Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorbereitungszeit. Vorlage nach Art 177 EWGV. Ungleichbehandlung. Staatsangehöriger. Verfassungsmäßigkeit. Gleichheitsgrundsatz. Berufsfreiheit

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Vorbereitungszeit von grundsätzlich zwei Jahren als Zulassungsvoraussetzung für Kassenzahnärzte verstößt nicht gegen europarechtliche und grundgesetzliche Bestimmungen.

 

Orientierungssatz

1. Die Vorschrift des Art 20 der EWGRL 686/78 enthält kein Verbot, eine den eigenen Staatsangehörigen auferlegte Vorbereitungszeit von mehr als sechs Monaten aufrechtzuerhalten.

2. Zwecks Klärung der Richtigkeit des Art 20 EWGRL 686/78 bedarf es keiner Vorlage an den EuGH gemäß Art 177 Abs 3 EWGV (vgl BVerfG vom 9.11.1987 2 BvR 808/82 = NJW 1988, 1456).

3. Durch Art 7 EWGV wird nicht vorgeschrieben, daß der eigene Staatsangehörige wie ein Staatsangehöriger anderer Mitgliedstaaten zu stellen ist (vgl EuGH vom 7.2.1979 136/78 = NJW 1979, 437).

4. Aus der Ungleichbehandlung solcher Zahnärzte einerseits, "die in einem anderen Mitgliedstaat der EG ein nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften anerkanntes Diplom erworben haben und zur Berufsausübung zugelassen sind" (§ 3 Abs 4 ZO-Zahnärzte) gegenüber sonstigen eigenen Staatsangehörigen andererseits ergibt sich kein Verstoß gegen Art 3 GG.

5. Die Regelung nach § 3 Abs 4 ZO-Zahnärzte ist auch mit Art 12 Abs 1 GG vereinbar. Als Regelung der Berufsausübung ist sie schon dann nicht verfassungswidrig, wenn vernünftige Gründe des Gemeinwohls für ihren Erlaß gegeben sind und sie für den von ihr betroffenen Personenkreis zumutbar und nicht übermäßig belastend sind (vgl BVerfG vom 23.7.1963 1 BvL 1/61 = BVerfGE 16, 286).

 

Normenkette

SGB 5 § 95 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1988-12-20; ZO-Zahnärzte § 3 Abs. 3 Fassung: 1957-05-28; RVO § 368a Abs. 3 S. 3 Fassung: 1955-08-17; ZO-Zahnärzte § 3 Abs. 4 Fassung: 1957-05-28; EWGRL 686/78 Art. 20 Fassung: 1978-07-25; EWGVtr Art. 7 Fassung: 1957-03-25, Art. 177 Abs. 3 Fassung: 1957-03-25; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 12 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1949-05-23; EWGVtr Art. 52 Fassung: 1957-03-25

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 25.11.1987; Aktenzeichen L 7 Ka 754/85)

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 22.05.1985; Aktenzeichen S 5 Ka 94/84)

 

Tatbestand

Die Beklagte hat den (im Jahre 1984 gestellten) Antrag des als Zahnarzt approbierten Klägers, ihn in das Zahnarztregister einzutragen, mit der Begründung abgelehnt, daß er (mit der von ihm nachgewiesenen Vorbereitungszeit von rund 11 Monaten) die Voraussetzung der "Ableistung einer mindestens zweijährigen Vorbereitungszeit", wie sie im § 3 Abs 2 Buchst b der Zulassungsordnung für Kassenzahnärzte (Z0-Z) vorgeschrieben ist, nicht erfülle und daß auch die Ausnahmeregelungen der Absätze 4 und 5 der genannten Vorschrift, wonach solche Zahnärzte, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften (EG) ein nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften anerkanntes Diplom erworben haben und zur Berufsausübung zugelassen sind, keine Vorbereitungszeit bzw nur eine solche von 6 Monaten nachweisen müssen, nicht zu der beantragten Eintragung führen könne (Bescheid vom 12. September 1984, Widerspruchsbescheid vom 3. Oktober 1984). Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat (in Anlehnung an die erstinstanzlichen Klagabweisungsgründe) zur Begründung ausgeführt: Die unterschiedliche Regelung der Vorbereitungszeit für Inhaber inländischer Diplome und Inhaber von EG-Diplomen verstoße nicht gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art 7 EWG-Vertrag. Die Vorschrift des Art 20 der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Juli 1978 (für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Zahnarztes und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr), 78/686/EWG (ABl EG Nr L 233 vom 24. August 1978, S 8), verpflichte die Mitgliedstaaten, die von ihren eigenen Staatsangehörigen für die Zulassung als Kassenzahnarzt eine Vorbereitungszeit fordern und dies auch von den Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten verlangen, eine sechsmonatige Dauer dieser Vorbereitungszeit nicht zu übersteigen. Dieses Verbot beziehe sich jedoch nicht auf die eigenen Staatsangehörigen. Eine Ungleichbehandlung nach Art 3 Grundgesetz (GG) liege insoweit nicht vor. Die Zulässigkeit einer Vorbereitungszeit ergebe sich aus § 368a Abs 3 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Ein Verstoß gegen Art 12 GG (Berufsfreiheit) sei nicht ersichtlich. Gegen dieses Urteil richtet sich die (vom LSG zugelassene) Revision des Klägers.

Zur Begründung wird ua vorgetragen: Art 20 der EWG-Richtlinie schränke das nationalstaatliche Recht dahingehend ein, daß die Vorbereitungszeit die Dauer von 6 Monaten nicht mehr überschreiten dürfe. Dies gelte nicht etwa nur für fremdstaatliche Zahnärzte. § 3 Abs 2 Buchst b ZO-Z verstoße aber nicht nur gegen die genannte EWG-Richtlinie, sondern auch gegen den Grundsatz des Verbots jeder aus Gründen der Staatsangehörigkeit erfolgender Diskriminierung. Die Regelung verstoße weiter gegen Art 12 GG. Es sei nicht sachgerecht, daß ein ausländischer Zahnarzt gegenüber einem inländischen bevorzugt und dadurch dessen Berufsausübung beschränkt werde. Diese Einschränkung sei für den Revisionskläger auch unzumutbar. Schließlich verstoße die Regelung aber auch gegen Art 3 GG, da ausländische Berufsbewerber gegenüber deutschen bevorzugt würden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. November 1987 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. September 1984 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Oktober 1984 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger in das Zahnarztregister einzutragen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Die Vorschrift des § 3 Abs 2 Buchst b ZO-Z, wonach für die Eintragung in das Zahnarztregister eine Vorbereitungszeit von mindestens zwei Jahren gefordert wird, liegt unstreitig im Rahmen der Ermächtigungsnorm des (früheren) § 368a Abs 3 Satz 3 RVO, der auch für Kassenzahnärzte (§ 368 Abs 1 letzter Satz RVO) vorgeschrieben hat, daß die Eintragung in ein Arztregister auf Antrag nach Ableistung einer Vorbereitungszeit erfolgt, deren Dauer und Art die Zulassungsordnung bestimmt. Die Voraussetzung einer zweijährigen Vorbereitungszeit ist von dem Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz - GRG -) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S 2477), in Kraft getreten am 1. Januar 1989, übernommen worden. Das durch das GRG eingeführte Fünfte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V), welches die Gesetzliche Krankenversicherung umfaßt, enthält nämlich in seinem § 95 Abs 2 Satz 2 folgende Bestimmung:

Die Eintragung in ein Arztregister erfolgt auf Antrag nach Ableistung einer einjährigen Vorbereitungszeit für Kassenärzte sowie einer zweijährigen Vorbereitungszeit für Kassenzahnärzte.

Die vom Revisionskläger angegriffene Regelung einer zweijährigen Vorbereitungszeit widerspricht nicht dem Recht der EG.

Der Rat der EG hat am 25. Juli 1978 die Richtlinie "für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Zahnarztes und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr" erlassen (Richtlinie 78/686/EWG; ABl EG Nr L 233). Art 20 der Richtlinie lautet:

Mitgliedstaaten, die von ihren eigenen Staatsangehörigen für die Zulassung zur Tätigkeit als Kassenzahnarzt die Ableistung einer Vorbereitungszeit verlangen, können diese während eines Zeitraums von acht Jahren von der Bekanntgabe der Richtlinie an auch von den Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten verlangen. Die Dauer der Vorbereitungszeit darf jedoch sechs Monate nicht überschreiten.

Diese Bestimmung steht der bundesrechtlichen Bestimmung einer zweijährigen Vorbereitungszeit nicht entgegen. Denn sie bezieht sich in ihrem Satz 2 lediglich auf die "Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten". Dieser Bezug wird im Satz 2 zwar nicht ausdrücklich (wiederholend) genannt. Er ergibt sich aber ganz eindeutig aus dem Bedeutungszusammenhang des Kontextes. Art 20 Satz 1 enthält als einzige Aussage ein rechtliches Dürfen derjenigen Mitgliedstaaten, die von ihren eigenen Staatsangehörigen die Ableistung einer Vorbereitungszeit verlangen, Vorbereitungszeiten auch von Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten zu verlangen. Dieses rechtliche Dürfen - und nichts anderes - wird durch Satz 2 dahin eingegrenzt, daß die Dauer der Vorbereitungszeiten sechs Monate nicht überschreiten darf. Die Beschränkung bezieht sich also lediglich auf die gegenüber den fremden Staatsangehörigen eingeräumte Befugnis, eine Vorbereitungszeit zu verlangen.

Die Vorschrift des Art 20 der genannten Richtlinie enthält demnach kein Verbot, eine den eigenen Staatsangehörigen auferlegte Vorbereitungszeit von mehr als sechs Monaten aufrechtzuerhalten. Das wird noch deutlicher, wenn man sieht, daß sein Satz 1 eine weitere Einschränkung des rechtlichen Dürfens enthält, nämlich insofern, als die Mitgliedstaaten von den Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten eine Vorbereitungszeit (von höchstens sechs Monaten) nur innerhalb von acht Jahren (ab Bekanntgabe der Richtlinie) verlangen können. Der Regelungsinhalt des Art 20 der Richtlinie zielt also allein darauf ab, die Hürden der Zulassung von Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten zu senken. Damit wird zwar offensichtlich der weitere Zweck verfolgt, diejenigen Mitgliedstaaten, die für die Zulassung zur Tätigkeit als Kassenzahnarzt die Ableistung einer Vorbereitungszeit verlangen, mittelbar zu veranlassen, die Dauer der Vorbereitungszeit für ihre eigenen Staatsangehörigen auf ein Maß zu senken, das im Vergleich mit dem Ausbildungsstand der fremden Staatsangehörigen jedenfalls nicht außer Verhältnis steht. Diese Zwecke sind jedoch nicht Gegenstand der normativen Handlungsanweisungen der Vorschrift, sondern lediglich die vom Normgeber mit diesen verbundenen Rechtsfolgeerwartungen.

Die Bundesregierung hat dann auch durch die Verordnung vom 14. Dezember 1983 (BGBl I, 1433) auf die Richtlinie reagiert und in den Absätzen 4 und 5 des § 3 ZO-Z bestimmt, daß Zahnärzte, die in einem anderen Mitgliedstaat ein nach den gemeinschaftlichen Vorschriften anerkanntes Diplom erworben haben und zur Berufsausübung zugelassen sind, (erstens) lediglich einer sechsmonatigen Vorbereitungszeit bedürfen, wenn sie die Eintragung in das Zahnarztregister bis zum 30. Juni 1986 beantragt haben, bzw (zweitens) keiner (inländischen) Vorbereitungszeit bedürfen, wenn sie den Antrag später gestellt haben oder stellen. Eine im übrigen zweijährige Vorbereitungszeit wurde schließlich, wie oben ausgeführt, in die Vorschrift des § 95 Abs 2 Satz 2 des am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen SGB V aufgenommen und damit in den Rang des Gesetzesrechts gehoben.

Aus den angeführten Gründen kann es keinen vernünftigen Zweifel an der Richtigkeit der hier erfolgten Auslegung des Art 20 der Richtlinie 78/686/EWG geben. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gemäß Art 177 Abs 3 EWG-Vertrag (EWGV) bedarf es daher nicht (vgl BVerfG, Beschluß vom 9. November 1987 - 2 BvR 808/82 -, NJW 1988, 1456).

2. Auch insoweit, als der Kläger in dem Erfordernis einer zweijährigen Vorbereitungszeit einen Verstoß gegen Art 7 EWGV behauptet, vermag er nicht durchzudringen. Die genannte Vorschrift lautet:

Unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrags ist in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Der Rat kann mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission und in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament Regelungen für das Verbot solcher Diskriminierungen treffen.

Der Kläger trägt vor, gegenüber denjenigen Zahnärzten diskriminiert zu werden, für die nach den Absätzen 4 und 5 des § 3 ZO-Z eine geringere Vorbereitungszeit vorgeschrieben ist; darin liege eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Abgesehen davon, daß die genannten Bestimmungen nicht nur für Angehörige anderer Mitgliedstaaten, sondern auch für deutsche Zahnärzte gilt, "die in einem anderen Mitgliedstaat der EG ein nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften anerkanntes Diplom erworben haben und zur Berufsausübung zugelassen sind", liegt eine solche Diskriminierung hier nicht vor. Zu der hier aufgeworfenen Frage einer sogenannten umgekehrten Diskriminierung (- nicht der fremde Staatsangehörige wird gegenüber dem eigenen benachteiligt, sondern umgekehrt der eigene gegenüber dem fremden -) hat die Rechtsprechung des EuGH zwar klargestellt, daß der eigene Staatsangehörige, wenn er sich in derselben Situation wie der Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates befindet, wie ein solcher fremder Staatsangehöriger zu behandeln ist.

Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht gegeben. Der Kläger hat kein nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften anerkanntes Diplom eines anderen Mitgliedstaates, in dem er zugelassen ist, erworben. Durch Art 7 EWGV wird im übrigen nicht vorgeschrieben, daß der eigene Staatsangehörige wie ein Staatsangehöriger anderer Mitgliedstaaten zu stellen ist (vgl EuGH 175/78 - Slg 1979, 1129 -, 115/78 - Slg 1979, 399 -, 136/78 - Slg 1979, 437; von der Groeben ua, Komm EWG-Vertrag, RdNr 6 zu Art 7).

3. Aus der Ungleichbehandlung solcher Zahnärzte einerseits, "die in einem anderen Mitgliedstaat der EG ein nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften anerkanntes Diplom erworben haben und zur Berufsausübung zugelassen sind" (§ 3 Abs 4 ZO-Z) gegenüber sonstigen eigenen Staatsangehörigen andererseits ergibt sich kein Verstoß gegen Art 3 GG. Der Gleichheitsgrundsatz des Art 3 GG gebietet, gleiche Sachverhalte rechtlich gleich zu behandeln. Indem der Normgeber hier eine Gruppe von Zahnärzten, die in einem anderen Mitgliedstaat ein Befähigungsdiplom erworben haben und dort zugelassen sind, insofern besser stellt, als er für sie eine wesentlich geringere (bzw gar keine) Vorbereitungszeit verlangt, handelt er in Erfüllung der der Bundesrepublik obliegenden Pflichten aus gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften. Zwar scheint hier das Argument nahezuliegen, daß, wenn der Gesetzgeber schon fremde Staatsangehörige bei deren Berufsausübung im Inland in bestimmter rechtlicher Weise behandelt, er unter dem Aspekt des Art 3 GG erst recht die eigenen Staatsangehörigen ebenso günstig behandeln muß. Das trifft hier jedoch nicht zu. Es mag anders sein, wenn eine entsprechende völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik, nämlich fremden Staatsangehörigen eine solche Rechtsstellung im Inland einzuräumen, auf einen durch einmaligen Gesetzgebungsakt zu erreichenden Rechtszustand gerichtet wäre. Im Recht der EG, insbesondere in den hier betroffenen Bereichen des Niederlassungsrechts (Art 52 ff EWGV) und des Dienstleistungsverkehrs (Art 59 ff EWGV), handelt es sich jedoch um ein vielfach miteinander verwobenes System, in dessen Rahmen Mitgliedstaaten und Gemeinschaftsorgane auf einen Prozeß fortschreitender Koordinierung, Harmonisierung und Ausbalancierung der jeweiligen Rechtsvorschriften verpflichtet sind, was einer diesen Prozeß vorwegnehmenden Gleichstellung durch Verwaltung und Rechtsprechung bis zu einem gewissen Abschluß, der hier jedenfalls noch nicht erreicht ist, entgegensteht. Dabei kann nicht außer Betracht bleiben, daß eine Koordinierung und Harmonisierung der Rechtsvorschriften keineswegs nur durch eine Vereinheitlichung möglich ist, sondern auch dadurch erfolgen kann, daß bei zwar uneinheitlichen, durch beizubehaltende Grundlagenunterschiede aber in ihrer Abweichung gerechtfertigten Regelungen die Vertragszwecke weitestgehend berücksichtigt werden. So läßt sich eine für Inländer und Ausländer unterschiedliche Regelung von praktischen Vorbereitungszeiten für einen Beruf durchaus dann als vertragsgemäß denken, wenn ausländische Ausbildungen den praktischen Berufserfordernissen wesentlich mehr Rechnung tragen als die inländische. Auf eine Gleichstellung nach Art 3 GG könnte sich der Kläger daher allenfalls dann berufen, wenn die Bundesrepublik mit der den Kläger schlechterstellenden Regelung offensichtlich gegen den EWG-Vertrag verstieße, was oben gerade verneint wurde, oder wenn der europäische Integrationsprozeß abgeschlossen wäre. Aber auch im letzteren Falle könnte er allenfalls dann durchdringen, wenn für die dann endgültige Schlechterstellung keine sachliche Rechtfertigung (durch die Unterschiedlichkeit der Ausbildungsordnungen) bestünde.

4. Die vom Kläger angegriffene Regelung als solche ist mit Art 12 Abs 1 GG vereinbar. Als Regelung der Berufsausübung (Art 12 Abs 1 Satz 2 GG) ist sie schon dann nicht verfassungswidrig, wenn vernünftige Gründe des Gemeinwohls für ihren Erlaß gegeben sind und sie für den von ihr betroffenen Personenkreis zumutbar und nicht übermäßig belastend sind (BVerfG 7, 377, 406; 11, 30, 42; 13, 181, 187; 16, 286, 297, 299). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Das kann zumindest insofern nicht zweifelhaft sein, als es um eine Vorbereitungszeit überhaupt geht. Aber auch insoweit, als sie vom Verordnungsgeber - ab 1. Januar 1989 vom Gesetzgeber - auf zwei Jahre festgesetzt worden ist, vermag der Senat keine unzumutbare Beschränkung der Berufsausübung zu sehen. Zwar sind von der zweijährigen Vorbereitungszeit nur sechs Monate bei einem Kassenzahnarzt abzuleisten (§ 3 Abs 3 Satz 1 ZO-Z), und auch hiervon können noch drei Monate durch eine Tätigkeit bei einer Universitätszahnklinik ersetzt werden (Satz 3 der Vorschrift), während für die übrige Zeit "die Vorbereitung durch Tätigkeiten in unselbständiger Stellung in Universitätszahnkliniken, Zahnstationen eines Krankenhauses oder des öffentlichen Gesundheitsdienstes oder der Bundeswehr oder in Zahnkliniken abgeleistet werden" kann (Satz 2 der Vorschrift). Wird damit der Rechtsgrund des größeren Teils der geforderten Vorbereitung auch nicht von einem spezifisch kassenärztlichen Aspekt, sondern vom übergreifenden Aspekt einer zusätzlichen praktischen Ausbildung getragen, so erscheint eine solche Regelung jedoch weder zweckwidrig noch unzumutbar. Ist die zahnärztliche Universitätsausbildung, wie allgemein bekannt, weniger praxisbezogen ausgerichtet, so liegt es durchaus im Interesse des Gemeinwohls und damit auch des kassenärztlichen Systems - das eine optimale zahnärztliche Versorgung gewährleisten soll -, eine längere praktische Vorbereitungszeit zu fordern. Unter Berücksichtigung dessen, daß hier ein breiter Regelungsspielraum besteht, kann in der Höhe der hier vorgeschriebenen Vorbereitungszeit kein Verstoß gegen Art 12 GG gesehen werden.

5. Die Revision des Klägers konnte demnach keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

BSGE, 89

AusR 1990, 12

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