Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Nichtanwendbarkeit der Übergangsregelung nach Art 45 PflegeVG auf schwerpflegebedürftige Beihilfeberechtigte. Verfassungsmäßigkeit. sozialgerichtliches Verfahren. richterliche Würdigung. Grundpflegebedarf. verweigerte Mitwirkung
Leitsatz (amtlich)
Die Regelung über die pauschale Einstufung aller Versicherten, die bis zum 31.3.1995 Leistungen der Krankenkassen wegen Schwerpflegebedürftigkeit bezogen haben, in die Pflegestufe II ist auf Empfänger entsprechender beihilferechtlicher Leistungen nicht anwendbar. Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
Orientierungssatz
Wird eine gerichtliche Begutachtung zur Ermittlung des Umfangs des tatsächlichen Grundpflegebedarfs seitens des Klägers abgelehnt, ist das Gericht verpflichtet, zunächst die vorhandenen Begutachtungsergebnisse und die sonstigen Ermittlungsergebnisse ohne Rücksicht auf die verweigerte Einwilligung zu würdigen und sich aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens eine Auffassung hinsichtlich des Grundpflegebedarfs zu bilden. Erst wenn es sich im Rahmen dieser Gesamtwürdigung keine Überzeugung darüber bilden kann, darf es seine Entscheidung - nach vorherigem Hinweis auf die möglichen Folgen einer verweigerten Mitwirkung - nach der (objektiven) Beweislast ausrichten.
Normenkette
PflegeVG Art. 45; SGB 11 § 15 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 2, § 37 Abs. 1 S. 3; SGB 5 § 53 Fassung: 1988-12-20, § § 53ff Fassung: 1988-12-20; BhV § 6 Abs. 1 Nr. 7 S. 3 Fassung: 1991-12-10, § 9 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 Fassung: 1994-12-29; GG Art. 3 Abs. 1; SGG § 128 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. August 2013 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der beklagten Pflegekasse die Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II.
Der 1990 geborene Kläger leidet am Downsyndrom. Für die ständige häusliche Pflege gewährte die Beihilfestelle der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz (seit 1.1.2007: Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd) für den Kläger als berücksichtigungsfähigen Angehörigen seines bei der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz verbeamteten Vaters bis 31.3.1995 eine Beihilfe in Höhe von 400 DM monatlich (Art 11 Abs 1 Bayerisches Besoldungsgesetz idF des § 4 Nr 1 Buchst c Zehntes Gesetz zur Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften vom 3.8.1986 ≪GVBl 205≫ iVm § 6 Abs 1 Nr 7 S 3 Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen ≪Beihilfevorschriften - BhV≫ idF des Art 1 Nr 2.2 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 10.12.1991, GMBl 1051). Seit der Einführung des Leistungsrechts der Pflegeversicherung zum 1.4.1995 war der Kläger bei dem Versicherungsunternehmen D., Krankenversicherungsverein auf Gegenseitigkeit, mit einem Versicherungstarif von 20 % privat pflegeversichert. Über die Beihilfe waren die Leistungen bei Pflegebedürftigkeit zu einem Anteil von 80 % abgedeckt. Wegen des vorangegangenen Leistungsbezugs stufte die Beihilfestelle den Kläger ab 1.4.1995 automatisch in die Pflegestufe II ein (Art 2 Nr 2 S 1 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 29.12.1994, GMBl 1995, 51). Das private Pflegeversicherungsunternehmen stufte den Kläger lediglich in die Pflegestufe I ein (Schreiben vom 11.7.1995) und zahlte demgemäß ein anteiliges Pflegegeld von 20 %. Die Beihilfestelle gewährte dem Kläger unter Anrechnung des ihm aus der privaten Pflegeversicherung zustehenden Pflegegeldes eine Pauschalbeihilfe nach der Pflegestufe II (§ 9 Abs 4 S 2 Nr 2 BhV idF des Art 1 Nr 5.3 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 29.12.1994, GMBl 1995, 51), sodass dem Kläger im Ergebnis ein volles Pflegegeld nach der Pflegestufe II zur Verfügung stand.
Da der Kläger zum 1.9.2010 eine Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen aufgenommen hatte, stellte die beklagte Pflegekasse seine Pflichtversicherung in der sozialen Pflegeversicherung ab dem Zeitpunkt der Tätigkeitsaufnahme fest und bewilligte ihm zugleich Pflegegeld nach der Pflegestufe I (Bescheid vom 2.9.2010, Widerspruchsbescheid vom 6.10.2011), nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) einen täglichen Grundpflegebedarf von 82 Minuten bei erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz festgestellt hatte (Gutachten vom 1.12.2010). Die Beihilfestelle sagte daraufhin bis zur rechtskräftigen Klärung der Einstufung des Klägers unter dem Vorbehalt der Rückforderung die Zahlung von Pflegegeld in Höhe der Differenz zwischen dem Pflegegeld der Pflegestufe I und der Pflegestufe II zu (Bescheid vom 23.9.2011).
Im Klageverfahren hat der Kläger die (erneute) Begutachtung seiner Pflegebedürftigkeit als ihn zu sehr belastend abgelehnt, zugleich aber eingeräumt, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe II in tatsächlicher Hinsicht wohl nicht erfüllt seien. Sein Leistungsanspruch nach der Pflegestufe II beruhe vielmehr auf dem Bestandsschutz nach Art 45 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz ≪PflegeVG≫ vom 26.5.1994, BGBl I 1014), da er bis zum 31.3.1995 eine den damaligen krankenversicherungsrechtlichen Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit (§§ 53 bis 57 SGB V aF) entsprechende beihilferechtliche Pauschalbeihilfe bezogen habe. Die Klage (Urteil vom 21.11.2012) und die Berufung des Klägers (Urteil vom 7.8.2013) sind ohne Erfolg geblieben: Ein Anspruch des Klägers ergebe sich weder aus der unmittelbaren noch aus der analogen Anwendung des Art 45 PflegeVG. Dem Gesetzgeber sei es mit der Übergangsregelung des Art 45 PflegeVG nicht um materielle Gerechtigkeit oder Vertrauensschutz gegangen, sondern darum, mit der Einführung der Pflegeversicherung zum 1.4.1995 eine für die Verwaltung nicht zu bewältigende Antrags- und Begutachtungsflut zu vermeiden. Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art 3 Abs 1 GG) sei nicht festzustellen, da in den unterschiedlichen Absicherungssystemen des Versicherungsfalls Pflege ein sachlicher Differenzierungsgrund liege.
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision begehrt der Kläger weiterhin Pflegegeld nach der Pflegestufe II auf der Grundlage von Art 45 PflegeVG. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift seien erfüllt, da die bis 31.3.1995 bezogene Pauschalbeihilfe und die Leistungen nach den §§ 53 ff SGB V aF inhaltlich vergleichbar seien. Die Überlegung, zum 1.4.1995 eine Antragsflut zu vermeiden, sei inzwischen obsolet und könne heutzutage keine Ungleichbehandlung von Beihilfeempfängern gegenüber Leistungsberechtigten nach den §§ 53 ff SGB V aF begründen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. August 2013 und des Sozialgerichts Landshut vom 21. November 2012 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 2. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2011 im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 1. September 2010 Pflegegeld nach der Pflegestufe II unter Anrechnung der bereits erbrachten Zahlungen nach der Pflegestufe I zu gewähren.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Entscheidung des LSG ist nicht zu beanstanden, da die auf Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II gerichtete Klage zwar zulässig (dazu 1.), aber nicht begründet ist. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II, und zwar weder nach § 37 SGB XI (dazu 2.) noch aufgrund einer unmittelbaren (dazu 3.) oder analogen Anwendung von Art 45 PflegeVG (dazu 4.). Hierin liegt schließlich kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (dazu 5.).
1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Insbesondere kann dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) nicht abgesprochen werden, obwohl er die von ihm begehrte Leistung, dh Pflegegeld nach der Pflegestufe II, in der Summe durch die Leistungen der Beklagten (Pflegegeld nach der Pflegestufe I) und die aufstockende Leistung der Beihilfestelle (Leistung in Höhe der Differenz zum Pflegegeld nach der Pflegestufe II) tatsächlich bereits erhält. Denn die Höhe seines Anspruchs gegen die Beihilfestelle hängt ua davon ab, in welchem Umfang ihm Pflegegeld aus der sozialen Pflegeversicherung zusteht (§ 32 Abs 2 S 3 BhV). Vor diesem Hintergrund leistet die Beihilfestelle derzeit an den Kläger auch lediglich unter dem Vorbehalt der Rückforderung - und zwar "bis eine endgültige Entscheidung vor dem Sozialgericht bezüglich der Höhe der Pflegestufe getroffen wird" (Schreiben vom 23.9.2011). Es wäre auch mit dem Grundsatz der Prozessökonomie nicht zu vereinbaren, den Kläger zunächst auf einen Streit mit der Beihilfestelle zu verweisen, um dann ggf die Verwaltungsgerichtsbarkeit den Anspruch des Klägers auf Leistungen nach Art 45 PflegeVG prüfen zu lassen, der nach den Vorstellungen des Gesetzgebers in die Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit fällt (zum Rechtsschutzinteresse aus dem Grundsatz der Prozessökonomie vgl BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 1 RdNr 4 mwN).
Die Instanzgerichte haben die Klage allerdings zu Recht abgewiesen, da der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II besitzt.
2. Der Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus § 37 Abs 1 S 3 SGB XI, da nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG die hierfür nötige Schwerpflegebedürftigkeit (§ 15 Abs 1 S 1 Nr 2 iVm Abs 3 S 1 Nr 2 SGB XI) beim Kläger nicht besteht. Zwar ist der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu entnehmen, dass das LSG den für die Pflegestufe II benötigten Umfang des Grundpflegebedarfs von mindestens zwei Stunden für zweifelhaft hielt. Das LSG verweist insoweit zunächst auf das Ergebnis der letzten MDK-Prüfung mit einem täglichen Grundpflegebedarf in Höhe von 82 Minuten, führt in der Folge aber aus, dass der Kläger eine gerichtliche Begutachtung abgelehnt und zugleich das Nichtvorliegen der zeitlichen Voraussetzungen der Pflegestufe II unstreitig gestellt habe. Damit seien weitere Ermittlungen zu den tatsächlichen Voraussetzungen der Pflegestufe II unmöglich geworden, für deren Vorliegen der Kläger die Beweislast trage. Diese Würdigung des Verhandlungsergebnisses erscheint indes mit Blick auf § 128 Abs 1 S 1 SGG bedenklich, weil das LSG zu erkennen gibt, dass die vorliegenden Unterlagen aus seiner Sicht keine Klarheit über den Grundpflegebedarf gebracht haben, eine solche aber durch eine gerichtliche Begutachtung des Klägers hätte erzielt werden können. Dies habe der Kläger durch seine Weigerung, an deren Erstellung mitzuwirken, vereitelt, sodass aus diesem Grund die unterbliebene Sachaufklärung zu seinen Ungunsten ins Gewicht falle und ein Grundpflegebedarf in Höhe von mindestens zwei Stunden zu verneinen sei. Das LSG wäre stattdessen verpflichtet gewesen, zunächst die vorhandenen Begutachtungsergebnisse und die sonstigen Ermittlungsergebnisse ohne Rücksicht auf die verweigerte Einwilligung des Klägers zu würdigen und sich aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens eine Auffassung darüber zu bilden, welchen Grundpflegebedarf der Kläger im streitigen Zeitraum hatte. Erst wenn es sich im Rahmen dieser Gesamtwürdigung keine Überzeugung über den Umfang des tatsächlichen Pflegebedarfs des Klägers hätte bilden können, hätte es seine Entscheidung nach der (objektiven) Beweislast ausrichten dürfen (BSGE 4, 116 = SozR Nr 11 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr 43 zu § 103 SGG; BSG SozR 4-1500 § 103 Nr 5 RdNr 14 f; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 103 RdNr 17a ff). Dies hätte zudem einen vorherigen Hinweis an den Kläger auf die möglichen Folgen seiner verweigerten Mitwirkung erfordert (BSG SozR Nr 55 zu § 103 SGG; BSG SozR 1500 § 103 Nr 23 S 15; Leitherer aaO RdNr 17a). Da Verfahrensrügen gegen das Berufungsurteil allerdings nicht erhoben worden sind, darf der Senat gemäß § 163 SGG bei seiner materiell-rechtlichen Würdigung allein von den Feststellungen des LSG ausgehen (BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 7 RdNr 17). Die weitere Beurteilung der Rechtslage muss deshalb daran anknüpfen, dass die zeitlichen Voraussetzungen der Pflegestufe II (§ 15 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB XI) als nicht erfüllt anzusehen sind.
3. Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht unmittelbar auf Art 45 PflegeVG stützen. Danach werden pflegebedürftige Versicherte, die bis zum 31.3.1995 Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach den §§ 53 bis 57 SGB V aF erhalten haben, mit Wirkung vom 1.4.1995 ohne Antragstellung in die Pflegestufe II eingestuft und erhalten Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XI in dem Umfang, der für Pflegebedürftige im Sinne des § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB XI vorgesehen ist. Der Kläger hat nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG bis zum 31.3.1995 gerade keine Leistungen nach den §§ 53 bis 57 SGB V aF bezogen. Damit sind die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung des § 45 PflegeVG nicht erfüllt.
4. Er kann seinen Anspruch aber auch nicht aus einer analogen Anwendung des Art 45 PflegeVG herleiten.
a) Ein Analogieschluss setzt insbesondere voraus, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre im Zuge einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Analogie ist die Übertragung der Rechtsfolge eines geregelten Tatbestandes auf einen ihm ähnlichen, aber ungeregelten Sachverhalt. Sie beruht - in Anlehnung an Art 3 Abs 1 GG - auf der Forderung normativer Gerechtigkeit, im Wesentlichen Gleichartiges auch gleich zu behandeln (BSGE 108, 8 = SozR 4-5425 § 4 Nr 1, RdNr 18 mwN).
b) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, da es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke (dazu c) und darüber hinaus an der für eine Vergleichbarkeit nötigen Ähnlichkeit zwischen dem Tatbestand des Art 45 PflegeVG und dem streitigen Sachverhalt (dazu d) fehlt.
c) Eine Regelungs- oder Gesetzeslücke liegt nur vor, wenn das Gesetz gemessen an der Regelungsabsicht des Gesetzgebers und den gesetzesimmanenten Zwecken planwidrig unvollständig ist (BSGE 83, 68, 70 = SozR 3-1500 § 84 Nr 2 S 70 f mwN). Der nach den Gesetzesmaterialien mit der Übergangsvorschrift des Art 45 PflegeVG verbundene Regelungszweck lässt auf eine solche Regelungslücke hinsichtlich des vorliegend streitigen Sachverhalts nicht schließen.
aa) Ausgangspunkt für die dem späteren Art 45 PflegeVG entsprechende Regelung des Art 32 des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP für ein Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (BT-Drucks 12/5262) war die Überlegung, dass mit Einführung der Pflegeversicherung die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Pflegebedürftigkeit nach den §§ 53 bis 57 SGB V aF entfallen (BT-Drucks 12/5262 S 174 zu Art 32). Für diesen Kreis leistungsberechtigter Versicherter war zunächst eine Fristverlängerung geplant, um bei der zuständigen Pflegekasse einen Antrag auf Pflegeleistungen nach dem SGB XI zu stellen. Bis zur Entscheidung der Pflegekasse über den Antrag sollten diese Versicherten Leistungen nach der Pflegestufe I in Höhe von 400 DM erhalten (Art 32 des Gesetzentwurfs idF der BT-Drucks 12/5262). Mit der Fristverlängerung sollte den Interessen der Pflegebedürftigen entgegengekommen und zugleich bewirkt werden, dass die anfängliche Antragsflut nach Inkrafttreten des Gesetzes zeitlich gestreckt werden kann. Mit der Zahlung der Leistungen nach der Pflegestufe I bis zur Entscheidung über den Antrag sollte sichergestellt werden, dass die Pflegebedürftigen zunächst Pflegegeld in der bisherigen Höhe automatisch weiter erhalten (BT-Drucks 12/5262 S 174 zu Art 32). Die noch heute maßgebliche Fassung des Art 45 PflegeVG geht auf die entsprechende Änderung des Art 32 des Gesetzentwurfs im Rahmen der Ausschussberatungen zurück. Ausgangspunkt dieser Änderung war die auf die Erfahrungen des MDK gestützte Annahme, dass die große Mehrzahl der Pflegebedürftigen, die bisher von den Krankenkassen Leistungen aufgrund der §§ 53 bis 57 SGB V aF erhalten, vom Hilfebedarf her regelmäßig der neuen Pflegestufe II zuzuordnen sind, ein kleinerer Teil sogar der Stufe III (BT-Drucks 12/5962 - Allgemeiner Teil VI 4 a S 22). Die Neufassung des Art 32 sollte dieser Einschätzung gerecht werden und so eine Antragsflut bei den Pflegekassen vermeiden, die zum Zeitpunkt der Einführung der Pflegeversicherungsleistungen bei häuslicher Pflege ansonsten unvermeidlich gewesen wäre (BT-Drucks 12/5962 - Besonderer Teil, zu Art 32 Abs 1 S 59). Im Ergebnis zielt Art 45 PflegeVG damit darauf ab, nahtlos Leistungen bei häuslicher Pflege für all jene Versicherten sicherzustellen, die entsprechende Leistungen der Krankenkasse nach dem SGB V aF durch die Einführung einer eigenständigen sozialen Pflegeversicherung zum 31.3.1995 verloren haben, sowie gleichzeitig die nach dem SGB XI auch für diese Versicherten vorgesehene Antragstellung und den damit für die Pflegekassen und den MDK entstehenden anfänglichen Verwaltungsaufwand zu vermeiden. Allerdings war es Leistungsbeziehern, die meinten, einen Grundpflegebedarf im zeitlichen Umfang der Pflegestufe III zu haben (§ 15 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB XI), freigestellt, einen entsprechenden Höherstufungsantrag zu stellen.
bb) Gemessen an dieser Zielsetzung ist bereits eine Regelungslücke nicht ersichtlich. Denn durch die Einführung einer eigenständigen sozialen Pflegeversicherung wäre es - ohne die Überleitungsregelung des Art 45 PflegeVG - ausschließlich bei Leistungsbeziehern nach dem SGB V aF zur Notwendigkeit einer erneuten Antragstellung und der damit ggf verbundenen Unterbrechung des Bezugs von Leistungen bei häuslicher Pflege gekommen. Schwerpflegebedürftige, die zuvor, also bis zum 31.3.1995, nicht pflichtversichert bzw leistungsberechtigt nach dem SGB V waren, sind durch die Einführung der sozialen Pflegeversicherung auch nicht in dieser pflichtversichert und ggf leistungsberechtigt geworden. Dies folgt aus dem für die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung geltenden Grundsatz, dass die Pflegeversicherung der Krankenversicherung folgen solle (§ 20 Abs 1 S 1 SGB XI; BT-Drucks 12/5262 S 2 und S 101 ff sowie BT-Drucks 12/5962 S 3; zum Zusammentreffen der Versicherungspflicht mit bestehenden privaten Pflegeversicherungsverträgen vgl Art 42 PflegeVG). Weder die Zielsetzung der nahtlosen Leistungsgewährung noch die der Vermeidung von erheblichem Verwaltungsaufwand zum Stichtag 1.4.1995 lässt schließlich für solche Sachverhalte auf eine Regelungslücke schließen, die zeitlich erst nach der Einführung der sozialen Pflegeversicherung Leistungen bei häuslicher Pflege begründet haben, sei es, weil die Pflichtversicherung nach dem SGB XI - wie beim Kläger - erst nach dem 1.4.1995 begründet oder der Leistungsfall erst nach dem 1.4.1995 eingetreten und an den Leistungsträger herangetragen worden ist.
cc) Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine darüber hinausgehende Regelung für Personen getroffen werden sollte, die - wie der Kläger - in anderen Sicherungssystemen den Leistungen nach den §§ 53 ff SGB V aF entsprechende Leistungen schon bis zum 31.3.1995 bezogen haben oder einen Anspruch auf Leistungen nach den §§ 53 ff SGB V aF im Hinblick auf den Grad ihrer Pflegebedürftigkeit zwar gehabt hätten, solche aber tatsächlich nicht erhalten haben. Dabei kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe bei der Einführung der eigenständigen sozialen Pflegeversicherung jene Fallkonstellationen übersehen, in denen Betroffene zuvor Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit (auch) aus anderen Sicherungssystemen als den §§ 53 ff SGB V aF bezogen haben. Dies zeigt insbesondere Art 51 PflegeVG, der ein besonderes Pflegegeld für jene Pflegebedürftigen regelt, die am 31.3.1995 bereits Pflegegeld nach § 69 Bundessozialhilfegesetz aF bezogen haben.
dd) Die Bedeutung des Art 45 PflegeVG hat sich auch nicht durch Zeitablauf erledigt. Nach den Gesetzesmaterialien war von Anfang an beabsichtigt, dass auf der Grundlage von Art 45 PflegeVG einmal der Pflegestufe II zugeordnete Versicherte auch dort verbleiben sollen (BT-Drucks 12/5952 S 22: "Eine Rückstufung in Stufe I ist nicht vorgesehen."; vgl hierzu auch BSG SozR 3-3300 § 18 Nr 2, wonach ein Versicherter, der in den Anwendungsbereich der Bestandschutzregelung des Art 45 PflegeVG fällt, nur dann in die Pflegestufe I herabgestuft oder vom Leistungsbezug ganz ausgeschlossen werden kann, wenn sich der Pflegebedarf durch Umstände verringert hat, die erst nach dem 31.3.1995 eingetreten sind). Zielsetzung des Art 45 PflegeVG war es, den durch die Überleitung der Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit nach den §§ 53 ff SGB V aF in das System des SGB XI entstehenden Verwaltungsaufwand nicht nur - wie im Gesetzentwurf mit Art 32 PflegeVG zunächst geplant - zeitlich zu strecken, sondern endgültig und vollständig entfallen zu lassen. Hierzu aber bedarf es des Festhaltens an der entsprechenden Rechtsgrundlage des Art 45 PflegeVG. Denn der Anwendungsbereich des Art 45 PflegeVG bleibt solange bestehen, wie Versicherte seit dem 1.4.1995 Leistungen nach dem SGB XI beziehen und bis zum 31.3.1995 bereits Leistungen nach den §§ 53 ff SGB V aF bezogen haben.
d) Der Regelungszweck des Art 45 PflegeVG steht schließlich auch der für die Vergleichbarkeit notwendigen Ähnlichkeit des vorliegend streitigen Sachverhalts mit dem Tatbestand dieser Übergangsvorschrift entgegen. Denn die Ähnlichkeit muss in den für die gesetzliche Bewertung maßgeblichen Kriterien bestehen, die aus dem Gesetzeszweck und dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung zu erschließen ist (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl 1991, S 381 f). Damit genügt es nicht, nur auf die pflegebezogene und finanzielle Ähnlichkeit der Leistungen nach den §§ 53 bis 57 SGB V aF und der vom Kläger bis 31.3.1995 bezogenen beihilferechtlichen Pauschalbeihilfe abzustellen. Gegen die gesetzessystematische Ähnlichkeit spricht allerdings nicht bereits der Umstand, dass die Pauschalbeihilfe die "Vermeidung der dauernden Unterbringung" voraussetzt. Denn die dem Kriterium gleichstehende "Vermeidung stationärer Pflege" nach § 55 Abs 1 S 1 und 2 SGB V aF war auch bei der Entwicklung des Katalogs der Verrichtungen berücksichtigt worden, an Hand derer die Schwerpflegebedürftigkeit nach den §§ 53 ff SGB V aF zu beurteilen war (BSGE 73, 146, 155 = SozR 3-2500 § 53 Nr 4 S 24). Unabhängig davon unterscheidet sich der Sachverhalt des vorliegenden Falles bezüglich der für die Zielsetzung maßgeblichen Gesichtspunkte vom Tatbestand des Art 45 PflegeVG. Der Beginn des Bezug von Leistungen bei häuslicher Pflege nach dem SGB XI beruht beim Kläger nämlich nicht auf der Einführung der eigenständigen Pflegeversicherung zum 1.4.1995, sodass hier auch keine Unterbrechung des Leistungsbezugs zu befürchten war, weil die Pflegekassen die Antragsflut nur zeitlich gestreckt abarbeiten konnten. Konnte aber die Zielsetzung des Art 45 PflegeVG beim vorliegenden Sachverhalt gar nicht greifen, fehlt ihm die für eine Analogie notwendige Vergleichbarkeit mit dem Gesetzeszweck des Art 45 PflegeVG.
5. Zu einer gegenteiligen Auslegung zwingt auch nicht das Verfassungsrecht. Es verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG, dass die Überleitungsvorschrift des Art 45 PflegeVG nur solche Versicherte betrifft, die bis zum 31.3.1995 Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach den §§ 53 bis 57 SGB V aF erhalten haben.
a) Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Demgemäß ist dieses Grundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; 71, 146, 154 f mwN). Maßgeblicher Bezugspunkt für die Prüfung eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist also die Frage, ob eine Personengruppe gegenüber einer anderen ohne hinreichenden sachlichen Grund unterschiedlich behandelt wird (BVerfGE 78, 232, 247 = SozR 5850 § 14 Nr 11).
b) Sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung der pflegebedürftigen Versicherten, die bis zum 31.3.1995 bereits Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach den §§ 53 ff SGB V aF bezogen haben, und solchen, die entsprechende Leistungen nach anderen Sicherungssystemen wie dem Beihilferecht bezogen haben, war das Interesse des Gesetzgebers, den Versicherten der GKV bei Einführung der sozialen Pflegeversicherung zum 1.4.1995 nahtlos Leistungen bei häuslicher Pflege gewährleisten zu wollen, ohne gleichzeitig die Pflegekassen mit einer entsprechenden Antragsflut zu befassen. Sowohl das Interesse, den Pflegebedürftigen, deren Leistungen durch die Einführung der sozialen Pflegeversicherung neu zu beantragen waren, nahtlos Leistungen bei häuslicher Pflege zu gewähren (§§ 36 ff SGB XI), als auch das Interesse, das Anlaufen der Verwaltungspraxis der Pflegekassen möglichst reibungslos zu gestalten, sind hinreichende sachliche Gründe, die es dem Gesetzgeber im Rahmen der ihm eingeräumten Gestaltungsfreiheit gestatten, Überleitungsregelungen wie Art 45 PflegeVG zu schaffen. Der Senat hat hierzu bereits darauf hingewiesen, dass die Einführung der Pflegeversicherung zu den komplexen Sachverhalten gehört, die dem Gesetzgeber im Anfangsstadium "gröbere" Typisierungen und Generalisierungen gestatten (BSG SozR 3-2500 § 55 Nr 2 S 8 aE f). Dazu gehört auch die Entscheidung, sämtliche Leistungsempfänger nach den §§ 53 ff SGB V aF nicht nur vorübergehend, sondern unabhängig vom tatsächlichen Grundpflegebedarf der Pflegestufe II zuzuordnen, um den andernfalls nötigen Verwaltungsaufwand vollständig zu vermeiden und nicht nur zeitlich zu strecken, eine entsprechende "Vergünstigung" für Betroffene aus anderen Sicherungssystemen, die - wie der Kläger - erst zu einem späteren Zeitpunkt in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig geworden sind, aber nicht vorzusehen.
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. |
Fundstellen