Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsschutzbedürfnis für Anfechtungsklage. Zulässigkeit einer Feststellungsklage. Subsidiarität. Umfang der Bestandskraft eines Verwaltungsakts. Auslegung eines Verwaltungsakts durch das Revisionsgericht. Rahmenfrist. Aufhebungsbescheid
Orientierungssatz
Rechtsschutzbedürfnis für Anfechtungsklage - Zulässigkeit einer Feststellungsklage - Subsidiarität - Umfang der Bestandskraft eines Verwaltungsakts - Auslegung eines Verwaltungsakts durch das Revisionsgericht - Rahmenfrist - Aufhebungsbescheid:
1. Die Bindungswirkung eines Bescheides erfaßt grundsätzlich dessen Verfügungssatz (Verfügungssätze), nicht hingegen die Gründe, die zu der Regelung geführt haben (vgl BSG 20.6.1984 7 RAr 91/83 = SozR 4100 § 112 Nr 23 mwN). Dies hat bei der Gewährung von Arbeitslosengeld grundsätzlich zur Folge, daß die Entscheidung über die Leistungsdauer bindend wird (vgl BSG 20.6.1984 aaO). Bei der Feststellung der Leistungsdauer handelt es sich nicht um die Begründung einer Entscheidung, sondern um das Ergebnis einer rechtlichen Wertung. Eine fehlerhafte Feststellung der Anspruchsdauer für das Arbeitslosengeld kann daher wegen der Bindungswirkung nach § 77 SGG unmittelbare Rechtswirkung hinsichtlich eines Anspruchs auf Unterhaltsgeld haben, da dieser Anspruch gemäß § 46 Abs 1 S 1 AFG ua den Bezug von Arbeitslosengeld mit einer bestimmten Anspruchsdauer voraussetzt. Diese Rechtswirkungen sind nur auf dem Wege über die Änderung der Feststellung durch die Beklagte zu beeinflussen, so daß dem Kläger gegen die Festsetzung der Anspruchsdauer des Arbeitslosengelds der Rechtsschutz auf die Klage zu gewähren ist, selbst wenn er damit zZt keine Änderung der Leistung von Arbeitslosengeld durch die Beklagte erstrebt.
2. Ein bestandskräftiger Verwaltungsakt entfaltet auch eine materielle Bindungswirkung, die im Falle eines Aufhebungsbescheides nicht nur die Entscheidung erfaßt, daß die früher ergangene Bewilligung aufgehoben wird, sondern auch die Feststellung, daß die materiellen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht vorgelegen haben (vgl BSG 27.1.1977 7 RAr 121/75 = SozR 1500 § 77 Nr 20). Diese zu § 151 Abs 1 AFG in der bis zum Inkrafttreten des SGB 10 (1. Januar 1981) geltenden Fassung (vgl Art 2 § 2 und Art 2 § 40 SGB 10) entwickelte Rechtsprechung hat auch hinsichtlich von Aufhebungsbescheiden, die nach dem SGB 10 ergangen sind, Geltung. Der Umfang der materiellen Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes bestimmt sich nach § 77 SGG, der nicht geändert worden ist. Als Folge der Bindungswirkung des § 77 SGG ergibt sich daher, daß das Stammrecht auf Arbeitslosengeld mit Wirksamwerden des Aufhebungsbescheides erlischt.
3. Anders als bei tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die es grundsätzlich gemäß § 163 SGG gebunden ist, kann das Revisionsgericht ua die Auslegung von Verwaltungsakten frei nachprüfen, weil es sich insoweit um die rechtliche Würdigung der Erklärung und die richtige Anwendung von Auslegungsgrundsätzen handelt (vgl BSG 1.3.1979 6 RKa 3/78 = BSGE 48, 56, 58 = SozR 2200 § 368a Nr 5). Das gilt jedenfalls dann, wenn der Verwaltungsakt aufgrund einer Rechtsnorm ergangen ist, deren Geltungsbereich sich über den Bereich des Berufungsgerichts hinaus erstreckt (§ 162 SGG).
4. Auch für die Sozialgerichtsbarkeit gilt der Grundsatz, daß eine Feststellung nicht begehrt werden kann, wenn der Kläger sein Klageziel durch Gestaltungs- und Leistungsklage erreichen kann (vgl BSG 16.3.1978 11 RK 9/77 = BSGE 46, 81, 84 = SozR 5420 § 3 Nr 7).
Normenkette
SGG §§ 77, 54, 55 Abs. 1 Nr. 1, §§ 162-163; AFG § 44 Abs. 2, § 46 Abs. 1, §§ 100, 104 Abs. 1, § 106 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von Unterhaltsgeld (Uhg) und die Feststellung, daß er einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Dauer von 234 Tagen erworben hat.
Er stand zunächst vom 4. August 1980 bis 22. Juli 1981 in einem befristeten Arbeitsverhältnis als Lehrer beim Land Nordrhein- Westfalen. Auf seinen Antrag vom 22. Juli 1981 bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 19. August 1981 Alg ab 23. Juli 1981 für eine Anspruchsdauer von 120 Tagen. In der ersten Hälfte des Monats August 1981 wurde das Arbeitsverhältnis rückwirkend über den 22. Juli 1981 hinaus bis zum 14. Juli 1982 verlängert. Am 28. August 1981 erklärte der Kläger gegenüber dem Arbeitsamt, durch eine im Nachhinein erfolgte Vertragsverlängerung sei er ohne Unterbrechung in einem Arbeitsverhältnis. Die beantragte und bewilligte Zahlung von Alg sei somit ohne rechtliche Grundlage. Bereits überwiesene Beträge werde er zurücküberweisen. Die Beklagte hob nunmehr mit Bescheid vom 1. September 1981 die Bewilligung des Alg mit Wirkung vom 23. Juli 1981 auf. Das gezahlte Alg in Höhe von 1.221,30 DM wurde mit Bescheid vom 30. November 1981 zurückgefordert und vom Kläger erstattet.
Nachdem das Arbeitsverhältnis des Klägers am 7. Februar 1982 beendet worden war und er sich am selben Tage arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hatte, bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 9. März 1982, den der Kläger nicht angefochten hat, diese Leistung ab 8. Februar 1982 für wiederum 120 Tage.
Auf das Begehren des Klägers, zu überprüfen, ob die Beschäftigung vom 4. August 1980 bis zum 7. Februar 1982 als geschlossene Einheit angesehen werden könne, hielt die Beklagte an der im Bescheid vom 9. März 1982 getroffenen Entscheidung fest, daß die Anspruchsdauer 120 Tage betrage (Bescheid vom 12. August 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 1983). Zur Begründung führte sie aus, bei der Prüfung der Anwartschaftszeit seien der Zeitraum vom 23. Juli 1978 bis 22. Juli 1981 und der vom 23. Juli 1981 bis 7. Februar 1982 wegen der Regelung des § 104 Abs 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gesondert zu betrachten. Durch die nachträgliche Vertragsverlängerung habe das Alg nach § 117 Abs 1 AFG geruht. Es habe erstattet werden müssen; deswegen sei jedoch der Leistungsanspruch nicht nachträglich weggefallen. Vielmehr habe dem Kläger ab 23. Juli 1981 Alg gewährt werden müssen. Mit Bescheid vom 2. Februar 1983 hatte die Beklagte das Alg ab 8. Februar 1982 erhöht.
Am 10. Mai 1982 hatte der Kläger die Förderung seiner Teilnahme an der beruflichen Bildungsmaßnahme "Umschulung zum Organisationsprogrammierer" beantragt, an der er von diesem Tage an bis zum 31. März 1983 teilnahm. Die Beklagte gab dem Antrag hinsichtlich der Leistungen nach § 45 AFG (Lehrgangsgebühren, Lernmittel, Fahrkosten) statt. Sie lehnte jedoch die Gewährung von Uhg ab, da der Kläger Alg nicht aufgrund eines Anspruchs von einer Dauer von mindestens 156 Tagen bezogen habe (Bescheid vom 25. Mai 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 1982). Ab 1. April 1983 war der Kläger als Programmierer beschäftigt.
Das Sozialgericht (SG) hat unter Zulassung der Berufung den Bescheid vom 12. August 1982 idF des Bescheides vom 2. Februar 1983 und den Widerspruchsbescheid vom 1. März 1983 aufgehoben sowie festgestellt, daß der Kläger am 8. Februar 1982 Anspruch auf Alg für 234 Tage hatte. Ferner hat es den Bescheid vom 25. Mai 1982 aufgehoben, den Widerspruchsbescheid vom 3. September 1982 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Dauer der Umschulungsmaßnahme Uhg als Zuschuß zu zahlen (Urteil vom 4. August 1983).
Durch Urteil vom 12. Dezember 1984 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage sei zulässig. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung des Umfangs seines Alg-Anspruchs. Mit der Anfechtungsklage allein habe er keine positive Feststellung der Anspruchsdauer erlangen können. Auf eine Leistungsklage, die frühestens nach einer Leistungsdauer von 120 Tagen in Betracht komme, könne er nicht verwiesen werden.
Die Voraussetzungen für einen Alg-Anspruch des Klägers seien ab 8. Februar 1982 gemäß § 100 AFG gegeben. Er erfülle insbesondere auch die Anwartschaftszeit nach § 104 AFG in der damals gültigen Fassung. Innerhalb der hier vom 7. Februar 1982 bis 8. Februar 1979 laufenden Rahmenfrist sei er insgesamt 544 Tage beitragspflichtig beschäftigt gewesen und habe nach § 106 Abs 1 Nr 2 AFG einen Anspruch auf Alg für 234 Tage erworben. Diese Rahmenfrist reiche nicht nach § 104 Abs 3 Halbs 2 AFG in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein. Zwar habe die mit Wirkung vom 23. Juli 1981 vorgenommene Arbeitslosmeldung des Klägers zunächst eine Rahmenfrist ausgelöst, die den Zeitraum vom 23. Juli 1978 bis zum 22. Juli 1981 umfasse; diese Rahmenfrist sei jedoch durch die einvernehmliche und vollständige Rückabwicklung des ursprünglich entstandenen Alg-Anspruchs wieder entfallen. Die Erklärung des Klägers vom 28. August 1981 enthalte sinngemäß die Rücknahme seines Antrages vom 22. Juli 1981 auf Bewilligung von Alg. Dem entspreche die von der Beklagten gewählte Form der Rückabwicklung entsprechend §§ 48, 50 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren (SGB 10). Für das Fortbestehen der ursprünglichen Rahmenfrist fehle es daher an der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg iS des § 104 Abs 2 AFG.
Dem Kläger sei auch für die Dauer der Umschulungsmaßnahme Uhg zu gewähren. Er habe vor Beginn der Maßnahme Alg aufgrund eines Anspruchs von einer Dauer von mindestens 156 Tagen bezogen. Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen seien unstreitig erfüllt.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 44, 46 Abs 1, 100, 104, 106 AFG, 48, 50 SGB 10. Sie ist der Ansicht, daß sie die Dauer des Anspruchs auf Alg gemäß § 106 AFG zu Recht auf 120 Tage festgesetzt habe und demzufolge auch kein Anspruch auf Uhg bestehe. Entgegen der vom LSG vertretenen Rechtsauffassung sei die am 28. August 1981 zur Niederschrift des Arbeitsamtes abgegebene Erklärung des Klägers nicht als Rücknahme seines Leistungsantrages vom 22. Juli 1981 anzusehen. Der Inhalt der Erklärung erschöpfe sich in der Mitteilung einer Weiterbeschäftigung, die der Kläger in Kenntnis seiner Mitwirkungspflicht nach § 60 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1) angezeigt habe. Eine einvernehmliche und vollständige Rückabwicklung des am 23. Juli 1981 entstandenen Alg-Anspruchs sei weder aus der widerspruchslosen Annahme der Rückzahlung noch aus der von ihr gewählten Form der Rückabwicklung entsprechend §§ 48, 50 SGB 10 abzuleiten. Eine längere Dauer des Anspruches auf Alg komme auch dann nicht in Betracht, wenn die Erklärung des Klägers als Antragsrücknahme zu bewerten sei. Zwar könne ein Antrag auf Alg zurückgenommen werden; soweit der Sozialleistungsträger, wie hier, bereits über den Antrag entschieden und Sozialleistungen gewährt habe, sei jedoch eine Rückabwicklung auf Grund einer Antragsrücknahme wegen der damit verbundenen Gefährdung der Vermögensinteressen des Leistungsträgers nicht mehr möglich. Auch durch einen Verzicht nach § 46 SGB 1 könne der Kläger keine längere Leistungsdauer bewirken.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts vom 12. Dezember 1984 und das Urteil des Sozialgerichts vom 4. August 1983 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er macht geltend, die bestandskräftige rückwirkende Aufhebung der Alg-Bewilligung beinhalte die Feststellung, daß er keinen Anspruch auf Alg erworben habe. Folglich sei der Ruhenstatbestand des § 117 AFG nicht gegeben, da dieser einen Anspruch auf Alg voraussetze.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist im wesentlichen unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens sind der Bescheid vom 25. Mai 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 1982 und der Bescheid vom 12. August 1982 in der Fassung vom 2. Februar 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 1983. Mit den zuerst genannten Bescheiden hat die Beklagte die Gewährung von Uhg abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Kläger mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG). Die zuletzt genannten Bescheide haben die Bewilligung von Alg zum Inhalt. Diese greift der Kläger mit der Anfechtungsklage nur insoweit an, als die Anspruchsdauer auf 120 Tage festgesetzt wurde. Er begehrt außerdem die Feststellung, daß er am 8. Februar 1982 Anspruch auf Alg für die Dauer von 234 Tagen hatte.
Die Anfechtungsklage gegen die zuletzt genannten Bescheide ist zulässig, was der Senat von Amts wegen zu prüfen hat, da es sich bei der Zulässigkeit der Klage um eine unverzichtbare Prozeßvoraussetzung handelt. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, daß der Bescheid vom 9. März 1982 vom Kläger nicht angefochten worden ist. Die nach den §§ 78, 87 SGG erforderlichen Sachurteilsvoraussetzungen sind dennoch gegeben. Die Beklagte hat über den Leistungsanspruch des Klägers durch Bescheid vom 12. August 1982 erneut sachlich entschieden und jedenfalls durch ihre Sachentscheidung in dem Widerspruchsbescheid vom 1. März 1983 den Klageweg eröffnet. Die Teilanfechtung erfaßt nur die Überprüfung der im Alg-Bewilligungsbescheid festgestellten Anspruchsdauer, da der Zweitbescheid vom 12. August 1982 hierauf inhaltlich begrenzt ist.
Der Kläger ist auch durch den Bescheid vom 12. August 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 1983 beschwert. Die in diesen Verwaltungsakten getroffene Regelung hat sich nicht durch Zeitablauf erledigt, weil der Kläger aus dem Alg-Bezug ausgeschieden war und seit dem Mai 1982 an einer Umschulungsmaßnahme teilgenommen hatte. Von der Dauer des Alg-Bezuges hängt die Gestaltung eines anderen Rechtsverhältnisses ab, nämlich der Anspruch des Klägers auf Uhg.
Nach § 77 SGG wird der Verwaltungsakt für die Beteiligten bindend, wenn der gegen ihn gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist, was hier nicht der Fall ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfaßt die Bindungswirkung eines Bescheides grundsätzlich dessen Verfügungssatz (Verfügungssätze), nicht hingegen die Gründe, die zu der Regelung geführt haben (vgl BSG SozR 4100 § 112 Nr 23 mwN). Dies hat bei der Gewährung von Alg grundsätzlich zur Folge, daß die Entscheidung über die Leistungsdauer bindend wird (BSG SozR 4100 § 112 Nr 23 und § 136 Nr 4). Bei der Feststellung der Leistungsdauer handelt es sich nicht um die Begründung einer Entscheidung, sondern um das Ergebnis einer rechtlichen Wertung. Eine fehlerhafte Feststellung der Anspruchsdauer für das Alg kann daher wegen der Bindungswirkung nach § 77 SGG unmittelbare Rechtswirkung hinsichtlich eines Anspruchs auf Uhg haben, da dieser Anspruch gemäß § 46 Abs 1 Satz 1 AFG ua den Bezug von Alg mit einer bestimmten Anspruchsdauer voraussetzt. Diese Rechtswirkungen sind nur auf dem Wege über die Änderung der Feststellung durch die Beklagte zu beeinflussen, so daß dem Kläger gegen die Festsetzung der Anspruchsdauer des Alg der Rechtsschutz auf die Klage zu gewähren ist, selbst wenn er damit zur Zeit keine Änderung der Leistung von Alg durch die Beklagte erstrebt.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Das von der Beklagten ab 8. Februar 1982 bewilligte Alg entsprach hinsichtlich seiner Dauer nicht der damaligen Rechtslage. Darüber hinaus sind gemäß §§ 46 Abs 1, 44 AFG die Voraussetzungen für die Gewährung von Uhg erfüllt.
Die Dauer des Anspruches auf Alg richtet sich gemäß § 106 Abs 1 Satz 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz -AFKG- vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) nach der Dauer der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung innerhalb der Rahmenfrist. Gemäß § 104 Abs 2 AFG geht die Rahmenfrist dem ersten Tage der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind oder nach § 105 AFG als erfüllt gelten. Sie beträgt drei Jahre und reicht nicht in eine vorausgegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte (§ 104 Abs 3 AFG). Hiernach umfaßte die Rahmenfrist für den jetzt geltend gemachten Anspruch die Zeit vom 7. Februar 1982 bis 8. Februar 1979. Diese Rahmenfrist reicht nicht - wie das LSG im Ergebnis zutreffend erkannt hat - in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Kläger eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte.
Die Anwartschaftszeit hat gemäß § 104 Abs 1 AFG erfüllt, wer in der Rahmenfrist eine bestimmte Zahl von Kalendertagen in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden hat. In der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Fassung des § 104 Abs 2 AFG waren dies 180 Kalendertage und ab 1. Januar 1982 360 Kalendertage. Durch die Arbeitslosmeldung und Antragstellung des Klägers am 22. Juli 1981 war daher eine Anwartschaft auf Alg entstanden, deren Rahmenfrist vom 23. Juli 1978 bis zum 22. Juli 1981 reichte. Auch die übrigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg ab 23. Juli 1981 waren gegeben. Der Kläger stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung und war arbeitslos iS des § 101 Abs 1 Satz 1 AFG. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG war der am 1. August 1980 abgeschlossene Arbeitsvertrag bis zum 22. Juli 1981 befristet, dh, daß zu diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis automatisch endete (Schaub, Arbeitsrecht-Handbuch, 5. Aufl, § 40 IV; BAG AP Nr 2 zu § 620 BGB, befristete Arbeitsverträge). Folglich würde die Rahmenfrist des am 8. Februar 1982 entstandenen Alg-Anspruches aufgrund der Regelung des § 104 Abs 3 AFG lediglich den Zeitraum vom 23. Juli 1981 bis zum 7. Februar 1982 erfassen. In diesem siebenmonatigen Zeitraum war die Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung von 360 Kalendertagen nicht möglich, die für die Erfüllung einer neuen Anwartschaftszeit gemäß § 104 Abs 1 AFG erforderlich ist, so daß dem Kläger Alg nur aufgrund der alten Anwartschaft und der daraus resultierenden Anspruchsdauer von 120 Tagen (§ 106 Abs 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Fassung) zu gewähren wäre. Die Bewilligung des Alg aufgrund der Arbeitslosmeldung vom 22. Juli 1981 hat jedoch keine rechtliche Wirkung mehr, so daß die Rechtsfolge des § 104 Abs 3 Halbsatz 2 AFG nicht eintreten kann.
Ob dies bereits deshalb der Fall ist, weil, wie das LSG meint, der Kläger die Rücknahme seines am 22. Juli 1981 gestellten Antrages auf Alg am 28. August 1981 erklärt hat und darauf eine Rückabwicklung des Anspruches erfolgt ist, kann dahinstehen. Dagegen könnte sprechen, daß der Antrag auf Alg grundsätzlich nur bis zum Wirksamwerden der auf ihm beruhenden Verwaltungsentscheidung zurückgenommen werden kann (s Urteil des Senats vom 17. April 1986 - 7 RAr 41/84 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Auf jeden Fall ist mit der Bekanntgabe des Bescheides vom 1. September 1981 davon auszugehen, daß der Kläger aufgrund des Antrages vom 22. Juli 1981 für die Zeit ab 23. Juli 1981 niemals einen Anspruch auf Alg gehabt hat.
Mit seiner Bekanntgabe ist der Bescheid vom 1. September 1981 wirksam geworden, und zwar mit dem Inhalt, mit dem er dem Kläger bekanntgegeben worden ist (§ 39 Abs 1 SGB 10). Da der Kläger gegen den Bescheid keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, ist der Bescheid für die Beteiligten auch in der Sache bindend geworden (§ 77 SGG). Nach der Rechtsprechung des Senats entfaltet ein bestandskräftiger Verwaltungsakt auch eine materielle Bindungswirkung, die im Falle eines Aufhebungsbescheides nicht nur die Entscheidung erfaßt, daß die früher ergangene Bewilligung aufgehoben wird, sondern auch die Feststellung, daß die materiellen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht vorgelegen haben (BSG SozR 1500 § 77 Nr 20; BSGE 45, 38, 45 = SozR 4100 § 40 Nr 17; BSGE 46, 20, 22 = SozR 4100 § 117 Nr 2). Diese zu § 151 Abs 1 AFG in der bis zum Inkrafttreten des SGB 10 (1. Januar 1981) geltenden Fassung (vgl Art 2 § 2 und Art 2 § 40 SGB 10) entwickelte Rechtsprechung hat auch hinsichtlich von Aufhebungsbescheiden, die nach dem SGB 10 ergangen sind, Geltung. Der Umfang der materiellen Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes bestimmt sich nach § 77 SGG, der nicht geändert worden ist. Als Folge der Bindungswirkung des § 77 SGG ergibt sich daher, daß das Stammrecht des Klägers auf Alg mit Wirksamwerden des Aufhebungsbescheides erloschen ist.
Diese Rechtsfolge würde möglicherweise nicht eintreten, wenn die Beklagte im Falle einer nachträglichen Änderung der maßgeblichen Verhältnisse ihren Aufhebungsbescheid auf den Eintritt des Ruhenstatbestandes nach § 117 Abs 1 AFG gestützt hätte. Hiervon ist das LSG bei seiner Entscheidung ausgegangen. Es hat ausdrücklich ausgeführt, die Beklagte habe mit dem Bescheid vom 1. September 1981 die Bewilligung des Alg ab 23. Juli 1981 mit der Begründung aufgehoben, der Kläger habe einen durchgehenden Anspruch auf Arbeitsentgelt gemäß § 117 Abs 1 AFG gehabt. Diese Ausgangslage des LSG ist jedoch unzutreffend, wie eine Überprüfung der vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung der in dem Bescheid vom 1. September 1981 enthaltenen Willenserklärungen ergibt.
Das Revisionsgericht ist zu einer solchen Überprüfung befugt. Anders als bei tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die es grundsätzlich gemäß § 163 SGG gebunden ist, kann das Revisionsgericht ua die Auslegung von Verwaltungsakten frei nachprüfen, weil es sich insoweit um die rechtliche Würdigung der Erklärung und die richtige Anwendung von Auslegungsgrundsätzen handelt (BSGE 48, 56, 58 = SozR 2200 § 368a Nr 5). Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - der Verwaltungsakt aufgrund einer Rechtsnorm ergangen ist, deren Geltungsbereich sich über den Bereich des Berufungsgerichts hinaus erstreckt (§ 162 SGG).
Nach dem Verfügungssatz des Bescheides vom 1. September 1981 wurde die Bewilligung des Alg wegen des Fehlens der Voraussetzungen nach §§ 100, 101 AFG aufgehoben. Als Grund für die Entscheidung wird eine Arbeitsaufnahme des Klägers ab 23. Juli 1981 angeführt. Angesichts des eindeutigen Wortlautes konnte daher der Empfänger diese Erklärung nur dahingehend verstehen, daß sein Anspruch auf Alg wegen Nichterfüllung der Anspruchsvoraussetzung "Arbeitslosigkeit" von Anfang an nicht bestanden hat. Einen Hinweis auf § 117 Abs 1 AFG, von dem das LSG ausgegangen ist, enthält der Bescheid nicht. Als Folge der Bindungswirkung nach § 77 SGG ergibt sich daher, daß das Stammrecht des Klägers auf Alg mit Wirksamwerden des Aufhebungsbescheides erloschen ist. Folglich reicht die Rahmenfrist des am 8. Februar 1982 entstandenen Alg- Anspruches nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Kläger eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte. In der Rahmenfrist vom 7. Februar 1982 bis zum 8. Februar 1979 war der Kläger daher insgesamt 544 Tage in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis und hat damit gemäß § 106 Abs 1 Nr 2 AFG idF des AFKG einen Anspruch auf Alg von 234 Tagen erworben. Die Bescheide vom 12. August 1982 und 2. Februar 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 1983 sind daher rechtswidrig.
Das gilt auch für den Bescheid vom 25. Mai 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 1982. Der Kläger hat auch für die Dauer der Umschulungsmaßnahme einen Anspruch auf Zahlung von Uhg nach § 44 Abs 2 iVm § 46 Abs 1 AFG. Gemäß § 46 Abs 1 AFG wird Uhg gewährt, sofern der Antragsteller innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Maßnahme mindestens zwei Jahre lang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt oder Alg aufgrund eines Anspruches von einer Dauer von mindestens 156 Tagen oder im Anschluß daran Arbeitslosenhilfe (Alhi) bezogen hat. Hier hat der Kläger Alg aufgrund eines Anspruches von einer Dauer von mindestens 156 Tagen bezogen. Wie bereits dargelegt wurde, umfaßt der Alg-Anspruch des Klägers eine Dauer von 234 Tagen, so daß die Voraussetzungen des § 46 Abs 1 AFG gegeben sind. Wie das LSG unangegriffen festgestellt hat, sind auch die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung von Uhg als Zuschuß erfüllt.
Die Feststellungsklage ist unzulässig, was - wie bereits ausgeführt wurde - von Amts wegen zu beachten ist. Ihr fehlt das Feststellungsinteresse. Der Antrag des Klägers, festzustellen, daß er am 8. Februar 1982 Anspruch auf Alg für 234 Tage hatte, zielt auf eine Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG. Hiernach kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat. Das ist hier nicht der Fall. Auch für die Sozialgerichtsbarkeit gilt der Grundsatz, daß eine Feststellung nicht begehrt werden kann, wenn der Kläger sein Klageziel durch Gestaltungs- und Leistungsklage erreichen kann (BSGE 46, 81, 84 = SozR 5420 § 3 Nr 7). Zur Gestaltungsklage gehört die Anfechtungsklage, die der Kläger gegen den Bescheid vom 12. August 1982 erhoben hat. Damit erreicht er, daß die von der Beklagten getroffene Feststellung der Dauer des Anspruches auf Alg aufgehoben wird. Der darüber hinaus begehrten gesonderten Feststellung der Anspruchsdauer steht entgegen, daß der Kläger das Klageziel bereits mit der von ihm erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklage wegen der Gewährung von Uhg erreichen kann. Er kann nur dann einen Anspruch auf Uhg haben, wenn er sein Alg aufgrund eines Anspruches von einer Dauer von mindestens 156 Tagen bezogen hat. Das hängt im vorliegenden Falle wiederum davon ab, ob die Rahmenfrist vom 7. Februar 1982 bis 8. Februar 1979 lief. Wenn das hier zutrifft, dann beträgt die Dauer des Alg auf jeden Fall 234 Tage (§ 106 Abs 1 Nr 2 AFG), da der Kläger dann innerhalb der Rahmenfrist Beschäftigungszeiten von mindestens 540 Kalendertagen zurückgelegt hat. Unerheblich ist entgegen der Ansicht des LSG, daß es sich im vorliegenden Falle zunächst um zwei getrennte Rechtsstreitigkeiten gehandelt hat, die das SG verbunden hat. Auch mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gegen den Widerspruchsbescheid vom 3. September 1982 allein konnte der Kläger das mit der Feststellungsklage erstrebte Ziel erreichen, da die hierfür erforderliche Anspruchsdauer im vorliegenden Falle Voraussetzung für den Anspruch auf Uhg war.
Nach allem kann die Revision der Beklagten nur insoweit Erfolg haben, als auf ihre Berufung die Feststellungsklage abzuweisen ist. Im übrigen muß die weitergehende Revision zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen