Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des BSG vom 8.10.2019 - B 12 KR 2/19 R, das vollständig dokumentiert ist.
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 25. April 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob eine Kapitalleistung in Höhe von 267 350,30 Euro als Versorgungsbezug der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unterlag.
Der Kläger war als Seelotse Mitglied der Lotsenbrüderschaft Nord-Ostsee-Kanal II. Als Rentner ist er bei der beklagten Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Krankenkasse pflichtversichertes Mitglied in der GKV. Ab Rentenbeginn erhält er einen laufenden Versorgungsbezug der beigeladenen Bundeslotsenkammer - Gemeinsame Übergangskassen der Reviere/Gemeinsame Ausgleichskasse (GÜK/GAK).
Zum 1.5.2005 erhielt der Kläger von einem Versicherungsunternehmen eine Kapitalleistung in Höhe von 267 350,30 Euro (Nr 8). Grundlage dieser Leistung ist ein zwischen der beigeladenen Bundeslotsenkammer und dem Versicherungsunternehmen abgeschlossener Gruppenversicherungsvertrag vom 7./20.7.1972 (GVV). Danach sind Mitglieder einer vom GVV erfassten Lotsenbrüderschaft Versicherungsnehmer einer Berufsunfähigkeits-, Alters-, Witwen- und Waisenrentenversicherung (§§ 1, 2 und 6 GVV). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten forderte vom Kläger mit streitgegenständlichem Bescheid vom 14.7.2005 Beiträge zur GKV für die Zeit ab 1.5.2005, wobei sie der Berechnung 1/120 der Kapitalleistung bis zum Differenzbetrag aus monatlicher Beitragsbemessungsgrenze und Altersrente zugrunde legte.
Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 17.4.2013; Gerichtsbescheid des SG Schleswig vom 11.10.2017). Das Schleswig-Holsteinische LSG hat die Berufung unter Bezugnahme auf ein früheres Urteil des BSG vom 10.6.1988 (12 RK 35/86 - SozR 2200 § 180 Nr 43) zurückgewiesen. Bei der Kapitalleistung handele es sich um eine beitragspflichtige Rente einer für Angehörige bestimmter Berufe errichteten Versicherungseinrichtung iS des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V. Sie weise einen unmittelbaren Bezug zur früheren Erwerbstätigkeit des Klägers als bestallter Lotse sowie Mitglied einer Lotsenbrüderschaft auf und hätte Einkommensersatzfunktion. Das Versicherungsverhältnis habe nicht lediglich auf berufsfremder Eigenvorsorge beruht. Die Rechtsprechung des BVerfG zur Beitragspflicht von Direktversicherungen ändere an dieser Beurteilung nichts. Eine Lösung des beruflichen Bezugs durch ein Ausscheiden aus der Lotsenbrüderschaft während der Laufzeit des Einzelvertrags liege nicht vor (Urteil vom 25.4.2018).
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V iVm Art 3 Abs 1 GG sowie von Art 3 Abs 1 GG. Die im Senatsurteil vom 10.6.1988 (aaO) geforderte "ausreichende Versorgung" der Lotsen entsprechend derjenigen eines Kapitäns auf Großer Fahrt sei bereits durch die gesetzliche Altersrente und die Leistungen der GÜK/GAK erreicht. Die streitige Kapitalleistung gehe über dieses Sicherungsniveau hinaus und sei vom Auftrag des § 28 Abs 1 Nr 6 Seelotsgesetz (SeeLG, in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.9.1984 ≪BGBl I 1213≫; zuvor § 32 Abs 1 Nr 6 SeeLG in der Fassung vom 13.10.1954 ≪BGBl II 1035≫), Maßnahmen für eine ausreichende Versorgung der Seelotsen zu treffen, nicht gedeckt. Die vom BVerfG zur Beitragspflicht von Leistungen aus einer Direktversicherung iS von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V entwickelten Grundsätze ließen sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Er sei von Anfang an Versicherungsnehmer gewesen und habe damit von vornherein eines der vom BVerfG für die Beitragsfreiheit geforderten Kriterien erfüllt. Der allgemeine Gleichheitssatz sei verletzt, wenn im Vergleich zu anderen Altersvorsorgeprodukten Beiträge sowohl in der Anspar- als auch in der Auszahlungsphase und damit doppelt erhoben würden. Der Kläger hat ergänzend auf die gegen das eine vergleichbare Beitragsfestsetzung betreffende Urteil des Senats vom 8.10.2019 (B 12 KR 2/19 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 28) eingelegte Verfassungsbeschwerde Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 25. April 2018 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 11. Oktober 2017 sowie den Bescheid vom 14. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 17. April 2013 insoweit aufzuheben, als für die Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Juli 2005 Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung auf die Kapitalleistung der G AG (Nr 8) festgesetzt worden sind.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Die beigeladene Bundeslotsenkammer hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen, soweit durch Bescheid vom 14.7.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2013 Beiträge zur GKV für die Zeit vom 1.5. bis zum 31.7.2005 festgesetzt worden sind. Nur noch hierüber hatte der Senat zu entscheiden, nachdem die Beteiligten den Verfahrensgegenstand in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf beschränkt haben. Kläger und Beklagte haben sich durch Vergleich hinsichtlich der Beitragsfestsetzung zur GKV für die Zeit ab 1.8.2005 und zur sozialen Pflegeversicherung insgesamt dem rechtskräftigen Ausgang dieses Verfahrens unterworfen und insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
1. Die dem Kläger ausgezahlte Kapitalleistung unterliegt als Versorgungsbezug iS von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V der Beitragspflicht in der GKV. Nach § 237 Satz 1 SGB V wird der Bemessung der Beiträge bei in der GKV pflichtversicherten Rentnern - wie dem Kläger - neben dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung bis zur Beitragsbemessungsgrenze (vgl § 238 SGB V) auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zugrunde gelegt. Hierunter fallen nach § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V "Renten der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen, die für Angehörige bestimmter Berufe errichtet sind", soweit sie "wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden". Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.
a) Die Kapitalleistung wurde wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt (vgl hierzu BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 12/18 R - BSGE 127, 249 = SozR 4-2500 § 229 Nr 26, RdNr 14 ff). Der Kläger war mit seiner Bestallung zum Seelotsen über den GVV im Wege einer unechten Gruppenversicherung abgesichert. Nach § 2 GVV werden Anwartschaften auf Berufsunfähigkeits-, Alters-, Witwen- und Waisenrenten versichert.
b) Die von dem Versicherungsunternehmen gezahlte Kapitalleistung stammt auch von einer "Versicherungs- und Versorgungseinrichtung". Der Senat hat bereits zu der § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V inhaltlich entsprechenden Vorläuferregelung des § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 3 RVO festgestellt, dass auch privatrechtliche Versicherungseinrichtungen erfasst sind, und zwar auch dann, wenn die Mitgliedschaft bei der Einrichtung nicht auf einer gesetzlich begründeten Pflicht beruht, sondern freiwillig ist (zum Ganzen BSG Urteil vom 30.1.1997 - 12 RK 17/96 - SozR 3-2500 § 229 Nr 15 S 74 ff, unter Hinweis auf BSG Urteil vom 30.3.1995 - 12 RK 40/94 - SozR 3-2500 § 229 Nr 6 S 22 f und BSG Urteil vom 10.6.1988 - 12 RK 25/86 - SozR 2200 § 180 Nr 42 S 174 f) und diese Entscheidung unter Geltung des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V bestätigt (BSG Urteil vom 8.10.2019 - B 12 KR 2/19 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 28). Daran hält er nach erneuter Überprüfung fest.
c) Schließlich liegt eine für bestimmte Berufe errichtete Versicherungs- und Versorgungseinrichtung vor. Die Kapitalleistung weist den notwendigen Berufsbezug auf.
aa) Die der Kapitalleistung zugrunde liegende Versicherung ist allein der Berufsgruppe der Seelotsen bestimmter Lotsenbrüderschaften vorbehalten. Seelotse ist, wer nach behördlicher Zulassung berufsmäßig auf Seeschifffahrtstraßen außerhalb der Häfen oder über See Schiffe als orts- und schifffahrtskundiger Berater geleitet (§ 1 Satz 1 SeeLG). Wer den Beruf eines Seelotsen in einem Seelotsrevier ausüben will, bedarf einer Bestallung (§ 7 SeeLG; zuvor § 9 SeeLG). Die für ein Seelotsrevier bestallten Seelotsen bilden eine Lotsenbrüderschaft in der Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 27 Abs 1 SeeLG; zuvor § 31 Abs 1 SeeLG). Die ausschließlich für die Berufsgruppe der Seelotsen aufgrund des GVV vorgesehenen Versicherungsleistungen hat der Senat bereits als beitragspflichtige Versorgungsbezüge iS des § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 3 RVO qualifiziert (BSG Urteil vom 10.6.1988 - 12 RK 35/86 - SozR 2200 § 180 Nr 43) und daran auch unter Geltung des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V festgehalten (BSG Urteil vom 8.10.2019 - B 12 KR 2/19 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 28 RdNr 15 mwN).
bb) Die Exklusivität und Berufsbezogenheit des der Kapitalleistung zugrunde liegenden Versicherungsverhältnisses wird auch durch die Ausgestaltung des GVV deutlich. Das Versicherungsverhältnis kommt im Rahmen einer unechten Gruppenversicherung (zum Ganzen: Schneider in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 30. Aufl 2018, Vor § 150 VVG RdNr 31; Millauer, Rechtsgrundsätze der Gruppenversicherung, 2. Aufl 1966, S 99) mit den jeweiligen Seelotsen als Versicherungsnehmer verpflichtend, automatisch und ausnahmslos mit der Aufnahme der Tätigkeit durch Bestallung als Seelotse in einer vom GVV erfassten Lotsenbrüderschaft zustande (§§ 1, 6 Satz 1 GVV). Eine Kündigung durch den Versicherungsnehmer ist nicht vorgesehen. Lediglich beim Ausscheiden aus einer Lotsenbrüderschaft tritt die Versicherung außer Kraft, soweit sie nicht auf Wunsch des Versicherungsnehmers fortgesetzt wird (§ 7 Satz 2 und 4 GVV). Nur bei einer Kündigung des GVV durch die beigeladene Bundeslotsenkammer oder das Versicherungsunternehmen besteht die Möglichkeit der Auflösung und Rückabwicklung (§ 10 GVV). Zudem besteht eine weitreichende Verpflichtung des Versicherungsunternehmens, auf eine Gesundheitsprüfung zu verzichten (§ 5 GVV). Darüber hinaus belegen auch die Regelungen über den Prämieneinzug die Berufsbezogenheit der Versicherung: Nach den nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) zog die Lotsenbrüderschaft die Versicherungsprämien - wie bei einem Quellenabzugsverfahren - von den Lotsgeldern ab. Die Bundeslotsenkammer überwies die fälligen Prämien in einem Betrag kostenfrei an das Versicherungsunternehmen.
Schließlich trägt der GVV einer speziell Seelotsen betreffenden gesetzlichen Verpflichtung Rechnung. Nach § 28 Abs 1 Nr 6 SeeLG (zuvor § 32 Abs 1 Nr 6 SeeLG) obliegt es der Lotsenbrüderschaft insbesondere, Maßnahmen zu treffen, die eine ausreichende Versorgung der Seelotsen und ihrer Hinterbliebenen für den Fall des Alters, der Berufsunfähigkeit und des Todes gewährleisten, und die Durchführung dieser Maßnahmen zu überwachen (zur Umsetzung vgl Heinrich/Steinicke, Seelotswesen, 3. Aufl 2011, § 28 S 56 f). Dabei ist es irrelevant, ob die Versicherungsleistungen aufgrund des GVV zur Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung der Seelotsen notwendig sind oder - wie der Kläger meint - eine überobligatorische Versorgung darstellen. Entscheidend für den Charakter einer Kapitalleistung als Versorgungsbezug nach § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V ist lediglich, dass sie von einer für eine bestimmte Berufsgruppe errichteten Versicherungseinrichtung bezogen wird. Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch dem Senatsurteil vom 10.6.1988 (12 RK 35/86 - SozR 2200 § 180 Nr 43) nicht die Forderung zu entnehmen, das gebotene Sicherungsniveau müsse zwingend (nur) demjenigen eines Kapitäns auf Großer Fahrt entsprechen. In dieser Entscheidung wird lediglich wegen des für die Bestallung als Seelotse notwendigen Befähigungszeugnisses als Kapitän auf Großer Fahrt der Schluss gezogen, die "Versorgung der Seelotsen der Reviere soll sich deshalb an derjenigen eines Kapitäns auf Großer Fahrt ausrichten" und für den Beitrag zur Angestelltenversicherung sei "der nach § 842 RVO für einen Kapitän auf Großer Fahrt festgesetzte Durchschnitt des Barentgelts und des Durchschnittssatzes für Beköstigung maßgebend" (BSG aaO S 177).
cc) Mit der vorliegenden Entscheidung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu seinem Urteil vom 10.10.2017 (B 12 KR 2/16 R - BSGE 124, 195 = SozR 4-2500 § 229 Nr 22 ≪Versorgungswerk der Presse≫). Der Kreis der Mitglieder des Versorgungswerks der Presse war - anders als hier und von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V gefordert - nach seiner Satzung nicht auf die Angehörigen eines Berufs oder mehrerer Berufe beschränkt. Vielmehr konnte das Versorgungswerk der Presse für alle Personen, deren Aufnahme der Verwaltungsrat zustimmt, also auch Berufsfremde, Versicherungen nach seiner Satzung beschaffen (BSG aaO RdNr 21). Dem ist nicht gleichzusetzen, dass aus den Lotsenbrüderschaften austretende Personen nach § 7 Satz 4 GVV innerhalb von drei Monaten nach ihrem Austritt unter Einreichung des Versicherungsscheins von dem Versicherungsunternehmen die Fortsetzung der durch ihren Austritt erloschenen Versicherung ohne Gesundheitsprüfung nach dem entsprechenden Fortsetzungstarif des Versicherungsunternehmens verlangen können. Die Fortsetzungsmöglichkeit ändert nichts daran, dass die Versicherung überhaupt nur bei Mitgliedern einer Lotsenbrüderschaft zustande kommt.
2. Die Beitragspflicht der hier aufgrund des GVV ausgezahlten Kapitalleistung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
a) Eine gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG verstoßende Doppelverbeitragung liegt nicht vor. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Beitragspflicht auf einen Versorgungsbezug nach §§ 237, 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V nicht den allgemeinen Gleichheitssatz verletzt, soweit ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen bei der Verbeitragung von Aufwendungen für die betriebliche Altersversorgung in der Ansparphase geltend gemacht werden. Der Gesetzgeber hat ein "Verbot der Doppelverbeitragung" nicht zu beachten. Ein Grundsatz, demzufolge mit aus bereits der Beitragspflicht unterliegenden Einnahmen vom Versicherten selbst finanzierte Versorgungsbezüge der Beitragspflicht überhaupt nicht oder jedenfalls nicht mit dem vollen Beitragssatz unterworfen werden dürfen, existiert im Beitragsrecht der GKV nicht (vgl BSG Urteil vom 12.11.2008 - B 12 KR 10/08 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 6 RdNr 40 mwN) und ist verfassungsrechtlich auch nicht geboten (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 6.9.2010 - 1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 10 RdNr 10 f).
b) Die Herausnahme von Leistungen der so genannten "Riesterrente" aus der Beitragspflicht als Versorgungsbezug nach § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 2 SGB V in der zum 1.1.2018 eingeführten Fassung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes vom 17.8.2017 (BGBl I 3214) führt zu keiner anderen Beurteilung. Diese Privilegierung ist wegen des vom Gesetzgeber verfolgten Ziels, Altersarmut zu bekämpfen, sachlich gerechtfertigt und hält sich in den Grenzen einer verfassungsrechtlich zulässigen Typisierung (vgl BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 13/18 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 25 RdNr 18 ff; zuletzt BSG Urteil vom 8.7.2020 - B 12 KR 1/19 R - juris RdNr 29).
c) Aus der Rechtsprechung des BVerfG folgt kein anderes Ergebnis. Die Heranziehung von Versorgungsbezügen bei der Beitragsbemessung in der GKV begegnet im Grundsatz keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 2/16 R - BSGE 124, 195 = SozR 4-2500 § 229 Nr 22, RdNr 14 ≪Versorgungswerk der Presse≫ mit Hinweisen auf die Rspr des BVerfG und des BSG, zuletzt BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 17.6.2020 - 1 BvR 1134/15 - juris). Das BVerfG hat nur in Sonderfällen bestimmte Leistungsanteile von der Beitragspflicht als Versorgungsbezug ausgenommen. Voraussetzung dafür ist einerseits die Auflösung des beruflichen Bezugs und andererseits der Wechsel in der Versicherungsnehmereigenschaft. Nach dem Kammerbeschluss des BVerfG vom 28.9.2010 zu Direktversicherungen iS von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V dürfen Kapitalleistungen insoweit nicht als Versorgungsbezüge der Beitragspflicht unterworfen werden, als sie auf Prämien beruhen, die ein Arbeitnehmer nach dem Ende seines Arbeitsverhältnisses auf einen Kapitallebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat (1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11 RdNr 15 ff). Rentenleistungen einer Pensionskasse sind nach einem Kammerbeschluss des BVerfG vom 27.6.2018 (1 BvR 100/15 ua - NJW 2018, 3169) dann von der Beitragspflicht ausgenommen, wenn sie auf einem nach Ende des Arbeitsverhältnisses geänderten oder ab diesem Zeitpunkt neu abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag zwischen der Pensionskasse und dem Versicherten beruhen, an dem der frühere Arbeitgeber nicht mehr beteiligt ist und in den nur der Versicherte Beiträge eingezahlt hat. Bei freiberuflich selbstständig Tätigen, die in einer gemeinsamem Versicherungseinrichtung versichert sind, fordert das BVerfG zumindest eine Lösung des beruflichen Bezugs (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 17.6.2020 - 1 BvR 1134/15 - juris RdNr 15).
Eine Übertragung dieser verfassungsrechtlichen Überlegungen auf die hier streitige Kapitalleistung lässt deren Beitragspflicht nicht entfallen. Zwar war der Kläger von Anfang an Versicherungsnehmer der der Kapitalleistung zugrunde liegenden Versicherung. Die Versicherungsnehmereigenschaft ist aber nach der Rechtsprechung des BVerfG nur eine Voraussetzung für den Ausschluss der Beitragspflicht. Die weitere Voraussetzung, die Lösung des beruflichen Bezugs des Versicherungsverhältnisses, ist beim Kläger nicht gegeben. Er war in der gesamten Ansparphase als Lotse tätig und gehörte durchgängig der vom GVV allein erfassten Berufsgruppe an. Zu keinem Zeitpunkt hat seine Versicherung einen mit einem frei zugänglichen Altersvorsorgeprodukt vergleichbaren Charakter erworben. Vielmehr war sie durchgehend einem bestimmten Personenkreis exklusiv vorbehalten.
3. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Höhe der berechneten Beiträge unzutreffend festgesetzt hätte, sind nicht ersichtlich. Aufgrund der einmaligen Auszahlung der Kapitalleistung gilt nach § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V 1/120 als monatlicher Zahlbetrag, längstens für 120 Monate. Die konkrete Beitragsberechnung wird vom Kläger auch nicht beanstandet, die Beitragsbemessungsgrenze hat die Beklagte beachtet.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Satz 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 14048130 |
SGb 2020, 610 |