Leitsatz (amtlich)
1. Ein sozialgerichtliches Berufungsurteil ist nicht schon deshalb iS des § 551 Nr 7 ZPO nicht mit Gründen versehen, weil es erst sechs bis sieben Monate nach der Verkündung den Beteiligten zugestellt worden ist (Abgrenzung zu BSG 1981-01-22 10/8b RAr 1/80 = BSGE 51, 122).
2. Der Bemessung von Arbeitslosengeld ist nach § 112 Abs 2 AFG nur Arbeitsentgelt aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung zugrundezulegen; der Unterhaltszuschuß, den ein Gerichtsreferendar im Bemessungszeitraum neben einem Arbeitsentgelt aus einer Angestelltentätigkeit erzielt hat, bleibt unberücksichtigt.
3. § 112 Abs 5 Nr 2 AFG findet nur Anwendung, wenn Arbeitsentgelt für eine beitragspflichtige Beschäftigung zur Berufsausbildung festzustellen ist.
4. Eine berufliche Tätigkeit, der der Arbeitslose in den drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung außerhalb einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung nachgegangen ist, führt nicht zur Rechtsfolge des § 112 Abs 7 AFG.
Normenkette
ZPO § 551 Nr 7; AFG § 112 Abs 2 Fassung: 1974-12-21, § 112 Abs 5 Nr 2 Fassung: 1974-08-07, § 112 Abs 7, § 136
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 28.08.1980; Aktenzeichen V ARBf 73/79) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 23.10.1979; Aktenzeichen 2 AR 433/78) |
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg) und der Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Der Kläger meldete sich am 1. September 1977 arbeitslos und beantragte Alg, nachdem er den juristischen Vorbereitungsdienst als Referendar mit der Großen Juristischen Staatsprüfung erfolgreich abgeschlossen hatte. Während des Vorbereitungsdienstes war er vom 1. April 1975 bis zum 31. März 1976 zusätzlich wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität H; hier erzielte er zuletzt ein monatliches Entgelt von 1.461,98 DM brutto; seine Referendarbezüge (Unterhaltszuschuß) im August 1977 betrugen 1.771,-- DM brutto.
Die Beklagte gewährte dem Kläger ab 1. September 1977 Alg (Bescheide vom 8. November 1977 und 2. Januar 1978; Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 1978) und anschließend vom 2. März bis 3. April 1978 durch den nach Klagerhebung ergangenen Bescheid vom 27. Juli 1978 Alhi; beide Leistungen berechnete die Beklagte nach den als wissenschaftlicher Mitarbeiter erzielten 1.461,98 DM.
Das Sozialgericht (SG) hat die ergangenen Bescheide geändert und die Beklagte verurteilt, Alg und Alhi nach einem Bemessungsentgelt nach der Vergütungsgruppe II a BAT zu zahlen (Urteil vom 23. Oktober 1979); es hat angenommen, schon angesichts der Referendarbezüge, insbesondere aber angesichts der zusätzlichen Einkünfte aus der Teilzeitbeschäftigung richte sich das Bemessungsentgelt unmittelbar nach § 112 Abs 7 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).
Die vom SG zugelassene Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 28. August 1980, das den Beteiligten am 6. März 1981 zugestellt worden ist, zurückgewiesen. Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, Bemessungszeitraum sei nach § 112 Abs 3 Satz 1 AFG der letzte Monat des beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses an der Universität; das Dienstverhältnis als Referendar scheide für die Bestimmung des Bemessungszeitraums aus, weil es beitragsfrei gewesen sei. Allerdings sei auch der Unterhaltszuschuß Arbeitsentgelt, nämlich Einnahme aus einer Beschäftigung. Ob demgemäß die erzielten 1.461,98 DM und der Unterhaltszuschuß zusammenzurechnen seien, könne offenbleiben, da § 112 Abs 5 Nr 2 AFG idF des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes (RehaAnglG) für Arbeitslosigkeit nach erfolgreichem Abschluß der Berufsausbildung eine besondere Berechnung vorsehe. Diese Vorschrift berücksichtige, daß nach dem erfolgreichen Abschluß der Berufsausbildung in aller Regel ein höheres Arbeitsentgelt erzielt werden könne. Auch der Kläger habe als Referendar eine Berufsausbildung durchlaufen. Daß er in dieser Ausbildung beitragsfrei gewesen sei, sei unerheblich. Im Gegensatz zu § 112 Abs 2 Nr 1, 3, 4, 4a, 5 und 6 AFG knüpfe § 112 Abs 5 Nr 2 AFG nicht an die Beitragspflicht an; andernfalls wäre in solchen Fällen die Alhi höher als das Alg. Die in § 112 Abs 7 AFG vorgesehene Berechnungsart, die zur Bemessung nach BAT II a führe, folge mithin schon aus § 112 Abs 5 Nr 2 AFG. Sie erfasse auch die Anschluß-Alhi.
Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 112 Abs 5 Nr 2 AFG und führt hierzu insbesondere aus: Nach § 112 AFG bestimme sich das Bemessungsentgelt in erster Linie nach dem bisher erzielten Entgelt. Der § 112 Abs 5 Nr 2 AFG aF habe den Fall geregelt, daß eine Beschäftigung als Lehrling in den Bemessungszeitraum gefallen sei. Die durch das RehaAnglG vorgenommene Änderung habe lediglich bezweckt, das Alg der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die mit dem Abschluß ihrer Ausbildung arbeitslos würden, an dem künftig erzielbaren Entgelt auszurichten. Eine Erweiterung des von der Vorschrift erfaßten Personenkreises sei mit der Änderung nicht verbunden gewesen. Hieraus folge, daß die Beschäftigung beitragspflichtig gewesen sein müsse; die Beitragspflicht sei ein ungeschriebenes, selbstverständliches Tatbestandsmerkmal der Vorschrift. Auch komme die Vorschrift nach den Gesetzesmotiven nur zur Anwendung, wenn andernfalls das Entgelt aus der Beschäftigung zur Berufsausbildung Grundlage für die Bemessung sei. Die Beschäftigung des Klägers als wissenschaftlicher Mitarbeiter sei keine Beschäftigung zur Berufsausbildung gewesen, da sie für die Referendarausbildung nicht vorgeschrieben sei. Der Widerspruch in der Wertung von Ausbildungszeiten beim Alg und bei der Alhi begründe keine Rechtsanalogie zugunsten der Alg-Berechtigten. Auch unmittelbar sei § 112 Abs 7 AFG nicht anwendbar, da die Vorschrift voraussetze, daß die in den letzten drei Jahren überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit gerade im Bemessungszeitraum nicht ausgeübt worden sei. Ebenso fehle es an der unbilligen Härte, da nicht auf das Gesamteinkommen, sondern auf das Einkommen aus der höher bezahlten Tätigkeit abzustellen sei. Ein Mißverhältnis zwischen dem Unterhaltszuschuß und den Universitätsbezügen bestehe nicht. Schließlich sei entgegen der Ansicht des Klägers nach § 112 Abs 2 AFG nicht der Unterhaltszuschuß zu berücksichtigen, weil nur das aus der beitragspflichtigen Beschäftigung erzielte Entgelt Arbeitsentgelt im Sinne dieser Vorschrift sei, wie sich aus § 112 Abs 3 AFG ergebe.
Die Beklagte beantragt,
die Urteil des LSG und des SG aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf das Urteil des LSG, das er für zutreffend hält.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Der Senat ist nicht gehindert, aufgrund der vom LSG getroffenen Feststellungen eine Entscheidung in der Sache zu treffen. Das angefochtene Urteil verfällt mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen nicht deshalb der Aufhebung und die Sache der Zurückverweisung, weil das LSG die schriftliche Abfassung des am Tage der mündlichen Verhandlung verkündeten Urteils den Beteiligten erst nach Ablauf von mehr als sechs Monaten zugestellt hat. Zwar hat die Beklagte mit ihrer Revision einen Verfahrensmangel nicht gerügt, insbesondere nicht geltend gemacht, infolge verspäteter Abfassung und Zustellung könne das Urteil das Beratungsergebnis nicht zutreffend wiedergeben, so daß es nicht mit den Gründen versehen sei, die der Entscheidung zugrunde gelegen hätten, und daher gemäß § 202 SGG, § 551 Nr 7 Zivilprozeßordnung (ZPO) als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend angesehen werden müsse; jedoch bedarf es bei Verfahrensmängeln, die von Amts wegen zu berücksichtigen sind, keiner Rüge. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des 8a und des 10. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) kann die verspätete Absetzung und Zustellung eines Urteils dem Fehlen von Gründen gleichstehen (BGHZ 7, 155; BGH LM § 551 Nr 7 ZPO Nr 3 und 6; BVerwGE 39, 51; 49, 61; 50, 278; BVerwG Buchholz 310 § 86 Abs 1 Nr 78; BSG SozR 1750 § 551 Nr 8; BSGE 51, 122 = SozR 1750 § 551 Nr 9); dem hat allerdings das Bundesarbeitsgericht unter Berufung auf den 6. Senat des BSG (SozR Nr 11 zu § 551 ZPO) widersprochen (BAG MDR 1981, 83; vgl auch BAGE 14, 313, 315 f). Der dem Fehlen von Gründen gleichstehende Mangel verspäteter Absetzung und Zustellung des Urteils ist nach Ansicht des 10. Senats des BSG ohne förmliche Rüge von Amts wegen zu beachten (BSG SozR 1750 § 551 Nr 9). Welcher Ansicht zu folgen ist, läßt der Senat offen; denn das Urteil des LSG kann trotz der eingetretenen Verzögerung seiner Zustellung einer Entscheidung, die nicht mit Gründen versehen ist, nicht gleichgestellt werden. Von welchem Zeitpunkt an ein Urteil infolge verspäteter Abfassung oder Zustellung "nicht mit Gründen versehen ist", ist im SGG nicht geregelt. Es besteht Übereinstimmung, daß Fristen der ZPO, die der Rechtsprechung des BGH zugrundeliegen, für das sozial-, verwaltungs- und patentgerichtliche Verfahren keinen geeigneten Anhalt bieten (vgl dazu BSG SozR Nr 11 zu § 551 ZPO; SozR 1750 § 551 Nr 9; ferner BVerwG Buchholz 310 § 86 Abs 1 VwGO Nr 78; BVerwGE 49, 61, 62; 50, 278, 280; 60, 15, 15 f; BVerwG DÖV 1981, 170; BGH NJW 1970, 611). Während das Bundesverwaltungsgericht es ablehnt, eine vom Gesetzgeber nicht unter den absoluten Revisionsgründen vorgesehene starre Frist für die Erfassung der Entscheidungsgründe festzulegen und darauf abstellt, ob im Einzelfalle gewährleistet ist, daß das schriftliche Urteil die Gründe, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind, zuverlässig wiedergibt (BVerwG Buchholz 310 § 86 Abs 1 Nr 78; BVerwGE 49, 61; 50, 278; 60, 14; NJW 1980, 1865; vgl BGHZ 32, 17, 26 und BGHSt 21, 4), sind nach der Überzeugung des 10. Senats des BSG in allen Fällen Gründe nicht mehr hinzunehmen, wenn zwischen der (verkündeten) Entscheidung und ihrer schriftlichen Verlautbarung etwa ein Jahr liegt (SozR 1750 § 551 Nr 9). Anläßlich des zur Entscheidung stehenden Falles braucht der Senat zu diesen voneinander abweichenden Grundauffassungen nicht Stellung zu nehmen. So wünschenswert eine rasche Absetzung und Zustellung von Urteilen ist, kann, auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten, eine um sechs bis sieben Monate verzögerte Zustellung hingenommen werden; auch gibt es keinen Erfahrungssatz des Inhalts, daß die Beurkundungsfunktion der etwa sechs Monate nach der Verkündung niedergelegten Gründe eines Urteils generell nicht mehr gewährleistet ist (vgl BVerwGE 49, 61, 62; 60, 14; BVerwG DÖV 1972, 129 und 1981, 170; BSG SozR Nr 11 zu § 551 ZPO; BGHSt 21, 4). Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils geben auch im Einzelfalle keine Anhaltspunkte, daß sie das Beratungsergebnis nicht zuverlässig beurkunden.
In sachlicher Hinsicht hat das LSG zu Unrecht die Verurteilung der Beklagten durch das SG gebilligt, dem Kläger Alg und Alhi nach einem Bemessungsentgelt nach der Vergütungsgruppe II a BAT zu zahlen. Die angefochtenen Bescheide, die beide Leistungen (nach dem gemäß § 112 a AFG dynamisierten) Arbeitsentgelt von 1.461,98 DM bemessen haben, die der Kläger im März 1976 als wissenschaftlicher Mitarbeiter erzielt hat, verletzen ihn nicht in seinen Rechten.
Das der Bemessung des Alg zugrundezulegende Arbeitsentgelt ist das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (§ 112 Abs 2 Satz 1 AFG in der hier maßgebenden, durch Art 27 Nr 9 Buchst b des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz -EG-EStRG- vom 21. Dezember 1974, BGBl I 3556, geänderten ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 25. Juni 1969, BGBl I 582); Bemessungszeitraum sind die letzten am Tage des Ausscheidens des Arbeitnehmers abgerechneten, insgesamt zwanzig Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs (§ 112 Abs 3 Satz 1 AFG). Der letzte, am Tage des Ausscheidens des Klägers abgerechnete, insgesamt zwanzig Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassende Lohnabrechnungszeitraum der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs war der März 1976; denn das anschließend bis zur Ablegung der Großen Juristischen Staatsprüfung (fort-) bestehende Beamtenverhältnis auf Widerruf begründete nicht die Beitragspflicht zur Beklagten (§ 168 Abs 1 Satz 1, § 169 Nr 1 AFG, § 172 Nr 1 Reichsversicherungsordnung). Ausschließlich das im März 1976 aus dem Beschäftigungsverhältnis bei der Universität erzielte Arbeitsentgelt ist der Bemessung zugrunde zu legen, nicht dagegen zusätzlich der Unterhaltszuschuß, der dem Kläger im gleichen Zeitraum aus dem Beamtenverhältnis zugeflossen ist. Das Alg soll dem Arbeitslosen ermöglichen, mit gewissen Einschränkungen seinen Lebensstandard beizubehalten, soweit dieser an dem bisher erzielten Einkommen aus versicherungspflichtiger Beschäftigung ausgerichtet war (Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, § 112 RdNr 1, August 1972); entsprechend knüpft das Gesetz die Höhe des Alg im Grundsatz an das bisher erzielte Arbeitsentgelt an. Dieser Zielsetzung widerspräche es, wenn beim Alg Erwerbseinkommen aus einer Tätigkeit zu berücksichtigen wäre, die nicht der Beitragspflicht unterliegt oder beitragsfrei ist. Nach § 112 Abs 2 Satz 1 AFG kann daher, wie schon die Bestimmung des Bemessungszeitraums nach § 112 Abs 3 AFG nahelegt, bei der Bemessung von Alg nur Arbeitsentgelt aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung berücksichtigt werden (Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, § 112 RdNr 1 und 4, August 1972; Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, § 112 Anm 2, September 1981; Krebs, Kommentar zum AFG, § 112, RdNrn 3, 7 und 16, März 1981; vgl zum früheren Recht BSG SozR Nr 3 zu § 66 AVAVG; Draeger/Buchwitz/Schönefelder, Kommentar zum AVAVG, § 90 RdNr 2; Krebs, Kommentar zum AVAVG, § 90 Anm 4 und 12). Dies ist auch folgerichtig; denn ohne die Beschäftigung bei der Universität hätte der Kläger einen Anspruch auf Alg nicht erworben. Der Senat setzt sich damit nicht in Widerspruch zu seinem Urteil BSGE 31, 156 = SozR Nr 2 zu § 148 AVAVG; seinerzeit ging es lediglich um die vom Senat bejahte Frage, ob bei der nach § 148 Abs 1 Nr 2 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vorgeschriebenen entsprechenden Anwendung des § 90 Abs 1 AVAVG für die Bemessung der sogenannten originären Alhi der Unterhaltszuschuß des Gerichtsreferendars als Bemessungsentgelt zugrunde zu legen ist.
Die Beklagte hat daher zutreffend auf der Grundlage der im März 1976 erzielten 1.461,98 DM nach § 112 Absätze 2 bis 4 AFG, § 112a AFG das Arbeitsentgelt (Wochensatz) für die Bemessung des Alg ermittelt. Ausnahmen, die eine Feststellung des Arbeitsentgelts abweichend von dieser Regelung gemäß § 112 Abs 5 Nr 2 AFG (in der hier maßgeblichen Fassung des § 36 Nr 11 des RehaAnglG vom 7. August 1974, BGBl I 1881) oder § 112 Abs 7 AFG zulassen, liegen nicht vor.
Nach § 112 Abs 5 Nr 2 AFG ist bei der Feststellung des Arbeitsentgelts für die Zeit einer Beschäftigung zur Berufsausbildung mindestens das Arbeitsentgelt nach Abs 7 zugrunde zu legen, wenn der Arbeitslose die Abschlußprüfung bestanden hat. Im Falle des Klägers ist jedoch nicht das Arbeitsentgelt für eine Beschäftigung zur Berufsausbildung festzustellen, sondern das Arbeitsentgelt für eine Beschäftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter, die der Kläger nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG zusätzlich neben dem Vorbereitungsdienst, dh nicht etwa als Teil desselben, ausgeübt hat. Nur wenn das Arbeitsentgelt für eine Beschäftigung zur Berufsausbildung festzustellen ist, kann § 112 Abs 5 Nr 2 AFG zur Anwendung kommen. Weil nach § 112 Abs 2 AFG lediglich Entgelt für beitragspflichtige Beschäftigungen festzustellen sind, hat dies ferner zwingend zur Folge, daß eine beitragspflichtige Beschäftigung zur Berufsausbildung vorgelegen haben muß (Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, § 112 RdNr 10, Juni 1978), woran es hier ebenfalls fehlt. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt diese Auslegung, die trotz des vom LSG vermißten Zusatzes "beitragspflichtig" Wortlaut und systematischen Zusammenhang nahelegen. Sowohl § 112 Abs 5 Nr 2 AFG (in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes) als auch der davor geltende § 90 Abs 6 Nr 2 AVAVG hatten vorgesehen, daß für die Zeit einer Beschäftigung als Lehrling mindestens ein Arbeitsentgelt von zehn Deutsche Mark wöchentlich zugrunde zu legen ist; während § 90 Abs 6 Nr 2 AVAVG ausdrücklich eine versicherungspflichtige Beschäftigung verlangte, setzte § 112 Abs 5 Nr 2 AFG aF eine beitragspflichtige Beschäftigung voraus; die Beitragspflicht ergab sich aus § 168 Abs 1 AFG. Die Neufassung des § 112 Abs 5 Nr 2 gFG durch das RehaAnglG bezweckte lediglich, das Alg der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die mit Abschluß ihrer Ausbildung arbeitslos werden, nicht mehr nach der bezogenen Ausbildungsvergütung des versicherungspflichtigen Ausbildungsverhältnisses, sondern zumindest nach dem Maßstab des § 112 Abs 7 AFG zu bemessen (vgl Begründung zum Regierungsentwurf des RehaAnglG BT-Drucks 7/1237 S 78). Eine Begünstigung von Personen, die wie Studenten im Wechsel mit dem Studium oder wie Referendare neben ihrer Ausbildung einer beitragspflichtigen Beschäftigung nachgehen, hat die Neufassung nicht bringen sollen. Daß der Kläger im Bemessungszeitraum zusätzlich vor allem dem Vorbereitungsdienst (und damit seiner Berufsausbildung) nachging, ist daher ohne Belang; es kann mithin dahingestellt bleiben, ob § 112 Abs 5 Nr 2 AFG nur solche Beschäftigungen zur Berufsausbildung erfaßt, für die das Berufsbildungsgesetz gilt.
Ebenfalls sind die Voraussetzungen des § 112 Abs 7 AFG, der in der bis zum 31. Juli 1979 geltenden ursprünglichen Fassung des Gesetzes anzuwenden ist, auch unmittelbar nicht gegeben. Von dem in dieser Vorschrift vorgesehenen Arbeitsentgelt ist auszugehen, wenn es mit Rücksicht auf die von dem Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit unbillig hart wäre, das Arbeitsentgelt nach den Absätzen 2 bis 6 zugrunde zu legen. Zur Prüfung, ob eine unbillige Härte vorliegt, ist das ermittelte Bemessungsentgelt dem Arbeitsentgelt gegenüberzustellen, das der Arbeitslose aus der überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit erzielt hat (BSGE 45, 49, 54 = SozR 4100 § 112 Nr 6). In den drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung ist der Kläger zwölf Monate gleichzeitig Referendar und wissenschaftlicher Mitarbeiter und siebzehn Monate nur Referendar gewesen. Es kann dahingestellt bleiben, ob im Hinblick auf die Dreijahresfrist eine Tätigkeit überwiegend erst dann ausgeübt ist, wenn sie länger als anderthalb Jahre gedauert hat, oder ob es genügt, wenn sie lediglich länger als die anderen Tätigkeiten ausgeübt wurde. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob eine berufliche Tätigkeit ausübt, wer sich einer Ausbildung widmet, bei der sich Maß und Art der zu erledigenden Arbeiten nach dem Ziel der Ausbildung und nicht nach der Nutzbarkeit seiner Arbeitskraft bestimmt (vgl § 29 Abs 2 der hamburgischen Juristenausbildungsordnung vom 10. Juli 1972, Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1972, 133). Der Unterhaltszuschuß, den der Kläger aus dem Beamtenverhältnis bezog, kann dem nach § 112 Absätze 2 bis 4 AFG ermittelten Arbeitsentgelt schon deshalb nicht gegenübergestellt werden, weil das Beamtenverhältnis nicht beitragspflichtig, sondern beitragsfrei war. Zwar schließt § 112 Abs 7 AFG dem Wortlaut nach Beschäftigungen, die der Beitragspflicht nicht unterliegen, nicht aus; auch diese sind nach allgemeinem Sprachgebrauch berufliche Tätigkeiten. Ihre Berücksichtigung im Rahmen des Abs 7 widerspricht jedoch der grundsätzlichen Ausrichtung des Alg an dem bisher erzielten Einkommen aus beitragspflichtiger Beschäftigung.
Wie erwähnt, soll das Alg dem Arbeitslosen ermöglichen, mit gewissen Einschränkungen seinen Lebensstandard beizubehalten, soweit dieser an dem bisher erzielten Einkommen aus versicherungspflichtiger Beschäftigung ausgerichtet war. Die Regelung des § 112 Abs 7 AFG weicht hiervon nicht ab. Sie soll lediglich einen Ausgleich für die Fälle schaffen, in denen der Arbeitnehmer gerade in dem verhältnismäßig kurzen Bemessungszeitraum ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt erzielt hat, als es seiner eigentlichen, während des längeren Zeitraumes ausgeübten Tätigkeit entsprochen hatte (vgl BSG SozR Nr 5 zu § 90 AVAVG; BSGE 45, 49, 56 f = SozR 4100 § 112 Nr 6). Bei der Auslegung des Begriffs "berufliche Tätigkeit" iSd § 112 Abs 7 AFG ist zu berücksichtigen, daß diese Vorschrift eine Grundlage für die Bemessung des Alg darstellt, welches grundsätzlich nur dann gewährt wird, wenn eine beitragspflichtige Beschäftigung von gewisser Dauer zurückgelegt worden ist oder sonst eine Beitragspflicht iSd §§ 168 ff AFG zur Bundesanstalt für Arbeit bestanden hat. Sofern sich das Arbeitsentgelt nicht nach § 112 Abs 2 und 3 AFG - also nach dem in der beitragspflichtigen Beschäftigung erzielten Arbeitsentgelt - bemessen läßt, hat das Gesetz in den Absätzen 5 und 6 des § 112 AFG abweichende "Arbeitsentgelte" als Bemessungsgrundlage bezeichnet, wobei regelmäßig an die Beitragspflicht angeknüpft worden ist. Eine nicht beitragspflichtige Beschäftigung fällt damit bei der Berechnung des Alg im Rahmen des § 112 Absätze 2 bis 6 AFG völlig aus. Im Hinblick darauf kann nicht angenommen werden, daß die "berufliche Tätigkeit" iSd § 112 Abs 7 AFG jegliche - auch beitragsfreie - Tätigkeiten erfassen sollte; erst die Gegenüberstellung des niedrigen (beitragspflichtig erzielten) Arbeitsentgelts, das nach § 112 Absätze 2 bis 6 AFG der Bemessung zu Grunde zu legen wäre, mit dem höheren Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose aus der überwiegend ausgeübten beitragspflichtigen beruflichen Tätigkeit erzielt hat, verlangt versicherungsrechtlich den Ausgleich, den § 112 Abs 7 AFG herbeiführt. Daß als Mittel des Ausgleichs der unbilligen Härte bei der Berechnung des Alg nunmehr auf das "maßgebliche tarifliche oder ... ortsübliche Arbeitsentgelt ..." zurückgegriffen wird, also auf ein Arbeitsentgelt, welches der Arbeitslose als beitragspflichtiger Arbeitnehmer erzielen würde, zeigt wiederum die Verknüpfung mit der Beitragspflicht.
Allerdings ist nicht zu verkennen, daß mit der Formulierung des § 112 Abs 7 AFG, die auf § 90 Abs 7 AVAVG (idF des Zweiten Änderungsgesetzes zum AVAVG vom 7. Dezember 1959, BGBl I 705) zurückgeht, eine gegenüber § 90 Abs 2 AVAVG (idF der Bekanntmachung vom 3. April 1957, BGBl I 321) großzügigere Behandlung der Ausgleichsfälle beabsichtigt war (vgl Begründung zu Art I Nr 9 des Regierungsentwurfs zum 2. ÄndG-AVAVG, BT-Drucks III/1240 S 14). Die "großzügigere Behandlung" besteht vor allem jedoch in der Rechtsfolge, daß nicht von dem erzielten Arbeitsentgelt, sondern ausnahmsweise von dem erzielbaren Arbeitsentgelt auszugehen ist (BSGE 45, 49, 56 ff = SozR 4100 § 112 Nr 6). Darüber hinaus verlangte § 90 Abs 7 AVAVG nF nicht mehr, daß die Minderung des Arbeitsentgelts in der Bemessungszeit auf einer Beschäftigung beruhte, die nicht der bisherigen Tätigkeit des Arbeitslosen entsprach; dies ermöglicht, eine unbillige Härte auch dann anzunehmen, wenn das geringere Entgelt auf Krankheit oder die Art der Tätigkeit zurückzuführen ist (BSG SozR Nr 3 zu § 90 AVAVG; Urteil des Senats vom 25. August 1981 - 7 RAr 59/80 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Daß darüber hinaus mit dem Begriff "berufliche Tätigkeit" (statt bisher "überwiegende Tätigkeit") beabsichtigt war, im Rahmen des § 112 Abs 7 AFG systemwidrig auch nicht versicherte Tätigkeiten zu berücksichtigen, ist nicht anzunehmen. Der Senat teilt daher die auf Nr 49 des Erlasses der Beklagten 18/65.4 vom 28. Dezember 1964 (abgedruckt bei Berndt/Draeger, Arbeitsvermittlung, Berufsberatung, Arbeitslosenversicherung, AVAVG § 90 II) und Nr 18 der Durchführungsanweisungen der Beklagten zu § 112 AFG (Runderlaß 176/69.4 vom 6. Juni 1969 DBl BA 1969, 673) zurückgehende, in der Literatur vertretene Ansicht nicht, daß auch beitragsfreie Arbeitnehmertätigkeiten sowie Tätigkeiten als Selbständige zu berücksichtigen seien (Geffers/Schwarz, Kommentar zum AFG, § 112 Anm 10, Lieferung 1979; Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, § 112 RdNr 27, August 1972; Eckert ua Gemeinschaftskommentar zum AFG, § 112 RdNr 64, Februar 1981, wie hier Krebs, Kommentar zum AFG, § 112 RdNr 32 und 34, Februar 1980; vgl ferner Draeger/Buchwitz/ Schönefelder, Kommentar zum AVAVG, § 90 Anm 21).
Der Einwand des Klägers, die Bemessung eines Anspruchs auf Alhi, hätte er keinen Anspruch auf Alg (und Anschluß-Alhi), sei gemäß § 136 Abs 2 Nr 2 AFG (in der bis zum 31. Dezember 1977 geltenden Fassung des Art 27 Nr 16 des EG-EStRG) das Arbeitsentgelt nach § 112 Abs 7 AFG zugrunde zu legen, ändert hieran nichts. Der Gesetzgeber hat mit § 136 Abs 2 AFG die davor geltende Bestimmung über die Bemessung der Alhi (§ 148 AVAVG) vereinfachen wollen (vgl BT-Drucks V/2291 zu § 134 Abs 2) und hierbei in Kauf genommen, daß Alg-Bezieher (und Bezieher von Anschluß-Alhi) unter Umständen schlechter gestellt sind als Empfänger von originärer Alhi.
Diese Regelung verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Sofern sich im vorliegenden Falle günstigere Rechtsfolgen für den Kläger ergeben hätten, wenn er einen originären Alhi-Anspruch erworben hätte, so vermag dies eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung nicht zu begründen. Art 3 GG verbietet nicht die Ungleichbehandlung ungleicher Sachverhalte. Hier ergeben sich die unterschiedlichen Rechtsfolgen auch aus unterschiedlichen Sachverhalten. Einmal ist für die Gewährung von Alhi das Vorliegen von Bedürftigkeit erforderlich, was die Gewährung von Alg nicht erfordert. Zum anderen ist für die Berechnung der Höhe des Alg grundsätzlich von dem zuletzt erzielten Arbeitsentgelt auszugehen. Dieses Arbeitsentgelt schlägt dann auch bei der sogenannten Anschluß-Alhi, der ein Anspruch auf Alg vorausgegangen ist, in § 136 Abs 2 Nr 1 AFG durch. In allen anderen Fällen, in denen ein Anspruch auf Alhi begründet sein kann, richte sich das für die Höhe der Leistung maßgebliche Arbeitsentgelt nach den Rechtsfolgen des § 112 Abs 7 AFG; es ist daher von dem am tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufs und seiner Ausbildung in Betracht kommt. Es kommt also nicht auf das Arbeitsentgelt an, das der Arbeitslose vorher gehabt hat. Vielmehr kann das nach dieser Vorschrift ermittelte fiktive Arbeitsentgelt niedriger sein als das zuletzt verdiente; es ist jedoch auch nicht ausgeschlossen, daß es höher ist. Unter diesen Umständen erscheint es, auch wenn die Feststellung des Arbeitsentgelts nach § 112 Abs 2 AFG in Fällen wie dem vorliegenden zu einem wesentlich niedrigeren Alg führt, als wenn sie nach § 136 Abs 2 Nr 2 AFG für die Alhi erfolgt, nicht gerechtfertigt, diese Regelung als mit dem Gleichheitssatz unvereinbar zu betrachten. Sie mag zwar nicht in jeder Hinsicht zu überzeugenden oder befriedigenden Ergebnissen führen; hierdurch wird jedoch eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichheit nicht begründet.
Auch gegen das Sozialstaatsprinzip verstößt die hier zugrundeliegende Regelung des § 112 AFG nicht. Die Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips des Art 20 GG obliegt vielmehr im wesentlichen dem Gesetzgeber (BVerfGE 1, 97, 105; 8, 274, 329; 36, 73, 84); ein Anspruch auf eine bestimmte Regelung besteht nicht.
Die von der Beklagten vorgenommene Bemessung des Alg ist daher nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für das Arbeitsentgelt, das die Beklagte der Bemessung der Alhi zugrunde gelegt hat; denn gemäß § 136 Abs 2 Nr 1 AFG ist bei der Anschluß-Alhi der Bemessung das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, nach dem sich zuletzt das Alg gerichtet hat oder, was hier ohne Belang ist, ohne die Vorschrift des § 112 Abs 8 AFG gerichtet hätte. Die Revision der Beklagten muß daher Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1657568 |
BSGE, 186 |