Verfahrensgang
LSG Bremen (Urteil vom 21.06.1963) |
SG Bremen (Urteil vom 07.01.1963) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 21. Juni 1963 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 7. Januar 1963 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger ist Dachdeckermeister. Um den 20. Mai 1962 herum holte er sich beim Arbeitsamt persönlich die für die Erstattung von Schlechtwettergeld (SWG) vorgeschriebenen Antragsformulare. Er gab diese am 18. Juni 1962 ausgefüllt beim Arbeitsamt ab und beantragte die Erstattung von SWG, welches er für vier Zeiträume zwischen dem 3. November 1961 und dem 19. März 1962 in Höhe von 1776,27 DM an die vier Beigeladenen, seine Arbeitnehmer, gezahlt hatte. Die Beklagte lehnte den Antrag am 18. Juni 1962 und mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 1964 ab, weil er nicht innerhalb der Ausschlußfrist des § 143 l Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) gestellt worden sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei bei der Versäumung materieller Ausschlußfristen, gleichgültig aus welchem Grund sie versäumt wurden, nicht möglich. Aber auch das Vorbringen des Klägers, er habe den Antrag wegen Arbeitsüberlastung in Zusammenhang mit der Flutkatastrophe nicht früher stellen können, und ihm sei, als er sich um den 20. Mai 1962 herum die Antragsformulare abholte, von einem Bediensteten der Beklagten gesagt worden, er könne den Antrag auch noch bis zum 18. Juni 1962 bzw. bis zum Ende dieses Monats stellen, vermöge ihm nicht zu helfen. Es sei unwahrscheinlich, daß dem Kläger eine derartige Auskunft erteilt worden wäre. Außerdem habe er zumindest im Dezember 1960 ein Merkblatt erhalten, das u. a. Auskunft über die Ausschlußfrist gebe.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 7. Januar 1963 ab. Der Kläger müsse sich hier entgegenhalten lassen, daß er durch das Merkblatt der Beklagten in allen SWG-Fragen genau unterrichtet worden sei. Eine fehlerhafte Auskunft könne unter den Voraussetzungen des § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) i.V.m. Art. 34 des Grundgesetzes (GG) höchstens einen Anspruch auf Schadensersatz begründen. Für den Hilfsantrag, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber einzuholen, ob § 143 l Abs. 2 Satz 2 AVAVG mit dem GG vereinbar sei, sah das SG keine Veranlassung. Nach seiner Ansicht wird kein Grundrecht von der fraglichen Bestimmung verletzt.
Die Berufung wurde vom SG weder im Tenor noch in den Urteilsgründen der Entscheidung zugelassen. Lediglich in der Rechtsmittelbelehrung bejahte es die Zulässigkeit der Berufung.
Die Berufung des Klägers war erfolgreich. Mit Urteil vom 21. Juni 1963 hob das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG sowie die Bescheide der Beklagten vom 18. Juni und 24. Juli 1962 auf. Es war wie das SG der Auffassung, daß, der Kläger die Frist zur Antragstellung nach § 143 l Abs. 2 Satz 2 AVAVG versäumt habe, weil in dem Abholen der Formulare um den 20. Mai herum auf Grund der eigenen Einlassung des Klägers keine beabsichtigte Antragstellung bereits zu diesem, noch innerhalb der Zweimonatsfrist liegenden Zeitpunkt erblickt werden könne. Bei der Frist des § 143 l Abs. 2 Satz 2 AVAVG handele es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlußfrist. Sie diene vornehmlich dazu, der Beklagten zu ermöglichen, alsbald nach Ablauf der Schlechtwetterperiode einen Überblick über den für SWG erwachsenen Aufwand zu gewinnen, ferner aber auch dazu, sie vor Ansprüchen zu schützen, die zu Zeiten erhoben werden, in denen der Sachverhalt nur noch unter erheblichen verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten aufzuklären sei. Aus letzterem Grunde sei es möglich, die Erwägungen, die der Große Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Beschluß vom 9. Juni 1961 zu § 58 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) aF angestellt habe, auch auf die vorliegende sozialrechtliche Ausschlußfrist anzuwenden. Weder nach dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck des § 143 l Abs. 1 Satz 1 AVAVG bestehe zwischen der dort festgelegten Ausschlußfrist und der Ausschlußfrist des § 58 Abs. 1 BVG aF ein entscheidender Unterschied. Da der Anspruch des Klägers dem Grunde und der Höhe nach unbestritten sei, dürfe daher unter Berücksichtigung der erwähnten Überlegungen des Großen Senats die objektiv vorliegende Versäumung der Antragsfrist durch den Kläger nicht zur Versagung seines Anspruches auf Erstattung des SWG führen.
Abgesehen hiervon sei zumindest die Berufung der Beklagten auf die Versäumung der Antragsfrist rechtsmißbräuchlich. Das LSG war auf Grund der Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, des von ihm gewonnenen persönlichen Eindruckes sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme der Überzeugung, daß der Kläger bei dem von ihm behaupteten Gespräch um den 20. Mai 1962 herum von einem Mitarbeiter der SWG Abteilung der Beklagten eine Auskunft erhalten habe, die er dahin auffassen konnte, daß die Antragsfrist bis Ende Juni 1962 laufe. Dabei habe nicht der Kläger das anläßlich dieser Auskunftserteilung aufgetretene Mißverständnis verursacht und deshalb zu vertreten, vielmehr habe die Beklagte die ihr gegenüber dem Kläger obliegende Sorgfaltspflicht verletzt. Mit Rücksicht auf den baldigen Fristablauf sei deren vom Kläger angesprochener Mitarbeiter verpflichtet gewesen, dessen Antrag sofort schriftlich aufzunehmen; zumindest habe er den Kläger so unmißverständlich über den drohenden Fristablauf und die Folgen einer Antragsversäumung unterrichten müssen, daß dieser zweifelsfrei Bescheid gewußt habe.
Die Revision wurde zugelassen.
Entscheidungsgründe
II
Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Revision ein. Sie rügt die Verletzung von § 143 l AVAVG i.d.F. des Dritten Änd. Ges. zum. AVAVG vom 28. Oktober 1960 sowie der §§ 128 und 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Schon die Berufung des Klägers sei – mangels ausdrücklicher Zulassung durch das SG – gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 2 (evtl. auch Nr.) SGG unzulässig gewesen. Bei dem geltend gemachten Anspruch auf SWG handele es sich um einen auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen, gegebenenfalls sogar nur auf mehrere „einmalige” Leistungen. Nach § 143 l Abs. 3 i.V.m. § 188 Abs. 3 Satz 3 AVAVG sei das SWG nachträglich für den Zeitraum auszuzahlen, für den es gewährt werde. Unter diesem verstehe der Gesetzgeber die einzelnen Ausfalltage, für die Arbeitsausfall wegen Schlechtwetters angezeigt und von der Beklagten anerkannt worden sei, nicht aber etwa die einzelnen oder zusammengefaßten Lohnabrechnungszeiträume des Betriebes oder gar die gesamte Zeitspanne, in der sämtliche Ausfalltage der Schlechtwetterzeit angefallen seien. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergebe sich auch aus dem Umstand, daß mit der Klage und Berufung auf SWG jeweils nur ein Erstattungsanspruch für die tatsächlich angegebenen Ausfalltage geltend gemacht werde und geltend gemacht werden könne, nicht aber für die gesamte Schlechtwetterzeit. Ferner bestehe ein Anspruch auf SWG überhaupt nur jeweils für den einzelnen Ausfalltag, für den sämtliche Anspruchsvoraussetzungen täglich neu vorliegen und geprüft werden müßten.
Der Kläger habe in beiden Tatsacheninstanzen SWG für insgesamt nur 43 Ausfalltage begehrt, die innerhalb von vier Lohnabrechnungszeiträumen (11, 13, 13 und 6 Ausfalltage) jeweils für die vier Beigeladenen angefallen seien. Es könne dahingestellt bleiben, ob man bei Prüfung der Zulässigkeit der Berufung die Ausfalltage der einzelnen Lohnabrechnungszeiträume zusammenzählen dürfe oder jeweils für sich gesondert berücksichtigen müsse, weil sich im konkreten Fall auch bei Zusammenrechnung sämtlicher Ausfalltage nur eine Zeitspanne von lediglich 43 Tagen, also weniger als 13 Wochen, ergebe.
Es ließe sich auch die Auffassung vertreten, daß es sich bei dem Anspruch auf SWG nur um einen solchen auf mehrere einmalige Leistungen im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG handele.
Materiell-rechtlich vertritt die Beklagte die Meinung, daß die vom Großen Senat des BSG zu § 58 Abs. 1 BVG aF entwickelten Grundsätze nicht auf die Versäumung der Ausschlußfrist des § 143 l Abs. 2 AVAVG angewandt worden könnten. § 58 BVG beträfe Versorgungsansprüche, Dauerrenten, § 143 l AVAVG dagegen nur Ansprüche von kurzer Dauer, möglicherweise sogar nur für Tage. Auch sei die Interessenlage und der gesetzgeberische Zweck in beiden Fällen verschieden.
Von einer mißbräuchlichen Berufung auf die Ausschlußfrist des § 143 l AVAVG könne keine Rede sein, weil der Kläger zumindest anderweitig genügend über den Fristablauf aufgeklärt worden sei: durch das 1961 erhaltene Merkblatt, durch amtliche Bekanntmachungen in den Tageszeitungen am 9. Mai 1962 sowie durch die zuständigen Arbeitgeberverbände.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des LSG Bremen vom 7. Januar 1963 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 7. Januar 1963 zurückzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
III
Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist zulässig und begründet.
Entgegen der Auffassung des Klägers müssen bei zulässigen Revisionen vor der sachlich-rechtlichen Würdigung des Streites vom Revisionsgericht auch ohne Revisionsrüge von Amts wegen Verfahrensmängel geprüft und berücksichtigt werden, soweit es sich bei ihnen um auch noch in der Revisionsinstanz fortwirkende Verstöße gegen verfahrensrechtliche Grundsätze handelt, die im öffentlichen Interesse zu beachten sind und deren Befolgung den Belieben der Beteiligten entzogen ist. Zu diesen von Amts wegen zu prüfenden möglichen Verfahrensmängeln gehört u. a. die Frage, ob Vorschriften über unverzichtbare allgemeine Prozeßvoraussetzungen verletzt wurden und ob die besonderen Voraussetzungen des vorangegangenen Berufungsverfahrens sowie die Voraussetzungen für eine entscheidende Tätigkeit des Revisionsgerichts erfüllt sind. Hierunter fällt insbesondere die Prüfung der Zulässigkeit der Berufung (vgl. BSG 2, 225, 245, 253 f). Auf die Rechtzeitigkeit einer entsprechenden, evtl. vom Revisionskläger erhobenen Revisionsrüge oder eines Revisionsantrages kommt es daher in diesen Fällen im Gegensatz zur Ansicht des Klägers nicht an.
Das Berufungsgericht ist bei seiner Entscheidung zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Berufung im vorliegenden Streitfall gemäß § 143 SGG zulässig gewesen sei; denn hier lag ein Ausschließungsgrund nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG vor. Nach dieser Vorschrift ist die Berufung grundsätzlich unzulässig bei Ansprüchen auf „wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen”. Voraussetzung für diesen Ausschließungstatbestand ist als erstes, daß es sich um „Leistungen” i. S. dieses Paragraphen handelt. Was unter „Leistung” zu verstehen ist, wird vom Gesetzgeber selbst nicht gesagt. Insoweit enthält jedoch das SGG eine negative Abgrenzung dahingehend, als es durch die Formulierung des § 149 SGG erkennen läßt, was nicht als Leistung im Sinne des § 144 SGG aufgefaßt worden darf, nämlich Ersatz- und Erstattungsstreitigkeiten zwischen Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts sowie Rückerstattungsstreitigkeiten über Leistungen oder Beiträge. Nach der ständigen Rechtsprechung der Senate des BSG fallen unter „Leistungen” im Sinne des § 144 SGG nur Ansprüche des Versicherten gegen den Versicherungsträger oder sonstiger Berechtigter gegen den Staat, gegen öffentliche Körperschaften oder Anstalten, also Sozialleistungen des Staates, der öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten oder der Versorgungsbehörden an einzelne Personen. Allgemein und zusammengefaßt gesagt, werden unter Leistungen Ansprüche einzelner gegen die öffentliche Hand verstanden (vgl. BSG vom 15. Mai 1957 in SozR SGG § 144 Nr. 9; vom 28. Februar 1961 Nr. 19; BSG 2, 135 ff; 3, 234 ff; 6, 47 ff; 11, 102 ff).
Das SWG nach den §§ 143 d ff AVAVG stellt sich, rechtssystematisch betrachtet, als eine derartige „Leistung” im Sinne der zu § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG entwickelten Rechtsprechung des BSG dar. Seinem Sinn und Zweck nach ist das SWG genau wie das Kurzarbeitergeld (Kug) und die Stillegungsvergütung eine Art. Lohnausfallvergütung, ein teilweiser Lohnersatz, und es ist wie diese eine echte Leistung aus der Arbeitslosenversicherung, die aus dem Beitragsaufkommen der versicherungspflichtigen Arbeitnehmer und der Arbeitgeber zu erbringen ist (vgl. Draeger/Buchwitz/Schönfelder, AVAVG Anm. II 2 zu § 143 d; Krebs, AVAVG 2. Aufl. Anm. 3 zu § 143 d). Sozial- und arbeitsmarktpolitisch gesehen, bezweckt es, die bis dahin in der Bauwirtschaft saisonal immer wiederkehrende Vollarbeitslosigkeit großer Massen zu verhüten und die Arbeitsmarktlage zu stabilisieren. Wie beim Kug hat der einzelne Arbeitnehmer, nicht der ihn beschäftigende Arbeitgeber, einen Rechtsanspruch gegenüber der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung auf „Leistung” des SWG, vorausgesetzt, die allgemeinen und besonderen betrieblichen Voraussetzungen sind zugleich mit seinen besonderen persönlichen Voraussetzungen gegeben. Da die entsprechenden Bestimmungen des SWG verfahrensmäßig eng an die Ausgestaltung des Kug angelehnt sind, steht das Recht und die Pflicht zu seiner Geltendmachung und gerichtlichen Durchsetzung wie dort dem Arbeitgeber, nicht aber dem einzelnen Arbeitnehmer zu, obwohl dieser der alleinige Träger des Rechts ist und es auch bei seiner Geltendmachung durch den Arbeitgeber bleibt (§§ 143 f und l AVAVG). Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Arbeitgeber noch zur unverzüglichen Anzeige des Arbeitsausfalls (§ 143 e Abs. 1 Nr. 3 AVAVG) sowie zum Nachweis der Voraussetzungen für die Gewährung von SWG und auf Verlangen des Arbeitsamtes zur Errechnung und Auszahlung des SWG gesetzlich verpflichtet ist (§ 143 l Abs. 1 und 2, Abs. 4 i.V.m. § 188 Abs. 3 AVAVG).
Durch diese rechtliche Ausgestaltung des SWG-Anspruchs, insbesondere seiner Durchsetzung, wird jedoch dessen Rechtsnatur als Leistungsanspruch im Sinne des § 144 SGG nicht berührt oder gar verändert. Er wird nicht etwa, wenn – wie im vorliegenden Streitfall – das SWG vom Antragstellenden bereits gezahlt wurde, zu einem Erstattungsanspruch im Sinne des § 149 SGG, wie der Kläger meint. Unter „Erstattung” im Sinne des § 149 SGG, 2. Alternative, ist nur die Rückgabe einer empfangenen Leistung oder der Ersatz von Auslagen zu verstehen (vgl. BSG 5, 140, 143). Auch wenn das SWG vom Arbeitgeber bereits gezahlt wurde, bleibt das Recht des einzelnen Arbeitnehmers auf SWG (§ 143 f AVAVG), auf „Leistung”, alleinige Anspruchsgrundlage für die Geltendmachung desselben durch den Arbeitgeber in eigenem Namen. In Streitfällen über Kug ist der erkennende Senat bereits von diesem Schluß ausgegangen und hat angenommen, daß die Geltendmachung des Anspruchs auf Kug durch den Arbeitgeber in dessen eigenem Namen nicht die Rechtsnatur von jenem als „Leistungsanspruch” verändere (vgl. BSG 16, 65, 66; Urteil vom 19. Dezember 1962 auszugsweise in BSG 18, 184; vom 30. Oktober 1958 – 7 RAr 147/55 –). Im Hinblick auf die rechtlich enge Anlehnung des SWG an das Kug dürfte daher m.E. auch aus diesem Grund gleiches bei SWG-Streitigkeiten angenommen werden.
Somit ist festzustellen, daß es sich bei dem vom Kläger verfolgten Anspruch auf SWG um einen Leistungsanspruch im Sinne des § 144 Abs. 1 SGG handelt.
Es kann dahinstehen, ob es sich, wenn das SWG lediglich für einen Ausfalltag beansprucht wird, um eine einmalige Leistung im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG handelt. Auf alle Fälle betrifft eine Klage, mit der ein SWG-Anspruch für mehrere Ausfalltage geltend gemacht wird, Anspruch auf wiederkehrende Leistung. Denn der Begriff der Einmaligkeit beinhaltet (so auch der 3. Senat in BSG 2, 135, 136) ein Geschehen, das sich seiner Natur nach in einer bestimmten, verhältnismäßig kurzen Zeitspanne abspielt und sich im wesentlichen in einer einzigen Gewährung erschöpft (zB Sterbegeld, Witwenabfindungen und die Bewilligung von Prothesen, nicht aber ärztliche Behandlung und Krankenhauspflege). Der Anspruch auf SWG erstreckt sich üblicherweise auf mehrere, möglicherweise viele einzelne Ausfalltage, die ihrerseits in einem längeren Zeitraum anfallen und gegebenenfalls sogar abschnittsweise (Lohnabrechnungszeiträume) geltend gemacht werden können.
Der Umstand, daß die allgemeinen, betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen für jeden einzelnen Ausfalltag neu gegeben und nachgewiesen sein müssen, widerspricht dem nicht. Liegen sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für jeden oder einige der geltend gemachten Ausfalltage eines Arbeitnehmers vor, beruht dessen SWG-Anspruch für jeden dieser Tage stets auf den gleichen einheitlichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, nämlich der Unmöglichkeit für ihn, aus witterungsbedingten Gründen die an sich seinem Arbeitgeber geschuldeten Arbeitsleistungen zu erbringen sowie den Folgerungen, die der Gesetzgeber aus diesem Umstand zieht: das bestehende Arbeitsverhältnis trotzdem aufrechtzuerhalten und einen Lohnersatz zu gewähren. Der Begriff der wiederkehrenden Leistungen verlangt nicht, daß sie in gleichmäßigen Zeiträumen oder immer in gleicher Höhe, Art. oder Umfang anfallen müssen. Es genügt, wenn sie in ungleichmäßigen Zeiträumen anfallen, aber in ihrer Grundstruktur gleich sind, solange ihnen nur „ein Moment zeitlicher Dauer” innewohnt (vgl. BSG 2, 137, 138; vom 29. Mai 1962 in SozR SGG § 144 Nr. 21 sowie vom 28. Juni 1963 Nr. 23). Diese Voraussetzungen sind bei einem Leistungsanspruch auf SWG für mehrere. Ausfalltage gegeben.
Weiter ist zu prüfen, ob bei Anwendung des § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG alle Ausfalltage, für die SWG verlangt wird, zusammenzuzählen oder ob jeweils nur die zusammenhängend zurückgelegten Ausfalltage maßgebend sind. Zunächst ist festzuhalten, daß es sich bei der datummäßigen Aufzählung der einzelnen Ausfalltage durch die Beklagte in deren Revisionsbegründung nicht um neues tatsächliches Vorbringen handelt, das in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden darf. Zwar werden die einzelnen Ausfalltage weder im LSG noch im SG-Urteil datummäßig auf geführt. Sie ergeben sich jedoch im einzelnen genau aus den SWG-Akten der Beklagten, deren gesamter Inhalt vom LSG zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde. Ihre Aufzählung ist deshalb kein neues tatsächliches Vorbringen und kann daher vom Revisionsgericht auch grundsätzlich beachtet werden.
Der Kläger glaubt, daß für die Berechnung des 13-Wochenzeitraumes in § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG beim SWG der Zeitraum maßgebend sei, innerhalb dessen die Ausfalltage angefallen seien. In seinem Fall würde sich dadurch eine längere Zeit als 13 Wochen ergeben, weil erster Ausfalltag der 3. November und letzter der 19. März war. Diese Berechnungsart kann jedoch nicht richtig sein. Einmal würde sie bedeuten, daß auf diese Art. der grundsätzliche Berufungsausschluß eines Rechtsstreits allein vom Zufall abhinge, davon nämlich, zu welchem Zeitpunkt der erste und der letzte Ausfalltag gerade angefallen wäre, ohne Rücksicht auf die tatsächlichen, in die Zwischenzeit fallenden SWG-Tage. Theoretisch brauchten bei einer solchen Auslegung des 13-Wochen-Zeitraumes nur zwei Ausfalltage gegeben sein, die jeweils möglichst am Beginn und am Ende der Schlechtwetterzeit (1. November bis 31. März) liegen müßten, damit die Berufungsfähigkeit eines Rechtsstreits auch ohne Zulassung vorläge. Die Folge davon wäre das Gegenteil dessen, was der Gesetzgeber mit § 144 Abs. 1 SGG bezweckte, nämlich Bagatellfälle von der Berufungsinstanz auszuschließen. Denn um solche handelt es sich bei SWG für wenige Ausfalltage genauso wie bei entsprechenden Streitigkeiten über Arbeitslosengeld. SWG-Fälle dagegen, deren Ausfalltage zeitlich ungünstiger lägen (innerhalb von 13 Wochen), wären, auch wenn die Zahl der geltend gemachten Ausfalltage größer wäre, grundsätzlich immer von der Berufung ausgeschlossen. Eine so ungleiche Behandlung an sich gleicher Tatbestände ohne sichtbaren oder gar zwingenden Grund kann nicht der Wille des Gesetzes sein.
Gegen die Auffassung des Klägers steht weiter der Wortlaut des § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG, der von wiederkehrenden Leistungen „für einen Zeitraum” bis zu 13 Wochen spricht, nicht aber „innerhalb eines Zeitraumes”, wie es heißen müßte, wenn die Ansicht des Klägers zutreffen sollte. Auch müßten alle in den betreffenden Zeitraum fallenden Sonn- und Feiertage sowie die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr (§ 143 d Abs. 1 Nr. 2 AVAVG) mit einbezogen werden, für die niemals ein Anspruch auf SWG entstehen kann.
Die vom Kläger zur Bestätigung seiner Rechtsauffassung zitierte Entscheidung des 60 Senats vom 29. Mai 1962 (SozR SGG § 144 Bl. Da 8 Nr. 21) vermag die hier vertretene Ansicht nicht zu widerlegen, da sie sich auf einen Rechtsstreit bezieht, in dem das Honorar eines Kassenarztes für mehrere Abrechnungszeiträume (Vierteljahre) streitig war und innerhalb dieser nicht die einzelnen Tage, sondern die erbrachten ärztlichen Leistungen maßgebend für die Höhe des gesamten Honoraranspruchs sind.
Es bleibt somit nur eine Auslegung des 13-Wochen-Zeitraumes möglich, die sowohl dem Wortlaut des § 144 Abs. 1 SGG („für einen Zeitraum”) wie auch seinem Zweck (Bagatellfälle grundsätzlich aus dem Rechtszug herauszuhalten) entspricht und außerdem logisch und gerecht erscheint; d. h. die einzelnen zusammenhängenden Ausfalltage, für die SWG beansprucht wird, sind zusammenzuzählen.
Es geht auch nicht an, die Ausfalltage für alle Arbeitnehmer eines Arbeitgebers zusammenzurechnen, um auf diese Weise zu einem längeren als den 13-Wochen-Zeitraum zu gelangen. Denn insoweit handelt es sich um den Fall einer objektiven Klagehäufung auf seiten des Arbeitgebers. Hier bestehen entsprechend viele selbständige Klageansprüche. In dem Urteil muß auch über den SWG-Anspruch jedes einzelnen Arbeitnehmers entschieden werden. Das ergibt sich schon daraus, daß für einzelne Arbeitnehmer der Anspruch zu verneinen ist, etwa weil sie zur Stammbelegschaft gehören und die Voraussetzungen des § 143 f AVAVG nicht erfüllen, ohne daß dies einen Einfluß auf die Ansprüche der übrigen Arbeitnehmer hätte. Bei objektiver Klagehäufung ist die Zulässigkeit des Rechtsmittels für jeden Anspruch gesondert zu prüfen (vgl. BSG 8, 228, 231 mit der dort ausführlich zitierten einschlägigen Literatur und Rechtsprechung).
Im vorliegenden Streitfall betragen die vom Kläger für die vier Beigeladenen geltend gemachten zusammenhängend verlaufenen Ausfalltage 11, 13, 13 und 6 Ausfalltage. Diese jeweils zusammenhängend verlaufenen Zeiträume sind jeder für sich zu betrachten. Das Klagebegehren bezieht sich somit auf wiederkehrende Leistungen für weniger als 13 Wochen, und die Berufung war nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG unzulässig.
Die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung durch das SG stellt entgegen der Meinung des Klägers keine Zulassung des Rechtsmittels im Sinne des § 150 Nr. 1 SGG dar (vgl. BSG 2, 121; 4, 206, 263; 5, 92; 8, 147; vom 28. August 1963 in SozR § 150 SGG Nr. 41). Die Nichtzulassung der Berufung durch das SG wiederum ist ihrerseits kein Verfahrensmangel, selbst wenn die Nichtzulassung unbeabsichtigt erfolgt sein sollte, weil das SG nicht beachtet hat, daß das Rechtsmittel nicht nach §§ 143 ff SGG zulässig war (vgl. BSG vom 9.5.1963 und 1.8.1963 SozR SGG § 150 Nr. 38 und 39).
Der Kläger hat im Berufungsverfahren keine wesentlichen Verfahrensmängel gerügt, die das Rechtsmittel gemäß § 150 Nr. 2 SGG zulässig gemacht hätten. Die Berufung war daher unzulässig. Das Urteil des LSG ist aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Unterschriften
Dr. Berndt, Bundesrichter Dr. Kläß ist durch Krankheit an der Unterschrift verhindert., Dr. Berndt, Dr. Krebs
Fundstellen