Entscheidungsstichwort (Thema)
Klare Urteilsformel. Abweichung der Verwaltung unstatthaft
Leitsatz (amtlich)
Die Revisionszulassung durch das LSG seit dem 1975-01-01 bindet das BSG uneingeschränkt (SGG § 160 Abs 3) und ist nicht mehr darauf zu prüfen, ob sie offenbar gesetzwidrig ist (Ergänzung zu BSG 1975-12-17 2 RU 77/75 = SozR 1500 § 161 Nr 4).
Leitsatz (redaktionell)
Eine Urteilsformel mit der (hier: einer Frau) ein Berufsschadensausgleich nach dem Durchschnittseinkommen eines "Voll-Gesellen aller statistisch erfaßten Handwerkszweige" zugesprochen wird, ist klar und aus sich selbst heraus verständlich; sie ist für die Bestimmung des Streitgegenstandes und damit der Bindung der Beteiligten gemäß SGG § 141 maßgebend. Bei Ausführung eines solchen Urteils ist die Verwaltung demnach zu selbständigen, von der Urteilsformel unabhängigen Folgerungen für die Bemessung des Durchschnittseinkommens (hier: nach den durchschnittlichen Verdiensten der weiblichen Vollgesellen eines bestimmten Handwerks) nicht berechtigt.
Die Urteilsformel ist nicht nach GG Art 3 Abs 2 zu überprüfen; das wird durch die Rechtskraft ausgeschlossen.
Normenkette
SGG § 141 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 160 Abs. 3 Fassung: 1974-07-30; GG Art. 3 Abs. 2 Fassung: 1949-05-23
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. Juli 1975 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Das Sozialgericht (SG) Kassel sprach der Klägerin, die schwerbeschädigt ist, durch Urteil vom 26. April 1971 ab 1. Januar 1964 einen Berufsschadensausgleich nach dem Durchschnittseinkommen eines Vollgesellen aller statistisch erfaßten Handwerkszweige zu. Nach den Gründen hatte das SG die Überzeugung gewonnen, die Klägerin wäre ohne die Schädigung wahrscheinlich Friseurgehilfin; das Durchschnittseinkommen sei nach § 3 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung (DVO) des § 30 Abs. 3 u. 4 Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu bestimmen. Im Ausführungsbescheid vom 30. August 1971 berechnete das Versorgungsamt den Berufsschadensausgleich nach dem Durchschnittseinkommen der weiblichen Vollgesellen des Herren- und Damenschneiderhandwerks. Der Widerspruch, mit dem sich die Klägerin gegen die Bemessung des Berufsschadensausgleichs wandte, blieb erfolglos (Bescheid vom 8. Februar 1972). Das SG, das eine Auskunft des Statistischen Bundesamtes einholte, wies die Klage ab (Urteil vom 20. Mai 1974). Das Landessozialgericht (LSG) hat die angefochtenen Entscheidungen dahin abgeändert, daß der Berufsschadensausgleich der Klägerin nach dem Durchschnittseinkommen eines männlichen Vollgesellen in allen statistisch erfaßten neun Handwerkszweigen zu zahlen ist (Urteil vom 22. Juli 1975): Der Beklagte habe das rechtskräftige Urteil des SG nicht richtig ausgeführt. Der Urteilstenor bestimme das Vergleichseinkommen eindeutig. Eine Bemessung nach den durchschnittlichen Verdiensten der weiblichen Arbeiter in Herren- und Damenschneidereien habe das SG nicht gewollt. Seine auf § 3 Abs. 2 DVO zu § 30 Abs. 3 u. 4 BVG gestützte Rechtsauffassung sei auch sachgerecht und sinnvoll, da für das Friseurhandwerk keine Bruttoverdienste vom Statistischen Bundesamt bekanntgegeben würden. Das Ergebnis rechtfertige sich außerdem aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 2 Grundgesetz (GG). Lohngleichheit von Mann und Frau bestehe nach den Ermittlungen für das Friseurhandwerk in jedem Fall in Hessen. - Das LSG hat die Revision zugelassen, weil es auch um die Rechtsfrage gehe, ob ein rechtskräftiger Ausspruch, der eine Frau in die Gruppe "männlicher Arbeiter" einstuft, noch wegen des Geschlechtsunterschiedes "moduliert" werden könne.
Der Beklagte hat die Revision eingelegt. Er hält es für fraglich, ob es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) handele und ob die Zulassung bindend sei. Vorsorglich macht der Beklagte als wesentlichen Verfahrensmangel geltend, das LSG habe die Rechtskraft des Urteils vom 26. April 1971 nicht beachtet und damit § 141 SGG verletzt. Wenn entsprechend dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 DVO zu § 30 Abs. 3 u. 4 BVG, worauf in den Entscheidungsgründen verwiesen worden sei, die Tabellen des Statistischen Bundesamtes verwertet würden, müsse zwischen Männern und Frauen unterschieden und das Durchschnittseinkommen der weiblichen Arbeiter, zu denen die Klägerin gehört hätte, herangezogen werden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise, sie als unzulässig zu verwerfen.
Sie vertritt die Auffassung, eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung sei nicht gegeben. Die Zulassung sei offenbar gesetzwidrig und binde daher das Revisionsgericht nicht. Auch die Rüge eines Verfahrensmangels vermöchte die Revision nicht statthaft zu machen; denn das LSG habe nicht über die Richtigkeit des Urteils vom 26. April 1971 entschieden und § 141 SGG nicht verletzt, sondern die Ausführung dieses Urteils überprüft. Im übrigen schließt sich die Klägerin dem angefochtenen Urteil an.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist statthaft und auch sonst zulässig, aber nicht begründet. Das LSG hat mit Recht der Klage stattgegeben.
Die Zulassung der Revision, die das Berufungsgericht in der Urteilsformel seines Endurteils ausgesprochen hat, ist nach § 160 Abs. 3 SGG in der seit dem 1. Januar 1975 geltenden Fassung (Art. I Nr. 16, Art. VI des Änderungsgesetzes vom 30. Juli 1974 - BGBl I 1625 -) für das Bundessozialgericht (BSG) unbedingt und damit ungeachtet dessen bindend, ob ein Zulassungsgrund im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG bestand. Eine gleiche Bestimmung fehlte in der die Statthaftigkeit der Revision regelnden Vorschrift des § 162 Abs. 1 SGG, die bis zum 31. Dezember 1974 galt, ebenso wie in den anderen Prozeßgesetzen. Damals wurde in der Rechtsprechung allgemein bloß eine grundsätzliche Bindung des Revisionsgerichts an die Zulassung angenommen, jedoch ausnahmsweise dann nicht, wenn das Berufungsgericht die Revision offenbar gesetzwidrig zugelassen hatte (BSG SozR 1500 § 162 Nr. 7; Urteil des erkennenden Senats vom 10. Dezember 1975 - 9 RV 246/74 - = SozR 3100 § 30 Nr. 10; BVerwG, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 134 = DVBl 1975, 902). Die Rechtsunsicherheit, die dadurch für den Revisionskläger bestand, soll durch die Neuregelung in der Weise beseitigt werden, daß die Zulassung das Revisionsgericht "unbedingt" bindet; dies ist auch wegen des Grundsatzes der Rechtsmittelklarheit geboten. Ein darauf gerichteter Wille des Gesetzgebers als Ziel der Gesetzesänderung ist zwar nur in den Gesetzesmaterialien zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechts der Revision in Zivilsachen und in Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 4. April 1973 erkennbar zum Ausdruck gekommen (BT-Drucksache 7/444, zu § 545 Abs. 3 Zivilprozeßordnung - ZPO -: Begründung, 2. Teil, zu Artikel 1 Nr. 2, S. 32 f mit weiteren Nachweisen der früheren Rechtsprechung; zu § 132 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung: aaO, zu Artikel 2 Nr. 5, S. 37; zu § 115 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung: aaO, zu Artikel 3 Nr. 5, S. 41; zu § 72 Abs. 3 Arbeitsgerichtsgesetz: aaO, zu Artikel 4 Nr. 2, S. 44; Bericht des Rechtsausschusses des Bundestags zu dem Entwurf der Bundesregierung - BT-Drucksache 7/3596, A, III, zu Artikel 1 Nr. 2, S. 6, teilweise abgedruckt in: Deutsche Richterzeitung 1975, 347, 349). Doch muß das auch für § 160 Abs. 3 SGG n. F. gelten (ebenso Brennert, NJW 1975, 1491, 1494; anderer Ansicht Schmidt, Soziale Sicherheit 1976, 84, 86; Peters/Sautter/Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, § 160 SGG, Anm. 6, S. III/80 -34/1; wie hier zu § 546 Abs. 1 Satz 3 ZPO n. F.: Vogel, NJW 1975, 1297, 1301; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 34. Aufl. 1976, § 546, Anm. 2 D). Diese Vorschrift ist gleichlautend mit den geplanten Fassungen der entsprechenden Revisionsvorschriften aller anderen Fachgerichtsbarkeiten und mit dem inzwischen in Kraft getretenen § 546 Abs. 1 Satz 3 ZPO in der Fassung des dem Entwurf entsprechenden Artikels 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Rechts der Revision in Zivilsachen vom 8. Juli 1975 (BGBI I 1863). Es ist aber kein Grund dafür ersichtlich, daß die Rechtsvereinheitlichung, die durch die fast gleichzeitige Änderung des Revisionsrechts der vier Fachgerichtsbarkeiten herbeigeführt werden sollte und für zwei von ihnen bereits verwirklicht ist, ausnahmsweise für die Sozialgerichtsbarkeit nicht die gleiche Rechtsfolge haben soll. § 160 Abs. 3 SGG in der gleichen Fassung, wie sie für die anderen Prozeßgesetze vorgesehen und für die ZPO in Kraft getreten ist, ist erst in den Entwurf des Gesetzes zur Änderung des SGG vom 13. April 1973 (BR-Drucksache 300/73; BT-Drucksache 7/861) eingefügt worden, während eine gleiche Vorschrift in dem ersten Entwurf vom 8. Januar 1971 (BR-Drucksache 25/71; Stellungnahme des Bundesrates zu dem Entwurf, Anlage zu der Drucksache - BT-Drucksache VI/2006) noch fehlte. In der Begründung zu dem neuen Entwurf wird ausdrücklich die Absicht geäußert, "im Bereich des Revisionsrechts zu einer möglichst weitgehenden Übereinstimmung mit den entsprechenden Regelungen der anderen Gerichtsbarkeiten zu gelangen"; deshalb seien die vorgesehenen Änderungen des SGG mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechts der Revision in Zivilsachen und in Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit abgestimmt worden (Begründung B, Einzelbegründung zu Artikel I Nr. 13, S. 10). Dies bestätigt den Zusammenhang mit der Änderung des Revisionsrechts der anderen Gerichtsbarkeiten nach dem Grundsatz der Vereinheitlichung. Angesichts der erkennbaren Zielsetzung dieser Gesetzesänderung könnte der frühere Rechtszustand, in dem die Rechtsprechung die - damals nicht gesetzlich festgelegte - Bindung an die Zulassung bloß als grundsätzliche verstand, nur dann als fortbestehend anzusehen sein, wenn dies durch einen Rechtsgrundsatz zwingend geboten wäre, dem ein stärkeres Gewicht als die bekundete Rechtsmittelklarheit und Rechtssicherheit zukäme. Ein solcher oberster Rechtsgrundsatz besteht nicht mit dem Inhalt, daß dem Revisionsgericht in jedem Fall letztlich die Entscheidung darüber vorbehalten bleiben müßte, ob der Instanzenzug zu ihm eröffnet wird. Diese Kontrolle liegt beim BSG gerade allein in den Fällen, in denen das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen hat (§ 160 a SGG n. F.). Dagegen kann und muß bei einer Zulassung durch das Berufungsgericht in Kauf genommen werden, daß in Einzelfällen ohne einen Grund im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG das Revisionsgericht mit der Sache befaßt wird; dieser Nachteil einer gelegentlich unnötigen Belastung der dritten Instanz wird aufgewogen durch den Vorteil der Rechtsklarheit und -gewißheit, daß die ausgesprochene Zulassung unbedingt wirksam wird und zu einer Sachentscheidung führt.
Das LSG hat mit Recht den Beklagten verpflichtet, den Berufsschadensausgleich der Klägerin ab 1. Januar 1964 nach dem Durchschnittseinkommen eines männlichen Vollgesellen in allen nach den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes erfaßten Handwerkszweigen (vgl. die Statistischen Jahrbücher für die Bundesrepublik Deutschland, herausgegeben vom Statistischen Bundesamt, z. B. 1966, XXI, A, 5, S. 511) zu zahlen. Dies entspricht der Verurteilung durch das SG vom 26. April 1971. Diese Entscheidung, die der Beklagte nicht angefochten hat, ist formell rechtskräftig und bindet infolgedessen nach § 141 Abs. 1 SGG die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Hier ist nicht aufs neue über den rechtmäßig zu bemessenden Berufsschadensausgleich für die Klägerin sachlich zu entscheiden, vielmehr allein die Rechtmäßigkeit des Ausführungsbescheides vom 30. August 1971 zu überprüfen. Dieser Verwaltungsakt ist insoweit rechtswidrig (§ 54 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGG). Rechtskräftig entschieden hat das SG über die Bemessung des Durchschnittseinkommens, nach dem sich der schädigungsbedingte Einkommensverlust (§ 30 Abs. 4 Satz 1 BVG) und damit die Höhe des Berufsschadensausgleichs (§ 30 Abs. 3 BVG) richtet, d. h. über diese Rechtsfolge als solche, die sich aus einem bestimmten Tatbestand ergibt (BSG 13, 181, 184). Mit dem "Streitgegenstand" im Sinne des § 141 Abs. 1 SGG, über den das rechtskräftige Urteil vorliegt, ist der "erhobene Anspruch" (§ 322 Abs. 1 ZPO, § 123 SGG) gemeint (BSG 9, 17, 19, 20; 14, 99, 101 = SozR Nr. 8 zu § 141 SGG). Als Durchschnittseinkommen, d. h. als Vergleichseinkommen (§ 30 Abs. 4 Satz 1 in der Fassung des 3. Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des BVG vom 16. Dezember 1971 - BGBl I 1985) in der Berufsgruppe, der die Klägerin ohne die Schädigung wahrscheinlich angehört hätte, mithin im Beruf einer Friseurgehilfin, hat das SG aus den amtlichen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes (§ 30 Abs. 4 Sätze 2 und 3 BVG, § 3 Abs. 1 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG in der Fassung seit der DVO vom 30. Juli 1964 - BGBl I 574 - i. V. mit dem Gesetz über die Lohnstatistik vom 18. Mai 1956 - BGBl I 429 -) gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 DVO die amtlich bekanntgegebenen Durchschnittsverdienste der Vollgesellen in "allen" statistisch erfaßten Handwerkszweigen festgelegt. Dies ist eine klare, aus sich selbst heraus verständliche Urteilsformel, die für die Bestimmung des Streitgegenstandes und damit der Bindung der Beteiligten gem. § 141 Abs. 1 SGG maßgebend ist. Die tatsächliche Feststellung in den Entscheidungsgründen, die Klägerin wäre ohne die Schädigung wahrscheinlich Friseurgehilfin, mithin weibliche Arbeitnehmerin in diesem Handwerkszweig, ist nicht selbständig in Rechtskraft erwachsen (BSG 1, 52, 56; 14, 99, 101 f; 19, 17, 19) und berechtigt und verpflichtet daher den Beklagten nicht zu selbständigen, von der Urteilsformel unabhängigen Folgerungen für die Bemessung des Durchschnittseinkommens und damit des Berufsschadensausgleichs. Diese Feststellung berechtigt aber auch nicht als ein Urteilselement, das zur Auslegung der Urteilsformel ergänzend heranzuziehen wäre (BSG 4, 121, 123 f; 8, 185, 189 f; 9, 17, 19 ff; 14, 99, 102), die Verwaltung, das Durchschnittseinkommen nach den durchschnittlichen Verdiensten der weiblichen Vollgesellen des Schneiderhandwerks zu bestimmen. Die Überzeugung des SG, daß die Klägerin ohne die Schädigung Friseurgehilfin geworden wäre, war gerade die tatsächliche Voraussetzung dafür, daß das Gericht in der für sich allein verständlichen Urteilsformel das Vergleichseinkommen nach dem durchschnittlichen Verdienst aller Handwerkszweige, die in den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes erfaßt werden, bemessen hat. Die Urteilsformel verweist zwingend auf diese Löhne der Gesamtheit "aller erfaßten Handwerkszweige", die nicht getrennt nach männlichen und weiblichen Arbeitnehmern bekanntgegeben werden (vgl. die Veröffentlichungen bis zu dem Urteil des SG in BVBl 1964, 159; 1966, 130; 1969, 20; 1970, 124, jeweils Tabelle 5). Weil für das Friseurhandwerk keine Verdienste vom Statistischen Bundesamt bekanntgegeben werden, wie das Amt dem SG in diesem Rechtsstreit bestätigt hat, und ein Handwerkszweig oder eine Beschäftigungsgruppe mit ähnlicher Tätigkeit und Ausbildung der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst nicht heranzuziehen ist (§ 3 Abs. 2 Satz 1 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG), hat das SG die ermittelten Verdienste der entsprechenden Arbeitnehmergruppe (Arbeiter usw.) und Leistungsgruppe - ohne eine Unterscheidung nach Geschlechtern - in allen erfaßten Handwerkszweigen für maßgebend erklärt (Satz 2), wie das BSG im Urteil vom 29. Januar 1970 (BVBl 1971, 1) bereits vor der Entscheidung vom 26. April 1971 entschieden hat. Ob dies rechtmäßig war, ist, wie gesagt, hier nicht zu überprüfen, Die Erfassungs- und Veröffentlichungspraxis des Statistischen Bundesamtes, an die die Urteilsformel anknüpft, hat sich nicht nachträglich mit der Folge geändert, daß der Beklagte nicht mehr an die rechtskräftige Entscheidung gebunden wäre (BVBl 1971, 124; 1972, 112; 1973, 99; 1974, 95). Das SG hat gerade nicht die Verdienste in allen Handwerkszweigen, in denen das Statistische Bundesamt sie gesondert für weibliche Arbeitnehmer ermittelt und bekannt gibt (entsprechend § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes vom 18. Mai 1956), praktisch also allein im Schneiderhandwerk, für verbindlich erklärt. Der Beklagte will die rechtskräftig festgelegte Bemessung, die dem Grundsatz der Pauschalierung und Generalisierung des Berufsschadensausgleichs (BSG SozR 3100 § 30 Nr. 4, S. 20) entspricht, zuungunsten der Klägerin berichtigen, weil ihm dieser Maßstab zu weit von der Wirklichkeit abzuweichen scheint. Dem steht jedoch die Rechtskraft des SG-Urteils entgegen. Die Urteilsformel ist nicht nach Artikel 3 Abs. 2 GG zu überprüfen; das wird durch die Rechtskraft ausgeschlossen. Wohl muß der angefochtene Bescheid ebenfalls nach diesem Verfassungsgrundsatz, der auch die Verwaltung bindet (Artikel 1 Abs. 3 GG), als rechtswidrig beurteilt werden; er weicht unter Benachteiligung der Klägerin als weiblicher Person von der rechtskräftigen Verurteilung ab, die ein vom Geschlecht unabhängiges Vergleichseinkommen festgelegt hat.
Die mithin unbegründete Revision muß zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Fundstellen