Entscheidungsstichwort (Thema)
Todesstrafe
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Frage, wann die Verurteilungen Deutscher durch Militärgerichte der Alliierten infolge der Kapitulation Deutschlands und die Vollstreckung der Todesurteile Vorgänge iS des BVG § 5 Abs 1 Buchst d sind.
2. Freischärler konnten nur in einem kriegsgerichtlichen Verfahren nach der KrStrVfO mit dem Tode bestraft werden. Das Kriegsrecht hat keine meuchlerische Tötung, auch nicht bei Partisanen erlaubt. Eine Ausnahme ist nur anerkannt, wenn der Freischärler beim Kampf betroffen oder auf der Flucht ergriffen wird.
Normenkette
BVG § 5 Abs. 1 Buchst. d Fassung: 1953-08-07; KrStrVfO
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Juni 1968 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der am 5. Februar 1906 geborene und am 23. Februar 1948 hingerichtete Ehemann der Klägerin, Dr. E I (I.), hatte 1930 das 1. und 1934 das 2. juristische Staatsexamen abgelegt. Nach längerer Tätigkeit bei der Gestapo und in der inneren Verwaltung war er von Januar bis Dezember 1944 Inspekteur der Sicherheits-Polizei und Befehlshaber der Sicherheitsstreitkräfte (BDS) in Südwestdeutschland und im Elsaß. Nach dem 7. Mai 1945 wurde er von britischen Militärbehörden inhaftiert, vor ein britisches Militärgericht gestellt und am 11. Juni 1946 wegen der Beteiligung an der Erschießung von 32 englischen Fallschirmspringern und eines Piloten der Royal Air Force (RAF) zum Tode verurteilt. Danach wurde er an Frankreich ausgeliefert. In einem französischen Kriegsverbrecherprozeß wurde er beschuldigt, die Erschießung verschiedener Angehöriger der Widerstandsgruppe "A" befohlen zu haben. In einem zweiten Prozeß wurde ihm vorgeworfen, an der Tötung zweier Männer und zweier Frauen am 22. November 1944 in H/Elsaß mitschuldig zu sein. Er wurde durch Urteile der französischen Militärgerichte vom 17. Mai 1947 und 23. Juli 1947 in jedem der beiden Verfahren zum Tode verurteilt. Nach Zurückweisung der Kassationsbeschwerden (Revisionen) durch die Urteile des Kassationsgerichtshofs Paris vom 30. Juli 1947 und 22. Oktober 1947 wurden die Strafen am 23. Februar 1948 durch Erschießung vollstreckt.
Am 29. August 1956 lehnte das Versorgungsamt den Antrag der Klägerin, ihr wegen des Todes des I. Versorgung zu gewähren, wegen Fristversäumnis (§ 58 des Bundesversorgungsgesetzes - BVG - aF) ab. Mit einem weiteren Bescheid vom 28. November 1956 wurde auch die Gewährung von Versorgung im Wege des Härteausgleichs abgelehnt. Die Klage gegen den Bescheid vom 29. August 1956 (Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 1956) wies das Sozialgericht (SG) Düsseldorf ab. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. November 1956 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. März 1958 zurückgewiesen. Auf die Klage verurteilte das SG den Beklagten am 11. Oktober 1960, ab 1. September 1956 Witwenversorgung im Wege des Härteausgleichs zu gewähren. Der Beklagte legte Berufung ein. Das Landessozialgericht (LSG) lud die Bundesrepublik Deutschland bei. Es nahm Einsicht in die Akten des britischen Kriegsverbrecherprozesses und ließ Fotokopien der Originalakten fertigen. Ferner zog es die Anklageschriften und Verhandlungsprotokolle aus den Akten der französischen Militärgerichtsverfahren einschließlich der Protokolle über die Verhandlung des Kassationsgerichtshofes bei. Auf Anforderung des LSG erstattete Prof. Dr. M vom M-Institut für öffentliches Recht und Völkerrecht in H am 28. November 1967 ein Gutachten zu den in dem britischen Verfahren aufgetretenen kriegsrechtlichen Fragen. Die Klägerin legte außerdem ua die Abschrift eines Gutachtens des Rechtsanwalts Dr. M vom 12. Mai 1946 "Zum Verfahren gegen Schutzpolizeibeamte wegen Tötung von Fallschirmspringern auf Grund des Kommandobefehls" vor. Mit Urteil vom 20. Juni 1968 änderte das LSG das Urteil des SG ab und wies die Klage ab. Es führte ua aus: Das SG habe den Beklagten zu Unrecht verurteilt, der Klägerin Witwenversorgung "im Härtewege" zu gewähren. Dem SG sei nicht darin zu folgen, daß der Tod des I. Folge einer Kriegsgefangenschaft sei; auch die Klägerin habe dies in der Berufungsinstanz nicht mehr geltend gemacht. I. sei niemals in Kriegsgefangenschaft gewesen, sondern als von den Alliierten gesuchter "Kriegsverbrecher" durch die britische Besatzungsmacht verhaftet und in W vor ein britisches Militärgericht gestellt worden. Auch in Frankreich sei er "wegen Begehung von Kriegsverbrechen" gerichtlich zur Verantwortung gezogen worden. Bei der Prüfung, ob sich die Todesurteile als ein offensichtliches Unrecht (eine Willkür) und damit als ein schädigender Vorgang im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. a BVG i. V. m. § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG darstellten, sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auf das "Gesamtverhalten" des früheren Angeklagten abzustellen; deshalb müsse auch das britische Militärgerichtsurteil überprüft werden, obwohl die Hinrichtung allein wegen der beiden französischen Todesurteile erfolgt sei. Der erste französische Kriegsverbrecherprozeß (Urteil vom 17. Mai 1947), der die Erschießung von Angehörigen der Widerstandsgruppe "A" (meist durch Genickschuß) betroffen habe, sei nicht rechtmäßig abgelaufen, weil die zur Entlastung des I. genannten Zeugen "aus Zeitmangel" nicht vernommen worden seien, was nach deutschem Strafprozeßrecht einen wesentlichen und schwerwiegenden Mangel im Verfahren darstelle. Dieses Strafurteil sei deshalb ein offensichtliches Unrecht im Sinne der Rechtsprechung des BSG zu § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG. Dagegen habe das zweite gegen I. ergangene französische Militärgerichtsurteil vom 23. Juli 1947 und die damit verhängte Todesstrafe nicht als offenbares Unrecht angesehen werden können. Insoweit komme es darauf an, ob das französische Militärgericht damals den Tatbestand der Spionage durch Abgabe von Blinkzeichen bei den auf Befehl des I. erschossenen Franzosen als vorliegend habe ansehen können oder nicht. Offenbar habe man im französischen Militärgerichtsverfahren einen solchen Tatbestand nicht als nachgewiesen angesehen, zumal unter den vier Erschossenen auch zwei Frauen gewesen seien, bei denen keine Blinkeinrichtungen gefunden worden seien, die aber ebenfalls durch Genickschuß getötet worden seien. Gehe man von einem solchen Sacherhalt aus, so dürfte es sich bei den auf Befehl des I. durch die Polizeikommissare Sch und Sch vorgenommenen Erschießungen mittels Genickschusses um "schwere Gewalttaten" im Sinne des § 1 der Verordnung gegen Gewaltverbrecher vom 5. Dezember 1939 (RGBl I 2378) gehandelt haben, die im Zeitpunkt der Tat geltendes Strafrecht gewesen sei. Die zwei Männer und die zwei Frauen seien aus einer größeren Anzahl von Personen, die am 21. November 1944 morgens 2 00 Uhr festgenommen worden seien, "aussortiert" und bereits um 17 00 Uhr desselben Tages erschossen worden, ohne daß irgend ein gerichtliches bzw. kriegsgerichtliches Verfahren stattgefunden habe. In seinem militärgerichtlichen Verfahren habe der damalige Angeklagte I. die Straftaten in der geschilderten Weise auch nicht bestritten, sondern zugegeben, daß er den Erschießungsbefehl gegeben habe. Er habe sich lediglich darauf gestützt, daß er von Gauleiter W die Vollmacht bekommen habe, Personen, die der Spionage oder Sabotage für schuldig befunden worden seien, ohne Aburteilung zu exekutieren und daß er nur diesen Befehl ausgeführt habe. Da kein Kriegsgericht zur Verfügung gestanden habe, habe er die Entscheidung treffen müssen. Diese Argumente der Verteidigung hätten offensichtlich nach Auffassung des französischen Militärgerichts den Angeklagten nicht entlasten können. Auch das LSG komme zu keinem anderen Ergebnis. Die Exekution sei unter völkerrechtlichen und kriegsrechtlichen Gesichtspunkten rechtswidrig gewesen. Die Berufung des I. auf den Befehl des Gauleiters W überzeuge nicht, da I. damals nicht dem Gauleiter, sondern dem Reichssicherheitshauptamt in Berlin unterstellt gewesen sei. Gauleiter W hätte bei seiner Stellung die Erschießung selbst anordnen können. Im übrigen erscheine es auch schon rein zeitlich ausgeschlossen, daß I. nach den Ausführungen des Verteidigers B im Strafverfahren am selben Tage bis 17 00 Uhr eine angeblich angelegte Akte eingehend überprüft, weiterhin zweimal persönlich dem Gauleiter W Bericht erstattete und dann erst dessen Befehl, die vier Franzosen hinzurichten, weitergegeben habe. Bestenfalls sei ein allgemein gehaltener Befehl des Gauleiters vorhanden gewesen, in Fällen der Zusammenarbeit der Zivilbevölkerung mit den einrückenden Alliierten scharf durchzugreifen. Dann aber hätte die Exekution nicht wie im vorliegenden Falle vor sich gehen dürfen. Gerade der Umstand, daß hier zwei Frauen, bei denen offenbar keine Blinkgeräte gefunden worden waren, innerhalb von Stunden nach ihrer Ergreifung ohne jegliche gerichtliche Untersuchung erschossen werden sollten, hätte bei I. - entsprechend dem Beschlusse des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 18. März 1952 (BGHSt. Bd. 2, 194) - "bei gehöriger Anspannung des Gewissens" das Bewußtsein erwecken können und müssen, daß Unrecht geschehe, wenn die Exekution in der vorgesehenen Weise durchgeführt werde. Selbst wenn ein allgemeiner Befehl des Gauleiters bestanden hätte, hätte sich I. im vorliegenden Fall nicht damit identifizieren dürfen. Er hätte vielmehr alles unternehmen müssen, um diese Hinrichtung zu verhindern, was ihm bei seiner eigenen hohen Stellung als Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Südwestdeutschland und im Elsaß auch möglich gewesen wäre. I. könne sich auch nicht darauf berufen, unter einer Zwangslage (§ 52 des Strafgesetzbuches - StGB -) oder in einem Notstand (§ 54 StGB) gehandelt zu haben. I. habe sich zwar auf "höheren Befehl" berufen. Die näheren Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 52 und 54 StGB (vor allem Gefahren für Leib und Leben für sich selbst oder seine Angehörigen) seien aber im zweiten französischen Strafprozeß nicht nachgewiesen worden. Hätte I. die Exekution damals nicht angeordnet, so wäre er möglicherweise von seinem Posten abgelöst und allenfalls an die Front zu Dienstleistungen in einem niedrigeren Rang versetzt worden. Dies hätte I. in Kauf nehmen können und müssen, wie es zahlreiche höhere Funktionäre gerade am Ende des Krieges auch getan hätten.
Da für die Situation im November 1944, als die vier Franzosen auf Befehl des I. getötet worden seien, ein Befehlsnotstand nicht anerkannt werden könne, habe sich I. mindestens der Beihilfe, wenn nicht sogar der Mittäterschaft an einem Tötungsdelikt im Sinne des seinerzeit geltenden deutschen Strafrechts schuldig gemacht, weswegen im Zeitpunkt der Tat eine hohe Zuchthausstrafe und sogar die Todesstrafe hätte ausgesprochen werden können. Auch die von dem britischen Militärgericht ausgesprochene Todesstrafe stelle kein offensichtliches Unrecht dar. Nach dem Gutachten des Prof. Dr. M, das im wesentlichen mit den Ausführungen von Dr. M übereinstimme, hätten die erschossenen Fallschirmspringer und der Pilot in jedem Falle den Kombattanten-Status besessen und habe der sog. Kommandobefehl vom 18. Oktober 1942 dem Kriegsrecht auch zur Zeit seines Erlasses widersprochen.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts, nämlich der §§ 1, 5 BVG und der einschlägigen Bestimmungen des deutschen Strafrechts, ferner Verstöße gegen die deutsche Strafprozeßordnung und die §§ 103, 106, 116 und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Sie hat ua vorgetragen, das Protokoll der Hauptverhandlung vom 23. Juli 1947 im zweiten französischen Militärgerichtsverfahren sei nur teilweise in die deutsche Sprache übersetzt worden. Dabei wäre die Übertragung des ganzen Inhalts von Bedeutung gewesen, weil das Protokoll in seinem nicht übersetzten Teil einen wichtigen Beweisantrag, nämlich den Antrag auf Vernehmung des Oberkriminalrats H, enthalte; dieser Antrag sei vom Militärgericht abgelehnt worden. Das Militärgericht habe auch auf einen weiteren Antrag der Verteidigung des Angeklagten Sch ein Vernehmungsprotokoll des Oberkriminalrats H aus der Verhandlung ausgeklammert in der Meinung, daß die Verteidigung dieser Zeugenaussage keine besondere Bedeutung beizumessen scheine; es habe sich auch in diesem Falle nicht der Mühe unterzogen, einen greifbaren Zeugen zu hören. Außer der Fragestellung an die Mitglieder des Gerichts und deren Antworten ergebe das Protokoll nichts, was zur Klarstellung des dem Angeklagten vorgeworfenen strafbaren Sachverhalts führen könne.
Auch das Protokoll der Verhandlung vor dem Kassationshof vom 22. Oktober 1947 gebe zum Tatbestand keinerlei Aufklärung; es lasse jedoch erkennen, daß I. eine ausführlich begründete Rechtsmittelschrift vorgelegt habe, in der er die Verletzung französischer Gesetze rügte. Der französische Verteidiger, Rechtsanwalt B, habe in seinem Gnadengesuch vom 20. September 1947 ua geltend gemacht: Deutsche militärische Stellen hätten bei den Kämpfen um Hüningen eine Anzahl von Personen aus der Zivilbevölkerung unter dem Vorwand verhaftet, diese seien mit den französischen Truppen durch Blinkzeichen in Verbindung getreten; der Chef der deutschen Einheit habe die Gestapo um eine Untersuchung ersucht; diese sei von zwei Beamten namens Sch und Sch durchgeführt worden. Sie habe ergeben, daß vier Zivilisten der Gemeinde Hüningen, darunter zwei Frauen, gestanden hätten. Nach eingehender Überprüfung der Akte (über die Untersuchung durch die beiden Gestapobeamten) habe I. aufgrund der von den vier angeklagten Franzosen unterzeichneten Geständnisse, daß sie eine direkte Verbindung mit der französischen Armee im Operationsgebiet aufrechterhalten hätten, zweimal dem Gauleiter W Bericht erstattet und dessen Befehl, die vier Franzosen hinzurichten, weitergegeben. Wegen dieser Handlung sei er zum Tode verurteilt worden. I. habe jedoch im vorliegenden Fall genauso gehandelt wie jeder französische Offizier, wenn er vor die gleichen Tatumstände gestellt gewesen wäre. Er habe sonach keineswegs ein Kriegsverbrechen begangen, sein Handeln habe vielmehr einen gesetzmäßigen Kriegsakt, der im Einklang mit den international anerkannten Gesetzen der Kriegsführung gestanden habe, dargestellt. Das klare Bekenntnis des französischen Verteidigers zu seinem Klienten ermögliche einen besonders tiefgehenden Einblick in die rechtliche Problematik des Falls. Die Revision hat ferner das schriftliche Verteidigungskonzept des I. mitgeteilt; danach hat sich I. aufgrund einer Anordnung des Reichsverteidigungskommissars (RVK) W zur Erschießung für berechtigt geglaubt. Dieser Anordnung habe er Gesetzeskraft beigemessen. Eine Gehorsamsverweigerung gegenüber einer Verordnung des RVK sei schlechterdings unmöglich gewesen, mindestens nicht ohne schwere Folgen für das eigene Leben und das seiner Familienangehörigen. Die Klägerin macht mit der Revision ferner geltend, es sei nicht angängig, den Tatbestand in objektiver und subjektiver Beziehung allein aus der Anklageschrift zu entnehmen, wie es das LSG getan habe. Auch die abweichende Darstellung der Verteidigung, die sich aus dem Gnadengesuch ergebe, hätte gewürdigt werden müssen. I. habe niemals gestanden, Straftaten begangen zu haben. Deshalb hätte weder das Urteil des französischen Militärgerichts noch das Erkenntnis des LSG auf sein Geständnis gestützt werden dürfen. Es sei nicht ersichtlich, daß die Behauptungen des Angeklagten im Verfahren widerlegt worden seien. Das LSG hätte auch nicht annehmen dürfen, es sei dem Angeklagten nicht gelungen, einen bestimmten Sachverhalt zu beweisen. Das Ergebnis des französischen Militärgerichtsurteils hätte es nur dann übernehmen dürfen, wenn das Verteidigungsvorbringen des Angeklagten, die vier erschossenen Elsässer hätten sich gegen deutsche Kriegsstrafvorschriften vergangen, einwandfrei widerlegt worden wäre. Das sei ersichtlich nicht der Fall. Das LSG habe auch zu Unrecht die Auffassung des französischen Militärgerichts übernommen, bei der Abgabe von Blinkzeichen handele es sich rechtlich um Spionage im Sinn des § 2 der Kriegssonderstrafrechtsverordnung (KSSVO); vielmehr habe Freischärlerei im Sinn des § 3 KSSVO vorgelegen. Freischärlerei sei kriegsgerichtlich abzuurteilen gewesen, sofern die kämpfenden Truppenteile vor dem Einsatz Feldkriegsgerichte berufen hätten. Ein Angeklagter, der der Freischärlerei für schuldig befunden worden sei, wäre zum Tode zu verurteilen, andernfalls freizusprechen gewesen. Nachdem die vier Elsässer ein todeswürdiges Verbrechen im Sinne des § 3 KSSVO eingestanden hätten, habe I. aufgrund der Verordnung des RVK anstelle eines Kriegsgerichts in der geschehenen Weise tätig werden müssen. Wie Dr. M in seinem Gutachten zum Ausdruck gebracht habe, hätten nach ungeschriebenen Kriegsgebrauch von jeher Gefangene durch den Feind summarisch abgeurteilt werden dürfen, wenn sie bei der Begehung eines Verstoßes gegen das Kriegsrecht in die Hand des Gegners gefallen seien. Die Behandlung nach solchem Kriegsgebrauch bedürfe nicht der Rechtsgarantien eines ordnungsmäßigen Strafverfahrens. Das LSG habe zu Unrecht die Verordnung gegen Gewaltverbrecher angewandt. Diese habe nur für bestimmte schwere Gewalttaten gegolten, wenn diese nach den ganzen Umständen verabscheuungswürdiger als sonstige Straftaten gleicher Art gewesen seien, dabei müsse die besondere Mißbilligung die Person des Täters treffen. Das LSG habe es sich zu Unrecht versagt, die Persönlichkeit des I. unter diesen Gesichtspunkten zu würdigen, obwohl ihm die englischen und die französischen Verfahrensakten eine ausreichende Möglichkeit hierfür gegeben hätten. I. habe in äußerster Not seines Landes zur Abwehr von Heckenschützen, Saboteuren und deren englischen Lehrmeistern und Ausbildern schwere Verantwortung tragen müssen. Ganz eindeutig habe es sich bei ihm um eine lautere Persönlichkeit mit dem geschärften Rechtsempfinden eines deutschen Juristen gehandelt, der versucht habe, seine rechtlichen Auffassungen durchzusetzen, wo er dazu in der Lage gewesen sei. Wegen seiner untadeligen Aufführung auch in Frankreich werde auf die Leumundszeugnisse, z. B. des Dr. D, die der französische Verteidiger seinem Gnadengesuch zugrunde gelegt habe, hingewiesen. Auch der Ausgang des britischen Verfahrens sei keineswegs geeignet, I. zum Gewaltverbrecher zu stempeln.
Bei seiner Annahme, daß I. am Tage der Erschießung der französischen Ehepaare unmöglich in der Lage gewesen sei, bis 17 00 Uhr eingehend eine Akte zu prüfen, zweimal dem Gauleiter Bericht zu erstatten und dann erst den Befehl zur Hinrichtung zu geben, habe das LSG die näheren Umstände nicht ermittelt. Es hätte den Angeklagten Sch, dem mildernde Umstände zugebilligt worden seien, hierzu hören müssen, da er Tatzeuge gewesen sei, und es hätte auch prüfen müssen, ob Oberkriminalrat H als Zeuge zur Verfügung gestanden habe. Dieser wäre in der Lage gewesen, Auskünfte über die Rechtslage zu geben, insbesondere die Machtbefugnisse des RVK im einzelnen zu klären. Zur Klärung aller Tatumstände hätte das LSG schließlich auch Rechtsanwalt B aus S laden können, der sein präzises Wissen über alle Vorkommnisse im Ablauf des französischen Militärgerichtsverfahrens habe zur Verfügung stellen können. U hätte auch Rechtsanwalt Dr. vom B als Zeuge geladen werden können, der I. vor dem britischen Militärgericht verteidigt habe. Statt dieser notwendigen Aufklärung habe sich das LSG auf Mutmaßungen gestützt, denen der wirkliche Sachverhalt entgegengestanden habe. Das vom LSG angeforderte Gutachten von Prof. Dr. M sei erkennbar unbrauchbar; der Sachverständige habe ua den Geheimerlaß des OKW über die Bekämpfung einzelner Fallschirmspringer vom 4. August 1943 überhaupt nicht gewürdigt. Dieser Erlaß bestätige auch die Richtigkeit der von I. vorgetragenen Rechtsauffassung zum Fallschirmspringerproblem. Mithin lägen Verstöße gegen die §§ 103, 106 und 128 SGG vor. Soweit das LSG Einsichtnahme in die französischen und englischen Prozeßakten ohne Hinzuziehung der Prozeßbeteiligten angeordnet habe, sei § 116 SGG verletzt. Es sei nicht auszuschließen, daß die gebotene Beteiligung der Prozeßparteien bei der Durchsicht des ausländischen Aktenmaterials zur Beschaffung von entlastendem Material für I. geführt hätte. In dieser Hinsicht wären die Rechtsmittelschriften des I. im französischen Militärgerichtsverfahren von besonderer Wichtigkeit gewesen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20. Juni 1968 und des SG Düsseldorf vom 11. Oktober 1960 nach den in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten Anträgen zu entscheiden.
Der Beklagte hat zunächst beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Dem LSG-Urteil sei zuzustimmen. Verfahrensvorschriften seien nicht verletzt. Der von I. in seiner Einlassung im Strafprozeß geltend gemachte Gesichtspunkt der Nichtvorwerfbarkeit gegenseitigen völkerrechtswidrigen Verhaltens (Grundsatz des "tu quoque ") - etwa im Hinblick auf gleichartige Handlungen der alliierten Truppen beim Vormarsch im Elsaß und im ehemaligen Reichsgebiet - sei kein völkerrechtlich allgemein anerkannter Rechtfertigungsgrund.
Mit weiterem Schriftsatz vom 12. Juni 1969 hat der Beklagte noch hilfsweise beantragt,
das Urteil des LSG mit den ihm zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Er hat dazu ua ausgeführt, das LSG habe tatsächliche Feststellungen unterlassen, deren Fehlen zu Lasten des Beklagten gehen könnte; dies habe sich bei der Entscheidung des LSG nicht nachteilig ausgewirkt, weil die (unvollständigen) Feststellungen tatsächlicher Art dem Gericht bereits ausgereicht hätten, um der Berufung des Landes Nordrhein-Westfalen stattzugeben. Das LSG hätte sich jedoch von seinem Rechtsstandpunkt aus, daß es auf das Gesamtverhalten des I. ankomme, nicht auf die Feststellung des Geschehensablaufs beschränken dürfen, der zu den militärgerichtlich abgeurteilten Handlungen geführt habe, sondern es hätte vor allem in Kenntnis der Tatsache, daß I. in der SS und Gestapo hohe Ämter bekleidet und herausragende Funktionen ausgeübt habe, dessen gesamten persönlichen und beruflichen Werdegang, sein Persönlichkeitsbild wie auch seine verantwortlichen Tätigkeiten im einzelnen feststellen müssen. Bedeutsam seien ua folgende frühere Tätigkeiten des I. gewesen: von Februar 1936 bis Dezember 1939 als Leiter der Gestapoleitstelle Köln, in einer Zeit, in der nach seinen Angaben von dort die Juden in die Konzentrationslager Dachau und Oranienburg abtransportiert wurden; außerdem von Februar 1942 bis August 1943 als Leiter der Abteilung I und II der Einsatzgruppe B in Smolensk, wo damals zahlreiche Juden umgebracht worden seien; schließlich von August 1943 bis Oktober 1943 als Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Weißruthenien in Minsk, wo damals auch Judenvernichtungen stattgefunden hätten. Der Beklagte hat hierzu zahlreiche Fotokopien des Berliner Dokument Center übersandt, von denen die Klägerin Ablichtungen erhalten hat. Sie hat sich dazu nicht geäußert.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Auf das weitere Vorbringen der Beteiligten in ihren im Revisionsverfahren eingereichten Schriftsätzen wird verwiesen.
II
Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 SGG). Sachlich konnte sie jedoch keinen Erfolg haben.
Das LSG hat ausgeführt, nach der übereinstimmenden Auffassung der Klägerin und des Beklagten könne eine Kriegsgefangenschaft des I. nicht als wesentliche Bedingung für seinen Tod gewertet werden. Gegen diese Rechtsauffassung bestehen keine Bedenken; denn für die Verurteilung und Hinrichtung des I. war nicht seine Kriegsgefangenschaft von wesentlicher Bedeutung, sondern sein Verhalten vor Beginn seiner Haft (vgl. hierzu auch das Urteil des erkennenden Senats vom 9. Dezember 1969 - 9 RV 850/66 -). Auch die Grundsätze, nach denen das LSG die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG beurteilt hat, sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Verurteilung des I. durch britische und französische Gerichte infolge der Kapitulation Deutschlands und die Vollstreckung der Todesurteile sind nur dann schädigende Vorgänge im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG, wenn ein deutsches Gericht nicht auf die Todesstrafe hätte erkennen dürfen und die tatsächlich verhängte Strafe deshalb, weil sie nach deutschem Recht dem Unrechtsgehalt der Tat nicht entspricht, ein offensichtliches Unrecht darstellt. Ist der Verurteilte jedoch des Mordes schuldig gewesen und hat er einen Straftatbestand erfüllt, für den das deutsche Strafgesetz (§ 211 StGB in der damals geltenden Fassung vom 4. September 1941 - RGBl I 549 -) die Todesstrafe als Sühne vorgesehen hat, so stellt die Vollstreckung eines solchen Urteils kein offensichtliches Unrecht dar. Unerheblich ist in diesem Falle auch, ob ein deutsches Gericht im Einzelfalle möglicherweise nicht auf die Todesstrafe als Regelstrafe (§ 211 Abs. 1 StGB aF), sondern auf lebenslängliches Zuchthaus erkannt hätte oder daß deutsche Stellen möglicherweise im Wege des Gnadenerweises die Todesstrafe in eine Freiheitsstrafe umgewandelt hätten (BSG 16, 182, 184, 185; 17, 225; 22, 275). Es ist auch nicht entscheidend, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt und nach welcher - inländischen oder ausländischen - Strafvorschrift auf die Todesstrafe erkannt worden ist, sondern es kommt allein darauf an, welche rechtliche Beurteilung das Verhalten des Verurteilten nach deutschem Recht durch deutsche Gerichte hätte finden müssen und welche Strafe aufgrund des vorliegenden Sachverhalts zulässig gewesen wäre (vgl. Urteil des BSG vom 13. Februar 1964 - 8 RV 1133/61 - und das bereits zitierte Urteil des erkennenden Senats vom 9. Dezember 1969).
Bei der hiernach vorzunehmenden Überprüfung des angefochtenen Urteils konnte sich der Senat auf eine Würdigung des zweiten französischen Kriegsverbrecherprozesses beschränken; zumindest die in diesem Verfahren verhängte Strafe hat dem Unrechtsgehalt der Tat entsprochen. Dabei war zunächst zu erörtern, ob das LSG die von ihm beigezogenen und gewürdigten Unterlagen als ausreichend für die Schlußfolgerung hat ansehen dürfen, I. habe sich - jedenfalls soweit es sich um die Tötung der beiden Frauen handelte - eines Verbrechens schuldig gemacht, das auch nach damaligem deutschen Strafrecht zur Verhängung der Todesstrafe gegen ihn hätte führen können. Dies ist zu bejahen. Gegen die tatsächlichen Feststellungen, die das französische Militärgericht seinem Urteil vom 23. Juli 1947 und der Kassationshof seinem Urteil vom 22. Oktober 1947 insoweit zugrunde gelegt haben und von denen auch das LSG ausgegangen ist, hat die Klägerin keine hinreichend substantiierten (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG) oder durchgreifenden Revisionsrügen geltend gemacht. Es ist nicht ersichtlich, daß das LSG bei seinen tatsächlichen Feststellungen das von I. im Strafverfahren zu seiner Verteidigung Vorgebrachte oder den wesentlichen Inhalt des Gnadengesuches des I. unberücksichtigt gelassen hätte. In dem Verteidigungskonzept hat I. sich nur zur rechtlichen Würdigung der festgestellten Tatbestände geäußert. Wenn die Revision weiter geltend macht, im Gnadengesuch sei betont worden, daß "vier Zivilisten der Gemeinde Hüningen, darunter zwei Frauen, gestanden„ hätten, so ist damit nicht auf einen neuen wesentlichen Umstand hingewiesen worden. Denn es hieß schon in der Anklageschrift: "Die beiden Männer wurden als Spione gestempelt, weil sie beide im Besitz einer Taschenlampe waren und weil sie, scheint es, gestanden hätten. Die Frauen wurden als Komplizinnen angesehen, weil sie dabei waren". Daraus ergibt sich, daß das angebliche Geständnis schon bei der Voruntersuchung geltend gemacht und demgemäß im Gerichtsverfahren berücksichtigt worden ist. Hiernach sollen allerdings - anders als dies im Gnadengesuch behauptet wird - nur die beiden Männer gestanden haben. Dies konnte dem LSG auch einleuchtend erscheinen, da bei den Frauen nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG "keine Blinkeinrichtungen gefunden worden waren". Im übrigen heißt es sogar im Gnadengesuch, daß an dem betreffenden Tag (21. November 1944) eine gewisse Anzahl von Zivilpersonen " unter dem Verwand " verhaftet worden sei, mit den französischen Truppen durch Lichtsignale in Verbindung gestanden zu haben. Diese Formulierung im Gnadengesuch ließ es noch viel weniger als wahrscheinlich erscheinen, daß die beiden Frauen Blinkzeichen abgegeben und dies auch noch gestanden haben sollten, obwohl bei ihnen keine Blinkeinrichtungen gefunden worden waren.
Die Feststellung des LSG, I. habe zugegeben, den Erschießungsbefehl erteilt zu haben, und darauf hingewiesen, daß er die Entscheidung habe treffen müssen, wird durch das Vorbringen der Revision, I. habe niemals gestanden, " Straftaten begangen zu haben", nicht in verfahrensrechtlich beachtlicher Weise angegriffen; denn I. bestritt damit nicht die seiner Verurteilung zugrunde gelegten Tatsachen , sondern machte nur geltend, daß er sich durch diese Handlungen nicht strafbar gemacht habe. Das LSG mußte auch nicht ermitteln, ob der Angeklagte Sch noch erreichbar ist und was er zu den Einzelheiten zu sagen hätte. Mit der Revision ist nicht dargelegt, welche neuen Bekundungen von Sch hätten erwartet werden können. Im übrigen sind die Erwägungen des LSG darüber, ob I. am gleichen Tag bis 17 00 Uhr eine über die französischen Verurteilten angelegte Akte eingehend habe prüfen können, für die Entscheidung ohnedies nicht von wesentlicher Bedeutung. Das LSG mußte sich auch nicht zu einer Anhörung des Oberkriminalrats H gedrängt fühlen, nachdem es in den französischen Gerichtsprotokollen heißt, "die Verteidigung selbst (scheine) dessen Zeugenaussage keine besondere Bedeutung beizumessen". Auch die Revision hat nicht angegeben, daß und inwiefern H zu den für die Entscheidung des LSG wesentlichen Punkten in tatsächlicher Hinsicht etwas Neues hätte vortragen können; sie hat nur ausgeführt, daß dieser Auskünfte über die Rechtslage und die Machtbefugnisse des RVK hätte geben können. Das gleiche gilt für die Anhörung der Rechtsanwälte B und Dr. v. B, zumal diese aus eigener Kenntnis über die Vorgänge am 21. November 1944 nichts aussagen konnten. Ob das Gutachten des Prof. Dr. M Mängel enthält, die von der Revision ohnedies nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden sind, hat unerörtert bleiben können, da dieses Gutachten das Verfahren vor dem britischen Militärgericht betrifft.
Schließlich greift auch die Rüge der Revision nicht durch, § 116 SGG sei verletzt, soweit das LSG zu der Einsichtnahme in die französischen und englischen Prozeßakten die Prozeßbeteiligten nicht hinzugezogen habe. Denn die durch Beschluß vom 27. April 1965 angeordnete und der Klägerin damals mitgeteilte Einsicht in die Akten des Kriegsverbrecherprozesses betraf nur die britischen Prozeßunterlagen, die für die Entscheidung des Senats ohne Bedeutung sind. Abgesehen hiervon ist auch nicht dargetan, daß und welche für die Entscheidung wesentlichen und noch vorhandenen Unterlagen im Berufungsverfahren etwa nicht zur Kenntnis der Klägerin gelangt sein sollten. Bei der Beiziehung der französischen Prozeßunterlagen handelte es sich nicht um die Anberaumung eines Beweisaufnahmetermins i. S. des § 116 SGG, sondern um eine Aktenbeiziehung nach § 106 Abs. 3 SGG. Im übrigen hätte die Klägerin den Einwand, es sei noch weiteres, I. entlastendes Material in den (britischen und französischen) Militärgerichtsakten vorhanden, schon im Berufungsverfahren geltend machen können und müssen. Sonach greifen die erhobenen Verfahrensrügen nicht durch.
Das Urteil des LSG ist auch in sachlich-rechtlicher Hinsicht - jedenfalls soweit es die Tötung der beiden Frauen betrifft - im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Das LSG hat die den vier erschossenen Franzosen vorgeworfenen Handlungen (Abgabe von Blinkzeichen) als "Spionage" angesehen, die in § 2 KSSVO geregelt ist (Einziehung von Nachrichten in der Absicht, sie dem Feinde oder zu dessen Nutzen mitzuteilen - § 2 Abs. 1 Satz 1 KSSVO -). Die Revision hat hierzu vorgetragen, daß im vorliegenden Fall § 3 KSSVO (Freischärlerei) anzuwenden sei (Vorwurf, Handlungen vorgenommen zu haben, die nach Kriegsgebrauch nur von Angehörigen einer bewaffneten Macht in Uniform vorgenommen werden dürfen - § 3 Abs. 1 Satz 1 KSSVO -). Es trifft zwar zu, daß nach dem Kommentar zum Militärstrafgesetzbuch von Schwinge, 6. Aufl. 1944, S. 415, ua die Abgabe von Zeichen an die eigenen Truppen den Tatbestand der Freischärlerei erfüllt. Auch wenn man dieser Auffassung folgt, ergibt sich kein wesentlicher Unterschied. Denn für beide Delikte war die Todesstrafe vorgesehen. Aber auch Ausländer, die sich strafbarer Handlungen gegen die deutschen Truppen schuldig gemacht hatten, durften nicht ohne gerichtliches Verfahren bestraft werden (vgl. § 1 Abs. 4 der Kriegsstrafverfahrensordnung - KStVO - vom 17. August 1938, RGBl I 1939, 1457). Den Kriegsstrafverfahren waren nach § 2 Nr. 4 Buchstabe a und b der KStVO Personen, denen Spionage oder Freischärlerei vorgeworfen wurde, in gleicher Weise unterworfen. Demgemäß trägt die Revision auch selbst vor, daß verhaftete Freischärler "kriegsgerichtlich abzuurteilen" waren. Hieran fehlt es aber im vorliegenden Fall. Auch wenn I. zu seiner Verteidigung geltend gemacht hat, die Erschießung sei aufgrund einer Verordnung des Reichsverteidigungskommissars W, die Gesetzeskraft gehabt habe, erfolgt, so war hier zu prüfen, ob entgegenstehende Verordnungen - "Führerbefehle" oder auch die von J. behauptete Verordnung des Gauleiters W als RVK - überhaupt Rechtens waren. Wie der BGH in seiner Entscheidung vom 15. August 1969 - 1 StR 197/68 - (JZ 1969 S. 706 ff) klargestellt hat, konnten Freischärler (nur) in einem kriegsgerichtlichen Verfahren nach der KStVO mit dem Tode bestraft werden. Zwar habe die 10. Durchführungsverordnung zur KStVO vom 23. Juni 1944 (RGBl I 445), in § 90 a KStVO Ausnahmen vom Erfordernis des gerichtlichen Verfahrens durch den Zusatz "soweit nichts anderes bestimmt ist" ermöglicht. Eine solche allgemeine Vorschrift sei indessen in der für Gesetze oder Verordnungen vorgesehenen Form nicht verkündet worden. Der Hitlerbefehl vom 5. Juli 1944, der vor Inkrafttreten der Verordnung ergangen sei, sei als Geheimbefehl nicht gesetzeskräftig. Auch die spätere Verordnung über die Errichtung von Standgerichten vom 15. Februar 1945 (RGBl I, 30) habe noch das Erfordernis eines Gerichtsverfahrens aufrechterhalten (aaO S. 706). Wenn die Freischärler einer Widerstandsorganisation angehörten oder zu ihr in Verbindung standen, so seien sie dadurch, wie der BGH betonte, nicht rechtlos und nicht der Tötung ohne gerichtliches Verfahren überliefert worden. Erst recht habe das Kriegsrecht keine meuchlerische Tötung, auch nicht bei Partisanen (Art. 23 Abs. 1 b der Haager Landkriegsordnung), erlaubt (aaO S. 707). Eine Ausnahme ist nur anerkannt, wenn der Freischärler beim Kampf betroffen oder auf der Flucht ergriffen wird (vgl. BGH aaO und Entscheidung des erkennenden Senats vom 9. Dezember 1969 - 9 RV 850/66 -). Diese Voraussetzung war hier aber nicht erfüllt. Aus der Anklageschrift gegen I. ergibt sich vielmehr, daß die deutschen militärischen Einheiten nach Einbruch der Nacht, als sie Lichtsignale zu bemerken glaubten, eine Reihe von Personen festnahmen, verhörten und die Gestapo hinzuzogen, daß morgens um 2 00 Uhr die " inspecteurs " Sch und Sch erschienen, das Verhör fortführten und die verdächtigen Personen bis auf vier (die Eheleute R und St) laufen ließen. Auch im Gnadengesuch des I. heißt es - hiermit im wesentlichen übereinstimmend -, die deutschen militärischen St hätten eine gewisse Anzahl von Personen aus der Zivilbevölkerung "unter dem Vorwand" verhaftet, daß diese mit den französischen Truppen durch Lichtsignale in Verbindung gestanden hätten, die Gestapo sei um eine Untersuchung ersucht worden, die von Sch und Sch durchgeführt worden sei. Die beiden erschossenen Ehepaare waren somit weder beim Kampf betroffen noch auf der Flucht ergriffen worden und durften deshalb auch nicht ohne kriegsgerichtliches Verfahren erschossen werden; hieran konnte auch ein "spezieller" Befehl des RVK W nichts andern. Das Vorbringen der Revision (und des I.), ihm habe kein Kriegsgericht zur Verfügung gestanden, vermag ihn ebenfalls nicht zu entlasten. Es bestand unter den gegebenen Umständen keine Notwendigkeit einer "sofortigen" Exekution. Auch im § 90 b der KStVO idF der 10. DVO vom 23. Juni 1944 waren hinsichtlich der Vollstreckbarkeit von Urteilen wegen ua Freischärlerei noch Ausnahmen zu Gunsten von Frauen vorgesehen. Die Ehepaare waren im übrigen auch nicht " bei der Begehung eines Verstoßes gegen das Kriegsrecht in die Hand des Gegners gefallen", wie die Revision unter Hinweis auf das Gutachten des Dr. M anscheinend vortragen will. Da - wie oben bereits dargelegt - nicht angenommen werden kann, daß die beiden Ehefrauen Blinkzeichen abgegeben haben, stellt zumindest die Erschießung der beiden Frauen ein Verbrechen dar, wobei es nicht darauf ankommt, ob alliierte Truppen oder Stellen etwa gleiche Verbrechen begangen haben. Denn aus dem im Völkerrecht vertretenen Gesichtspunkt der Nichtvorwerfbarkeit beiderseitigen völkerrechtswidrigen Verhaltens - Grundsatz des "tu quoque " - kann die Tötung von Personen ohne gerichtliches Verfahren in aller Regel nicht gerechtfertigt werden. Ein solcher Rechtfertigungsgrund ist weder völkerrechtlich allgemein anerkannt noch zugunsten des einzelnen Staatsangehörigen normiert (vgl. BSG 16, 182, 186 ). Sonach ist der Feststellung des LSG zuzustimmen, gerade der Umstand, "daß hier zwei Frauen, bei denen offenbar keine Blinkgeräte gefunden worden waren, innerhalb von Stunden nach ihrer Ergreifung ohne jegliche gerichtliche Untersuchung erschossen werden sollten", habe deutlich gemacht, daß "hier Unrecht geschah" und daß I. dies bei gehöriger Anspannung des Gewissens auch hätte erkennen können und müssen (vgl. hierzu auch BGHSt 2, 194). Auch in dem bereits zitierten Urteil des erkennenden Senats vom 9. Dezember 1969 ist ausgeführt worden, daß der Untergebene verantwortlich sei und dann wegen Beihilfe zu vorsätzlicher Begehung der Tat verurteilt werden könne, wenn er bei der ihm zuzumutenden Anspannung des Gewissens das Unrecht der Befehlsausführung hätte erkennen können und müssen. Dabei werde dem blind Gehorchenden in der Regel gerade zum Vorwurf gemacht werden können, daß er "blind", also ohne sein Gewissen zu prüfen, gehorcht habe (ebenso BGHSt 22, 226).
Das LSG war der Rechtsauffassung, daß die rechtswidrigen Erschießungen der Zivilpersonen durch Genickschuß schwere Gewalttaten im Sinne des § 1 der Verordnung gegen Gewaltverbrechen darstellten. Die Revision hat darauf hingewiesen, daß der französische Verteidiger und andere Personen in I. einen untadeligen Menschen bzw. eine lautere Persönlichkeit erblickt hätten. Zwar war bei Anwendung der Gewaltverbrecher-Verordnung nicht nur das Vorliegen einer schweren Gewalttat zu prüfen, sondern auch die Frage, ob es sich dabei von der Person des Täters her gesehen um eine verabscheuungswürdige oder um eine solche Tat handelte, die durch die Häufung ähnlicher Gewalttaten ins Gewicht fiel (vgl. BSG in SozR Nr. 41 zu § 5 BVG). Es kann hier dahinstehen, ob der Umstand, daß I. nicht einmal, sondern dreimal zum Tode verurteilt wurde und ihm seitens des Beklagten auch Verbrechen im Osten zur Last gelegt werden, insoweit von Bedeutung sein könnte. Denn jedenfalls erfüllt zumindest die Erschießung der beiden Frauen den Tatbestand des Mordes im Sinne des § 211 StGB, so daß es auf die Möglichkeit der Anwendung der Gewaltverbrecherverordnung gar nicht ankommt. Denn die Tötung der beiden Frauen, die ohne den Besitz von Taschenlampen keine Blinkzeichen gegeben haben konnten und nur deshalb, "weil sie dabei waren" (wobei ?, bei der Verhaftung ihrer Ehemänner ?), ohne kriegsgerichtliches Verfahren unbarmherzig zu Komplizinnen gestempelt und am gleichen Tag ihrer Vernehmung durch Genickschuß erschossen worden sind, hätte von einem deutschen Gericht als eine gefühllose, verwerfliche und damit "grausame" Tötung im Sinne des § 211 Abs. 2, 2. Alternative StGB angesehen werden können (vgl. Kommentar zum StGB von Kohlrausch/Lange, 38. Aufl., Berlin 1944, Anm. VIII Nr. 6 zu §§ 211, 212 StGB). Auch der BGH hat im oben zitierten Urteil vom 15. August 1969 die Tötung von drei Männern und einer Frau, die durch einen SS-Führer in Zivil hinterrücks erschossen worden waren, als Mord, und zwar in diesem Fall als heimtückische Tötung gewertet und deshalb den Leiter der Gestapo der Beihilfe zum Mord für schuldig befunden. Dabei hat der BGH ausgesprochen, daß die heimtückische Ausführung der Tötung kein persönliches Merkmal des Mörders sei (vgl. JZ 1969 S. 706). Das gleiche muß im vorliegenden Fall für das Merkmal der Grausamkeit gelten. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob I. im übrigen von untadeligem Charakter war, wie die Revision behauptet. Der erkennende Senat hat insoweit im Urteil vom 9. Dezember 1969 bereits ausgeführt, daß wegen Beihilfe zum Mord auch dann bestraft werden konnte, wenn der Täter in seiner Person das Tatbestandsmerkmal der grausamen Tötung nicht selbst verwirklicht habe; es genüge, daß er die in dieser Art und Weise ausgeführte Handlung tätig gefördert hat und fördern wollte (BGHSt 2, 251, 252, 255). Auch als Teilnehmer (Gehilfe) konnte ihn aufgrund des § 211 und des § 49 Abs. 2 StGB idF der Strafrechtsangleichungsverordnung vom 29. Mai 1943 (RGBl I, 341) die Todesstrafe treffen, weil die wegen Beihilfe zum Mord verwirkte Strafe nicht nach den über die Bestrafung des Versuchs aufgestellten Grundsätze ermäßigt werden mußte, sondern nur nach diesen Grundsätzen gemindert werden konnte (vgl. BSG in SozR Nr. 41 zu § 5 BVG und Entscheidung des Senats vom 9. Dezember 1969, S. 37).
Die Ausführungen des LSG, daß Schuldausschließungsgründe nicht vorgelegen haben, sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Revision hat insoweit, außer den bereits erörterten Gesichtspunkten, auch keine stichhaltigen Einwendungen erhoben. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 9. Dezember 1969 ausgeführt, wer sich auf Notstand berufen wolle, sei nur entschuldigt, wenn er sich nach Kräften gewissenhaft bemüht habe, der Gefahr oder einer vermeintlichen Gefahr auf eine die Straftat vermeidende Weise zu entgehen, ohne einen Ausweg zu finden. Je schwerer die abgenötigte Straftat sei, um so strengere Anforderungen seien an diese Prüfung zu stellen (vgl. hierzu BGHSt Bd. 18, 311). Selbst wenn I., wie mit der Revision vorgetragen wird und er selbst im Strafverfahren in den Vordergrund gerückt hatte, während seiner damaligen Tätigkeit unter besonderem seelischen Druck gestanden hätte, so hat er doch jedenfalls selber nichts unternommen, um sich von seiner persönlichen Verantwortung für die ihm zur Last gelegten Straftaten zu befreien. Es besteht auch kein hinreichender Anhalt dafür, daß er ernsthaft versucht hätte, einem Heeresverband zugeteilt zu werden, um dadurch einer Verstrickung in die Unrechtsmaßnahmen zu entgehen. Bei seiner hohen Stellung und bei dem Bildungsgrad eines Volljuristen, der seine Ausbildung weitgehend vor Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft genossen hatte, sind viele Möglichkeiten denkbar, die er hätte wahrnehmen können, um zu verhindern, aufgrund ihm erteilter Befehle - allgemeiner Art oder Einzelfallweisungen - schwere persönliche Schuld auf sich zu nehmen. Mindestens war ihm ein solcher ernsthafter Versuch zuzumuten (vgl. hierzu auch Urteil des BVerwG vom 21.5.1970, BVerwGE 35,209). Die Revision hat nichts dazu vorgetragen, was auf solche Bemühungen des I. schließen ließe; sie sind im Hinblick auf die Berufslaufbahn des I., die sich fast ausschließlich im Dienst der Gestapo und des SD abgespielt hat, auch nicht wahrscheinlich. Auch das Gnadengesuch enthält keine dahingehenden Behauptungen.
Da das Urteil des LSG nach alledem, zumindest hinsichtlich der Beurteilung der Erschießung der beiden Frauen, im Ergebnis nicht zu beanstanden war, erweist sich der Anspruch der Klägerin deshalb nicht als begründet, weil I. wegen dieser Tat auch nach deutschem Recht zum Tode hätte verurteilt werden können und das französische Todesurteil sowie seine Vollstreckung demnach nicht als offensichtliches Unrecht im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG angesehen werden können. Bei dieser Sachlage brauchte nicht mehr geprüft zu werden, welche Bedeutung insoweit dem nicht vollstreckten britischen Todesurteil und den I. vom Beklagten weiterhin zur Last gelegten Taten im Osten zukommen, zumal dieser selbst eingeräumt hat, daß dadurch die Entscheidung des LSG keine Änderung erfährt. Unter diesen Umständen besteht auch kein Anspruch auf Witwenversorgung im Wege des Härteausgleichs, weil die Versagung einer solchen Versorgung bei dem hier gegebenen Sachverhalt keinen Ermessensfehlgebrauch der Verwaltungsbehörde darstellt (vgl. hierzu auch die Grundsätze, die der erkennende Senat im Urteil vom 25. Juli 1967 - 9 RV 310/66 - in SozR Nr. 1 zu § 89 BVG ausgesprochen hat).
Somit war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen