Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Dauersenat des Landessozialgerichts muß im Geschäftsverteilungsplan für die Stelle des ordentlichen Vorsitzenden der Präsident oder ein Senatspräsident vorgesehen werden. Wird in einem Präsidialbeschluß über die Geschäftsverteilung die Stelle des ordentlichen Vorsitzenden nur namenlos aufgeführt, verstößt der Geschäftsverteilungsplan insoweit gegen SGG § 34 Abs 1 S 1, ohne daß noch zu prüfen ist, ob dies ein dauernder oder vorübergehender Zustand war. Ein Dauersenat, für den im Geschäftsverteilungsplan ein ordentlicher Vorsitzender im Sinne dieser Vorschrift nicht vorgesehen wird, ist daher nicht vorschriftsmäßig besetzt.

2. Die Gesetzmäßigkeit der Aufstellung und Abänderung des Geschäftsverteilungsplans unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die unbedingten Revisionsgründe des ZPO § 551 gelten über SGG § 202 auch im Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit.

 

Normenkette

SGG § 25 Fassung: 1953-09-03, § 34 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1953-09-03, § 162 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03, § 202 Fassung: 1953-09-03; GVG § 66 Fassung: 1950-09-12; GG Art. 101 Fassung: 1949-05-23; SGG § 36 Fassung: 1953-09-03; GVG § 62 Fassung: 1950-09-12

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. März 1957 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der ... 1900 geborene Kläger - von Beruf Schlosser - ist Flüchtling aus Schlesien; er war dort Eigentümer einer kleinen Landwirtschaft mit einem Einheitswert von 5000 RM. Durch Bescheid vom 6. Juni 1953 lehnte das Versorgungsamt (VersorgA.) Münster seinen Antrag auf Gewährung einer Elternrente nach seinem ... 1944 gefallenen Sohn H ab, weil es unwahrscheinlich sei, daß dieser Sohn der Ernährer seiner Eltern geworden wäre. Der Einspruch gegen den Bescheid wurde durch Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 2. Oktober 1953 zurückgewiesen.

Das Sozialgericht (SG.) Münster hat durch Urteil vom 17. Januar 1955 den Bescheid vom 6. Juni 1953 und die Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 2. Oktober 1953 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger vom 1. November 1953 an eine Elternrente in Höhe von 45 DM monatlich nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu gewähren. Da H als ältester Sohn - wenn die Vertreibung aus Schlesien nicht stattgefunden hätte - später das elterliche Anwesen übernommen hätte, sei auch anzunehmen, daß er im Falle seiner Rückkehr aus dem Kriege seine Eltern unterstützt hätte. Der noch lebende Sohn M sei bis zu seinem Eintritt in den Grenzschutz auf Grund seines Einkommens in der Lage gewesen, den Kläger zu unterhalten. Erst von diesem Zeitpunkt an habe der Kläger Anspruch auf eine Teilelternrente, weil der Sohn M ihn nur noch mit 50 DM monatlich unterstützen könne.

Durch Urteil vom 27. März 1957, das unter dem Vorsitz des Landessozialgerichtsrats Dr. W ergangen ist, hat das Landessozialgericht (LSG.) Nordrhein-Westfalen auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG. Münster abgeändert und die Klage abgewiesen. Das LSG. hat die Revision nicht zugelassen. In den Entscheidungsgründen wird insbesondere ausgeführt: Der gefallene Sohn H sei zu seinen Lebzeiten nicht etwa dadurch Ernährer seiner Eltern geworden, daß er neben seiner beruflichen Arbeit noch in der elterlichen Landwirtschaft geholfen habe. Er wäre auch im Falle seiner Rückkehr nicht Ernährer des Klägers geworden, da er nach den tatsächlichen Verhältnissen nicht mehr als die Hälfte der Kosten des Lebensunterhalts hätte tragen können. Jedenfalls hätte er in seinem erlernten Beruf als Weber nicht so viel verdient, daß er einen Betrag von monatlich etwa 85 DM, der zum Unterhalt des Klägers aus Mitteln des Lastenausgleichs zur Verfügung stehe, hätte leisten können.

Gegen dieses am 10. Mai 1957 zugestellte Urteil des LSG. hat der Kläger mit Schriftsatz vom 18. Mai 1957, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG.) am 21. Mai 1957, Revision eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Er beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückzuverweisen.

Mit der Revision macht der Kläger als wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des VIII Senats des LSG. Nordrhein-Westfalen, der das angefochtene Urteil erlassen hat, geltend. Er rügt eine Verletzung der §§ 34 Abs. 1, 36 in Verbindung mit den §§ 25 Abs. 2, 202 SGG sowie der §§ 62, 66, 117 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG). Der ordentliche Vorsitzende des VIII. Senats sei Senatspräsident Dr. P gewesen, der schon im Spätherbst 1955 schwer erkrankt und am 1. Oktober 1956 in den Ruhestand versetzt worden sei. Seit Spätherbst 1955 habe Landessozialgerichtsrat Dr. W in diesem Senat den Vorsitz geführt. Die vorschriftswidrige Besetzung des VIII. Senats sei darin zu erblicken, daß die Vertretung des Senatspräsidenten Dr. P nicht nur eine vorübergehende gewesen, sondern zu einer Dauereinrichtung geworden sei. Zwar möge es sich bei der Erkrankung des Senatspräsidenten zunächst um eine Verhinderung vorübergehender Art gehandelt haben. Die verfassungsmäßigen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Durchführung der Rechtsprechung seien jedoch nicht mehr gewährleistet, wenn der Vorsitz in einem Senat des LSG. entgegen der Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 SGG längere Zeit hindurch nicht von einem Senatspräsidenten geführt werde. Der Zustand, daß ein Landessozialgerichtsrat in dem VIII. Senat des LSG. den ordentlichen Vorsitzenden vertrete, habe bei Erlaß des angefochtenen Urteils am 27. März 1957 schon etwa eineinhalb Jahre bestanden; er sei auch nach dem am 1. Oktober 1956 erfolgten Ausscheiden des ordentlichen Vorsitzenden wegen Versetzung in den Ruhestand nicht geändert worden. Das Ausscheiden des Senatspräsidenten Dr. P sei ohne weiteres voraussehbar gewesen. Die Verwaltung hätte daher diesem Umstand rechtzeitig Rechnung tragen müssen; auch das Präsidium des LSG. hätte im Hinblick auf die §§ 25 Abs. 2, 36 SGG den Geschäftsverteilungsplan nach dem Ausscheiden ändern müssen. Jedenfalls aber hätte in den Geschäftsverteilungsplan für das Kalenderjahr 1957 kein Vertreter für den ordentlichen Vorsitzenden des VIII. Senats bestellt werden dürfen, da eine solche Bestellung die Verhinderung des ordentlichen Vorsitzenden zur Voraussetzung habe, die wiederum davon abhänge, daß dieser überhaupt vorhanden sei.

Der Beklagte hat weder einen Antrag gestellt noch sachlich zu dem Vorbringen des Klägers Stellung genommen.

Der Senat hat eine dienstliche Äußerung des Präsidenten des LSG. Nordrhein-Westfalen eingeholt. Danach hat der für das Kalenderjahr 1955 zum Vorsitzenden des II. Senats bestellte Senatspräsident Dr. P mit Gesuch vom 19. Dezember 1955 seine Versetzung in den Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen beantragt. Durch den Geschäftsverteilungsplan für das Kalenderjahr 1956 ist ihm der Vorsitz im VIII. Senat übertragen worden. Die Urkunde über die Versetzung in den Ruhestand vom 23. Mai 1956 ist ihm am 11. Juni 1956 ausgehändigt worden; der Eintritt in den Ruhestand ist nach dem Landesbeamtengesetz von Nordrhein-Westfalen mit Ablauf des Monats September 1956 erfolgt. In seiner Äußerung führt der Präsident des LSG. Nordrhein-Westfalen aus, daß die Planstelle des Vorsitzenden des VIII. Senats von Senatspräsident Dr. P bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand besetzt gewesen sei. Bis zu diesem Zeitpunkt habe es sich daher bei der Führung des Vorsitzes durch Landessozialgerichtsrat Dr. W um eine echte geschäftsplanmäßige Vertretung im Sinne des § 34 SGG gehandelt. Bei der Verteilung der Geschäfte für das Kalenderjahr 1957 sei die Stelle des Vorsitzenden des VIII. Senats nicht besetzt und die bisherige Vertretungsregelung beibehalten worden. weil die Ernennung von drei weiteren Senatspräsidenten zu erwarten gewesen sei, nachdem für das Rechnungsjahr 1956 zwei weitere Präsidentenstellen bewilligt worden seien. Die Ernennung von zunächst zwei Landessozialgerichtsräten zu Senatspräsidenten habe die Landesregierung jedoch erst Ende Mai 1957 ausgesprochen. Mit Wirkung vom 1. Juli 1957 sei dann der Vorsitz im VIII. Senat dem neuernannten Senatspräsidenten Dr. H übertragen worden.

Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist - da vom LSG. nicht zugelassen - im vorliegenden Falle, in dem die Gewährung einer Elternrente streitig ist, nur statthaft, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG) und auch vorliegt (BSG. 1 S. 150).

Der Kläger rügt eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des VIII. Senats des LSG. Nordrhein-Westfalen, da Landessozialgerichtsrat Dr. W in der mündlichen Verhandlung am 27. März 1957 den Vorsitz geführt habe und dadurch die Vorschrift des § 34 Abs. 1 SGG verletzt worden sei. Nach den vom Senat eingeholten dienstlichen Äußerungen des Präsidenten des LSG. vom 14. Juli und 1. August 1958 hat der im Geschäftsverteilungsplan für das Kalenderjahr 1956 bestellte ordentliche Vorsitzende des VIII. Senats des LSG., Senatspräsident Dr. P, in diesem Jahr den Vorsitz überhaupt nicht geführt, weil er bereits am 22. November 1955 schwer erkrankte; mit Ablauf des Monats September 1956 ist er in den Ruhestand versetzt worden. Da die Ernennung eines neuen Senatspräsidenten sich verzögerte, hat das Präsidium des LSG. in dem Geschäftsverteilungsplan für das Kalenderjahr 1957 vom 18. Dezember 1956 die Stelle des ordentlichen Vorsitzenden für den VIII. Senat zunächst nicht besetzt. Erst mit Wirkung vom 1. Juli 1957 ist durch eine Änderung des Geschäftsverteilungsplans der Vorsitz im VIII. Senat dem Senatspräsidenten Dr. H übertragen worden. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der im Geschäftsverteilungsplan für das Kalenderjahr 1957 zum Vertreter des ordentlichen Vorsitzenden bestellte Landessozialgerichtsrat Dr. W den Vorsitz geführt.

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGG führt den Vorsitz im Senat der Präsident oder ein Senatspräsident. Nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift soll die Führung der Senate eines LSG. ebenso wie in der ordentlichen Gerichtsbarkeit (vgl. § 117 in Verbindung mit § 62 GVG) Richtern anvertraut werden, die vermöge ihrer besonderen Auswahl die Güte und Einheitlichkeit der Rechtsprechung durch den Senat, dem sie vorsitzen, im besonderen Maße gewährleisten. Bei Verhinderung des ordentlichen Vorsitzenden führt nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGG den Vorsitz der vom Präsidium vor Beginn des Geschäftsjahres zum Vertreter bestellte Berufsrichter. Als Verhinderung im Sinne dieser Vorschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts zu der entsprechenden Vorschrift des § 66 GVG jede tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit zu verstehen, in der gegebenenfalls erforderlichen Weise tätig zu werden. Hierzu gehört daher nicht nur eine Verhinderung durch Krankheit oder Urlaub, sondern u. a. auch die Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden im Falle seines Ausscheidens aus dem Gericht infolge Versetzung in den Ruhestand (RGSt. 62 S. 273; RG. in Leipziger Zeitschrift 1915 S. 135 Nr. 15). Der Umstand, daß Senatspräsident Dr. P mit Ablauf des Monats September 1956 in den Ruhestand versetzt worden ist, steht also grundsätzlich der Anwendung des § 34 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht entgegen. Für seine Vertretung im Kalenderjahr 1956 wäre daher zu prüfen, ob es sich nach dem Sachverhalt nur um eine vorübergehende Vertretung im Sinne der vom Reichsgericht und dem Bundesgerichtshof entwickelten Rechtsprechung zu § 66 GVG (hier § 34 Abs. 1 Satz 2 SGG) gehandelt hat, die zulässig wäre, oder ob eine unzulässige dauernde Verhinderung des ordentlichen Vorsitzenden im Kalenderjahr 1956 vorgelegen hat (vgl. hierzu RGZ. 115 S. 157, 119 S. 280, 126 S. 245, 127 S. 100, 132 S. 301; RGSt. 18 S. 9, 54 S. 298, 55 S. 201 und 236, 56 S. 157, 62 S. 273 und 366, 64 S. 6; RG. in JW. 1928 S. 1302, 1932 S. 2888; BGHSt. 2 S. 71, 8 S. 17; BGHZ. 9 S. 291, 10 S. 130, 16 S. 254). Im vorliegenden Falle kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Vertretung des in den Ruhestand versetzten Senatspräsidenten Dr. P durch Landessozialgerichtsrat Dr. W im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 2 SGG erfolgt ist; denn diese Vorschrift kann auf die Vertretung im Kalenderjahr 1957 keine Anwendung finden.

Maßgebend für die Frage der vorschriftsmäßigen Besetzung eines Senats ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergangen ist (BGHZ. 10 S. 130 (132)); das ist hier der 27. März 1957. In diesem Zeitpunkt war aber der VIII. Senat des LSG. Nordrhein-Westfalen unter dem Vorsitz des Landessozialgerichtsrats Dr. W nicht vorschriftsmäßig besetzt. § 34 Abs. 1 Satz 2 SGG geht von einer Verhinderung des "ordentlichen Vorsitzenden" aus, setzt also voraus, daß ein ordentlicher Vorsitzender nach dem Geschäftsverteilungsplan überhaupt vorgesehen ist. Nach § 36 in Verbindung mit § 25 SGG verteilt das Präsidium vor Beginn des Geschäftsjahres auf dessen Dauer die Senate auf die bei dem Gericht vorhandenen Vorsitzenden. Bei den Dauersenaten kann der Vorsitz nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGG nur von dem Präsidenten und den Senatspräsidenten geführt werden. Es müssen daher in dem Geschäftsverteilungsplan des LSG. für ein neues Kalenderjahr in sämtlichen Dauersenaten (anders bei den Zeitsenaten nach § 210 SGG) als Vorsitzende der Präsident oder ein Senatspräsident vorgesehen werden. Dies ist im vorliegenden Falle nicht geschehen; denn der VIII. Senat des LSG. Nordrhein-Westfalen war im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 27. März 1957 nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Kalenderjahr 1957 mit keinem Senatspräsidenten als ordentlichen Vorsitzenden besetzt. Vielmehr ist seine Stelle in dem Präsidialbeschluß vom 18. Dezember 1956 nur namenlos aufgeführt. Damit kann von einer Verhinderung des gar nicht vorgesehenen ordentlichen Vorsitzenden im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 2 SGG keine Rede sein; der Geschäftsverteilungsplan für das Kalenderjahr 1957 verstößt insoweit gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 SGG, ohne daß noch zu prüfen ist, ob dies ein dauernder oder ein vorübergehender Zustand war (so auch Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, Anm. B II zu § 62 GVG mit einem Hinweis auf ein nicht veröffentlichtes Urteil des RG. vom 7.7.1930 - Az. IV 92/30 -; ferner Schorn "Die Präsidialverfassung der Gerichte aller Rechtswege" S. 92 und 99; vgl. hierzu auch BGHZ. 9 S. 291 (293 unten), 10 S. 130 (133), 15 S. 135 (138)). Die Gesetzmäßigkeit der Aufstellung und Abänderung des Geschäftsverteilungsplans unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (RGSt. 37 S. 59, 38 S. 416; BGHSt. 3 S. 353 (354); Schorn, a. a. O. S. 120 und 150); denn die dem Präsidium die Entscheidung über die Bildung und Besetzung der Senate übertragenden Vorschriften der §§ 25, 36 SGG haben nicht nur die Bedeutung von Ordnungsvorschriften, die lediglich innere Angelegenheiten der Gerichte regeln. Vielmehr handelt es sich hierbei um ein gesetzliches Gebot, dessen Befolgung als unbedingt wesentlich für den rechtlichen Bestand der nach Maßgabe der Vorschriften über die Gerichtsverfassung von den Gerichten auszuübenden richterlichen Tätigkeit gewollt ist (RGSt. 37 S. 59 (60/61)). Das Präsidium eines LSG. muß daher den § 34 Abs. 1 Satz 1 SGG bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans beachten. Soweit hiergegen verstoßen wird, ist der Geschäftsverteilungsplan gesetzwidrig und ein Senat, für den ein ordentlicher Vorsitzender im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 SGG - wie im vorliegenden Falle - nicht bestellt worden ist, nicht vorschriftsmäßig besetzt.

Die Revision des Klägers ist hiernach wegen Vorliegens eines wesentlichen Verfahrensmangels im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft; sie ist auch begründet. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG. (BSG. 3 S. 180 (185), 4 S. 281 (287), 5 S. 176 (177)) gelten über § 202 SGG die unbedingten Revisionsgründe des § 551 Zivilprozeßordnung - ZPO - (hier § 551 Nr. 1) auch im Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, da das SGG insoweit keine Vorschriften enthält und die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten die entsprechende Anwendung des § 551 ZPO nicht ausschließen. Das Urteil des LSG. beruht daher im Sinne des § 162 Abs. 2 SGG auf dem festgestellten Verfahrensmangel. Der Senat kann in der Sache selbst nicht entscheiden, da für die Beurteilung des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Elternrente keine tatsächlichen Feststellungen vorhanden sind, die durch ein ordnungsgemäß besetztes Berufungsgericht getroffen worden sind. Das angefochtene Urteil mußte daher aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.

 

Fundstellen

BSGE, 153

NJW 1959, 910

MDR 1959, 433

DVBl. 1960, 865

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