Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation
Leitsatz (amtlich)
Die zur Förderung der Arbeitsaufnahme geleistete Überbrückungsbeihilfe stellt jedenfalls dann keine berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation iS AVG § 14a Abs 1 (= RVO § 1237a Abs 1) dar, wenn der Arbeitsaufnahme ein Rehabilitationsverfahren nicht vorausgegangen ist.
Leitsatz (redaktionell)
Der Eingliederungsvorschlag iS des § 57 S 2 AFG muß alle Maßnahmen, bestimmt nach Art und Umfang, enthalten, die im Einzelfall notwendig sind, um eine vollständige und dauerhafte Eingliederung zu erreichen.
Orientierungssatz
Die Vermittlung in eine leidensgerechte Arbeitsstelle, ohne daß zuvor ein Eignungstest durchgeführt oder eine berufliche Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahme in die Wege geleitet worden ist, kann nicht als eine berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation angesehen werden. Damit ist nämlich nicht der Absicht des Gesetzgebers Genüge getan, den Behinderten auf Dauer beruflich einzugliedern und die Zahlung einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente zu vermeiden.
Normenkette
AVG § 13 Abs. 1 Fassung: 1974-08-07, § 14a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1974-08-07; RVO § 1236 Abs. 1 Fassung: 1974-08-07, § 1237a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1974-08-07; RehaAnglG § 2 Fassung: 1974-08-07, § 6 Fassung: 1974-08-07; AFG § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 Fassung: 1969-06-25, § 57 S. 2 Fassung: 1974-08-07
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung von 350,-- DM, die sie der bei der Beklagten versicherten D W (im folgenden: Versicherte) als Überbrückungsbeihilfe gezahlt hat.
Die am 28. September 1944 geborene Versicherte mußte ihre zuletzt ausgeübte Beschäftigung als Phonotypistin wegen einer Polyarthritis beider Hände aufgeben. Nach der Bescheinigung des Dr W vom 21. Mai 1974 ist sie in der Tätigkeit als Steno-/Phonotypistin arbeitsunfähig. Auf ihren Antrag vom 13. Mai 1974, eine berufliche Rehabilitation in die Wege zu leiten, erklärte sich die Beklagte gegenüber der Klägerin für zuständig und bat das Arbeitsamt Detmold um Erstellung eines Eingliederungsvorschlags. Das Arbeitsamt teilte am 1. Oktober 1974 mit, eine qualifizierte Umschulung der Versicherten mit internatsmäßiger Unterbringung komme mit Rücksicht auf ihren 9jährigen Sohn nicht in Frage. Am 2. Dezember 1974 nahm die Versicherte eine leidensgerechte Tätigkeit als Angestellte bei der Katholischen Kirchengemeinde D auf. Das Arbeitsamt gewährte ihr eine Überbrückungsbeihilfe von 350,-- DM. Eine Erstattung dieses Betrages lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 23. Januar 1975 ab.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin 350,-- DM zu erstatten (Urteil vom 21. September 1977). Das Landessozialgericht (LSG) hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 9. Mai 1979). Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Beklagte sei nicht erstattungspflichtig. Die gewährte Überbrückungsbeihilfe stelle eine originäre Maßnahme und Eigenleistung der Klägerin dar. Zwar könne sie auch zu den Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes im Sinne des § 14a Abs 1 Nr 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) zählen. Das setze jedoch voraus, daß der Rentenversicherungsträger berufsfördernd tätig geworden sei. Die Förderungspflicht der Beklagten sei erloschen, als sich die Versicherte mit der Vermittlung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes einverstanden erklärt und die Klägerin auf einen Eingliederungsvorschlag verzichtet habe. Die Überbrückungsbeihilfe sei nicht aus gesundheitlichen Gründen zur Erleichterung der Arbeitsaufnahme, sondern als Ausgleich dafür gewährt worden, daß die Zahlung des ersten Gehalts zu einem späteren Zeitpunkt als dem Ersten des Monats erfolgt sei. Dies begründe eine ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsverwaltung.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 13, 14a AVG, §§ 56, 57 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) und §§ 1, 5, 6 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG). Die Beklagte sei bei dem vorliegenden Sachverhalt für die Überbrückungsbeihilfe zuständig und daher auch erstattungspflichtig. Das LSG sei unzutreffend davon ausgegangen, daß die Leistung nicht aus gesundheitlichen Gründen gewährt worden sei. Die gesundheitlichen Ursachen für die Aufgabe einer bisher ausgeübten Berufstätigkeit wirkten fort, bis der Rehabilitand eine leidensgerechte Tätigkeit tatsächlich und mit Aussicht auf Dauer aufgenommen habe. Damit seien auch die bloße Vermittlung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes (Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts -BSG- vom 14. September 1978 - 11 RA 70/77 -) und die Gewährung von Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme berufsfördernde Maßnahmen. Die Zuständigkeit der Beklagten hierfür könne nicht vor Erreichung des Rehabilitationsziels geendet haben. Diesem Ziel lasse sich die Zweckrichtung der Überbrückungsbeihilfe ohne weiteres unterordnen. An der Zuständigkeit der Beklagten ändere sich nichts dadurch, daß das Arbeitsamt selbst die Vermittlung habe betreiben wollen, daß die Versicherte den leidensgerechten Arbeitsplatz durch eigene Bemühungen gefunden habe und daß die Beklagte nicht zuvor berufsfördernd tätig geworden sei. Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme seien nicht nur in Fortsetzung einer bereits eingeleiteten Berufsförderungsmaßnahme sinnvoll und verständlich.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts
vom 9. Mai 1979 aufzuheben und die Berufung der
Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts
Nürnberg vom 21. September 1977 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie meint, Überbrückungsbeihilfe könne nur in besonderen Fällen als Rehabilitationsleistung der gesetzlichen Rentenversicherung in Betracht kommen. Das sei vorliegend nicht der Fall. Die Versicherte hätte nur durch eine qualifizierte Umschulung auf Dauer vollgültig und konkurrenzfähig in das Arbeitsleben eingegliedert werden können. Demgegenüber sei die Aufnahme der Tätigkeit bei der Kirchengemeinde nur eine behelfsmäßige Lösung, welche spätere Maßnahmen der Rehabilitation nicht ausschließe. Angesichts dessen sei die Überbrückungsbeihilfe eine bloße Vermittlungshilfe mit dem alleinigen Zweck, bis zur ersten vollen Gehaltszahlung den Lebensunterhalt der Versicherten und ihrer Familienangehörigen sicherzustellen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
Rechtsgrundlage des von der Klägerin erhobenen Erstattungsanspruchs ist § 6 Abs 3 RehaAnglG. Hiernach hat der zuständige Rehabilitationsträger die Leistungen zu erstatten, die ein anderer Rehabilitationsträger erbracht hat. Nach § 6 Abs 2 Nr 2 RehaAnglG hat in Fällen berufsfördernder Maßnahmen zur Rehabilitation die Bundesanstalt für Arbeit (BA) längstens nach Ablauf einer Frist von sechs Wochen vorläufig Leistungen zu erbringen, falls ungeklärt ist, welcher der in § 2 RehaAnglG genannten Rehabilitationsträger zuständig ist, oder falls die unverzügliche Einleitung der erforderlichen Maßnahmen aus anderen Gründen gefährdet ist.
Ein Erstattungsanspruch der Klägerin besteht nicht. Die Beklagte ist für die Gewährung einer Überbrückungsbeihilfe im vorliegenden Fall nicht zuständig. Ihr Aufgabenbereich richtet sich allein nach den für sie geltenden Vorschriften (§ 6 Abs 1 RehaAnglG). Die für die einzelnen Träger geltenden Leistungsgesetze haben weiterhin ihre eigenständige Bedeutung behalten sollen (BT-Drucks 7/1237, S 57 zu § 9 Abs 1).
Gemäß § 13 Abs 1 AVG kann die Beklagte Leistungen zur Rehabilitation in dem in §§ 14 - 14b bestimmten Umfang gewähren, wenn die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte gefährdet oder gemindert ist und voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann. Nach § 14a Abs 1 Nr 1 AVG umfassen die berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation insbesondere Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob § 57 Satz 1 AFG so zu verstehen ist, daß die BA nur dann zur Gewährung berufsfördernder Leistungen zuständig ist, wenn der Betroffene nicht Versicherter im Sinne der Rehabilitationsvorschriften eines anderen Rehabilitationsträgers ist (BSGE 48, 92, 99 f = SozR 2200 § 1236 Nr 15 S 34 ff; SozR 4100 § 57 Nr 9 S 29 f; BSGE 49, 143, 147 = SozR 5090 § 6 Nr 4 S 7; Urteil des 7. Senats vom 21. Mai 1980 - 7 RAr 19/79). Ebensowenig braucht entschieden zu werden, ob überhaupt die Überbrückungsbeihilfe zu den in § 14a Abs 1 Nr 1 AVG aufgeführten berufsfördernden Leistungen gezählt werden kann (bejahend für den Fall der Gewährung von Überbrückungsbeihilfe im Anschluß an eine erfolgreich abgeschlossene Maßnahme der beruflichen Rehabilitation Urteile des 4. Senats vom 19. März 1980 - 4 RJ 63/79 und 89/79; ferner Eicher/Haase/Rauschenbach, Handkommentar zur Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 6. Aufl, 1978, § 1237a Anm 4). Der Senat hat dagegen Bedenken. Die Überbrückungsbeihilfe ist anders als im AFG (§ 53 Abs 1 Nr 5 AFG) im AVG nicht konkret genannt. Die Klägerin kann diese Geldzuwendung nach § 53 Abs 1 Nr 5 und Abs 3 AFG Arbeitsuchenden zur Förderung der Arbeitsaufnahme bis zur Dauer von zwei Monaten bewilligen, soweit die Arbeitsuchenden die erforderlichen Mittel nicht selbst aufbringen können und soweit nicht andere öffentlich-rechtliche Stellen zur Gewährung gesetzlich verpflichtet sind (§ 37 Abs 1 Satz 1 AFG). Nach § 56 Abs 2 AFG sind berufsfördernde Leistungen insbesondere die im Zweiten bis Fünften Unterabschnitt genannten Leistungen und damit auch die Überbrückungsbeihilfe. Das Fehlen einer entsprechenden Norm im AVG könnte ein Hinweis darauf sein, daß die berufsfördernden Maßnahmen der Rentenversicherungsträger enger als die der BA seien und die Überbrückungsbeihilfe nicht mitumfassen sollen. Hierfür spricht auch der Zweck der Überbrückungsbeihilfe, nämlich den Lebensunterhalt des Arbeitnehmers und seiner Familienangehörigen bis zur ersten vollen Lohn- oder Gehaltszahlung sicherzustellen und die Bestreitung von Aufwendungen zu ermöglichen, die mit der Arbeitsaufnahme im Zusammenhang stehen (§ 19 Abs 1 der Anordnung zur Förderung der Arbeitsaufnahme vom 18. Dezember 1969, ANBA 1970, S 90). Es geht danach um Kosten, die bei jeder Arbeitsaufnahme unabhängig davon entstehen können, ob die letzte Arbeitsstelle aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben und eine berufsfördernde Maßnahme zur Rehabilitation durchgeführt worden ist (vgl insoweit Urteil des 4. Senats vom 19. März 1980 - 4 RJ 77/79).
Diesen Bedenken braucht jedoch nicht nachgegangen zu werden. Denn zumindest im vorliegenden Fall ist die Überbrückungsbeihilfe keine berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation im Sinne der § 12 Nr 1, § 13 Abs 1, § 14a Abs 1 AVG gewesen.
Die Gewährung von Rehabilitationsleistungen steht zwar im Ermessen des Versicherungsträgers (§ 13 Abs 1 Satz 1 AVG). Die Fragen hingegen, ob die vom Versicherten begehrte Leistung eine solche der Rehabilitation ist und ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung dieser Leistung erfüllt sind, betreffen nicht den Ermessensbereich der Verwaltung. Es geht vielmehr um Tat- und Rechtsfragen, welche der uneingeschränkten Überprüfung und Entscheidung durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit unterliegen (vgl Urteile des Senats in BSGE 48, 74, 75 = SozR 2200 § 1237a Nr 6 S 8 mit weiteren Nachweisen -mwN-; vom 27. Februar 1980 - 1 RJ 4/79 -; vom 24. Juni 1980 - 1 RA 51/79 -; vom 11. September 1980 - 1 RA 47/79 -).
Bei der Gewährung einer Überbrückungsbeihilfe handelt es sich jedenfalls dann nicht um eine berufsfördernde Leistung im Sinne des § 14a AVG, wenn der Arbeitsaufnahme ein Rehabilitationsverfahren insbesondere berufsfördernder Art nicht vorausgegangen ist (ebenso Urteil des 4. Senats vom 19. März 1980 - 4 RJ 77/79 -). Ob eine berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation vorliegt, richtet sich nach Sinn und Zweck der Maßnahme. Aus der begrenzten Zielsetzung der Rehabilitation im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung folgt, daß von einer solchen Leistung nur gesprochen werden kann, wenn die Hilfe bestimmt und geeignet ist, die Erwerbsfähigkeit des Versicherten voraussichtlich zu erhalten, wesentlich zu bessern oder wiederherzustellen (BSGE 48, 74, 76 f = SozR 2200 § 1237a Nr 6 S 8 f; Urteile vom 27. Februar 1980 - 1 RJ 4/79 - und vom 24. Juni 1980 - 1 RA 51/79 -). Fehlt der Leistung diese Zweckbestimmung und Eignung, so kann sie von vornherein nicht als Leistung "zur Rehabilitation" angesehen werden (BSG aaO). Dies ergibt sich aus den Rehabilitationsvorschriften und den Absichten des Gesetzgebers. Das Ziel einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme besteht darin, den Behinderten möglichst auf Dauer in Arbeit oder Beruf einzugliedern (§ 14a Abs 2 Satz 1 AVG, § 11 Abs 1 RehaAnglG). Die final ausgerichtete Leistung muß grundsätzlich die vollständige Rehabilitation des Behinderten bezwecken (BSGE 44, 231, 234 = SozR 2200 § 1236 Nr 3 S 5; BSGE 46, 286, 291 f = SozR 2200 § 1236 Nr 10 S 19 f; Urteile des Senats vom 27. Februar 1980 - 1 RJ 4/79 - und vom 24. Juni 1980 - 1 RA 51/79 -). Der Gesetzgeber hat es für erforderlich gehalten, bei der Auswahl der im Einzelfall in Betracht kommenden Maßnahmen auf die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Behinderten, also auf seine Eignung abzustellen. Das Leistungsvermögen des Behinderten soll grundsätzlich voll ausgeschöpft werden, um durch eine möglichst vollwertige berufliche Bildung die Behinderung zu überwinden. Die Aufgabe der Rehabilitation erschöpft sich nicht darin, den früheren beruflichen und sozialen Status des Behinderten wiederherzustellen. Vielmehr ist eine vollwertige und dauerhafte Eingliederung nicht selten nur über einen beruflichen Aufstieg zu erreichen (vgl Begründung zu § 11 Abs 1 RehaAnglG; BT-Drucks 7/1237, S 57; abgedruckt auch bei Jung-Preuß, Rehabilitation, 2. Aufl 1975, S 166).
Der Arbeitsaufnahme der Versicherten am 2. Dezember 1974 ist ein Rehabilitationsverfahren nicht vorausgegangen. Demzufolge kann die Zahlung der Überbrückungsbeihilfe vorliegend nicht als Maßnahme der Rehabilitation angesehen werden. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) hat sich die Versicherte mit Rücksicht auf ihr Kind nicht bereit erklärt, an einer qualifizierten Maßnahme mit internatsmäßiger Unterbringung teilzunehmen. Um den anzustrebenden Erfolg der dauernden Eingliederung in den Arbeitsprozeß abschätzen zu können, muß eine konkrete, einzelfallbezogene Prüfung erfolgen (BSGE 48, 74, 77 = SozR 2200 § 1237a Nr 6 S 9 f; Urteil des erkennenden Senats vom 11. September 1980 - 1 RA 47/79 -). Diese ergibt, daß trotz Anforderung seitens der Beklagten ein fachpsychologisches Eignungsgutachten nicht angefertigt und auch ein Rehabilitationsvorschlag nicht gemacht worden ist. Die Mitteilung des Arbeitsamtes vom 1. Oktober 1974, es sei die Vermittlung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes in Erwägung gezogen worden, stellt keinen Eingliederungsvorschlag iS des § 57 Satz 2 AFG dar. Ein solcher liegt nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur dann vor, wenn die erforderlichen berufsfördernden Maßnahmen vorgeschlagen werden. Der Sinn dieser Regelung liegt darin, daß die vielfältigen Erfahrungen der Arbeitsämter in Fragen der Arbeits- und Berufsförderung sowie des Arbeitsmarktes und ihrer besonderen Fachdienste im wohlverstandenen Interesse des Behinderten nutzbar gemacht und dadurch Maßnahmen vermieden werden sollen, die sich nach einigen Jahren arbeitsmarktpolitisch als falsch erweisen und in Wirklichkeit keine echte Rehabilitationsmaßnahme darstellen (BT-Drucks 7/1237, S 56 zu § 5 Abs 4). In den Eingliederungsvorschlag müssen deshalb alle Maßnahmen, bestimmt nach Art und Umfang, aufgenommen werden, die im Einzelfall notwendig sind, um eine vollständige und dauerhafte Eingliederung zu erreichen (Gagel/Jülicher, Kommentar zum AFG, 1979, § 57 RdNr 10). Dies ist nicht geschehen.
Unter Maßnahmen zur Rehabilitation versteht der Gesetzgeber die Veranstaltungen, an denen der Behinderte auf Veranlassung und auf Kosten des Rehabilitationsträgers teilnimmt, beispielsweise ein Kur- bzw Sanatoriumsaufenthalt oder ein Umschulungslehrgang. Als Leistungen werden alle dem Behinderten im einzelnen gewährten Hilfen verstanden, insbesondere Dienst-, Sach- und Geldleistungen, die während oder im Anschluß an eine Rehabilitationsmaßnahme gewährt werden (Begründung zu § 1 Abs 1 RehaAnglG; BT-Drucks 7/1237, S 54; vgl auch Jung-Preuß aaO, S 117). Die Vermittlung in eine leidensgerechte Arbeitsstelle, ohne daß zuvor ein Eignungstest durchgeführt oder eine berufliche Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahme in die Wege geleitet worden ist, kann nicht als eine berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation angesehen werden. Damit ist nämlich nicht der Absicht des Gesetzgebers Genüge getan, den Behinderten auf Dauer beruflich einzugliedern und die Zahlung einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente zu vermeiden (Vorrang der Rehabilitation vor Rente nach § 7 Abs 1 Satz 1 RehaAnglG; vgl auch BSGE 43, 75, 81 = SozR 2200 § 1246 Nr 13 S 39). Durch den von der Versicherten eingeschlagenen Weg, statt einer qualifizierten Rehabilitationsmaßnahme lediglich einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu übernehmen, wird die Notwendigkeit einer späteren Maßnahme der Rehabilitation nicht ausgeschlossen. Es wird sogar die Gefahr heraufbeschworen, daß auf den Rentenversicherungsträger für die Zukunft die Bewilligung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit zukommt. Denn mit zunehmendem Alter sind die Behinderten erfahrungsgemäß immer weniger imstande, eine qualifizierte Rehabilitationsmaßnahme mit Erfolg zu absolvieren.
Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu dem von der Klägerin zitierten Beschluß des Großen Senats vom 10. Dezember 1976 - GS 2/75, 3/75, 4/75, 3/76 - (BSGE 43, 75, 81 = SozR 2200 § 1246 Nr 13 S 39) und zu den Urteilen des 11. Senats vom 14. September 1978 - 11 RA 70/77 - und vom 15. März 1979 - 11 RA 36/78 - (BSGE 48, 92 = SozR 2200 § 1236 Nr 15). Zwar kann nach den beiden erstgenannten Entscheidungen auch die Vermittlung eines Arbeitsplatzes zu den berufsfördernden Maßnahmen im Sinne des § 14a AVG gehören. Für den vorliegenden Fall ist dies jedoch bereits deshalb unerheblich, weil nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht das Arbeitsamt der Versicherten die neue Arbeitsstelle vermittelt, sondern diese selbst sich die neue Beschäftigung gesucht hat. Deshalb kann hier dahinstehen, ob eine Arbeitsvermittlung nach Aufgabe der letzten Erwerbstätigkeit aus gesundheitlichen Ursachen grundsätzlich oder aber lediglich nach Durchführung einer Fortbildung oder Umschulung eine berufsfördernde Maßnahme nach § 14a AVG ist (vgl Urteile des 4. Senats vom 19. März 1980 - 4 RJ 63/79, 77/79 und 89/79 -). Nach den Urteilen des 11. Senats vom 15. März 1979 - 11 RA 36/78 - (BSGE 48, 92, 94 = SozR 2200 § 1236 Nr 15 S 29) und - 11 RA 38/78 - (SozR 2200 § 1236 Nr 16 S 37) soll der Behinderte seinen Anspruch auf geldliche Förderung behalten, falls er nach der Antragstellung seine Rehabilitation vorerst ohne Zutun des Versicherungsträgers selbst betreibt. Diese Urteile haben für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung. Denn in den entschiedenen Fällen hatten sich die Versicherten einer Umschulung in eigener Initiative unterzogen. Dagegen hat die Versicherte in diesem Rechtsstreit die Einleitung eines Rehabilitationsverfahrens nach § 13 Abs 1, § 14a Abs 1 Nrn 2, 3 und Abs 2 AVG abgelehnt.
Wie oben dargelegt, geht es deshalb nicht um eine berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation, die allein in die Zuständigkeit der Beklagten fiele. Auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt ist somit ein Erstattungsanspruch der Klägerin nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 SGG.
Fundstellen