Entscheidungsstichwort (Thema)
Herstellungsanspruch. Grenzen der Beratungspflicht. Beratungspflicht des Versicherungsträgers
Leitsatz (amtlich)
1. Die Feststellung des BVerfG, daß § 32a Nr 1 S 3 AVG (= § 1255a Nr 1 S 3 RVO) idF des 20. RAG im Einklang mit dem GG steht, bezieht sich auch auf das Inkrafttreten der Änderung am 1.1.1978.
2. Ändert der Gesetzgeber eine Vorschrift, weil er sie für unbefriedigend hält, so muß der Versicherungsträger die Versicherten nicht darüber belehren, daß sie den mit der Änderung verbundenen Nachteilen durch ein Handeln in der Zeit zwischen Verkündung und Inkrafttreten der Gesetzesänderung ausweichen können.
Leitsatz (redaktionell)
Ein Herstellungsanspruch wegen der Verletzung einer Beratungspflicht setzt nach gefestigter Rechtsprechung des BSG voraus, daß der Sozialleistungsträger (hier: Versicherungsträger) nicht auf Gestaltungsmöglichkeiten hinweist, die nach den ihm bekannten Umständen klar zutage liegen und deshalb für ihn erkennbar sind (vgl BSG 1979-10-12 12 RK 47/77 = SozR 2200 § 1418 Nr 6).
Das darf nicht dahin verstanden werden, als müsse der Sozialleistungsträger wie ein Rechtsberater den Versicherten schlechterdings auf alle aus den Vorschriften des Gesetzes zu ziehenden Vorteile aufmerksam machen, sofern die Möglichkeiten nur im konkreten Fall evident sind. Sinn der Beratungspflicht ist es, dem Versicherten in der Erlangung der ihm vom Gesetz zugedachten Rechte beizustehen. Deshalb liegt es auf der Hand, daß der Sozialleistungsträger auf Möglichkeiten eines Rechtsmißbrauchs keineswegs hinweisen muß. Auszuscheiden sind aber ferner solche Gestaltungsmöglichkeiten, die zwar keinen Rechtsmißbrauch bedeuten, die der Gesetzgeber jedoch vom Bürger nicht ohne weiteres erwartet. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn der Gesetzgeber eine bestimmte Regelung für unbefriedigend hält und deswegen ändert, er die Änderung jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen oder solchen der Praktikabilität erst eine gewisse Zeit nach der Verkündigung in Kraft treten läßt. Bei einer solchen Sachlage muß der Sozialleistungsträger die Berechtigten nicht darüber belehren, daß sie durch ein Tätigwerden in der Zwischenzeit noch den mit der Rechtsänderung auf sie zukommenden Nachteilen ausweichen könnten. Hiermit könnte nämlich der mit der Gesetzesänderung angestrebte Erfolg weitgehend beeinträchtigt werden.
Orientierungssatz
Sinn der Beratungspflicht ist es, dem Versicherten in der Erlangung der ihm vom Gesetz zugedachten Rechte beizustehen. Deshalb liegt es auf der Hand, daß der Versicherungsträger auf Möglichkeiten eines Rechtsmißbrauchs keineswegs hinweisen muß. Auszuscheiden sind aber ferner solche Gestaltungsmöglichkeiten, die zwar keinen Rechtsmißbrauch bedeuten, die der Gesetzgeber jedoch vom Bürger nicht ohne weiteres erwartet.
Normenkette
AVG § 25 Abs. 1, 4-5; RVO § 1248 Abs. 1, 4-5; AVG § 32a Nr. 1 S. 3 Fassung: 1977-06-27; RVO § 1255a Nr. 1 S. 3 Fassung: 1977-06-27; AVG § 36 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Fassung: 1972-10-16; GG Art. 20; RVO § 1259 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Fassung: 1972-10-16; SGB 1 § 13 Fassung: 1975-12-11, § 14 Fassung: 1975-12-11; BVerfGG § 31 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 18.01.1982; Aktenzeichen L 11 An 1143/80) |
SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 07.08.1980; Aktenzeichen S 6 An 505/78) |
Tatbestand
Streitig ist die Bewertung von Ausbildungsausfallzeiten.
Der im Januar 1913 geborene Kläger hat seit 1946 freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten entrichtet. Am 4. April 1977 erteilte ihm die Beklagte auf seinen Antrag einen Versicherungsverlauf, in dem die Ersatz- und Ausfallzeiten mit einem Monatsdurchschnitt von 12,27 bewertet wurden. Dabei wies sie darauf hin, daß die Berechnung der Rentenanwartschaft auf Grund der gegenwärtig bekannten Zeiten nach den derzeitigen Bezugsgrößen und Bestimmungen erfolgt sei. Abweichungen von der errechneten Rentenhöhe müßten vorbehalten bleiben.
Der Kläger, der für das Jahr 1977 und für Januar 1978 noch freiwillige Beiträge entrichtete, beantragte am 14. Juni 1977 die Gewährung des nach § 25 Abs 5 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) nach Vollendung des 65. Lebensjahres zustehenden Altersruhegeldes. Mit Bescheid vom 15. Februar 1978 bewilligte die Beklagte dem Kläger dieses Altersruhegeld ab 1. Februar 1978; dabei begrenzte sie die Ausfallzeiten der Ausbildung gemäß § 32a Nr 1 Satz 3 AVG idF des 20. Rentenanpassungsgesetzes (20. RAG) im Wert auf den Monatsdurchschnitt von 8,33. Die nach Durchführung des Vorverfahrens erhobene Klage, mit der der Kläger sich gegen diese Begrenzung wandte, hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die vom Kläger beanstandete Bewertung dieser Ausfallzeiten entspreche dem seit 1. Januar 1978 geltenden Recht und sei, wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden habe, verfassungsmäßig. Auch unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sei der Anspruch des Klägers nicht begründet. Der Rentenantrag beziehe sich unzweideutig auf das Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres und habe der Beklagten keinen Anlaß gegeben, auf andere Gestaltungsmöglichkeiten, auf die der Kläger bereits im Antragsvordruck aufmerksam gemacht worden sei, nochmals hinzuweisen. Zudem sei ein flexibles Altersruhegeld noch von Voraussetzungen abhängig, deren Erfüllung über den versicherungsrechtlichen Bereich hinausgehende persönliche Entscheidungen erfordere, die die Beklagte nicht ohne weiteres habe erkennen können. Ein konkreter Anlaß, auf diese Gestaltungsmöglichkeit hinzuweisen, habe sich für die Beklagte auch nicht aus der Rentenauskunft vom 4. April 1977 ergeben.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger, das LSG habe seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts dadurch verletzt, daß es eine sich ihm aufdrängende Unrichtigkeit der Rentenauskunft vom 4. April 1977 nicht zur Kenntnis genommen und nicht einen Sachbearbeiter der Beklagten dazu vernommen habe, ob ihm die dem Kläger drohende Verschlechterung bekannt gewesen sei. Ferner macht der Kläger geltend, es sei verfassungswidrig, wenn die durch das 20. RAG getroffene Regelung ohne Übergang wenige Monate nach Verkündung in Kraft gesetzt worden sei. Im übrigen ergebe sich ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch daraus, daß die Rentenauskunft vom 4. April 1977 falsch gewesen sei und die Beklagte pflichtwidrig nicht auf die Minderbewertung der Ausbildungszeiten ab 1. Januar 1978 hingewiesen habe. Falsch gewesen sei die Rentenauskunft deswegen, weil in ihr die Beiträge ab 1. Januar 1974 nicht berücksichtigt gewesen seien und zum Ausdruck gebracht worden sei, die Wartezeit für das flexible Altersruhegeld sei nicht erfüllt.
Der Kläger beantragt, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben, den angefochtenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Ausfallzeiten mit 12,27 Werteinheiten zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet; der Kläger kann, wie das LSG zutreffend erkannt hat, nicht verlangen, daß ihm die Ausfallzeiten der Ausbildung mit einem höheren Wert als 8,33 angerechnet werden.
Nach § 32a Nr 1 Satz 3 AVG idF des 20. RAG, der am 1. Januar 1978 in Kraft getreten ist, wird für jeden Kalendermonat an Ausfallzeiten nach § 36 Abs 1 Nr 4 AVG vor dem 1. Januar 1965 höchstens der Wert 8,33 zugrunde gelegt. Da hier die streitigen Ausfallzeiten vor dem 1. Januar 1965 zurückgelegt sind und der Versicherungsfall der Vollendung des 65. Lebensjahres nach dem 31. Dezember 1977 eingetreten ist, sind - was der Kläger zu Recht nicht in Zweifel zieht - nach dem eindeutigen Wortlaut des § 32a Nr 1 Satz 3 AVG die Voraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt.
Daß § 32a Nr 1 Satz 3 AVG im Einklang mit dem Grundgesetz (GG) steht, hat das BVerfG in der Entscheidungsformel seines Beschlusses vom 1. Juli 1981 (BGBl I, 1244; SozR 2200 § 1255a Nr 7) und damit mit Gesetzeskraft (§ 31 Abs 2 Satz 1 BVerfGG) festgestellt. Diese Feststellung erstreckt sich, da es insoweit an jeder Einschränkung fehlt, auf alle Sachverhalte, für die die genannte Vorschrift nach dem Willen des Gesetzgebers gelten soll, und damit zugleich auf den zeitlichen Geltungsbereich. Das bedeutet, daß auch die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob der Gesetzgeber "zureichende Übergangsregelungen" getroffen hat, für den erkennenden Senat bereits beantwortet ist; es ist also, ohne daß für ein Eingehen auf die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers noch Raum wäre, bei der Entscheidung davon auszugehen, daß die Gesetzesänderung wie geschehen in Kraft gesetzt werden durfte. Daß das BVerfG seine Entscheidung ebenfalls auf den zeitlichen Geltungsbereich der Gesetzesänderung bezogen wissen wollte, wird im übrigen durch seine Ausführungen zum "erheblichen öffentlichen Interesse an dem alsbaldigen übergangslosen Inkrafttreten" der angegriffenen Regelung (SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 20) und zu den mit einer Stichtagsregelung notwendigerweise verbundenen Härten (aaO S 22) sowie die abweichende Meinung des Präsidenten Dr. B. und des Richters Dr. K. (aaO S 24 ff) bestätigt.
Das Begehren des Klägers findet aber auch in einem Herstellungsanspruch wegen der Verletzung von Auskunfts- und Beratungspflichten (vgl SozR 1200 S 14 Nr 12 mwN) keine Stütze. Dabei braucht nicht in vollem Umfang geklärt zu werden, inwieweit hier für einen Herstellungsanspruch Raum ist. Es kann zwar angenommen werden, daß der Kläger als unentbehrliche Grundlage jeden Herstellungsanspruches von der Beklagten eine zulässige Amtshandlung verlangt. Er will nämlich für die Zeit des ihm gewährten Altersruhegeldes, dh ab 1. Februar 1978 so gestellt werden, als ob er noch im Dezember 1977 ein flexibles Altersruhegeld beantragt und in diesem Monat alle Voraussetzungen dafür (einschließlich der in § 25 Abs 4 AVG) erfüllt hätte. In diesem Falle hätten die Ausbildungsausfallzeiten noch mit 12,77 bewertet werden müssen. Allerdings würde sich dann die Frage stellen, ob die Beklagte nicht im Gegenzug einen Ausgleich für die dem Kläger verbliebenen, bei einem solchen flexiblen Altersruhegeld nicht erreichten Vorteile (volles Arbeitsentgelt für Dezember 1977, Anrechnung von Beitragszeiten für Dezember 1977 und Januar 1978) - gemindert um die Rentenzahlung für Januar 1978 - verlangen könnte. All das kann indessen offenbleiben, weil es hier nämlich bereits an einem pflichtwidrigen Verhalten der Beklagten fehlt. Die Beklagte hat weder dem Kläger eine "falsche", dh unrichtige Auskunft erteilt noch war sie verpflichtet, den Kläger auf die bevorstehende Gesetzesänderung und die Möglichkeit zur Vermeidung von Nachteilen ein Altersruhegeld nach § 25 Abs 1 AVG zu beantragen, hinzuweisen.
Der Kläger meint, eine Unrichtigkeit der Rentenauskunft vom 4. April 1977 darin erblicken zu können, daß in ihr die für die Jahre 1974 bis 1976 entrichteten Beiträge nicht berücksichtigt und die Voraussetzungen eines Altersruhegeldes nach § 25 Abs 1 AVG als nicht erfüllt bezeichnet werden. Dabei läßt er den Zusammenhang außer acht, in dem die von ihm beanstandeten Aussagen stehen. Bereits im zweiten Absatz der Rentenauskunft wurde der Kläger aufgefordert, zu prüfen, ob der Versicherungsverlauf vollständig und richtig sei, und etwaige Unstimmigkeiten unverzüglich der Beklagten mitzuteilen. Der Kläger, dem ausweislich seines Antrages auf Kontenklärung bekannt war, daß für ihn "bis heute" Beiträge entrichtet wurden, konnte aber unschwer erkennen, daß die ab 1974 entrichteten Beiträge offensichtlich nicht berücksichtigt waren, weil die am 20. Dezember 1976 von der Betriebskrankenkasse aufgerechnete Versicherungskarte Nr 10 mit den Beitragsmarken für die Jahre 1974 bis 1977 der Beklagten noch nicht vorlag. Daß die Auskunft unter dem Vorbehalt des Bekanntwerdens weiterer Versicherungsunterlagen stand, wurde zudem durch ihren letzten Absatz eindeutig klargestellt; die Auskunft bezog sich sonach nicht auf die insgesamt entrichteten, sondern die der Beklagten damals bekannten Beiträge; ihr Sinn besteht gerade darin, daß der Versicherte erfährt, was der Versicherungsträger vom Versicherungsverlauf weiß. Was im weiteren die Wartezeit von 35 Jahren angeht, so heißt es dazu in der Auskunft, daß sie "mit den gegenwärtig bekannten und anzurechnenden Beitrags-, Ersatz- und Ausfallzeiten nicht erfüllt" sei. Da die ab 1974 entrichteten Beträge der Beklagten noch nicht bekannt waren, war die Auskunft auch in diesem Punkt weder objektiv unrichtig noch geeignet, eine unrichtige Vorstellung zu erwecken. Abgesehen davon ist ferner irgendeine Ursächlichkeit zwischen dem Inhalt der Auskunft und einem Schaden nicht ersichtlich. Es fehlt an jedem Anhalt dafür, daß die Auskunft einen Einfluß darauf hatte, daß sich der Kläger nicht für eine Inanspruchnahme des Altersruhegeldes nach § 25 Abs 1 AVG entschieden hat; der Kläger selbst behauptet nicht, daß er jemals an dieser Leistung interessiert gewesen sei. Erst recht würde es an einer Ursächlichkeit iS einer wesentlichen Bedingung fehlen; wenn der Kläger Zweifel gehabt hätte, ob mit den offensichtlich noch nicht berücksichtigten weiteren Beiträgen die Wartezeit für das flexible Altersruhegeld erfüllt würde, so wäre ihm eine Rückfrage bei der Beklagten zuzumuten gewesen. Gegenüber der von der Beklagten erteilten Auskunft hätte er selbst also die wesentliche Bedingung für einen mangels ausreichende Versicherungszeiten unterbliebenen Antrag auf flexibles Altersruhegeld gesetzt.
Die Beklagte mußte den Kläger aber auch nicht während des zweiten Halbjahres 1977 darüber belehren, daß es für ihn vorteilhaft sein könne, wegen der ab 1. Januar 1978 in Kraft tretenden Wertbegrenzung der Ausbildungsausfallzeiten vorher noch das flexible Altersruhegeld zu beantragen und die dafür nach § 25 Abs 4 AVG erforderlichen Voraussetzungen spätestens für den Dezember 1977 herbeizuführen. Ein Herstellungsanspruch wegen der Verletzung einer Beratungspflicht (vgl jetzt § 14 SGB I) setzt nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) voraus, daß der Versicherungsträger nicht auf Gestaltungsmöglichkeiten hinweist, die nach den ihm bekannten Umständen klar zu Tage liegen und deshalb für ihn erkennbar sind (SozR 2200 § 1418 Nr 6 mwN). Das darf nicht dahin verstanden werden, als müsse der Versicherungsträger wie ein Rechtsberater den Versicherten schlechterdings auf alle aus den Vorschriften des Gesetzes zu ziehenden Vorteile aufmerksam machen, sofern diese Möglichkeiten nur im konkreten Fall evident sind. Sinn der Beratungspflicht ist es, dem Versicherten in der Erlangung der ihm vom Gesetz zugedachten Rechte beizustehen. Deshalb liegt es auf der Hand, daß der Versicherungsträger auf Möglichkeiten eines Rechtsmißbrauchs keineswegs hinweisen muß. Auszuscheiden sind aber ferner solche Gestaltungsmöglichkeiten, die zwar keinen Rechtsmißbrauch bedeuten, die der Gesetzgeber jedoch vom Bürger nicht ohne weiteres erwartet. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn der Gesetzgeber eine bestimmte Regelung für unbefriedigend hält und deswegen ändert, er die Änderung jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen oder solchen der Praktikabilität erst eine gewisse Zeit nach der Verkündung in Kraft treten läßt. Bei einer solchen Sachlage muß der Versicherungsträger die Versicherten nicht darüber belehren, daß sie durch ein Tätigwerden in der Zwischenzeit noch den mit der Rechtsänderung auf sie zukommenden Nachteilen ausweichen könnten. Hiermit könnte nämlich der mit der Gesetzesänderung angestrebte Erfolg weitgehend beeinträchtigt werden. Das gilt gerade für den vorliegenden Fall. Wie das BVerfG (SozR 2200 § 1255a Nr 7) hervorgehoben hat, bestand schon aus finanziellen Gründen ein erhebliches öffentliches Interesse an dem alsbaldigen Inkrafttreten der die Ausbildungsausfallzeiten betreffenden Neuregelung.
Daß die Annahme einer Beratungspflicht in Fällen wie dem hier gegebenen nicht dem Willen des Gesetzes entsprechen kann, wird zudem an den Konsequenzen deutlich, zu denen eine solche Annahme führen müßte. Denn eine Hinweispflicht des Versicherungsträgers könnte nicht auf die Fälle beschränkt werden, in denen ein Bediensteter bei der Vorlage einer Akte erkannte oder erkennen mußte, daß dieser Versicherte durch den Übergang von einem Antrag auf Altersruhegeld nach § 25 Abs 5 AVG auf einen solchen auf Altersruhegeld nach § 25 Abs 1 AVG sich auf Dauer möglicherweise oder sogar wahrscheinlich besser stellen würde. Da dies auch für viele andere Versicherten gelten mußte, die im zweiten Halbjahr 1977 das für das flexible Altersruhegeld erforderliche Alter hatten und erst nach 1977 das 65. Lebensjahr vollendeten, hätte auch den anderen Versicherten in dieser Altersphase empfohlen werden müssen, die Frage eines Antrages auf ein Altersruhegeld nach § 25 Abs 1 AVG zu prüfen, was wohl nur über die Massenmedien möglich gewesen wäre. Das zeigt aber, daß nicht eine konkrete Hinweispflicht, sondern allenfalls die dem Versicherungsträger nach § 13 SGB I obliegende allgemeine Aufklärungspflicht über die sozialrechtlichen Rechte und Pflichten betroffen sein kann. Ob deren Verletzung ebenfalls einen Herstellungsanspruch rechtfertigen könnte, läßt der Senat offen; auch sie kann nämlich nicht soweit reichen, daß die Bevölkerung generell darüber aufgeklärt wird, wie sie bevorstehenden Rechtsänderungen ausweichen kann. Hier muß es genügen, daß der Staat seine Bürger durch die Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt mit dem daraus ersichtlichen Termin des Inkrafttretens unterrichtet; gerade dieses Verkündungserfordernis würde entwertet, wollte man zusätzlich eine weitere generelle Information durch die Versicherungsträger für die in der Zwischenzeit sich noch bietenden Möglichkeiten für geboten halten. Aus dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 GG) folgt nichts anderes; auch aus ihm läßt sich eine Aufklärungspflicht dieser Art nicht herleiten.
Da mithin eine Beratungspflicht im Sinne der Ansicht des Klägers selbst dann nicht bestanden hat, wenn bei der Bearbeitung der Akte im zweiten Halbjahr 1977 klar erkannt wurde, daß ein Antrag auf flexibles Altersruhegeld für den Kläger - unter den noch herbeizuführenden Voraussetzungen des § 25 Abs 4 AVG - wahrscheinlich vorteilhaft war, kommt es auf die vom Kläger im Berufungsverfahren beantragte Vernehmung des Sachbearbeiters nicht an; die Rüge, das LSG habe diese Vernehmung zu Unrecht unterlassen, kann sonach keinen Erfolg haben.
Nach alledem war die Revision mit der sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
Fundstellen