Entscheidungsstichwort (Thema)
Freiwillige Versicherung neben knappschaftlicher KVdR
Leitsatz (amtlich)
Eine freiwillige Versicherung als Rentnerin nach RVO § 176 Abs 1 Nr 4 wird durch eine Pflichtversicherung als Bezieherin einer Witwenrente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung nicht berührt; beide Versicherungen bestehen daher nebeneinander.
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Pflichtversicherung nach der KnKVdRV vom 1942-06-08 schließt eine freiwillige Versicherung bei einem Träger der gesetzlichen KV nicht aus.
2. Die KK kann vom Rentenversicherungsträger grundsätzlich auch dann nicht auf Rückzahlung des Beitragszuschusses nach RVO § 381 Abs 4 in Anspruch genommen werden, wenn sie den Beitragszuschuß unmittelbar beim Rentenversicherungsträger angefordert hat.
Normenkette
RVO § 176 Abs. 1 Nr. 4 Fassung: 1957-07-27; KVdRG Art. 2 § 12; KVdRV § 16 Fassung: 1941-11-04; KnVAusbauV 2 § 2 Fassung: 1942-06-08; RVO § 381 Abs. 4 S. 1 Fassung: 1956-06-12
Tenor
Auf die Sprungrevision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 28. April 1965 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beigeladene, Frau H K, bezieht von der Klägerin seit 1. Januar 1957 eine Erwerbsunfähigkeitsrente gemäß Art. 2 § 38 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG). Die Klägerin (Landesversicherungsanstalt - LVA -) hat der Beigeladenen zu deren freiwilligen Versicherung (§ 176 Abs. 1 Nr. 4 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) bei der beklagten Krankenkasse bis zum 31. Juli 1963 einen Beitragszuschuß gemäß § 381 Abs. 4 RVO gewährt. Der Beitragszuschuß wurde mit Einverständnis der Beigeladenen unmittelbar an die Beklagte gezahlt.
Die Beigeladene bezieht seit dem 1. Juli 1969 neben ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente eine Witwenvollrente von der Ruhr-Knappschaft. Sie ist dadurch seit Zustellung des Witwenrentenbescheides vom 23. Juli 1960 Pflichtmitglied der knappschaftlichen Rentnerkrankenversicherung geworden.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Beigeladenen habe vom 1. August 1960 an ein Beitragszuschuß gemäß § 381 Abs. 4 RVO nicht mehr zugestanden. Von den Beträgen hat die Klägerin einen Teilbetrag von 450,- DM geltend gemacht. Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Der Beigeladenen habe ein Anspruch auf Gewährung eines Beitragszuschusses gemäß § 381 Abs. 4 RVO seit 1. August 1960 nicht mehr zugestanden. Denn sie sei durch die Zustellung des Rentenbescheides der Knappschaft Pflichtmitglied der Rentnerkrankenversicherung der R-Knappschaft geworden. Durch diese Pflichtmitgliedschaft sei die freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten gemäß § 312 Abs. 1 RVO kraft Gesetzes erloschen. Dem stehe auch nicht § 16 Abs. 2 der Verordnung vom 4. November 1941 (RGBl I. S. 684) entgegen.
Die Beklagte hat gegen das Urteil mit Einwilligung der Klägerin und der Beigeladenen Sprungrevision eingelegt.
Sie trägt vor: Die mit dem Bezug der Witwenvollrente eingetretene Pflichtversicherung der Beigeladenen in der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner habe die bestehende freiwillige Weiterversicherung nicht beendet. § 16 Abs. 2 der Verordnung über die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) wolle nicht nur verhüten, daß die Mitgliedschaft in der KVdR durch eine anderweitige Mitgliedschaft erlösche, sondern umfasse auch den umgekehrten Fall; daher erlösche auch durch eine spätere Pflichtversicherung in der KVdR nicht eine frühere freiwillige Versicherung. § 312 RVO habe also keinen Einfluß auf den Fortbestand der Mitgliedschaft in der KVdR. Zu Unrecht habe auch das SG angenommen, daß § 165 Abs. 6 RVO zum Zuge komme. Denn hier handele es sich um einen Ausnahmetatbestand, der nach wie vor die Doppelmitgliedschaft zulasse.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Münster vom 28. April 1965 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
II
Die Revision ist begründet.
Nach Art. 2 § 12 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) wird die knappschaftliche Krankenversicherung der Rentner durch die Vorschriften dieses Gesetzes nicht berührt. § 2 Abs. 1 der Verordnung über die knappschaftliche Krankenversicherung der Rentner vom 8. Juni 1942 (RGBl I S. 409) verweist seinerseits wieder auf § 16 der Verordnung vom 4. November 1941 (RGBl I S. 684). Dessen Abs. 2 besagt nun, daß § 312 RVO nicht für die Mitgliedschaft bei einer Kasse nach § 1 dieser Verordnung gilt. Nach § 312 RVO erlischt die Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse, sobald der Versicherte Mitglied einer anderen Krankenkasse oder der Knappschaft wird. Da somit § 312 RVO hier nicht anwendbar ist, ist demnach eine Doppelmitgliedschaft zwischen der Krankenversicherung der Knappschaftsrentner und einer anderen Versicherung nicht ausgeschlossen. Dies bedeutet nicht nur, daß eine bestehende Mitgliedschaft zur Krankenversicherung der Knappschaftsrentner durch eine spätere andere Versicherung nicht aufgehoben wird, sondern auch, daß eine bestehende anderweitige durch eine neu eintretende Versicherung als Knappschaftsrentner nicht berührt wird. Beide Versicherungen bestehen daher mit allen Rechten und Pflichten nebeneinander. Ostermann-Röken, Die Krankenversicherung der Rentner, vertreten deshalb in Anm. 2 zu § 16 der Verordnung (S. 70/71) mit Recht die Auffassung, eine Doppelmitgliedschaft sei möglich, wenn die Rentnerkrankenversicherung nach § 1 der Verordnung mit einer Versicherung nach der RVO zusammentreffe. Es könne also neben einer Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner eine Versicherung nach § 176 und § 313 RVO bestehen oder neu begründet werden. Ebenso sei gleichzeitig eine freiwillige Versicherung nach § 4 der Verordnung neben einer solchen nach §§ 176, 313 RVO möglich. Auch Grünewald, (Die Krankenversicherung der Rentner, S. 66, Am. 2 zu § 16 der Verordnung) kommt zu demselben Ergebnis: Es sei die Doppelmitgliedschaft zulässig, wenn eine Mitgliedschaft bei einer Kasse nach § 1 bestehe. Es könne also neben der Pflichtversicherung als Rentner eine freiwillige Versicherung nach §§ 176, 313 RVO bestehen, d. h. fortgeführt oder, falls die Voraussetzungen vorlägen, auch neu begründet werden. In einem Schreiben des Reichsarbeitsministers vom 25. Februar 1945 an das Oberversicherungsamt Dortmund (AN 1944 S. 62) wird unter b) ausgeführt: Die Verordnung über die Krankenversicherung der Rentner gebe den Rentnern einen Versicherungsschutz, der neben dem Versicherungsschutz aus einer freiwilligen Versicherung bestehe, die der Rentner etwa über den Zeitpunkt des Beginns seiner allgemeinen Rentnerkrankenversicherung hinaus beibehalten oder im Anschluß an das Ausscheiden aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach § 14 der Verordnung vom 4. November 1941 in Verbindung mit § 313 RVO neu begründet habe.
Die §§ 14 und 15 der Verordnung vom 4. November 1941, die in bestimmten Fällen das Bestehen beider Versicherungen ausschließen, sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Daher bestehen beide Versicherungen nebeneinander, und zwar die freiwillige bei der Beklagten und die Pflichtmitgliedschaft bei der knappschaftlichen Rentnerkrankenversicherung der Ruhr-Knappschaft.
Dies hat zur Folge, daß die Beigeladene auch den Beitrag zu ihrer freiwilligen Versicherung an die beklagte Krankenkasse zu entrichten hat. Es kann nun dahinstehen, ob, wie die Klägerin meint, ihre Verpflichtung zur Zahlung eines Beitragszuschusses deshalb weggefallen ist, weil nunmehr ein Krankenversicherungsschutz durch die Pflichtversicherung als Rentnerin begründet worden ist und eine doppelte Belastung des Rentenversicherungsträgers mit Beiträgen bzw. Zuschüssen zu diesem nicht stattfinden darf. Selbst wenn dieser Auffassung beizupflichten wäre, hätte die Klägerin keinen Anspruch auf Rückzahlung der Beitragszuschüsse gegen die Beklagte. Denn diese hätte in jedem Fall nur das bekommen, was ihr zustand, nämlich die Beiträge der Beigeladenen zu deren freiwilligen Versicherung. Die Beklagte wäre also nicht ungerechtfertigt bereichert. Ohne rechtlichen Grund hätte allenfalls die Beigeladene etwas auf Kosten der Klägerin empfangen, weil sie insoweit, als die Klägerin Beitragszuschüsse an die Beklagte geleistet hat, von ihrer eigenen Verpflichtung zur Beitragszahlung befreit worden ist. In derartigen Fällen besteht aber nur ein Anspruch der Klägerin gegen die Beigeladene (vgl. RGZ 60, 29).
Es muß daher unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen