Leitsatz (redaktionell)

1. Wer durch Entrichtung eines Beitrages vor dem 1956-01-01 die Selbstversicherung begonnen hat, kann - abweichend von AVG § 10 - die Versicherung fortsetzen. Das Recht zur Fortführung der Selbstversicherung kann jedoch nicht auf Beiträge gestützt werden, die nach dem 1955-12-31 für Zeiten vor dem 1956-01-01 wirksam nachentrichtet sind.

2. Sozialversicherungsgesetze haben verstanden und verstehen, wenn sie von Beiträgen sprechen, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt "entrichtet" sind, hierunter stets Beiträge, die bis dahin tatsächlich geleistet worden sind. In diesen Gesetzen ist bewußt unterschieden zwischen Zeiten, zu denen Beiträge entrichtet werden und Zeiten, für die Beiträge entrichtet werden und Beiträgen, die für Zeiten vor dem Stichtag wirksam nachentrichtet, jedoch tatsächlich erst nach dem Stichtag erbracht worden sind. Diese dem Wortlaut und dem gesetzlichen Sprachgebrauch entsprechende Auslegung des Begriffs "entrichten" in ArVNG Art 2 § 42 = AnVNG Art 2 § 41 hält der erkennende Senat für zutreffend. Auch soweit der Begriff in ArVNG Art 2 § 4, AnVNG Art 2 § 5 gebraucht ist, ist er nicht anders auszulegen. Für diese Auffassung sprechen Sinn und Zweck der Vorschrift und ihre Entstehungsgeschichte.

 

Normenkette

AnVNG Art. 2 § 5 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1957-02-23; ArVNG Art. 2 § 4 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1957-02-23; AVG § 10 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1233 Fassung: 1957-02-23; AVG § 190 Fassung: 1937-12-21; RVO § 1442 Fassung: 1937-12-21; ArVNG Art. 2 § 42 Fassung: 1957-02-23; AnVNG Art. 2 § 41 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 9. Dezember 1964 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin, geboren am 24. Juni 1930, entrichtete auf einer am 30. Januar 1956 vom Versicherungsamt der Stadt M ausgestellten Versicherungskarte Nr. 1 36 freiwillige Monatsbeiträge zur Angestelltenversicherung für die Zeit vom Januar 1954 bis Dezember 1956. Die 17 Marken, die sie für die Zeit vom Januar 1954 bis Mai 1955 verwendete, tragen den Aufdruck "56", die übrigen den Aufdruck "57". Auf einer im Januar 1957 ausgestellten Versicherungskarte Nr. 2 entrichtete die Klägerin 1958 und 1959 weitere Beiträge für die Zeit ab Januar 1957.

Mit Bescheid vom 13. April 1960 verneinte die Beklagte die Berechtigung der Klägerin zur freiwilligen Versicherung (Selbstversicherung) nach Art. 2 § 5 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG). Der Widerspruch der Klägerin wurde durch Bescheid vom 14. April 1962 zurückgewiesen. Mit der Klage begehrte die Klägerin, "die Beklagte zu verurteilen, die Fortsetzung der Selbstversicherung zu gestatten". Das Sozialgericht (SG) München wies die Klage ab (Urteil vom 7. Juni 1962). Die Berufung wies das Bayerische Landessozialgericht (LSG) zurück (Urteil vom 9. Dezember 1964): Nach Art. 2 § 5 AnVNG müsse mindestens ein Beitrag vor dem 1. Januar 1956 "entrichtet" sein. "Entrichten" bedeute den tatsächlichen Erwerb und die tatsächliche Verwertung eines Beitrags in einer Versicherungskarte; die Frage, für welchen Zeitraum Beiträge wirksam (nach-) entrichtet werden könnten und damit anzurechnen seien, habe hiermit nichts zu tun. Diese Auslegung entspreche der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu Art. 2 § 41 AnVNG, sie sei nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Oktober 1962 auch "verfassungskonform". Das LSG ließ die Revision zu. Das Urteil wurde der Klägerin am 29. Januar 1965 zugestellt.

Am 19. Februar 1965 legte die Klägerin Revision ein, sie beantragte,

das Urteil des Bayerischen LSG vom 9. Dezember 1964 und das Urteil des SG München vom 7. Juni 1962 sowie den Widerspruchsbescheid vom 14. April 1962 und den Bescheid vom 13. April 1960 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Fortsetzung der Selbstversicherung zu gestatten, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Zur Begründung trug sie vor, das LSG habe Art. 2 § 5 AnVNG verletzt. Die Klägerin habe nach § 190 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) in der Fassung vor dem 1. Januar 1957 (aF) wirksam freiwillige Beiträge für die Jahre 1954 und 1955 nachentrichtet, damit seien auch die Voraussetzungen des Art. 2 § 5 AnVNG erfüllt. Die Klägerin habe darauf vertrauen dürfen, daß die Berechtigung zur Selbstversicherung nicht rückwirkend beseitigt werde.

Die Beklagte beantragte,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verwies auf die Gründe des angefochtenen Urteils, auf die Entstehungsgeschichte des Art. 2 § 5 AnVNG und auf die Rechtsprechung des BSG zu Art. 2 § 41 AnVNG.

II

Die Revision der Klägerin ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist jedoch nicht begründet. Das LSG hat zu Recht den Bescheid vom 13. April 1960 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. April 1962 für rechtmäßig gehalten.

Unstreitig ist, daß die Klägerin nie pflichtversichert gewesen ist und daß sie die Marken, die sie für die freiwillige Versicherung in den Jahren 1954 und 1955 verwendete, erst Ende Januar 1956 erworben und verwertet hat. Die Klägerin ist jedoch zu Unrecht der Meinung, der Begriff des "Entrichtens" von Beiträgen in Art. 2 § 5 AnVNG decke sich mit den Voraussetzungen, von denen die Wirksamkeit nachentrichteter Beiträge nach § 190 AVG aF in Verbindung mit § 1442 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF abhängig gewesen sei und von denen sie nach § 140 AVG nF, § 1418 RVO nF im wesentlichen auch weiterhin abhängig ist.

Die Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze sind am 23. Februar 1957 verkündet worden und am 1. Januar 1957 in Kraft getreten. Nach Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG kann die Selbstversicherung in der Rentenversicherung der Angestellten - der in dieser Vorschrift auch geregelte Fall der Weiterversicherung steht hier nicht zur Entscheidung - fortsetzen, wer diese Versicherung gemäß § 21 AVG aF "durch Entrichtung eines Beitrages vor dem 1. Januar 1956 begonnen hat"; die entsprechende Regelung enthält Art. 2 § 4 Abs. 1 Satz 1 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) für die Berechtigung zur Fortsetzung der Selbstversicherung in der Rentenversicherung der Arbeiter. Beide Vorschriften machen das Recht zur Fortsetzung der Selbstversicherung von einem Stichtag abhängig; dieser Stichtag liegt vor dem Inkrafttreten der Neuregelungsgesetze. Die Rechtsposition der Versicherten, die die Selbstversicherung nach dem 31. Dezember 1955 begonnen haben, ist damit in einem für die Versicherten entscheidenden Teil, nämlich in dem Vertrauen darauf, das Versicherungsverhältnis fortsetzen zu dürfen, nachträglich entwertet worden. Mehrere Gerichte haben deshalb nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) das Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung darüber angerufen, ob die genannten Vorschriften mit dem GG vereinbar sind, soweit sie die Fortführung einer nach dem 31. Dezember 1955 begonnenen Selbstversicherung nicht zulassen. Das BVerfG hat am 11. Dezember 1962 beschlossen (vgl. BVerfG 14, 306 ff - Az. : 1 BvL 14/58):

Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten vom 23. Februar 1957 (BGBl I 88) ist, soweit er die Fortführung der nach dem 31. Dezember 1955 in der Rentenversicherung der Angestellten begonnenen Selbstversicherungen ausschließt, mit dem Grundgesetz vereinbar.

Zur Begründung dieser Entscheidung hat das BVerfG auf seinen Beschluß vom gleichen Tag zu Art. 2 § 4 Abs. 1 Satz 1 ArVNG verwiesen (vgl. BVerfG 14, 288 ff - 1 BvL 22/57 - = NJW 1963, 29 ff = SozR Nr. 9 zu Art. 14 GG). Die Entscheidungsformeln beider Beschlüsse sind im Bundesgesetzblatt (I 714, 715) veröffentlicht worden. Nach § 31 Abs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) hat damit der verfassungsgerichtliche Ausspruch, daß diese Gesetzesvorschriften - in dem in den Entscheidungsformeln genannten Teil - und die Verfassung miteinander vereinbar sind, Gesetzeskraft. In der Begründung der Entscheidung 1 BvL 22/57 hat das BVerfG eingehend dargelegt, daß die Übergangsvorschrift des Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG (= Art. 2 § 4 Abs. 1 Satz 1 ArVNG) "keinem Satz der geschriebenen Verfassung, aber auch keinem der sie übergreifenden oder durchdringenden allgemeinen Rechtsgrundsätze, namentlich nicht dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und dem Sozialstaatsprinzip widerspricht" (vgl. BVerfG 14, 280 ff, 306). Damit erübrigt es sich für den erkennenden Senat, auf das Vorbringen der Klägerin hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG einzugehen, soweit die Klägerin sich grundsätzlich gegen die Beseitigung des Rechts zur Fortsetzung der nach dem 31. Dezember 1955 begonnenen Selbstversicherung wendet; das Vorbringen der Klägerin enthält insoweit keine Gesichtspunkte, die nicht bereits das BVerfG erörtert hat. In beiden Normenkontrollverfahren haben indessen die Kläger des Ausgangsverfahrens - wie auch in der vorliegenden Sache - sich zwar erstmals nach dem 31. Dezember 1955 eine Versicherungskarte ausstellen lassen, sie haben Beitragsmarken erst im Jahre 1956 erworben, sie haben diese Marken aber für Zeiten entwertet, die vor dem Erwerb der Beitragsmarken liegen, in beiden Fällen sind nach den §§ 190 Abs. 1 AVG aF, 1442 RVO aF Beiträge nachentrichtet worden; dabei hat in der Sache 1 BvL 22/57 die Klägerin, ebenso wie in der vorliegenden Sache, die 1956 erworbenen Beitragsmarken (Aufdruck 56), mit der Aufschrift 1955 (in der vorliegenden Sache zum Teil auch mit 1954) entwertet. Das BVerfG ist davon ausgegangen, dies genüge nicht dem Erfordernis des Art. 2 § 4 Abs. 1 ArVNG (Art. 2 § 5 Abs. 1 AnVNG), daß die Selbstversicherung "durch Entrichtung eines Beitrages vor dem 1. Januar 1956" begonnen sein müsse; "eine Nachentrichtung gemäß § 1442 RVO aF (der nach § 190 Abs. 1 AVG aF auch im Recht der Angestelltenversicherung gilt) genügt nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung (des Art. 2 § 4 Abs. 1 Satz 1 ArVNG) hierfür nicht". Diese Auffassung des BVerfG ist allerdings nicht in der Entscheidungsformel zum Ausdruck gekommen, an der "Gesetzeskraft" der Entscheidungsformel (§ 31 Abs. 2 BVerfGG) nimmt sie daher nicht teil, sie hat aber auch keine bindende Wirkung im Sinne von § 31 Abs. 1 BVerfGG. Zwar können auch die Entscheidungsgründe an der bindenden Wirkung des erkennenden Teils der Entscheidung teilnehmen, bindende Kraft hat aber nur der Teil der Begründung, "mit der der Tenor steht und fällt" (vgl. Geiger, Komm. zum BVerfGG, 1952, Anm. 6 zu § 31; Lechner, Kurzkomm . zum BVerfGG, 1954, Anm. II zu § 31); dies trifft zwar für die Gründe der Entscheidung insoweit zu, als sie die Verfassungsmäßigkeit der in Frage stehenden Vorschriften, "soweit (sie) die Fortführung der nach dem 31. Dezember 1955 ... begonnenen Selbstversicherungen (ausschließen)", an der geschriebenen Verfassung und an allgemeinen Rechtsgrundsätzen messen, es trifft aber nicht zu, soweit sie erwägen, ob das Recht zur Fortführung der Selbstversicherung auch auf Beiträge gestützt werden kann, die nach dem 31. Dezember 1955 für Zeiten vor dem 1. Januar 1956 wirksam nachentrichtet sind; es handelt sich insoweit um eine "präjudizielle Rechtsfrage"; ihre Beantwortung hat das BVerfG nicht in seine Entscheidungsformel aufgenommen. Diese Frage ist bisher auch vom BSG noch nicht entschieden worden. Sie ist - in Übereinstimmung mit dem BVerfG - zu verneinen.

Das BSG hat sich mit der Auslegung des Begriffs "entrichten" (von Beiträgen) mehrfach im Zusammenhang mit den Vorschriften des Art. 2 § 42 ArVNG = Art. 2 § 41 AnVNG beschäftigt. Nach diesen Vorschriften kommt es - für den Anspruch auf Gewährung von Rente nach dem für die Versicherten günstigeren alten Recht - u. a. darauf an, daß aus den vor dem 1. Januar 1957 "entrichteten" Beiträgen die Anwartschaft zu diesem Zeitpunkt erhalten gewesen ist; insoweit ist darüber zu entscheiden gewesen, ob Beiträge, die zwar nach dem 1. Januar 1957 erworben und verwertet, aber nach § 1442 RVO aF, § 190 AVG aF für Zeiten vor dem 1. Januar 1957 wirksam nachentrichtet sind, die Durchführung der Vergleichsberechnung nach altem Recht zulassen. In dem Urteil des 12. Senats des BSG vom 23. November 1961 (BSG 15, 271, 274, 275) ist mit eingehender Begründung dargelegt, daß Sozialversicherungsgesetze, wenn sie von Beiträgen sprechen, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt "entrichtet" sind, hierunter stets Beiträge verstanden haben und verstehen, die bis dahin tatsächlich geleistet worden sind; daß in diesen Gesetzen bewußt unterschieden wird zwischen Zeiten, zu denen Beiträge entrichtet werden und Zeiten, für die Beiträge entrichtet werden, und daß Beiträge, die für Zeiten vor dem Stichtag wirksam nachentrichtet, jedoch tatsächlich erst (durch Erwerb und Verwertung von Beitragsmarken) nach dem Stichtag erbracht worden sind, nicht zu berücksichtigen seien (vgl. ferner die hiermit übereinstimmenden Urteile des 4. Senats vom 1. Juli 1959, BSG 10, 139 f, 146, 147; vom 4. September 1962, BSG 18, 1 ff, 3; vom 16. Mai 1963, BSG 19, 133 ff, 134, 135; des 12. Senats vom 29. März 1963 und des 4. Senats vom 12. September 1963, SozR Nr. 9 und Nr. 18 zu Art. 2 § 42 ArVNG). Diese dem Wortlaut und dem gesetzlichen Sprachgebrauch entsprechende Auslegung des Begriffs "entrichten" in Art. 2 § 42 ArVNG = Art. 2 § 41 AnVNG hält der erkennende Senat für zutreffend. Auch soweit der Begriff in Art. 2 § 4 ArVNG, Art. 2 § 5 AnVNG gebraucht ist, ist er nicht anders auszulegen. Für diese Auffassung sprechen der Sinn und der Zweck der Vorschrift und ihre Entstehungsgeschichte. In den Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetzen ist ein der früheren Selbstversicherung entsprechender freiwilliger Beitritt zur Rentenversicherung nicht mehr vorgesehen. Dies beruht auf der Erwägung "daß die Selbstversicherung ein Fremdkörper innerhalb der Versichertengemeinschaft der unselbständigen Arbeitnehmer sei. Die Renten der Arbeiter (und ebenso der Angestellten) sind in ihrem Aufbau und in ihren Leistungen auf die Verhältnisse der unselbständigen Arbeitnehmer zugeschnitten. Personen, die nicht zu den Arbeitnehmern gehören und deren Versicherungsbedürfnisse weitgehend anders geartet sind, können deshalb nicht in eine solche Versichertengemeinschaft einbezogen werden. Zudem würde die Beibehaltung der Selbstversicherung zu einer Häufung der schlechten Risiken führen und einen Nachteil der Pflichtversicherten bedeuten" (vgl. Deutscher Bundestag, 2. WP 1953 zu Drucks. 3080, Bericht des sozialpolitischen Ausschusses S. 2 und BVerfG aaO, 300). Die Tendenz zur Abschaffung der Selbstversicherung ist frühzeitig bekannt geworden, sie hat die berechtigte Befürchtung aufkommen lassen, es werde noch vor Inkrafttreten der Neuregelungsgesetze ein Zustrom von Selbstversicherten einsetzen, der bei uneingeschränkter Anerkennung auch der nach dem 31. Dezember 1955 begonnenen Selbstversicherungen auf eine Vereitelung des mit der Abschaffung der Selbstversicherung verfolgten Ziels hinauslaufen werde (vgl. z. B. Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, Anm. I zu Art. 2 § 4 ArVNG, BVerfG aaO 300/302). Die Übergangsvorschriften des Art. 2 § 5 AnVNG, Art. 2 § 4 ArVNG sind geschaffen worden, um dieses Ergebnis zu vereiteln. Zu den erst kurzfristig Selbstversicherten hat damals auch die Klägerin gehört. Da die von ihr im Januar 1956 für die Jahre 1954 und 1955 nachentrichteten freiwilligen Beiträge nach § 190 AVG aF i. V. m. § 1442 RVO aF für diese zurückliegenden Zeiten noch wirksam gewesen sind, ist sie zwar freiwilliges Mitglied der Angestelltenversicherung geworden und geblieben, die Wirksamkeit der von der Beklagten nicht beanstandeten 17 Beiträge für 1954 und 1955 wird durch Art. 2 § 5 AnVNG nicht berührt. Die Klägerin kann im Hinblick auf die Möglichkeit der späteren Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung und der damit später möglichen Erfüllung der Wartezeit diese Beiträge "stehen lassen" oder sie kann nunmehr ohne zeitliche Einschränkung die Rückzahlung auch dieser Beiträge beantragen (vgl. die Vorschriften des Art. 2 § 2 Nr. 2, § 10 Abs. 1 Buchst. a des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1965, die auch Art. 2 § 5 Abs. 2 AnVNG mit Rückwirkung vom 1. Januar 1957 an geändert haben). Die Klägerin kann aber nicht die Selbstversicherung fortsetzen, weil sie diese Versicherung nicht "durch Entrichtung eines Beitrages vor dem 1. Januar 1956 begonnen hat; (ebenso Hanow/Lehmann/Bogs, Komm. zur RVO, Anm. B 2 zu § 1233; Hoernigk/Jorks, Rentenversicherung, 1957, Anm. 11 zu § 1233 RVO, § 10 AVG; Jantz/Zweng, aaO, Anm. I zu Art. 2 § 4 ArVNG; Verbandskomm. Anm. 11 zu § 1233 RVO).

Diese Auslegung des Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AnVNG (Art. 2 § 4 Abs. 1 Satz 1 ArVNG) steht nicht im Widerspruch zum GG. Da es nach den Entscheidungsformeln und den sie tragenden Gründen der Beschlüsse des BVerfG nicht grundgesetzwidrig ist, wenn Personen, die nach dem 31. Dezember 1955 freiwillig in die Versicherung eingetreten sind und (ohne Nachentrichtung von Beiträgen) laufend für Zeiten nach dem 31. Dezember 1955 Beiträge entrichtet haben, von der Fortsetzung der Selbstversicherung ausgeschlossen werden, muß dies auch gelten, wenn Personen das Versicherungsverhältnis erst nach dem 31. Dezember 1955 mit der Nachentrichtung von Beiträgen für Zeiten vor dem 1. Januar 1956 begonnen haben.

Das LSG hat daher zu Recht die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324571

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