalt. Die Beseitigung oder Milderung von Härten, die mit der Anwendung dieser Bestimmung verbunden sind, muß vielmehr der Vereinbarung der Sozialpartner überlassen werden.
Auch wenn hiernach der Ansatz einer weiteren Beratungsgebühr neben einer Sonderleistung ausgeschlossen ist, so ist jedoch damit noch nicht die Frage beantwortet, welche der beiden Gebühren zu berechnen ist. Diese Frage ist auch nicht in Abschnitt A I 2 d des Gebührenverzeichnisses geregelt. Denn hiernach ist es nur untersagt, anstelle der Gebühr für eine erbrachte Sonderleistung die möglicherweise höhere Gebühr für eine nicht erbrachte Beratung einzusetzen. Es ist jedoch nichts für den Fall bestimmt, daß beide Leistungen (die Beratungs- und die Sonderleistung) erbracht worden sind. Hier kann der Arzt nicht beide Leistungen abrechnen, wenn nicht die Beratung die erste des Behandlungsfalles war. Er kann jedoch unter den beiden in Frage kommenden Gebührenpositionen wählen; dabei wird er sich für die höherwertige entscheiden. Hat er keine Wahl getroffen, weil er beide Gebühren als berechnungsfähig angesehen und in Ansatz gebracht hat, so wird nach Aufdeckung des Irrtums davon auszugehen sein, daß die höherwertige gewählt ist.
Im vorliegenden Fall ist nicht geklärt, ob der Kläger in dem streitigen Behandlungsfall neben der erbrachten Sonderleistung Beratungen vorgenommen hat, die nach der GOÄ höher als die Sonderleistung vergütet werden. Träfe dies zu, so wäre in Zweifel die Beratung und nicht die Sonderleistung zu honorieren.
Das Urteil des SG muß daher aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen werden.
Diesem bleibt auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens überlassen.
Fundstellen