Leitsatz (amtlich)
Der Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 1939-12-15 (AN 1939, 554) ist rechtsverbindlich. Demnach sind die Krankenkassen infolge der inhaltlichen Änderung des RVO § 215 Abs 2 und 3 durch diesen Erlaß ermächtigt, in der Satzung die Gewährung von Krankengeld und Hausgeld - bei entsprechender Ermäßigung der Beiträge - für Weiterversicherte auszuschließen.
Normenkette
RVO § 215 Abs. 2 Fassung: 1924-12-15, Abs. 3 Fassung: 1924-12-15; RAMErl 1939-12-15
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. Januar 1956 und des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 20. September 1955 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Die Klägerin war bis 1922 Pflichtmitglied der beklagten Krankenkasse und ist seitdem bei dieser weiterversichert. Sie steht in keinem Arbeitsverhältnis.
Die beklagte Krankenkasse änderte im Jahre 1951 mit Genehmigung des Oberversicherungsamtes ihre Satzung dahingehend, daß u. a. für Weiterversicherte, die eine Beschäftigung gegen Entgelt nicht ausüben, die Kassenleistungen - unter entsprechender Ermäßigung der Beiträge - durch Wegfall des Krankengeldes und des Hausgeldes beschränkt werden (§ 20 Abs. 6 der Kassensatzung). Als sich anläßlich einer Überprüfung der Einstufung von Mitgliedern im Oktober 1953 ergab, daß die Klägerin außer einer Rente von 76,20 DM monatlich kein Einkommen hatte, eröffnete die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 31. Oktober 1953, daß sie vom 1. November 1953 an im Falle einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankung nicht mehr Anspruch auf Krankengeld und Hausgeld habe, dafür aber ihr monatlicher Beitrag sich von 6,30 DM auf 4,86 DM ermäßige.
In dem Rechtsstreit, der ursprünglich beim Versicherungsamt F anhängig gewesen und mit Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Klage auf das Sozialgericht (SG.) Frankfurt/Main übergegangen ist, begehrt die Klägerin die Aufhebung des ihrer Ansicht nach rechtswidrigen Bescheides der Beklagten vom 31. Oktober 1953. Der neugefaßte § 20 der Kassensatzung, auf den der angefochtene Bescheid gestützt sei, verstoße gegen zwingendes Recht. Der Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 15. Dezember 1939 (AN. S. 554) - "Erlaß 1939" - habe zwar den Geltungsbereich des § 215 Abs. 2 und 3 RVO, wonach die Satzung bestimmte Leistungsbeschränkungen vorsehen könne, auf Weiterversicherte erstreckt. Trotzdem werde die von der beklagten Krankenkasse durchgeführte Satzungsänderung durch diesen Erlaß nicht gedeckt. Er sei auf § 9 Satz 2 der Verordnung des Beauftragten für den Vierjahresplan zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung vom 13. Februar 1939 (RGBl. I S. 206) - "VO 1939" - gestützt gewesen. Diese VO sei aber nur für Zwecke der Rüstung und die kommende Kriegszeit erlassen worden und enthalte nationalsozialistisches Gedankengut; sie sei daher mit der Beendigung des Krieges und dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes weggefallen. Damit sei auch der Erlaß 1939 gegenstandslos geworden, so daß die Satzungsänderung der beklagten Krankenkasse im Jahre 1951 nicht zulässig gewesen sei.
Die Beklagte vertritt demgegenüber die Auffassung, der Erlaß 1939 sei im Jahre 1951 geltendes Recht gewesen und habe sie zur Satzungsänderung ermächtigt. Der Erlaß 1939 werde durch die Ermächtigung in § 9 Satz 2 der VO 1939 getragen, weil Maßnahmen zur Sicherstellung des Kräftebedarfs und die Beschränkung der Leistungen aus der Sozialversicherung zueinander in Wechselwirkung stünden. Zwar sei die ermächtigende VO 1939 inzwischen außer Kraft gesetzt worden; die auf Grund der Ermächtigung erlassenen Rechtsvorschriften seien dadurch jedoch nicht berührt worden. Selbst wenn der Reichsarbeitsminister seine Ermächtigung überschritten haben sollte, sei der Erlaß 1939 gültig, und zwar als Gewohnheitsrecht. In tatsächlicher Beziehung trug die Beklagte noch vor, sie habe auf Grund des Erlasses. 1939 eine entsprechende Satzungsänderung erst 1951 vorgenommen, nachdem bei einer Kassenprüfung festgestellt worden sei, daß die Zahl der Krankengeldtage je Arbeitsunfähigkeitsfall bei den freiwillig Versicherten um 57,21 % höher als bei den Pflichtversicherten gewesen sei. Der Prüfer habe daraufhin die dann vorgenommene, bereits 1941 von dem Reichsverband der Ortskrankenkassen angeregte Satzungsänderung vorgeschlagen. Der weitaus größte Teil der Weiterversicherten bestehe aus Hausfrauen.
Das SG. hat der Klage (Urteil vom 20.9.1955) stattgegeben. Es geht davon aus, daß die VO 1939 mit dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Reiches - spätestens aber auf Grund des § 29 Abs. 2 a des hessischen Arbeitsverpflichtungsgesetzes vom 25. Juni 1947 in der Fassung des Gesetzes vom 19. August 1947 (GVBl. S. 69) oder auf Grund des Art. 129 Abs. 3 Grundgesetz (GG) - ihre Geltungskraft verloren habe. Damit sei auch der Erlaß 1939 hinfällig geworden; denn das rechtliche Schicksal dieses Erlasses als einer auf die Durchführung des Vierjahresplanes ausgerichteten vorübergehenden Maßnahme könne von dem der Rechtsgrundlage nicht losgelöst werden.
Die Berufung der Beklagten wurde vom Hessischen Landessozialgericht (LSG.) zurückgewiesen (Urteil vom 25.1.1956). Nach Auffassung des LSG. ist der Erlaß 1939 von vornherein rechtsunwirksam gewesen. Der Reichsarbeitsminister habe mit diesem Erlaß weder eine zentrale Maßnahme zur Sicherung des Kräftebedarfs treffen noch eine Vorschrift der RVO an die durch die Vierjahresplangesetzgebung veränderte Rechtsordnung angleichen, sondern der einzelnen Krankenkasse eine Bestimmung an die Hand geben wollen, mit Hilfe derer sie erforderlichenfalls eine mißbräuchliche Inanspruchnahme von Barleistungen durch Weiterversicherte habe verhindern können. Der Reichsarbeitsminister habe damit in Wirklichkeit eine selbständige, partielle Reform des Krankenversicherungsrechts vornehmen wollen und die ihm in § 9 der Verordnung 1939 erteilte Ermächtigung nur vorgeschützt, um den Gesetzgebungsweg auszuschalten. Das werde aber durch § 9 Satz 2 der VO 1939 nicht gedeckt. Der Erlaß 1939 sei auch nicht als Gewohnheitsrecht wirksam geworden. Wenn eine geschriebene Norm Anwendung finde, weil sie als rechtswirksam zustande gekommen angesehen werde, könne sich "kein echtes Gewohnheitsrecht bilden". Überdies habe die beklagte Krankenkasse erst im Jahre 1951 von der Ermächtigung des Erlasses 1939 Gebrauch gemacht, so daß vor diesem Zeitpunkt die Bildung von Gewohnheitsrecht auch mangels regelmäßiger Anwendung des Erlasses 1939 entfalle.
Mit der - vom LSG. zugelassenen - Revision hat die beklagte Krankenkasse beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die VO 1939 habe als Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß 1939 ausgereicht. Im übrigen sei der Reichsarbeitsminister durch § 29 Abs. 3 des Gesetzes über weitere Maßnahmen in der Reichsversicherung aus Anlaß des Krieges vom 15. Januar 1941 (RGBl. I S. 34) - MaßnahmenG - allgemein ermächtigt worden, Vorschriften auf dem Gebiet der Sozialversicherung zu erlassen. Selbst wenn der Erlaß 1939 nicht durch die VO 1939 gedeckt sei, werde dieser Mangel dadurch geheilt, daß das MaßnahmenG die erforderliche Ermächtigung enthalte.
Die Klägerin hat beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, daß der Reichsarbeitsminister nach § 29 Abs. 3 des MaßnahmenG nur "im Einvernehmen mit den beteiligten Reichsministern" zur Ergänzung und Durchführung dieses Gesetzes Rechts- und Verwaltungsvorschriften habe erlassen dürfen, der Erlaß 1939 aber ohne ein solches Einvernehmen erlassen worden sei. Das MaßnahmenG sei im übrigen in die Zukunft gerichtet gewesen; es habe nicht rückwirkende Kraft gehabt.
II
Die Revision ist begründet.
Zu Unrecht hat das LSG. den angefochtenen Bescheid der beklagten Krankenkasse als rechtswidrig angesehen. Der Bescheid, mit dem die Beklagte der Klägerin eröffnete, sie habe als Weiterversicherte, die eine Beschäftigung gegen Entgelt nicht ausübe, in Zukunft keinen Anspruch auf Krankengeld und Hausgeld, beruht auf § 20 Abs. 6 der Kassensatzung. Entgegen der Auffassung des LSG. ist diese Bestimmung gültig. Die Krankenkasse war berechtigt, für Weiterversicherte nach § 215 Abs. 1 und 2 RVO in Verbindung mit dem Erlaß 1939 die genannten Beschränkungen der Kassenleistungen - unter entsprechender Ermäßigung der Beiträge (§ 215 Abs. 3 RVO in Verbindung mit dem Erlaß 1939) - vorzusehen. Die Bedenken des LSG. gegen die Rechtsgültigkeit des Erlasses 1939 können nicht geteilt werden.
Der Erlaß 1939 ist auf § 9 Satz 2 der VO 1939 gestützt. Zwar kann es keinem Zweifel unterliegen, daß der Erlaß 1939, wäre er unter der Herrschaft des GG erlassen und nach den dort für eine Rechtsverordnung aufgestellten rechtsstaatlichen Mindesterfordernissen zu messen, nicht bestehen könnte. Eine solche Betrachtungsweise ist jedoch unzulässig. Hierbei kann offen bleiben, ob in den Jahren 1933 bis 1945 erlassene Rechtsnormen schon dann als gültig anzusehen sind, wenn sie nach den verfassungsrechtlichen Grundsätzen, die das "Dritte Reich" sich selbst geschaffen hat, in förmlicher Hinsicht ordnungsgemäß erlassen, von den Mitgliedern der Rechtsgemeinschaft hingenommen und jahrelang beachtet worden sind, soweit sie nicht offenbares Unrecht anordnen (vgl. BVerfG 2 S. 237 (248 f.); 3 S. 58 (119); 6 S. 132 (198 f.); 6 S. 309 (331 f.); 6 S. 389 (414) und BVerwG 7 S. 114 (117)). Selbst wenn für die in jener Zeit erlassenen Rechtsverordnungen - als eine solche stellt sich der Erlaß 1939 seinem Wesen nach dar - daran festgehalten wird, daß sie von einer Ermächtigungsnorm gedeckt sein müssen, kann diese Frage nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG.) jedenfalls nur vom Standpunkt des Rechts aus beantwortet werden, das bei Erlaß der Rechtsverordnung gegolten hat, "mithin nach den bis zum Jahre 1945 in Deutschland herrschend gewesenen staatsrechtlichen Auffassungen über Art und Umfang solcher Ermächtigungen" (BSG. 3 S. 161 (163); vgl. auch BSG. 6 S. 47 (51); 7 S. 203 (204); 9 S. 112 (117 f.)). Die Berücksichtigung dieser Anschauungen ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil sie nationalsozialistisches Gedankengut enthalten, das mit dem Zusammenbruch des totalitären Staates seine Geltung verloren und rechtsstaatlichen Grundsätzen über die Zulässigkeit und Tragweite von Rechtssetzungsermächtigungen der Exekutive Platz gemacht hat (vgl. Art. 80, 129 GG). Denn diese Grundsätze dürfen, wenn die Sicherheit und Kontinuität des Rechts keinen Schaden nehmen sollen, nicht rückwirkend auf Rechtssetzungsakte übertragen werden, die im Zeitpunkt des Zusammenbruchs bereits abgeschlossen waren.
Nach dem während des nationalsozialistischen Regimes geltenden Staatsrecht konnte die Verwaltung aber ermächtigt werden, an Stelle des Gesetzgebers Rechtssätze zu erlassen, ohne daß die Ermächtigung dabei nach Zweck, Inhalt und Ausmaß genau umschrieben zu werden brauchte. Gegen die Wirksamkeit der nach Wortlaut und Zweckbestimmung außerordentlich weitgehenden Ermächtigung des § 9 Satz 2 der VO 1939, "alle Maßnahmen" zu "treffen, die auf dem Gebiet des Arbeitsrechts, des Arbeitsschutzes und der Reichsversicherung notwendig sind, um diese Verordnung durchzuführen", bestehen daher für die Zeit des nationalsozialistischen Regimes keine Bedenken (vgl. BSG. 5 S. 270 (274) und 6 S. 204 (207 f.); in diesen Entscheidungen ist der erkennende Senat gleichfalls von der Rechtsverbindlichkeit des § 9 Satz 2 der VO 1939 ausgegangen).
Die rechtspolitische Zielsetzung der VO 1939 - die nach dem damaligen Staatsrecht bei der Prüfung, ob die hierauf gestützte "Maßnahme" von der Ermächtigungsnorm gedeckt war, im Vordergrund stand (BSG. 9 S. 112 (117 f.)) - ergab sich klar aus der Präambel dieser Verordnung. Um "unaufschiebbare Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung" nicht durch Mangel an Arbeitskräften zu gefährden, sollte die Verordnung die Möglichkeit schaffen, "Bewohner des Reichsgebiets zu Leistungen heranzuziehen und die Bindungen an den Arbeitsplatz fester zu gestalten". Berücksichtigt man weiter, daß § 9 Satz 2 in einem untrennbaren inneren Zusammenhang mit dem Satz 1 dieser Bestimmung steht, wonach der Reichsarbeitsminister die zur Durchführung und Ergänzung der VO erforderlichen Vorschriften erläßt, so steht damit fest, daß der Reichsarbeitsminister in der denkbar weitestgehenden Form ermächtigt war, Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, die in irgendeinem Zusammenhang zu der rechtspolitischen Zwecksetzung der VO standen.
Ein solcher Zusammenhang ist bei dem Erlaß 1939 gegeben. Mit dem Erlaß sollte Weiterversicherten der Anreiz zum "Krankfeiern" genommen werden, der vielfach dann gegeben ist, wenn das Krankengeld zusätzliche Einnahme in Einkommensverhältnissen ist, die durch die Arbeitsunfähigkeit nicht berührt werden. Daß die Zweckbestimmung des Erlasses darin liegt, der in der zusätzlichen Gewährung von Krankengeld liegenden Versuchung entgegenzutreten, wird auch daran deutlich, daß der Erlaß 1939 auch die Vorschrift des § 189 RVO auf Weiterversicherte erstreckt hat, wonach der Anspruch auf Kranken- und Hausgeld während des Bezuges von Arbeitsentgelt ruht. Mit der Erweiterung des Geltungsbereichs der §§ 189, 215 Abs. 2 und 3 RVO sollte somit eine Gefährdung des mit der VO 1939 erstrebten totalen Arbeitseinsatzes - wenigstens dem Ziele nach - ausgeräumt werden. Diese lose Beziehung genügte nach der Staatsrechtspraxis des "Dritten Reiches", um den Erlaß 1939 als durch die Ermächtigungsnorm gedeckt anzusehen.
Gegen die Rechtsgültigkeit des Erlasses 1939 können auch keine Bedenken daraus hergeleitet werden, daß er nicht in einer Form verkündet worden ist, wie sie für Rechtsverordnungen durch § 1 des Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen vom 13. Oktober 1923 (RGBl. I S. 959) vorgeschrieben war. Der Erlaß 1939 ist in keinem der in dem vorgenannten Gesetz für die Verkündung von Rechtsverordnungen zugelassenen Blätter (RGBl., Reichsministerialblatt, Reichsanzeiger), sondern nur in den "Amtlichen Nachrichten für Reichsversicherung", einer Sonderausgabe des Reichsarbeitsblattes, verkündet worden. Diese Art der Verkündung entsprach der damaligen allgemeinen Praxis der Reichsministerien. Sie kann die Gültigkeit des Erlasses 1939 nicht beeinträchtigen, wie der Senat in einem ähnlichen Fall bereits näher dargelegt hat (BSG. 6 S. 47 (51 f.); vgl. auch BSG. 6 S. 204 (207) und 9 S. 112 (118)).
Der Erlaß 1939 ist somit rechtsverbindlich in Kraft getreten (so auch schon das RVA. (Bescheid vom 5.9.1942 in EuM. Bd. 50 S. 137 Nr. 47), das zum Erlaß 1939 ausführt, er habe bisher strittige Fragen "im Wege der Gesetzgebung geregelt").
Der Erlaß 1939 - und die durch ihn bewirkte inhaltliche Umgestaltung des § 215 Abs. 2 und 3 RVO - ist auch nicht später außer Kraft getreten. Weder die Beendigung des Kriegszustandes noch der Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes hatte zur Folge, daß der Erlaß 1939 mit der Änderung der Verhältnisse von selbst, d. h. ohne einen Aufhebungsakt des Gesetzgebers, außer Kraft getreten wäre; denn seine Zweckbestimmung ist nicht Bestandteil der von ihm getroffenen Regelung, so daß aus der Zweckbestimmung auch keine Einschränkung des zeitlichen Geltungsbereichs hergeleitet werden kann (vgl. BSG. 4 S. 200 (204); 9 S. 112 (118); s. auch BVerwG 7 S. 114 (117 f.)).
Ebensowenig hat der Erlaß 1939 mit dem Wegfall seiner Ermächtigungsnorm - § 9 der VO 1939 ist spätestens durch Art. 129 Abs. 3 GG beseitigt worden - seine Geltung verloren. Eine solche innere Abhängigkeit besteht allenfalls für Bestimmungen, die allein zur Ergänzung oder Durchführung anderer Bestimmungen erlassen sind, nicht dagegen für Vorschriften, die - wie der Erlaß 1939 - eine eigenständige "gesetzesvertretende" Regelung darstellen (BSG. 9 S. 112 (118 f.); BVerwG 7 S. 114 (119 f.) mit weiteren Nachweisen).
Auch § 29 Abs. 2 Buchst. a des hessischen "Arbeitsverpflichtungs-Gesetzes" vom 26. Juni 1947 (Hess. GVOBl. S. 69), wonach mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes die VO 1939 "mit ihren Durchführungsverordnungen, ergänzenden Anordnungen und Erlassen" aufgehoben wurde, berührt den Erlaß 1939 nicht. Wie schon das LSG. zutreffend erwogen hat, befaßt sich das Arbeitsverpflichtungsgesetz nur mit der Bereitstellung von Arbeitskräften durch Dienstverpflichtung. Durch § 29 Abs. 2 des Arbeitsverpflichtungs-Gesetzes sollten somit nur diejenigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften aufgehoben werden, die die Dienstpflicht betrafen. Unberührt blieben hiervon die auf § 9 Satz 2 der VO 1939 gestützten sachrechtlichen Regelungen der Sozialversicherung, die keinen Bezug zur Dienstpflicht haben (so auch der im Einvernehmen mit dem Justizminister ergangene Erlaß des Hessischen Ministers für Arbeit, Landwirtschaft und Wirtschaft vom 8.2.1950 (Staatsanzeiger für das Land Hessen 1950 S. 99 Nr. 178)).
Ist hiernach der Erlaß 1939 sowohl gültig zustandegekommen als auch rechtswirksam geblieben, so braucht auf die vom LSG. hilfsweise erörterte Frage, ob er als Gewohnheitsrecht Gültigkeit erlangt habe, nicht eingegangen zu werden. Jedenfalls war die beklagte Krankenkasse im Jahre 1951 berechtigt, ihre Satzung unter Zugrundelegung der Regelung des Erlasses 1939 zu ändern, wobei die Motive, die die Beklagte zur Satzungsänderung bewogen haben, für deren Gültigkeit ohne Bedeutung sind.
Der Revision ist daher stattzugeben. Unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Fundstellen