Leitsatz (amtlich)
Ausgleichsbeträge nach Art 2 § 2 Abs 1 des 2. HStruktG gehören nicht zu den übergangsweise gewährten Bezügen iS von § 180 Abs 8 S 2 Nr 1 Buchst a RVO und sind daher von der Beitragspflicht in der Krankenversicherung der Rentner nicht ausgenommen.
Normenkette
HStruktG 2 Art 2 § 2 Abs 1 Fassung: 1981-12-22; RVO § 180 Abs 5 Nr 2 Fassung: 1981-12-01; RVO § 180 Abs 8 S 2 Nr 1 Buchst a Fassung: 1981-12-01
Verfahrensgang
SG Köln (Entscheidung vom 29.05.1984; Aktenzeichen S 21 Kr 3/84) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob ein nach Art 2 § 2 Abs 1 des 2. Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur (2. HStruktG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S 1523) gezahlter Ausgleich der Beitragsberechnung in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) zugrunde zu legen ist.
Der 1922 geborene Kläger war Dienstordnungs(DO)-Angestellter der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse. Zum 1. Januar 1983 trat er in den Ruhestand. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) bewilligte ihm Altersruhegeld, das monatlich 982,60 DM ab 1. Januar 1983 und 1.037,20 DM ab 1. Juli 1983 betrug. Die Rheinische Versorgungskasse Köln, die die Versorgungsbezüge des Klägers zahlt, brachte wegen des Altersruhegeldes der BfA von den Versorgungsbezügen (monatlich 2.567,62 DM ab 1. Januar 1983 und 2.617,63 DM ab 1. Juli 1983) monatlich 929,04 DM ab 1. Januar 1983 bzw 980,64 DM ab 1. Juli 1983 zum Ruhen; sie bezog sich dabei auf § 55 Abs 1 Satz 1 des Gesetzes über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern (Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG) vom 24. August 1976 (BGBl I S 2485) idF des Art 2 § 1 Nr 7 2. HStruktG. Sie zahlte ihm demgemäß monatlich nur die restlichen 1.638,58 DM ab 1. Januar 1983 bzw 1.636,99 DM ab 1. Juli 1983 aus, ferner einen Ausgleich nach Art 2 § 2 Abs 1 des 2. HStruktG von monatlich 761,14 DM ab 1. Januar 1983 bzw 736,13 DM ab 1. Juli 1983. Im Februar/März 1984 wurde die Berechnung rückwirkend geringfügig korrigiert.
Der Kläger ist seit dem 1. Januar 1983 als Rentner bei der Beklagten krankenversichert. Diese zog durch Bescheid vom 31. Oktober 1983 ab 1. Januar 1983 auch den Ausgleich zur Beitragsbemessung heran, den sie aufgrund der Angaben des Klägers mit 736,09 DM monatlich annahm. Dadurch erhöhte sich der vom Kläger selbst zu zahlende Beitragsanteil um 48,18 DM monatlich. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 1984).
Der Kläger hat Klage beim Sozialgericht (SG) Köln erhoben und die Ansicht vertreten, die Ausgleichsbeträge seien nicht beitragspflichtig, weil es sich um "lediglich übergangsweise gewährte Bezüge" nach § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 1 Buchst a Reichsversicherungsordnung (RVO) idF des Art 2 Nr 2 des Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahre 1982 (RAG 1982) vom 1. Dezember 1981 (BGBl I S 1205) und des Art 19 Nr 1 Buchst b des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl I S 1857) handele. Gegen die Höhe des Ausgleichs, den die Beklagte der Beitragsbemessung zugrunde gelegt hatte, hat er sich nicht gewandt. Das SG hat sich der Auffassung der Beklagten von der Beitragspflichtigkeit des Ausgleichs angeschlossen und die Klage durch Urteil vom 29. Mai 1984 abgewiesen.
Der Kläger rügt mit der Sprungrevision eine Verletzung von § 180 Abs 5 Nr 2, § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 1 Buchst a, § 381 Abs 2 und § 385 Abs 2a RVO. Zwar seien hiernach Versorgungsbezüge beitragspflichtig, da sie eine mit der Rente vergleichbare Einnahme darstellten. Das gelte aber nicht für Ausgleichsbeträge nach Art 2 § 2 Abs 1 des 2. HStruktG, die abgeschmolzen und daher nur vorübergehend gezahlt würden. Entgegen der Auffassung des SG seien sie nicht auf Dauer angelegt. Es gebe auch keinen Anhalt dafür, daß das Gesetz in § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 1 Buchst a RVO nur Bezüge wie Übergangsgelder iS vom § 2 Abs 1 Nr 5, § 47 und § 89 BeamtVG gemeint habe. Wäre der Gesetzgeber dieser Auffassung gewesen, so hätte er das zum Ausdruck gebracht.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des SG vom 29. Mai 1984 und den Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 1984 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf den Inhalt ihres Bescheides, des Widerspruchsbescheides und des angefochtenen Urteils.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Der Kläger ist nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO als Rentner für den Fall der Krankheit versichert. Er trägt gemäß § 381 Abs 2 Satz 1 RVO die nach § 180 Abs 5 RVO zu bemessenden Beiträge; sie sind in Hundertsteln des Grundlohns zu erheben (§ 385 Abs 1 Satz 1 RVO). Nach § 180 Abs 5 Nr 2 RVO gilt als Grundlohn bis zu einer hier nicht eingreifenden Bemessungsgrenze der auf den Kalendertag entfallende Teil des Zahlbetrages auch solcher Einnahmen, die der Rente vergleichbar sind (Versorgungsbezüge). Dazu zählen, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, Versorgungsbezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder aus einem Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen, wobei ua außer Betracht bleiben "lediglich übergangsweise gewährte Bezüge" (§ 180 Abs 8 Satz 2 Nr 1 Buchst a RVO). Zu diesen gehört nicht, wie das SG zu Recht entschieden hat, der Ausgleich nach Art 2 § 2 Abs 1 des 2. HStruktG. Vielmehr ist er - wie andere Versorgungsbezüge - Teil des Grundlohns und unterliegt damit der Beitragspflicht.
Das Gesetz selbst bestimmt allerdings nicht näher, was unter den "lediglich übergangsweise gewährten Bezügen" iS des Buchst a des § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 1 RVO zu verstehen ist. Auch die Entstehungsgeschichte ergibt keine Auslegungshinweise (vgl Gesetzentwurf des 21. RAG der Fraktionen der SPD, FDP, BT-Drucks 8/1601, Begründung zu Art 3 § 1 Nr 1 = § 180 Abs 5 RVO, S 35 f; Regierungsentwurf des RAG 1982, BT-Drucks 9/458, Begründung zu Art 2 Nr 2 = § 180 Abs 5 bis 8 RVO, S 29 f, 33 f). Doch knüpft das Gesetz, indem es in den Buchst b) bis d) des § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 1 RVO bestimmte weitere Leistungen (unfallbedingte, Leistungen der Beschädigtenversorgung, Unfallversorgung, erhöhte Unfallversorgung) bis zu einer bestimmten Höhe von der Beitragspflicht ausnimmt, soweit diese Leistungen Beamten gewährt werden, erkennbar an die einschlägigen Regelungen des Beamtenversorgungsrechts an. Denn die Unfallfürsorge gehört zu den Versorgungsbezügen (§ 2 Nr 4 und §§ 30 ff BeamtVG) und umfaßt auch einen Unfallausgleich, ein Unfallruhegehalt und ein "erhöhtes" Unfallruhegehalt (§§ 35, 36, 37 BeamtVG). Hat der Gesetzgeber damit bei den Buchstaben b) bis d) auf beamtenversorgungsrechtliche Regelungen zurückgegriffen, so liegt es nahe, dieses auch für die "lediglich übergangsweise gewährten Bezüge" des Buchstaben a) anzunehmen und darunter vor allem das Übergangsgeld des § 47 BeamtVG zu verstehen. Dieses wird einem Beamten, der nicht auf eigenen Antrag entlassen worden ist, höchstens bis zum Sechsfachen der Dienstbezüge des letzten Monats, also längstens für sechs Monate gewährt. Auch der im selben Abschnitt vorgesehene Ausgleich (§ 48 BeamtVG), der bei bestimmten Beamtengruppen mit besonderen, niedrigen Altersgrenzen zu zahlen ist und die Höhe des Fünffachen der Dienstbezüge des letzten Monats (jedoch nicht über 8.000,-- DM) hat, mag unter § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 1 Buchst a RVO fallen (vgl Kierstein/Krückel, Die Krankenversicherung der Rentner, Anm 3.6.2 zu § 180 RVO, Kennzahl 137, S 21). Demgegenüber ist der Ausgleich nach Art 2 § 2 Abs 1 des 2. HStruktG im vorliegenden Zusammenhang dem Übergangsgeld des § 47 BeamtVG und - trotz Verwendung derselben Bezeichnung - auch dem Ausgleich des § 48 BeamtVG nicht gleichzuachten; vielmehr unterscheidet er sich erheblich von ihnen.
Die Bezüge der §§ 47, 48 BeamtVG sollen ersichtlich einen bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem (aktiven) Beamtenverhältnis auftretenden erhöhten Bedarf ausgleichen, der mit der Umstellung auf die geänderten beruflichen Verhältnisse verbunden ist. Sie sollen ihren Empfängern ebenso verbleiben wie etwa auch die - ebenfalls von der Beitragsbemessung ausgenommene (§ 180 Abs 8 Satz 2 Nr 4 RVO) - Übergangshilfe nach § 9a des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte und - ganz oder bis zu einem bestimmten Betrag - die in § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 1 Buchst b) bis d) RVO genannten Entschädigungsleistungen. Demgegenüber dient der Ausgleich nach Art 2 § 2 Abs 1 des 2. HStruktG nicht dem Ausgleich eines vorübergehenden Mehrbedarfs oder der Entschädigung für eine gesundheitliche Beeinträchtigung, sondern dazu, eine Überversorgung allmählich und für die Betroffenen schonend abzuschmelzen.
Der Ausgleich, um den es hier geht, kann auch von der Dauer her, für die er gezahlt wird, nicht den "übergangsweise" gewährten Bezügen zugerechnet werden. Unabhängig davon, wie die Zeit, bei der noch von einer übergangsweisen Gewährung gesprochen werden kann, ihrer Dauer nach zu begrenzen ist - in den Fällen der §§ 47, 48 BeamtVG sind es, wie dargelegt, höchstens sechs bzw fünf Monate -, fallen darunter jedenfalls solche Bezüge nicht, die in vielen Fällen über einen längeren Zeitraum oder sogar lebenslänglich gezahlt werden. Um solche Bezüge handelt es sich aber bei dem Ausgleich nach Art 2 § 2 Abs 1 des 2. HStruktG. Er wird zunächst Versorgungsempfängern gewährt, bei denen bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes Renten und Versorgungsbezüge schon zusammengetroffen waren, ferner - mit abnehmender Anfangshöhe - denjenigen, bei denen die Voraussetzungen des § 55 BeamtVG bis 1992 eintreten (Art 2 § 2 Abs 1 Sätze 2 und 3 des 2. HStruktG). Hiernach bestimmt sich jedoch nur die Anfangshöhe des Ausgleichs, der ab 1993 nicht mehr neu entstehen kann. Die Regelung bedeutet entgegen der Ansicht des SG jedoch nicht, daß ein Ausgleich nach 1992 überhaupt nicht mehr gezahlt wird. Vielmehr bleibt ein bereits entstandener Anspruch darauf grundsätzlich auch über das Jahr 1992 hinaus bestehen. Er verringert sich lediglich um jeweils die Hälfte des Betrages, um den die Versorgungsbezüge aufgrund einer allgemeinen Erhöhung und ferner um jede sonstige Erhöhung steigen (Art 2 § 2 Abs 1 Satz 4 des 2. HStruktG). Zahlreiche Versorgungsempfänger, deren Ausgleich (wie der des Klägers) bei Beginn der Zahlung eine erhebliche Höhe hat, werden ihn daher - wenn auch wahrscheinlich in allmählich abnehmender Höhe - über viele Jahre, über 1992 hinaus und oft bis zu ihrem Lebensende weiterbeziehen, falls er nicht vorher durch stärkere, derzeit nicht zu erwartende Erhöhungen der Versorgungsbezüge aufgezehrt wird. Bezüge von einer solchen Art gehören zu den regelmäßigen, den Lebenszuschnitt und die Leistungsfähigkeit des Empfängers dauernd oder doch oft für eine lange Zeit mitbestimmenden Einnahmen. Sie werden in der Regel nicht nur für eine kurze Zeit erzielt und können deshalb - anders als die lediglich übergangsweise gewährten Bezüge - im Interesse einer am allgemeinen Lebenszuschnitt ausgerichteten und möglichst von kurzfristigen Schwankungen freien Beitragsbemessung nicht außer Ansatz bleiben.
Dafür, den Ausgleich des Art 2 § 2 Abs 1 des 2. HStruktG zum Grundlohn zu rechnen und ihn der Beitragsbemessung zu unterwerfen, spricht auch, daß er wirtschaftlich mit den übrigen Versorgungsbezügen eine Einheit bildet. Er ist lediglich zum Zwecke des Abbaus der Überversorgung rechtlich in gewissem Maße verselbständigt. Berücksichtigt man schließlich, daß er die Höhe der bestehenden und noch abzuschmelzenden Überversorgung widerspiegelt, so wäre es schwer verständlich, zwar die eigentlichen Versorgungsbezüge als beitragspflichtigen Grundlohn, den Ausgleich hingegen als beitragsfrei zu behandeln. Näher liegt es im Vergleich mit den übrigen Versorgungsbezügen, den Ausgleich erst recht zu Beitragszahlungen heranzuziehen.
Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, daß die Versorgungsbezüge von DO-Angestellten als Grundlohn gelten und der Beitragserhebung unterliegen, sind im vorliegenden Verfahren nicht erhoben worden. Mit ihnen hat sich der Senat in seinen Urteilen vom 18. Dezember 1984 in den Sachen 12 RK 22/83 und 12 RK 42/83 befaßt. Er hält die Regelung für vereinbar mit dem Grundgesetz.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen