Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsunfähigkeits-/Erwerbsunfähigkeitsrente. Wartezeit. Ersatzzeiten. Versicherungslastverteilung. Doppel- und Mehrstaater
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Stellung sogenannter Doppel- oder Mehrstaater im zwischenstaatlichen Rentenversicherungsrecht.
2. Die Auslegung von Art 1 des Deutsch-Jugoslawischen Sozialversicherungsvertrags (SVVtr YUG) vom 10.3.1956 dahin, daß die Versicherungslastverteilung auch auf Doppel- oder Mehrstaater dem Wortlaut getreu anzuwenden ist, verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 und Art 14 GG.
Normenkette
SVVtr YUG Art. 1 Fassung: 1956-03-10; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU) ab 1. März 1979 zusteht.
Der 1926 in D. geborene Kläger lebte bis 1947 im Gebiet der späteren Bundesrepublik Deutschland bei seinen Eltern, die beide aus Slowenien stammten, aber seit 1941 die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen. Nach dem Besuch der Volksschule meldete er sich im Juli 1941 freiwillig zur deutschen Wehrmacht und kam zu einer bis August 1944 dauernden Ausbildung an die Unteroffiziersschule I der Luftwaffe in D., Kreis L. Nach dreimonatiger Reichsarbeitsdienst (RAD)-Zeit war er als Angehöriger einer Fallschirmjägerdivision ua im Kriegseinsatz an der Westfront und in Italien, wo er in Gefangenschaft geriet. Er wurde am 1. September 1945 nach W. /N. entlassen. Dort war er vom 15. Oktober 1945 bis 15. September 1947 als Schneiderlehrling versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend siedelte er nach Jugoslawien über. Seitdem hat er dort seinen ständigen Wohnsitz. Er ist Staatsbürger der Sozialistischen Republik Slowenien und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. In Jugoslawien war er vom 15. Oktober 1948 bis 28. März 1983 versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt seit 27. Februar 1979 als Leiter des Lagers der Tabakfabrik L.
Mit Bescheid vom 20. Juni 1983 erkannte der jugoslawische Versicherungsträger Invalidität der I. Kategorie nach jugoslawischem Recht an und bewilligte ab 29. März 1983 die entsprechenden Rentenleistungen.
Den Rentenantrag des Klägers vom Februar 1979 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Dezember 1979 ab. Die Wartezeit sei nicht erfüllt, da keine nach deutschem Recht anrechenbaren Versicherungszeiten vorhanden seien. Die nachgewiesenen Beitragszeiten von Oktober 1945 bis September 1947 seien gemäß Art 1 Abs 1 Buchst b des deutsch-jugoslawischen Vertrages vom 10. März 1956 in die jugoslawische Versicherungslast übergegangen. Der Widerspruch des Klägers hiergegen blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 4. November 1980).
Das Sozialgericht (SG) wies die Klage durch Urteil vom 25. Mai 1982 ab. Es stützte sich ebenfalls auf Art 1 Abs 1 Buchst b des deutsch-jugoslawischen Vertrages vom 10. März 1956. Der Umstand, daß der Kläger möglicherweise auch die deutsche Staatsangehörigkeit besessen habe, ändere an der Beurteilung nichts, da es bei sogenannten Doppelstaatern entscheidend auf den ständigen Wohnsitz am 1. Januar 1956 ankomme. Von der Versicherungslastregelung seien auch Ersatzzeiten erfaßt.
Der Berufung des Klägers gegen dieses Urteil gab das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 15. Dezember 1988 teilweise statt und ließ die Revision zu. Auf die von der Beklagten eingelegte Revision hob das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 6. März 1991 das Urteil des LSG vom 15. Dezember 1988 wegen Verletzung der auch im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwendenden Vorschrift des § 551 Nr 7 der Zivilprozeßordnung (ZPO) auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Mit Urteil vom 1. August 1991 änderte das LSG auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG sowie die Bescheide der Beklagten vom 4. Dezember 1979 und 4. November 1980 ab und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger ab 1. Juli 1985 dem Grunde nach Rente wegen EU zu gewähren, sofern er die zur Erhaltung der Anwartschaft nach Art 2 § 6 Abs 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1984 erforderlichen Mindestbeträge innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft des Berufungsurteils an die Beklagte zahle. Im übrigen wies es die Berufung zurück. Ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für die Zeit vom 1. März 1979 bis 30. Juni 1985 stehe dem Kläger nicht zu, weil die Versicherungsfälle der BU und EU erst im Juni 1985 eingetreten seien. Die Beitragsentrichtung während seiner Lehrzeit als Schneiderlehrling begründe für ihn keinen Berufsschutz als qualifizierter Facharbeiter, vielmehr sei er nach seinem beruflichen Werdegang als ungelernter Arbeiter einzustufen. Durch gesundheitliche Gründe sei er bis Juni 1985 nicht gehindert gewesen, auf dem für ihn maßgebenden Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Einer uneingeschränkten Verurteilung der Beklagten zur Rentengewährung stünde allerdings entgegen, daß der Kläger noch nicht die Voraussetzungen der §§ 1246 Abs 1 und 2a, 1247 Abs 2a der Reichsversicherungsordnung (RVO) erfülle. Die von ihm nach jugoslawischem Recht zurückgelegten Beitragszeiten erreichten für sich allein nicht die vorgeschriebene Mindestzahl von 36 Kalendermonaten. Aufschubtatbestände iS von § 1246 Abs 2a Satz 2 RVO seien nicht gegeben, insbesondere stelle der Bezug der jugoslawischen Invaliditätsrente keinen solchen Aufschubtatbestand dar.
Bisher lasse sich der streitige Anspruch auch nicht aus Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG herleiten. Die hiernach für das Kalenderjahr 1984 erforderlichen zwölf freiwilligen Monatsbeiträge seien noch nicht entrichtet, könnten allerdings gemäß § 1418 Abs 1 RVO nachentrichtet werden. § 1419 Abs 1 RVO stehe dem nicht entgegen. Die Nachentrichtung werde auch nicht durch zwischenstaatliches Recht gehindert. Aufgrund der Gleichstellungsvorschrift des Art 3 Abs 1 des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens könnten jugoslawische Staatsangehörige freiwillige Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichten. Ob dies eine am 31. Dezember 1983 bestehende Anwartschaft auf Leistungen wegen BU oder EU nach §§ 1246, 1247 RVO voraussetze, könne im Ergebnis offenbleiben, da es sich bei den vom Kläger vor dem 1. Januar 1956 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten um nach deutschen Rechtsvorschriften anrechenbare Versicherungszeiten iS von Art 25 Abs 1 des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens handele.
Bei der Anwendung des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung vom 10. März 1956 (BGBl II 1958 S 170) sei darauf abzustellen, daß der Kläger neben der jugoslawischen Staatsangehörigkeit auch die deutsche Staatsangehörigkeit besessen habe und noch besitze. Als derartiger sogenannter Doppelstaater werde er von der Regelung des Art 1 Abs 1 Buchst b des Vertrages aus dem Jahr 1956 nicht erfaßt. Für seinen Rentenanspruch gegen den deutschen Sozialversicherungsträger sei, da es sich hierbei um eine Rechtsbeziehung aus dem Bereich des öffentlichen Rechts handele, seine deutsche Inlandsstaatsangehörigkeit maßgebend. Die insbesondere im Internationalen Privatrecht angewendete Lehre vom Vorrang der "effektiven Staatsangehörigkeit" könne nicht angewendet werden. Der aus diesem Vorrang der deutschen Staatsangehörigkeit zu ziehenden Folgerung, daß die Beklagte verpflichtet sei, an den Kläger die Leistungen zu erbringen, welche ihm in Anwendung des deutschen Rechts zustünden, stehe auch nicht der Umstand entgegen, daß der jugoslawische Versicherungsträger die Versicherungszeiten von Oktober 1945 bis September 1947 durch Bescheid vom März 1987 in die jugoslawische Versicherungslast übernommen und bei der Bemessung der an den Kläger gezahlten jugoslawischen Rente berücksichtigt habe.
Die Beklagte hat dieses Urteil mit der vom LSG zugelassenen Revision angefochten. Sie rügt eine Verletzung materiellen Rechts und trägt dazu erneut ihre schon früher vertretene Auffassung vor, daß für die Anwendung des deutschjugoslawischen Vertrages aus dem Jahre 1956 auf Mehrstaater die Lehre von der effektiven Staatsangehörigkeit maßgebend sei.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 1. August 1991 |
abzuändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des |
Sozialgerichts Landshut vom 25. Mai 1982 in vollem Umfang |
zurückzuweisen. |
Der Kläger hat sich zur Sache nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die kraft Zulassung durch das LSG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete und damit zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht auch für die Zeit ab 1. Juli 1985 kein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Rente wegen EU (oder BU) zu. Das LSG hat insoweit zu Unrecht das klageabweisende Urteil des SG abgeändert und die Beklagte unter dem Vorbehalt der Nachentrichtung von Beiträgen für das Jahr 1984 zur Gewährung von Rente wegen EU verurteilt. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG ist auch in dieser Beziehung zurückzuweisen.
Nach den mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht angegriffenen und daher für den erkennenden Senat gemäß § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Versicherungsfall der EU beim Kläger im Juni 1985 eingetreten. Ein Anspruch auf Gewährung von Rente wegen EU/BU steht dem Kläger aufgrund dieses Versicherungsfalles weder nach §§ 1246, 1247 RVO in der ab 1. Januar 1984 geltenden Fassung - nF - (oder den, soweit hier bedeutsam damit übereinstimmenden Regelungen des SGB VI) noch in der bis zum 31. Dezember 1983 geltenden Fassung (aF) zu.
Gemäß §§ 1246 Abs 1, 1247 Abs 1 RVO nF erhält Rente wegen BU bzw EU der Versicherte, der berufs- oder erwerbsunfähig ist und zuletzt vor Eintritt der BU bzw EU eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat, wenn die Wartezeit erfüllt ist. Nach § 1246 Abs 2a RVO nF, der gemäß § 1247 Abs 2a RVO nF für den Versicherungsfall der EU entsprechend anzuwenden ist, ist eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit zuletzt vor Eintritt der BU bzw EU ausgeübt worden, wenn
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1. von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der BU bzw EU |
mindestens 36 Kalendermonate mit Beiträgen für eine |
versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind oder |
2. die BU bzw EU aufgrund einer der in § 1252 RVO genannten |
Tatbestände eingetreten ist. |
Nach §§ 1246 Abs 1, 1247 Abs 1 RVO aF erhält Rente wegen BU bzw EU der Versicherte, der berufs- bzw erwerbsunfähig ist, wenn die Wartezeit erfüllt ist. Diese Regelung ist noch auf Versicherungsfälle, die wie beim Kläger im Jahr 1985 eingetreten sind, gemäß Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG anzuwenden, wenn der Versicherte
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1. vor dem 1. Januar 1984 eine Versicherungszeit von 60 |
Kalendermonaten zurückgelegt hat und |
2. jeden Kalendermonat in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum Ende des |
Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalles mit Beiträgen oder |
den bei der Ermittlung der 60 Kalendermonate nach § 1246 Abs 2a RVO nF |
nicht mitzuzählenden Zeiten belegt hat. |
Die Anwendung sowohl der einen als auch der anderen Vorschriftengruppe zugunsten des Klägers scheitert daran, daß er die erforderliche Wartezeit, dh eine "Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten", wie sie §§ 1246 Abs 3, 1247 Abs 3 Buchst a RVO aF und nF und Art 2 § 6 Abs 2 Satz 1 ArVNG übereinstimmend vorschreiben, nicht zurückgelegt hat. Die Zeiten seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung als Schneiderlehrling von Oktober 1945 bis September 1947 sowie die vorangegangene Zeit seiner Zugehörigkeit zum RAD und zur deutschen Wehrmacht mit anschließender Kriegsgefangenschaft können ihm nicht als "anrechnungsfähige Versicherungszeiten" iS von § 1250 Abs 1 Buchst a und b RVO gutgebracht werden.
Die Beitragszeiten der Jahre 1945 bis 1947 wurden durch den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung vom 10. März 1956 (BGBl II 1958, 170) in die jugoslawische Versicherungslast übernommen, als seien sie dort zurückgelegt worden. Der Träger der deutschen Sozialversicherung wurde nach Art 3 Buchst a des Vertrages im Gegenzug von allen Verpflichtungen daraus befreit. Damit schieden alle betroffenen Beitragszeiten als anrechnungsfähige Versicherungszeiten iS von § 1251 Abs 1 Buchst a RVO aus. Hiervon werden - wie noch dargelegt wird - auch die vom Kläger in Deutschland zurückgelegten Beitragszeiten erfaßt.
Als Folge dieser Verlagerung der Beitragszeiten in die jugoslawische Versicherungslast können auch die Zeiten beim RAD, die Wehrmachtszugehörigkeit und die Kriegsgefangenschaft des Klägers nicht mehr als Ersatzzeiten gemäß § 1251 Abs 1 Buchst b RVO berücksichtigt werden, da die in § 1251 Abs 2 RVO normierten Voraussetzungen für eine solche Anrechnung nicht erfüllt sind. Der Kläger war vor diesen Zeiten nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen; eine sog Vorversicherung gemäß § 1251 Abs 2 Satz 1 RVO bestand somit nicht. Von der Ausnahmeregelung des § 1251 Abs 2 Satz 2 RVO, wonach eine Anrechnung auch ohne vorhergehende Versicherungszeiten möglich ist, kommt allein der Tatbestand des Buchst a in Betracht. Dieser ist jedoch ebenfalls nicht erfüllt. Bei der dort vorausgesetzten Aufnahme einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit drei Jahre nach Beendigung der Ersatzzeit muß es sich um eine in der deutschen Rentenversicherung versicherungspflichtige Tätigkeit gehandelt haben, für die auch Beiträge entrichtet wurden (BSGE 16, 284; 20, 184, 231). Als solche könnte beim Kläger allein seine Zeit als Schneiderlehrling in Betracht kommen. Gerade diese ist aber aufgrund der zuvor dargelegten zwischenstaatlichen Versicherungslastregelung im Vertrag von 1956 für die deutsche Rentenversicherung nicht mehr zu berücksichtigen.
Der Kläger vertritt allerdings die Auffassung, daß er als Doppelstaater von den Regelungen des Vertrages nicht erfaßt werde. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Nach Art 1 Abs 1 Buchst b des genannten Vertrages wurden erfaßt "alle Anwartschaften und Ansprüche aus den genannten Sozialversicherungen von jugoslawischen Staatsangehörigen, die am 1. Januar 1956 ihren ständigen Wohnsitz im Gebiet der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien hatten, soweit diese Anwartschaften und Ansprüche aufgrund der bis 1. Januar 1956 in der deutschen Sozialversicherung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland oder im Land Berlin zurückgelegten Versicherungszeiten (Beitrags- und Ersatzzeiten) erwachsen sind". Der Kläger erfüllt alle Merkmale dieser Regelung. Nach den unangegriffenen und damit gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ist er seit 1948 Staatsbürger der Sozialistischen Republik Slowenien und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien und hatte am 1. Januar 1956 seinen ständigen Wohnsitz in Jugoslawien. Die hier erheblichen Versicherungszeiten in der deutschen Sozialversicherung lagen in der Zeit vor dem 1. Januar 1956. Der vom Berufungsgericht - ebenfalls verbindlich - festgestellte Umstand, daß der Kläger an dem genannten Stichtag zugleich auch die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, steht der Anwendung des Vertrages von 1956 mit der angeführten Rechtsfolge nicht entgegen. Für einen derartigen Doppelstaater ist bei der Anwendung des Vertrages auf diejenige Staatsangehörigkeit abzustellen, die dem ständigen Wohnsitz des Betreffenden am 1. Januar 1956 entsprach, dh bei einem Deutsch-Jugoslawen mit Wohnsitz in Deutschland die deutsche Staatsangehörigkeit, bei einem Deutsch-Jugoslawen mit Wohnsitz in Jugoslawien die jugoslawische Staatsangehörigkeit.
Es ist allerdings umstritten, ob die Versicherungslastregelung des Art 1 des genannten Vertrages von 1956 auf Doppelstaater überhaupt anzuwenden ist. In der Rechtsprechung der LSGe ist dies verneint worden. So hat das LSG für das Land Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 9. Juni 1964 (L 15 KnU 27/62) die Auffassung vertreten, der Vertrag enthalte für Doppelstaater keine Regelung. Eine ausweitende Anwendung seiner Vorschriften auf Deutsch-Jugoslawen sei nicht möglich, weil der Vertrag von vornherein keine umfassende Regelung der deutsch-jugoslawischen Forderungen aus der Sozialversicherung habe treffen wollen. Das Bayerische LSG sah im Urteil vom 4. Dezember 1985 (L 14 Ar 483/85) daneben den Zweck des Vertrages unter Hinweis auf dessen Einleitungssatz darin, einen Ausgleich dafür zu schaffen, daß der jeweilige Vertragsstaat für Versicherungszeiten aufzukommen habe, für die sich der Versicherte selbst nicht an den anderen Staat wenden könne oder weil Ruhensvorschriften der Auszahlung von Rentenleistungen entgegenstünden. Bei deutschen Staatsangehörigen träten aber schon aufgrund der deutschen Rechtsvorschriften keine Zahlungsausfälle bei Auslandsaufenthalt ein, so daß für diesen Personenkreis ein Regelungsbedarf im Vertrag nicht bestehe. Im Erlaß vom 28. Dezember 1970 (IVb 7-4196-Juva/1969) vertrat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) die Auffassung, einer Anwendung des Vertrages auf Doppelstaater stehe Art 3 des Grundgesetzes (GG) entgegen. Denn im Vergleich zu (Nur-)Deutschen in Jugoslawien, die nach ihrer Rückkehr in die Bundesrepublik Ansprüche aus ihrer deutschen Versicherungszeit geltend machen könnten, seien die Deutschen schlechter behandelt, die gleichzeitig Jugoslawen seien und daher bei Anwendung des Vertrages ihre deutschen Zeiten verlören.
Für eine Anwendung des Vertrages auf Doppelstaater haben sich demgegenüber Schwarz (Die Bedeutung des deutsch-jugoslawischen Vertrages über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung für die Rentenversicherung, BABl 1960, 59, 60) und der frühere Erlaß des BMA vom 5. Juli 1960 (IVb 7-4120.9-2493/60) ausgesprochen. Zur Anwendung des Vertrages im selben Sinn führt auch die Auffassung, nach der in den Fällen des Doppel- und Mehrstaaters auf die sogenannte "effektive Staatsangehörigkeit" abzustellen, dh die Staatsangehörigkeit entscheidend ist, mit der der Betreffende am engsten verbunden ist (Koch/Hartmann, Die Rentenversicherung im Sozialgesetzbuch - Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Stichwort Jugoslawien, Vertrag vom 10. März 1956 Anm 2.13 zu Art 1). Damit wird eine Meinung aufgenommen, die im allgemeinen internationalen Vertragsrecht zu der Frage, wie Mehrstaater bei der Anwendung von staatsangehörigkeitsabhängigen Abkommen zu behandeln sind, vertreten wird (vgl Kammann, Probleme mehrfacher Staatsangehörigkeit, 1984, S 179 ff; Koch/Hartmann aaO Allgemeiner Teil Anm 3.2., jeweils mit weiteren Nachweisen). Der erkennende Senat teilt im Ergebnis diesen gedanklichen Ansatz.
Welchen Regelungsgehalt Art 1 des Vertrages von 1956 hat, ist in erster Linie seinem Wortlaut zu entnehmen. Denn bei der Auslegung zwischenstaatlicher Abkommen kommt dem Vertragstext im allgemeinen eine größere Bedeutung zu als dem Wortlaut eines Gesetzes bei der Auslegung innerstaatlichen Rechts (s BSGE 36, 125, 126 = SozR Nr 16 zu § 1303 RVO; BSGE 39, 284, 287 = SozR 2200 § 1303 Nr 3; BSG SozR 3-5870 § 2 Nr 11). Damit sind die Grenzen der Auslegung eng gezogen. Das schließt allerdings eine Heranziehung anderer Auslegungskriterien nicht aus. So kann daneben - mit Zurückhaltung - auch der Wille der Vertragspartner zu berücksichtigen sein, wie er sich aus Entstehung, Inhalt und Zweck des Vertrages und der auszulegenden Einzelbestimmung ergibt (BSGE 55, 131, 134 = SozR 6555 Art 26 Nr 1; BSG SozR 3-5870 § 2 Nr 11).
Nach seinem Wortlaut stellt Art 1 des Vertrages jeweils nur auf eine Staatsangehörigkeit und den damit übereinstimmenden ständigen Wohnsitz ab, dh in Buchst a auf die deutsche, in Buchst b auf die jugoslawische Staatsangehörigkeit und den Wohnsitz in Deutschland bzw Jugoslawien. Eine ergänzende Formulierung dahin, daß hierunter bloß solche Personen zu verstehen sind, die nur die deutsche oder nur die jugoslawische Staatsangehörigkeit haben, enthält der Vertragstext nicht. Vom Wortlaut her sind demzufolge alle Personen erfaßt, die deutsche oder jugoslawische Staatsangehörige zum Stichzeitpunkt waren, gleichgültig, ob sie daneben noch die Staatsangehörigkeit des jeweils anderen Vertragsstaates hatten oder nicht.
Die Überlegung, ob für Doppelstaater aus dem Sinn des Vertrages eine andere Regelung, nämlich die Nichtanwendbarkeit des Abkommens, abzuleiten ist, zielt aus dieser Sicht auf eine Interpretation, die den Regelungsgehalt gegenüber dem Wortlaut einschränkt und nicht etwa - wie in den beiden angeführten LSG-Entscheidungen angenommen - erweitert. Entstehung, Inhalt und Zweck des Vertrages geben für eine derartige Einschränkung aber keinen Anhalt, sondern stützen im Gegenteil die wortlautgetreue Interpretation.
Gegen eine restriktive Auslegung spricht bereits der Umstand, daß zwischen den Vertragsparteien keine Übereinstimmung über einen Personenkreis der Doppelstaater nach Art des Klägers bestand und damit sowohl Motivation wie gedankliche Grundlage dafür fehlten, insofern eine spezifische - vom Vertragstext abweichende - Regelung zu treffen. Der Kläger wurde durch eine Sammeleinbürgerung nach § 1 Satz 1 Nr 1 der "Verordnung über den Erwerb der Staatsangehörigkeit in den Gebieten der Untersteiermark, Kärntens und Krains" vom 14. Oktober 1941 antragsunabhängig Deutscher. Hintergrund hierzu war, daß Hitler nach der Besetzung Jugoslawiens im Jahr 1941 diese ehemals österreichischen Gebiete Sloweniens völkerrechtswidrig annektiert hatte, um sie wieder zu einem deutschen Land zu machen (Wuescht, Jugoslawien und das Dritte Reich, 1969, S 59 f). Wenn die Bundesrepublik die Einbürgerungen im Jahr 1955 durch das Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit (dort § 1) bestätigte, so geschah dies vor allem deshalb, um den betroffenen Volksdeutschen in Slowenien angesichts der nach dem Krieg bestehenden Gefahr einer Entziehung der jugoslawischen Bürgerrechte den Schutz der einmal gewährten deutschen Staatsangehörigkeit zu erhalten (vgl BVerwGE 23, 274, 275 ff). Von jugoslawischer Seite ist der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit demgegenüber bis zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Jahr 1956 nicht anerkannt worden (Schleser, Die deutsche Staatsangehörigkeit, 4. Aufl, 1980, S 103 f, Fußnote 78; Seller, Die Staatsangehörigkeit der Volksdeutschen, 1960, S 10). Bestand damit aber in der für den Vertrag von 1956 grundlegenden Frage der Staatsangehörigkeit gerade Uneinigkeit über die hier maßgebliche Möglichkeit einer Doppelstaatsangehörigkeit, so spricht dies dagegen, dem Vertragstext zu unterlegen, daß für diese Gruppe eine andere Regelung gelten sollte, als für Personen mit nur einer Staatsangehörigkeit; denn es kann nicht unterstellt werden, daß die Vertragschließenden zur Abgrenzung ein Kriterium gewählt haben, über dessen Reichweite in erheblichem Umfang unterschiedliche Auffassungen bestanden.
Die Annahme, die Vertragsparteien hätten Doppelstaater von der Vertragsregelung ausnehmen und ihnen eine Sonderrolle zuerkennen wollen, verbietet sich auch im Blick auf die Situation, aus der heraus es zum Vertragsschluß kam.
Sachliches Anliegen des Abkommens war es, zum Stichtag 1. Januar 1956 die in Frage kommenden Berechtigten auf die deutsche und jugoslawische Sozialversicherung zu verteilen. Dabei gingen die beteiligten Staaten 1956 von dem kriegsbedingten Sachverhalt aus, daß in Deutschland viele Vertriebene und Umsiedler aus Jugoslawien lebten, die dort versicherungspflichtig beschäftigt gewesen waren. Umgekehrt waren zahlreiche Personen nach Jugoslawien zurückgekehrt, die während des Krieges freiwillig oder unfreiwillig zum Arbeitseinsatz nach Deutschland gekommen waren. Da diese Sachverhalte als abgeschlossen angesehen wurden und die betroffenen Personen nicht gezwungen sein sollten, sich wegen ihrer sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche an ausländische Träger zu wenden, wurde eine Verteilungsregelung vereinbart, durch die ein Schlußstrich unter die Vergangenheit gezogen werden sollte (Schwarz aaO S 60 f). An eine solche Zielsetzung knüpft auch die bisher zum Vertrag von 1956 ergangene Rechtsprechung des BSG (BSGE 18, 113, 114 = SozR Nr 19 zu § 1 FremdRG; BSGE 31, 54, 58 = SozR Nr 1 zu Art 5 GesAbk Jugoslawien SozVers; BSGE 51, 198, 201 f = SozR 6561 Art 5 Nr 4; SozR 6560 Art 1 Nr 6; SozR 6560 Art 2 Nr 1) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) (SozR 6561 Art 5 Nr 5). Dabei wurde betont, daß es Sinn aller zwischenstaatlichen Regelungen dieser Art ist, zwischen den beteiligten Ländern und ihren Sozialversicherungsträgern Klarheit darüber zu schaffen, in wessen Bereich die früher abgeleisteten Versicherungszeiten fallen und wer demnach für sie einzustehen hat (BSG SozR 6560 Art 1 Nr 4).
Um auf der Grundlage dieses Vertragszieles eine Zuordnung der Versicherten zu einem der beiden Staaten vorzunehmen, haben die Vertragschließenden in Art 1 als Aufteilungskriterium erkennbar die Verbundenheit des jeweiligen Versicherten zu einem der Staaten gewählt. Diese wird durch die Kombination eines tatsächlichen Elementes (ständiger Wohnsitz) mit einem rechtlichen (Staatsangehörigkeit) bestimmt. Steht eine Verbundenheit mit Jugoslawien fest, weil der Betroffene jugoslawischer Staatsangehöriger ist und zum Stichzeitpunkt seinen Lebensmittelpunkt in Jugoslawien hat, erfolgt die Zuordnung dementsprechend nach Jugoslawien. Die einmal begründete Verbundenheit wird nicht dadurch aufgehoben, daß der Versicherte zugleich deutscher Staatsangehöriger ist. Nur wenn Staatsangehörigkeit und Wohnsitz auseinanderfallen - zB ausschließlich deutsche Staatsangehörigkeit, Wohnsitz in Jugoslawien - kann eine Verbundenheit nach den Vorschriften des Vertrages nicht festgestellt werden. Dieser ist dann nicht anwendbar, und es bleibt bei den allgemeinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften. Daß hierbei eine Ausnahme für Doppelstaater gemacht werden sollte, die es bei der Zersplitterung des Versicherungsverhältnisses beläßt, erscheint insbesondere deshalb wenig plausibel, weil ein großer Teil dieser Gruppe die zusätzliche deutsche Staatsangehörigkeit - wie oben dargelegt - auch nur im Zusammenhang mit Ereignissen des zweiten Weltkrieges erworben hat, dessen Folgen für das Versicherungsverhältnis gerade bereinigt werden sollten.
Dieses Regelungskonzept ist durch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (BGBl II 1969 S 1438) bestätigt worden. In Nr 12 Buchst a und b des Schlußprotokolls dazu, das gemäß Art 40 des Abkommens Bestandteil des Abkommens wurde, ist lediglich vorgesehen, daß das Fremdrentengesetz (FRG) durch den Vertrag von 1956 nicht berührt wird und danach Zeiten, die vertragsgemäß in die jugoslawische Versicherungslast gefallen sind, bei Anwendung des FRG als in der jugoslawischen Sozialversicherung erfüllte Tatbestände anzusehen sind. Daraus ergibt sich für deutschjugoslawische Doppelstaater, die am 1. Januar 1956 ihren ständigen Aufenthalt in Jugoslawien hatten, daß sie nur dann nach deutschem Rentenrecht (und zwar nach Fremdrentenrecht) zu beurteilen sind, wenn sie später in die Bundesrepublik eingegliedert wurden (vgl § 1 FRG). Das ist beim Kläger nicht der Fall, traf aber, wie oben schon beschrieben wurde, für einen erheblichen Teil der Doppelstaater zu.
Gegen die dargelegte Auslegung des Vertrages von 1956 bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Zulässigkeit der verfassungsrechtlichen Prüfung ergibt sich aus Art 59 Abs 2 GG (vgl hierzu Plöger/Wörtmann, Deutsche Sozialversicherungsabkommen mit ausländischen Staaten, S 5 ff, 29). In Betracht kämen allein Verstöße gegen Art 3 Abs 1 GG und Art 14 Abs 1 GG. Weder der eine noch der andere Fall ist jedoch gegeben.
Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dieses Grundrecht ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl zuletzt BVerfGE 74, 9 = SozR 4100 § 118a Nr 1; BVerfGE 79, 87, 98 ff; 79, 106, 121 ff; 79, 223, 236). Der Vertrag von 1956 in seiner dargelegten Interpretation verstieße also nur dann gegen Art 3 Abs 1 GG, wenn er tatsächliche Gleichheiten bzw Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse nicht berücksichtigte, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen (BVerfGE 60, 113, 119), dh wenn die mit ihm getroffene Versicherungslastregelung in dem bezeichneten abschließenden und umfassenden Sinn als willkürlich bezeichnet werden müßte.
Für den erforderlichen Vergleich ist der Personengruppe der Doppelstaater oder 'Auch-Deutschen' mit Wohnsitz am Stichtag in Jugoslawien, zu der der Kläger gehört, der Kreis der 'Nur-Deutschen' gegenüberzusetzen, der am Stichtag ebenfalls in Jugoslawien lebte. Für beide Gruppen brachte die Versicherungslastregelung des Vertrages von 1956 insofern einen unterschiedlichen rentenversicherungsrechtlichen Status, als die erste vom Vertrag erfaßt wurde, demgemäß bezüglich der Rentenanwartschaften und -ansprüche von der deutschen zur jugoslawischen Sozialversicherung überwechselte und allein noch in Jugoslawien Rechte geltend machen konnte, die zweite dagegen von der Vertragsgeltung ausgenommen blieb und deshalb die bisherige rentenrechtliche Position in der deutschen Sozialversicherung unverändert behielt. Damit waren zunächst für die Gruppe, der der Kläger angehört, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in mehrfacher Hinsicht Vorteile verbunden. Anwartschaften aus Beiträgen, die verfallen waren, weil nicht für jedes Kalenderjahr mindestens 26 Wochenbeiträge entrichtet worden waren, (§ 1264 RVO in der bis zur Rentenreform 1957 geltenden Fassung - RVO 1956 -) konnten durch Verlagerung in die jugoslawische Versicherungslast im Rahmen dieser Versicherung wieder Bedeutung gewinnen. Die Schwierigkeiten der Geltendmachung von Rechten im Ausland (§§ 1281 ff RVO bis 1956) entfielen, weil nur noch der Versicherungsträger des Wohnsitzes zuständig war. Demgegenüber blieb es bei den Nur-Deutschen bei einem eingetretenen Verlust der Anwartschaft und den übrigen Beschwernissen.
Bei den Ersatzzeiten für den Dienst im RAD und in der deutschen Wehrmacht sowie wegen erlittener Kriegsgefangenschaft ergaben sich für Fälle wie den vorliegenden keine Unterschiede. Nach jugoslawischem Recht waren diese Zeiten nicht als Ersatzzeiten ausgewiesen; nach deutschem Recht konnten sie nicht geltend gemacht werden, weil es an der Vorversicherungszeit und an der Erhaltung der Anwartschaft fehlte (§§ 1263, 1264 ff RVO 1956).
Gravierende Nachteile haben sich für die Gruppe, der der Kläger angehört, im Verhältnis zu Nur-Deutschen, die in Jugoslawien wohnten, erst infolge der Neuregelung des Rentenversicherungsrechts durch das ArVNG vom 23. Februar 1957 (BGBl I S 45) - in Kraft getreten am 1. Januar 1957 - ergeben. Beitragszeiten, für die die Anwartschaft nach altem Recht erloschen war, waren wieder anzurechnen (§ 1250 RVO 1957). Nach § 1251 Abs 1 Nr 1 und Abs 2 RVO 1957 konnten Zeiten des Kriegsdienstes und der Gefangenschaft auch angerechnet werden, wenn innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung der Ersatzzeit oder einer durch sie aufgeschobenen oder unterbrochenen Ausbildung eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen worden war. Das Ruhen der Rente bei Auslandsaufenthalt war nur noch bei Ausländern vorgesehen (§ 1283 RVO 1957). Diese Neuregelung erlangte noch vor dem Inkrafttreten des deutsch-jugoslawischen Abkommens am 29. November 1958 (s Bekanntmachung BGBl II, 753) Geltung und wurde damit zunächst auch für den Kläger wirksam. Sie entfiel aber mit Inkrafttreten des Vertrages. Im Rahmen späterer Rechtsentwicklung wurde dieser Nachteil nur dadurch abgemildert, daß bei Übersiedlung nach Deutschland die in die jugoslawische Versicherungslast transformierten Zeiten im Rahmen der Ansprüche nach dem FRG als jugoslawische Beitragszeiten berücksichtigt wurden (s oben).
Darüber hinaus ist nicht zu verkennen, daß schließlich sogar durch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 eine Zusammenrechnung von Versicherungszeiten ermöglicht wurde (Art 25 ff), so daß letztlich die Vorteile des Vertrages von 1956 weitgehend überholt wurden, während die Nachteile (Nichtanrechnung von RAD, Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft) verblieben.
Dennoch kann die unterschiedliche Versicherungslastregelung für Nur-Deutsche mit Wohnsitz in Jugoslawien und Auch-Deutsche mit Wohnsitz in Jugoslawien im deutsch-jugoslawischen Vertrag von 1956, soweit der Kläger betroffen ist, nicht als willkürlich bezeichnet werden, weil sie durch tatsächliche Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse bedingt war. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß es sich bei den Sammeleinbürgerungen um einen Sonderfall des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit im Zusammenhang mit Ereignissen des Zweiten Weltkrieges gehandelt hat. Wenn der Gesetzgeber zur Bereinigung der Verhältnisse insoweit zwar der Einbürgerung die Anerkennung nicht versagt, wohl aber rentenrechtlich diese Gruppe wie die übrigen Angehörigen des Staates behandelt, dem sie auch zuvor angehört hat, so trägt dies sowohl den historischen Gegebenheiten als auch durch Anknüpfung an den Wohnsitz den tatsächlichen Lebensverhältnissen Rechnung. Nicht zuletzt erscheint es unter dem Gesichtspunkt der effektiven Staatsangehörigkeit als vertretbar, im Rahmen der Versicherungslastregelung des Vertrages von 1956 Deutsch-Jugoslawen mit Wohnsitz in Jugoslawien anders zu behandeln als dort lebende Nur-Deutsche.
Ein Verstoß gegen Art 14 Abs 1 Satz 1 GG liegt ebenfalls nicht vor. Zwar unterliegen Versichertenrenten und Rentenanwartschaften aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, wie seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1980 (BVerfGE 53, 257, 289 ff = SozR 7610 § 1587 Nr 1) allgemein anerkannt ist, grundsätzlich dem Schutz des Art 14 GG.
Art 14 GG verbietet jedoch nicht uneingeschränkt jeden Eingriff, der eigentumsgeschützte Rechte für die Zukunft beeinträchtigt. Solche Eingriffe sind als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums (vgl Art 14 Abs 1 Satz 2 GG) zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Wohls unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind. Dabei wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt, wenn der Eingriff für das Erreichen des gesetzgeberischen Ziels geeignet und erforderlich ist und keine übermäßige Belastung des einzelnen bewirkt (so BVerfG ständ Rspr; vgl zB BVerfGE 72, 9, 23; 76, 220, 238 ff).
Die Regelung der durch Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse geschaffenen zersplitterten sozialrechtlichen Situation der deutschen und jugoslawischen Staatsbürger, die im jeweils anderen Land großenteils ohne ihren Willen tätig waren, lag im öffentlichen Interesse. Sie war erforderlich, um einen handhabbaren und wirksamen sozialen Schutz zu sichern sowie eine praktikable Abwicklung der Verwaltungsvorgänge zu ermöglichen. Dieses Ziel legte die Konzentration der Versicherungszeiten bei dem für den einzelnen in erster Linie in Betracht kommenden Versicherungsträger nahe. Dieses im öffentlichen Interesse liegende Ziel konnte nur erreicht werden, indem das in langwierigen Bemühungen ausgehandelte Vertragskonzept insgesamt ratifiziert wurde. Daß der Eingriff auch geeignet war, die rentenversicherungsrechtlichen Nachkriegsprobleme zwischen Deutschland und Jugoslawien zu lösen, ist im wesentlichen bereits dargestellt worden. Die Anknüpfung an die Kombination von Wohnsitz und Staatsangehörigkeit erscheint als geeignetes Mittel, den Versicherungsträger zu bestimmen, bei dem für den einzelnen die Versicherungszeiten zu konzentrieren sind und zugleich den Kreis der Personen zu bestimmen, für die eine solche Konzentration in besonderem Maße geboten erscheint.
Der damit verbundene Eingriff in die durch die Rentenreform 1957 den Versicherten zugewachsenen Rechte ist nicht unverhältnismäßig.
Allerdings ist für die Versicherten die Überleitung der auf Beitragsentrichtung beruhenden Ansprüche zur deutschen Sozialversicherung in die jugoslawische Versicherungslast mit einer Wertminderung und möglicherweise auch Einschränkungen der rentenrechtlichen Auswirkungen verbunden. Insbesondere entfällt, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, die Anrechnung von Ersatzzeiten wegen Kriegsdienst in der deutschen Wehrmacht und Gefangenschaft. Entscheidend ist aber hier, daß die Versicherten nicht auf den Fortbestand der ihnen aus der Rentenreform 1957 zugewachsenen Rechte vertrauen durften. Das BVerfG hat sowohl zum allgemeinen Vertrauensgrundsatz aus Art 20 Abs 3 GG (BVerfGE 72, 200, 260 ff) als auch zum Eigentumsschutz (vgl BVerfGE 76, 220, 245 f) entschieden, daß der verfassungsrechtliche Schutz von gesetzlich gewährten Rechten voraussetzt, daß der einzelne auf den Fortbestand der betreffenden Regelung vertrauen durfte; dies ist nicht der Fall, wenn ein Gesetz bereits im Bundestag verabschiedet worden ist oder durch andere Umstände (Belehrungen, Hinweise) hinreichend deutlich geworden ist, daß die bisherige Rechtslage keinen Bestand haben wird (vgl BVerfG aaO). Um einen ähnlichen Fall handelt es sich hier. Allerdings lag im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Rentenreform 1957 noch kein Gesetzesbeschluß über den deutsch-jugoslawischen Vertrag vor. Das Abkommen war aber bereits auf Regierungsebene abgeschlossen. Daraus war für jedermann ersichtlich, daß die vom Zeitablauf her früher verwirklichte Rentenreform für den betroffenen Personenkreis unter dem Vorbehalt der Ratifizierung dieses Vertrages wirksam wurde, und Rechtspositionen aus der Rentenreform nur vorübergehend zuwachsen konnten.
Die zwischenstaatliche Versicherungslastverteilung des Vertrages von 1956 und die Rentenreform 1957 hatten sich als rechtliche Regelungswerke zum Rentenversicherungsrecht zeitlich nebeneinander entwickelt; lediglich infolge einer Verzögerung der Ratifizierung des deutsch-jugoslawischen Vertrages, der erst einen Monat nach Austausch der Ratifikationsurkunden am 29. November 1958 in Kraft trat, ist die Rentenreform zunächst auch für den Kläger unmittelbar wirksam geworden. Wurde aber im Rahmen eines insoweit zusammenhängenden Regelwerks zugleich eine eigenständige Normierung speziell für zwei enger definierte Personengruppen - die in Art 1 Abs 1 Buchst a und b des Vertrages genannten Deutschen und Jugoslawen - getroffen, so kann das nur bedeuten, daß von vornherein den Jugoslawen, die am Stichtag ihren Wohnsitz in Jugoslawien hatten, aus früheren Beiträgen zur deutschen Rentenversicherung keine dauerhafte Rechtsposition erwachsen sollte, auf die sie vertrauen durften, und an der sie ihre Lebensplanung ausrichten konnten.
Die Frage, ob die erforderliche Wartezeit erfüllt ist, läßt sich schließlich auch dann nicht für den Kläger günstiger als bisher beantworten, wenn zusätzlich seine langjährige versicherungspflichtige Beschäftigung in Jugoslawien berücksichtigt wird. Zwar werden gemäß Art 25 Abs 1 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 in den Vertragsstaaten erworbene anrechnungsfähige Versicherungszeiten für den Erwerb des Rentenanspruchs grundsätzlich wechselseitig anerkannt, so daß auch jugoslawische Versicherungszeiten an der Erfüllung der Wartezeit für eine Rente aus der deutschen Sozialversicherung beteiligt sein können. Eine derartige Anrechnung ist jedoch nur möglich, wenn anrechnungsfähige Versicherungszeiten nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten vorhanden sind. Da der Kläger wegen der Versicherungslastregelung des Vertrages von 1956 lediglich anrechnungsfähige Versicherungszeiten nach jugoslawischem Recht hat, scheidet die Anerkennung für eine deutsche Rente aufgrund von Art 25 des Abkommens von 1968 ebenfalls aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen