Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 3. April 1981 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob dem Kläger Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 5. April 1977 bis 30. Juni 1978 zusteht.
Der Kläger, der seit dem 1. Juli 1978 wieder in Arbeit war, hatte bis zum 4. April 1977 Arbeitslosengeld (Alg) bezogen und für die anschließende Zeit die Bewilligung von Alhi beantragt. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 17. April 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 1979 ab. Sie vertrat die Auffassung, von dem auf die Alhi anrechenbaren Einkommen der Ehefrau des Klägers, das wöchentlich 345,75 DM betrage, könnten Abzüge, die wegen einer Lohnpfändung und Abtretung vorgenommen würden, nicht berücksichtigt werden. Aufgrund einer Abtretung wurden von dem Arbeitsentgelt der Ehefrau des Klägers monatlich 296,– DM einbehalten und aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses monatlich ein Betrag in unterschiedlicher Höhe.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 17. Januar 1980 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 5. April 1977 Alhi ohne Anrechnung der abgetretenen und gepfändeten Gehaltsteile seiner Ehefrau zu zahlen,
Das Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 3. April 1981). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Auf die Alhi des Klägers sei aus dem Einkommen seiner Ehefrau ein Betrag anzurechnen, der die gemäß § 136 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) errechnete Alhi in Höhe von wöchentlich DM 188,40 weit übersteige. Aus dem vorgelegten Lohnnachweis seiner Ehefrau ergebe sich ab 1977 ein monatliches Bruttoeinkommen von 2.041,04 DM und hiernach – abzüglich der Lohn- und Kirchensteuer sowie der Beiträge zur Sozialversicherung – ein Nettoeinkommen von monatlich 1.391,01 DM Das gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG auf die Alhi anzurechnende Einkommen betrage demnach unter Berücksichtigung eines/wöchentlichen Freibetrages von 75,– DM etwa 265,– DM wöchentlich.
Die Lohnpfändung und die Gehaltsabtretung könnten bei dem auf die Alhi anzurechnenden Einkommen der Ehefrau des Klägers nicht berücksichtigt werden. Schon der eindeutige Wortlaut des Gesetzes verbiete eine solche extensive Auslegung. Diese würde auch nicht dem Sinn und Zweck der Bedürftigkeitsregelung im Rahmen der Alhi entsprechen. Das Bayerische LSG habe in dem Urteil von 26. Mai 1977 (Breithaupt 1977, 1033), auf das sich das SG und der Kläger zur Stützung ihrer Rechtsauffassung beziehen, lediglich darüber zu entscheiden gehabt, ob bei der Bedürftigkeitsprüfung nach § 138 AFG ein von der Krankenkasse einbehaltener und mit einer Beitragsforderung aufgerechneter Teil des Krankengeldes zu berücksichtigen sei. Es habe dagegen die frage ausdrücklich offengelassen, ob in Fällen einer freiwilligen Verfügung über das Einkommen dieser Teil unter bestimmten Umständen gleichwohl anzurechnen sei, so daß diese Entscheidung der hier vertretenen Auffassung insoweit nicht entgegenstehe.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 138 Abs. 2 AFG. Er ist der Auffassung, das LSG habe verkannt, daß die Einkommensdefinition in § 138 Abs. 2 AFG nicht isoliert gesehen werden dürfe, sondern nur im Rahmen der Bedürftigkeit des § 138 Abs. 1 AFG. Das LSG habe darüber hinaus die tatsächliche Situation verkannt. Die Schulden seiner Ehefrau seien nicht etwa zu einer Zeit entstanden, als er Alhi in Anspruch genommen habe, sondern schon einige Jahre vorher. Unrichtig sei auch die Auffassung in dem angefochtenen Urteil, seine Ehefrau habe gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß nichts unternommen. Sie habe sich in dem vorausgegangenen streitigen Verfahren mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln gegen den dort geltend gemachten Anspruch – allerdings erfolglos – zur Wehr gesetzt.
Zu Unrecht meine das LSG weiterhin, der Auffassung des SG könne nicht beigetreten werden, wonach im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung des § 138 AFG sozialpolitische Gesichtspunkte im Sinne der Sicherstellung des Lebensunterhalts herangezogen werden müßten, um den Einkommensbegriff des § 138 Abs. 2 AFG auszulegen. Die Zahlung der Alhi sei eine sozialpolitische Maßnahme, was schon daraus hervorgehe, daß hier im Gegensatz zum Alg auf die Bedürftigkeit abgestellt werde. Bei der Frage der Bedürftigkeit sei aber das dem anderen Ehegatten zur Verfügung stehende Nettoeinkommen allein maßgebend. Aus dem Gesetzeswortlaut ergebe sich nicht, daß Verpfändungen oder Pfändungen unberücksichtigt zu bleiben hätten. Deshalb könne nur von dem Betrag ausgegangen werden, der dem Ehegatten tatsächlich zur Verfügung stehe, und das sei der, der vom Arbeitgeber ausgezahlt werde. Jede andere Auffassung würde zu ungerechten Lösungen führen und schließlich den Arbeitslosen zwingen, Sozialhilfe zu beantragen.
Der Kläger beantragt (nach seinem Vorbringen),
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 3. April 1981 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 17. Januar 1980 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alhi.
Wie das LSG festgestellt hat, sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Alhi für den hier in Betracht kommenden Zeitraum bis auf die gemäß § 134 Abs. 1 Nr. 3 AFG erforderliche Bedürftigkeit erfüllt. Der Arbeitslose ist bedürftig, soweit er seinen Unterhalt und den seines Ehegatten und – was hier nicht einschlägig ist – unter bestimmten Voraussetzungen den seiner Kinder nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das Einkommen, das nach § 138 AFG zu berücksichtigen ist, die Alhi nach § 136 AFG nicht erreicht (§ 137 Abs. 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung von Art. 27 des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuer-Reformgesetz –EGEStRG– vom 21. Dezember 1974 – BGBl I 3656).
Der Kläger war deshalb nicht bedürftig, weil das nach § 138 AFG (in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 27 EGEStRG) anzurechnende Einkommen die Alhi nach § 136 AFG, die nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG 188,40 DM wöchentlich beträgt, erreicht. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß das Arbeitsentgelt der Ehefrau des Klägers, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt lebt, als Einkommen im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG zu berücksichtigen ist, soweit es 75,– DM in der Woche übersteigt. Es zählt nicht zu den Leistungen, die gemäß § 138 Abs. 3 AFG und nach § 11 der Alhi-Verordnung nicht als Einkommen gelten.
Das Arbeitsentgelt der Ehefrau des Klägers ist, wie das LSG weiterhin zutreffend entschieden hat, ohne Anrechnung der Abzüge, die wegen der Abtretung und der Lohnpfändung und -überweisung erfolgt sind, zu berücksichtigen. Das folgt schon aus der Begriffsbestimmung, die das Gesetz in § 138 Abs. 2 AFG getroffen hat. Hiernach gelten als Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Abzug der Steuern, der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesanstalt oder entsprechende Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfange und der Werbungskosten. Andere Abzüge, insbesondere solche, die zur Begleichung von Schulden erfolgen, sind hier nicht erwähnt und können nach dem Gesetzeswortlaut die anrechenbaren Einkünfte nicht mindern. Das Gesetz sagt zwar nicht, was Einkünfte sind. Auf jeden Fall haben jedoch Einkünfte, deren Gesamtbetrag das Einkommen ausmacht, Veränderungen des Vermögensbestandes dessen zur Folge, der diese Einkünfte hat (BSG SozR 4100 § 138 Nr. 3). Bei der Ehefrau des Klägers bewirken die für die Abtretung und Lohnpfändung und -überweisung vorgenommenen Abzüge eine Veränderung ihres Vermögensbestandes. In Höhe der Abzüge mindern sich ihre Schulden. Die von ihrem Nettogehalt einbehaltenen Beträge gehören mithin zu ihren Einkünften im Sinne von § 138 Abs. 2 AFG (so auch Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, § 138 Anm. 10; Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, § 138 Anm. 3b; Krebs, Kommentar zum AFG, § 138 Anm. 29, Draeger/Buchwitz/Schönfelder, AVAVG, Band 2, § 150 Anm. 10). Unbeachtlich ist für die Rechtsnatur der Leistungen, daß die Ehefrau des Klägers aufgrund der Abtretung und Pfändung nicht über sie verfügen konnte.
Diese Auslegung entspricht auch der Systematik des Gesetzes. Der § 138 Abs. 1 AFG (in der hier maßgeblichen Fassung von Art. 27 EGEStRG) enthält in den Nummern 2 und 3 Sonderregelungen für die Anrechnung von Einkommen des Ehegatten und naher Angehöriger, die mit dem Arbeitslosen in einem gemeinsamen Haushalt leben. Hierbei vermutet der Gesetzgeber, daß dieses Einkommen dem gemeinsamen Verbrauch zugeführt wird, und läßt den Angehörigen und dem Ehegatten lediglich einen festen Freibetrag für den Eigenbedarf. Der Gesetzgeber will mit der Regelung in § 138 Abs. 1 Nrn 2 und 3 AFG in diesen Fällen die vielfach recht/schwierige Feststellung der Höhe des Unterhaltsanspruchs des Arbeitslosen erleichtern und weicht damit bewußt von den unterhaltsrechtlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ab. Letztere gelten nur in den Fällen des § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG, dh für unterhaltspflichtige Angehörige und den Ehegatten, soweit sie nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Arbeitslosen leben. Nur deren Unterhaltspflicht richtet sich nach dem Bestimmungen des BGB.
Die vom erkennenden Senat vorgenommene Auslegung entspricht dem Zweck des Gesetzes. Hiernach soll, wie aus § 137 AFG hervorgeht, die Alhi dazu dienen, den Unterhalt des Arbeitslosen und den seiner Ehefrau und – unter Berücksichtigung besonderer Voraussetzungen – den seiner Kinder zu bestreiten. Wollte man der Auffassung des Klägers folgen, würde diese Sozialleistung im Ergebnis zur Tilgung von Schulden dienen, also zweckwidrig gewährt werden. Die Entscheidung des Senats ist auch nicht unbillig. Der Schuldner – hier also der Ehegatte des Arbeitslosen – kann sich, worauf das LSG zutreffend hingewiesen hat, gemäß § 400 BGB und § 766 Zivilprozeßordnung (ZPO) gegen Abtretungen und Pfändungen, die über die Pfändungsfreigrenzen hinausgehen, zur Wehr setzen. Auf die Frage, wann die Schulden entstanden sind, kommt es hierbei nicht an.
Der entgegenstehenden Auffassung des 9. Senats des Bayerischen LSG in seinem Urteil vom 26. Mai 1977 (Breithaupt 1977, S 1033) kann daher aus den vorstehenden Gründen nicht gefolgt werden. Insbesondere wird hierbei verkannt, daß die Nrn 2 und 3 des § 138 Abs. 1 AFG hinsichtlich der Berücksichtigung des Einkommens der dort genannten Personen eine Sonderregelung enthalten, die von den Unterhaltsregelungen des bürgerlichen Rechts abweicht.
Nach den von dem Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des LSG, an die der Senat gemäß § 163 SGG gebunden ist, sind bei der Berechnung des Einkommens der Ehefrau des Klägers die Steuern, die Beiträge zur Sozialversicherung und zur Beklagten sowie die Werbungskosten nach § 138 Abs. 2 AFG berücksichtigt worden.
Die Revision muß daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
BSGE, 115 |
Breith. 1982, 1004 |