Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 20.01.1982) |
SG Hildesheim (Urteil vom 10.07.1980) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 20. Januar 1982 und des Sozialgerichts Hildesheim vom 10. Juli 1980 aufgehoben.
Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 1980 wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin in der Zeit vom 10. Dezember 1979 bis 13. April 1980 gemäß § 9 Abs. 13 der Versicherungsbedingungen (VB) der Beklagten keine Beiträge zu entrichten hatte.
Die Klägerin ist Beamtin. Sie ist freiwilliges Mitglied der Beklagten. Nach der Entbindung eines Sohnes am 14. Oktober 1979 gewährte ihr die Stadt G. im Anschluß an die Schutzfrist von acht Wochen gemäß § 4a Abs. 8 der Verordnung über den Mutterschutz für Beamtinnen (BeaMuSchVO) idF der Dritten Verordnung zur Änderung dieser Verordnung vom 27. Juni 1979 (BGBl I, 835) in der Zeit vom 10. Dezember 1979 bis 13. April 1980 Mutterschaftsurlaub und zahlte ihr während dieser Zeit die Dienstbezüge in Höhe von monatlich 750,– DM als Mutterschaftsgeld weiter. Die Beklagte verneinte die von der Klägerin hierwegen geltend gemachte Beitragsfreiheit mit der Begründung, die weitergewährten Dienstbezüge hätten nicht den Charakter eines Mutterschaftsgeldes iS des § 9 Abs. 13 VB bzw des § 383 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Gleichzeitig setzte sie den Beitrag nach Maßgabe der verminderten Bezüge herab. Selbst wenn man die weitergewährten Bezüge nicht den Arbeitsentgelt zuordnen könne, seien sie letztlich als sonstige Einnahmen zum Lebensunterhalt bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen (Bescheid vom 11. Februar 1980, Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 1980). Das Sozialgericht (SG) H. gab der Klage statt und stellte unter Aufhebung der Bescheide der Beklagten fest, daß die Klägerin in der genannten Zeit gemäß § 9 Abs. 13 VB beitragsfrei gewesen sei (Urteil vom 10. Juli 1980).
Das Landessozialgericht (LSG) N. hat die Berufung der Beklagten unter Neufassung des Feststellungsausspruchs dahingehend, daß die Klägerin für die Zeit vom 10. Dezember 1979 bis zum 13. April 1980 „Beiträge nicht zu entrichten hat”, zurückgewiesen (Urteil vom 20. Januar 1982). Das LSG hat im wesentlichen ausgeführt: Zwar könne die Klägerin eine Beitragsfreiheit nicht aus § 9 Abs. 13 Halbsatz 1 VB herleiten, weil es sich beim Mutterschaftsgeld iS dieser Vorschrift (und der entsprechenden Vorschrift des § 383 Satz 1 RVO) um eine Leistung aus der gesetzlichen Krankenversicherung in Form der Mutterschaftshilfe handeln müsse, die Beklagte aber kein Mutterschaftsgeld gewährt habe. Gleichwohl sei die Beklagte nicht berechtigt, Beiträge für die fragliche Zeit zu verlangen, weil die Klägerin während ihres Mutterschaftsurlaubs kein beitragspflichtiges Entgelt bezogen habe. Die als Mutterschaftsgeld weitergewährten Dienstbezüge seien keine sonstigen Einnahmen zum Lebensunterhalt iS des § 180 Abs. 4 Satz 1 RVO und des § 7 Abs. 11 VB, ganz gleich, ob man sie als Dienstbezüge oder Mutterschaftsgeld ansehe. Als Dienstbezüge gehörten sie nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn und seien demgemäß nicht beitragspflichtig. Betone man den Mutterschaftsgeldcharakter dieser Einkünfte, sei das Ergebnis kein anderes. Auch das nach § 4a Abs. 8 BeaMuSchVO gewährte Mutterschaftsgeld habe Lohnersatzfunktion und sei deshalb beitragsrechtlich wie Lohn zu behandeln. Daß der Gesetzgeber hier – im Gegensatz zu Art. 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs (MuUrlG) vom 25. Juni 1979 (BGBl I, 797) – keine Erstattung für den Beitragsverlust angeordnet habe, rechtfertige nicht den Schluß auf die Beitragspflicht der als Mutterschaftsgeld während des Mutterschaftsurlaubs gewährten Dienstbezüge. Die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung hätten den sich daraus ergebenden „Beitragsverlust” wie in den anderen Fällen der Steuer- und damit Beitragsfreiheit bestimmter Bezüge aus einem Arbeits- oder Dienstverhältnis hinzunehmen. Ein anderes Ergebnis wäre unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht haltbar. Eine sachliche Berechtigung für eine Schlechterstellung der Beamtinnen gegenüber anderen Müttern in der sozialen Krankenversicherung gebe es nicht.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision vertritt die Beklagte die Auffassung, daß das Mutterschaftsgeld als soziale Leistung mit Lohnersatzfunktion zu den „sonstigen Einnahmen zum Lebensunterhalt” zu rechnen sei. Wäre das nicht der Fall, dann würde es keiner gerade den Bezug einer derartigen sozialen Leistung von der Beitragspflicht freistellenden ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedürfen. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes liege nicht vor. Die Grundkonzeption des Gesetzgebers gehe davon aus, daß Beamte des Schutzes der gesetzlichen Krankenversicherung nicht bedürfen.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Urteile der Vorinstanzen sind aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen. Die Klägerin war in der streitigen Zeit nicht beitragsfrei bei der Beklagten versichert.
Das LSG hat zutreffend ausgeführt, daß der Anspruch der Klägerin auf Weiterzahlung ihrer Dienstbezüge als Mutterschaftsgeld während der Zeit ihres Mutterschaftsurlaubs keine Beitragsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 9 Abs. 13 VB (= § 383 Satz 1 RVO) zur Folge hatte. Diese Vorschriften beschränken die Rechtsfolge der Beitragsfreiheit auf den Anspruch auf Mutterschaftsgeld als Regelleistung der Kasse. Das ergibt sich nicht nur aus der Systematik des Beitragsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern auch aus der historischen Entwicklung der Vorschrift. Das LSG hat unter Bezug auf die amtliche Gesetzesbegründung (BT-Drucks VII/1237, S 66) mit Recht darauf hingewiesen, daß die ab 1. Oktober 1974 geltende Fassung des § 383 Satz 1 RVO keine materiell-rechtliche Änderung gegenüber der bis dahin geltenden Fassung des § 383 Abs. 2 RVO bedeutet, in der ausdrücklich bestimmt war, daß „Beiträge nicht zu entrichten sind, solange die Kasse Mutterschaftsgeld gewährt”. Mit der Weitergewährung der Dienstbezüge als Mutterschaftsgeld nach der beamtenrechtlichen Vorschrift des § 4a Abs. 8 BeaMuSchVO werden demnach die Voraussetzungen der krankenversicherungsrechtlichen Beitragsbefreiungsvorschrift nicht erfüllt, ungeachtet der Frage, ob beide Leistungen nach Zielsetzung, Ausgestaltung und Umfang nennenswerte Unterschiede aufweisen.
Der Senat vermag dem LSG aber nicht darin zu folgen, daß das der Klägerin gewährte Mutterschaftsgeld trotz der Nichtanwendbarkeit des § 9 Abs. 13 VB bei der Bemessung des Beitrags nicht berücksichtigungsfähig sei. Aus der Steuerfreiheit dieser Leistung nach § 3 Nr. 1 Buchstabe d EStG idF vom 27. Juni 1979 (BGBl I, 823) kann dies nicht abgeleitet werden. Diese Rechtsfolge ergäbe sich hieraus allenfalls für die Pflichtversicherten wegen der Ankoppelung der Beitragspflichtigkeit des Arbeitsentgelts an dessen Steuerpflichtigkeit (vgl. Urteil des Senats vom 9. Juli 1980 – 12 RK 17/79 – USK 80186 mwN). Bei der der Beitragsbemessung für die freiwilligen Kassenmitglieder zugrunde zu legenden Festsetzung des Grundlohns nach § 180 Abs. 4 Satz 1 RVO ist aber Arbeitsentgelt ohne diese Einschränkung bei der Beitragsberechnung zu berücksichtigen. Das folgt nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch daraus, daß daneben alle sonstigen Einnahmen zum Lebensunterhalt, bei denen es auf die steuerrechtliche Qualifizierung nicht entscheidend ankommt, heranzuziehen sind. Das Mutterschaftsgeld kann auch von seiner Zweckbestimmung her nicht aus den für die Beitragsberechnung bei freiwillig Versicherten maßgeblichen Einnahmen ausgeklammert werden. Als Lohnersatz dient es dazu, den Lebensunterhalt der aus Schonungsgründen und zur Vermeidung einer erheblichen Doppelbelastung von der Arbeit freigestellten erwerbstätigen Mutter während des Mutterschaftsurlaubs sicherzustellen (vgl. BT-Drucks 8/2613 S 10 und 8/2797 S 17). Anders als das Kindergeld und das Wohngeld ist es nicht vorwiegend für einen über die Unterhaltssicherung hinausgehenden besonderen sozialen Zweck bestimmt, so daß die vom Senat in den Urteilen vom 9. Dezember 1981 – 12 RK 55/81 – = SozR 2200 § 180 Nr. 9 und vom 2. Juni 1982 – 12 RK 65/81 – zu den genannten Leistungen aufgestellten Grundsätze hier nicht zutreffen.
Es ist auch nicht möglich, das Fehlen einer sozialversicherungsrechtlichen Vorschrift über die beitragsrechtliche Freistellung von Dienstbezügen, die als Mutterschaftsgeld gewährt werden, als eine dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG zuwiderlaufende Regelungslücke anzusehen. Geht man mit dem LSG davon aus, daß eine hinreichende innere Berechtigung nicht gefunden werden kann, Mutterschaftsgeld beziehende Beamtinnen beitragsrechtlich schlechter zu stellen als die übrigen vom Mutterschutz erfaßten in abhängiger Stellung erwerbstätigen Mütter, so läßt sich gleichwohl diese sozial unbefriedigend erscheinende unterschiedliche Behandlung nicht in der von der Klägerin erstrebten Weise vermeiden. Beamte sind aufgrund ihres besonderen sozialen Status grundsätzlich aus dem System der gesetzlichen Versicherungen ausgegliedert, weil sie durch beamtenrechtliche Vorschriften sozial hinreichend abgesichert sind und daher des Schutzes der Sozialversicherung nicht bedürfen. Dieser systematischen Vorgabe entspricht es, daß auch der Mutterschutz für Beamtinnen durch eine eigenständige beamtenrechtliche Vorschrift – die BeaMuSchVO – geregelt wurde. Daß auch Beamte der gesetzlichen Krankenversicherung als freiwillige Versicherte angehören können, hebt ihre systematische Ausgrenzung aus der Sozialversicherung nicht auf. Wenn freiwillig versicherte Beamtinnen von der auf den Typus der gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmerin zugeschnittenen Kassenleistung Mutterschaftsgeld und damit von der daraus folgenden Beitragsfreiheit ausgeschlossen sind, dann entspricht dies der Eigenständigkeit der Beamtenversorgung gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung.
Sofern also in dem Fehlen einer dem § 383 Satz 1 RVO entsprechenden Beitragsbefreiungsvorschrift bzw einer den (zeitlich allerdings bereits ausgelaufenen) Beitragserstattungsregelungen des Art. 7 Abs. 3 MuUrlG entsprechenden Vorschrift eine Gesetzeslücke zu erblicken wäre, wäre diese nicht in den Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung begründet und könnte sich deshalb nicht entscheidungserheblich auf dieses Verfahren auswirken.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen