Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Ermittlung des Wertes der eigenen Arbeitsleistung sind nach Wortlaut, Sinn und Zweck des DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 6 Abs 2 S 3 diejenigen Verdienste zu berücksichtigen, die einem Arbeitnehmer in vergleichbarer Stellung in den letzten 3 Jahren vor der Schädigung zugestanden hätten.
2. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck des DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 6 Abs 2 S 3 sind diejenigen Verdienste zu berücksichtigen, die in dem maßgebenden Zeitraum zugestanden hätten.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 4 DV § 6 Abs. 2 S. 3 Fassung: 1964-07-30, § 40a Abs. 2 Fassung: 1964-02-21, § 30 Abs. 3 DV § 6 Abs. 2 S. 3 Fassung: 1964-07-30
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Januar 1967 aufgehoben, soweit es die Anschlußberufung der Klägerin betrifft, und die Sache insoweit zu erneuter Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
Der Ehemann der Klägerin ist im Jahre 1942 an den Folgen einer Wehrdienstbeschädigung verstorben. Er war selbständiger Schreinermeister und Inhaber eines Möbelgeschäfts. Der Klägerin wurde mit Bescheid vom 14. April 1965 ein Schadensausgleich gemäß § 40 a des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) gewährt. Dabei wurde das Vergleichseinkommen ihres Ehemannes gemäß § 5 der Verordnung zur Durchführung (DVO) des § 30 Abs. 3 und 4 BVG nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 9 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) festgesetzt. Der Widerspruch, mit dem die Klägerin eine höhere Einstufung begehrte, weil ihr Ehemann nach Angaben der Schreinerinnung heute ein weit höheres Einkommen erzielen würde (1.000 bis 3.000 DM monatlich), hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 1965). Das Sozialgericht (SG) legte in seinem Urteil vom 14. Dezember 1965 der Berechnung des Schadensausgleichs gemäß § 6 Abs. 2 DVO die Besoldungsgruppe A 11 des BBesG zugrunde, lehnte aber die begehrte Einstufung nach A 16 ab. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 27. Januar 1967 die Berufung des Beklagten und die Anschlußberufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 DVO bejaht. Nach den steuerpflichtigen Einkünften des Ehemanns in den letzten drei Jahren vor der Einberufung zum Wehrdienst (6.390 RM für 1938, 10.342 RM für 1939 und 8.737 RM für 1940) ergebe sich ein monatliches Durchschnittseinkommen von 707 RM, das damals dem Gehalt eines Reichsbeamten der Besoldungsgruppe A 2 c 1 in Höhe von 695 RM - nach Abzug der vom SG nicht berücksichtigten Gehaltskürzungen und zuzüglich des Wohnungsgeldes - entsprochen habe und jetzt demjenigen der Besoldungsgruppe A 13 des BBesG (vgl. BVBl 1961, 129) entspreche. Der vor Eintritt der Schädigung erreichten beruflichen Stellung des Ehemannes der Klägerin trage die Berechnung des Durchschnittseinkommens nach Besoldungsgruppe A 9 des BBesG gemäß § 5 DVO somit nicht genügend Rechnung, so daß § 6 DVO anzuwenden sei. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift dürfe jedoch nur der auf die eigene Tätigkeit des Beschädigten zurückzuführende Anteil am Gewinn entsprechend dem Wert der eigenen Arbeitsleistung zugrunde gelegt werden, die nach dem Arbeitsentgelt eines Arbeitnehmers in vergleichbarer Stellung, entsprechend dem vom Statistischen Bundesamt ermittelten Durchschnittseinkommen der verschiedenen Berufssparten, zu bemessen sei. Für den Vergleich kämen die für Angestellte in Industrie und Handel ermittelten Gehälter in Betracht. Die Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin, der nur die Volksschule besucht und einen mittelgroßen Schreinerbetrieb mit Erfolg geführt habe, könne nach seinen Lebensverhältnissen, seiner Vorbildung, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten am ehesten mit derjenigen eines Angestellten der Leistungsgruppe II verglichen werden, die vor allem kaufmännische und technische Angestellte mit besonderen Erfahrungen und selbständigen Leistungen in verantwortlicher Tätigkeit mit eingeschränkter Dispositionsbefugnis, die Angestellte anderer Tätigkeitsgruppen einzusetzen und verantwortlich zu unterweisen haben, sowie Angestellte mit umfassenden kaufmännischen oder technischen Kenntnissen erfasse. Da seine Tätigkeit jedoch teils technischer, teils kaufmännischer Art gewesen sei, müßten die Durchschnittsverdienste der kaufmännischen und technischen Angestellten zugrunde gelegt werden, die im April 1964 für kaufmännische Angestellte 1.242 DM und für technische Angestellte 1.340 DM betragen hätten. Daraus ergebe sich ein Durchschnittseinkommen von 1.291 DM, das den in der Zeit von Januar bis September 1964 maßgeblichen Bezügen eines Beamten der Besoldungsgruppe A 11 des BBesG in Höhe von 1.387 DM (Grundgehalt einschließlich des Ortszuschlages) näher gelegen habe, so daß diese Besoldungsgruppe angemessen erscheine.
Unbegründet sei dagegen die Anschlußberufung der Klägerin, mit der sie die Einstufung nach Besoldungsgruppe A 16 des BBesG begehre. Diesem Anspruch seien Bescheinigungen über Einkünfte zugrunde gelegt, die der Ehemann der Klägerin heute in Höhe von mindestens 3.000 DM monatlich erzielen würde. Die Sonderregelung des § 6 DVO berücksichtige aber nur den vor der Schädigung erreichten Berufserfolg. Das LSG hat die Revision zugelassen, weil es der Frage, ob die Regelung in § 6 DVO mit der gesetzlichen Ermächtigung in § 30 Abs. 7 BVG in Einklang steht, grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 23. März 1967, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 29. März 1967, Revision eingelegt.
Sie beantragt
in Abänderung des angefochtenen Urteils, des Urteils des SG Trier vom 14. Dezember 1965 sowie des Bescheides vom 14. April 1965 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 1965 den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin vom 1. Januar 1964 an Schadensausgleich unter Zugrundelegung des Durchschnittseinkommens eines selbständigen Schreinermeisters entsprechend der Besoldungsgruppe A 16 des BBesG einschließlich des Ortszuschlages nach Stufe 2 der Ortsklasse A zu gewähren;
hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung und Verhandlung an das LSG Rheinland-Pfalz zurückzuverweisen.
In der Revisionsbegründung rügt die Klägerin vor allem eine unrichtige Anwendung der §§ 40 a Abs. 2 und 4, 30 Abs. 4 und 7 Buchst. a BVG idF des 2. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts sowie des § 6 der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG idF vom 30. Juli 1964. Sie bringt vor, das Einkommen ihres Ehemannes als selbständiger Handwerksmeister und Inhaber eines Möbelgeschäfts habe nach den Angaben der Schreinerinnung Trier vom 23. November 1960 1.000 bis 1.200 RM betragen. Dieser beruflichen Stellung sei durch die Einstufung nach Besoldungsgruppe A 11 des BBesG gemäß § 6 DVO jedoch nicht genügend Rechnung getragen worden. Nach dieser Vorschrift müsse das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe berücksichtigt werden, welcher der Ehemann der Klägerin nach seinen Verhältnissen, seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten wahrscheinlich angehört hätte. Die Beschränkung des § 6 DVO auf den vor der Schädigung erreichten Berufserfolg widerspreche dem Gesetz und der Ermächtigung nach § 30 Abs. 7 Buchst. a BVG, die mit den Worten "in welcher Weise" nur eine Regelung des Verfahrens für die Heranziehung der in Betracht kommenden Vergleichsgrundlage, jedoch keine den §§ 40 a Abs. 2, 30 Abs. 4 BVG entgegenstehende Handhabung zulasse. Im Rahmen des § 6 DVO müsse das heutige Durchschnittseinkommen eines selbständigen Schreinermeisters zugrunde gelegt werden, das die Einstufung nach Besoldungsgruppe A 16 des BBesG rechtfertige.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Revision ist daher zulässig (§§ 164, 166 SGG); sie ist auch begründet. Hat der Beschädigte in dem vor der Schädigung ausgeübten Beruf eine durch die Einstufung nach den §§ 3 und 4 DVO nicht ausreichend berücksichtigte Stellung erreicht, so ist nach § 6 Abs. 1 DVO in der hier maßgebenden Fassung vom 30. Juli 1964 als Durchschnittseinkommen das Endgrundgehalt einer dieser Stellung angemessenen Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsgruppe A des BBesG einschließlich des Ortszuschlages nach Stufe 2 der Ortsklasse A zugrunde zu legen; nach Abs. 2 findet diese Regelung auf selbständig Tätige im Sinne des § 5 DVO entsprechende Anwendung. Für die Ermittlung der angemessenen Besoldungsgruppe ist in diesem Falle der nachgewiesene durchschnittliche Gewinn aus Gewerbe oder selbständiger Arbeit in den letzten drei Jahren vor Eintritt der Schädigung oder der sonst in dieser Bestimmung genannten Ereignisse maßgebend, soweit er auf die eigene Arbeitsleistung zurückzuführen ist, deren Wert nach dem Arbeitsentgelt zu ermitteln ist, das einem Arbeitnehmer in vergleichbarer Stellung zu zahlen gewesen wäre (§ 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 DVO).
Zutreffend ist das LSG demgemäß bei der Ermittlung des Einkommens des Ehemannes der Klägerin von dem durch Unterlagen des Finanzamtes in den Jahren 1938, 1939 und 1940 nachgewiesenen Gewinn aus Gewerbe und selbständiger Arbeit ausgegangen. Mit Recht hat es in diesem Rahmen eine Berücksichtigung der Einkünfte, die nach den vorgelegten Bescheinigungen, insbesondere derjenigen der Schreinerinnung Trier, heute erzielt würden, nach § 6 Abs. 2 Satz 2 DVO nicht für zulässig gehalten. Der § 6 DVO erlaubt eine höhere Einstufung in besonderen Fällen nur dann, wenn schon vor der Schädigung eine höhere Stellung oder ein entsprechend höherer Gewinn erreicht war, der die Einstufung nach den §§ 3 bis 5 DVO nicht genügend Rechnung trägt.
Wie das BSG wiederholt entschieden hat, verstößt die Berücksichtigung nur des vor der Schädigung erreichten Berufserfolges weder gegen Vorschriften des BVG noch gegen die Ermächtigung nach § 30 Abs. 7 BVG (vgl. BSG in SozR DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG § 6 Nr. 1). Bei Anwendung des § 6 DVO durfte das LSG daher nur von den nachweislich vor der Schädigung aus Gewerbe und selbständiger Tätigkeit erzielten Einkünften ausgehen, aber nicht von denen, die nach den vorgelegten Bescheinigungen heute zu erzielen wären.
Bei der Ermittlung des Wertes der eigenen Arbeitsleistung gemäß § 6 Abs. 2 Satz 3 DVO hat das LSG die Stellung des Ehemannes der Klägerin entsprechend seinen Lebensverhältnissen, seiner Vorbildung, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten unter Beachtung der mit der Führung seines Betriebes verbundenen Anforderungen auch zutreffend mit derjenigen eines Angestellten der gewerblichen Wirtschaft der Leistungsgruppe II verglichen und wegen der aus technischen und kaufmännischen Aufgaben zusammengesetzten Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin zum Vergleich das Arbeitsentgelt in Höhe des arithmetischen Mittels der Verdienste eines technischen und kaufmännischen Angestellten der Leistungsgruppe II herangezogen. Zu Unrecht hat es seinem Vergleich aber die Bruttoverdienste zugrunde gelegt, die solchen Angestellten im April 1964 zu zahlen gewesen wären. Dieser Verstoß ist in der Revisionsbegründung zwar nicht erwähnt; gleichwohl mußte sich die Nachprüfung des erkennenden Senats auch darauf erstrecken, da das mit einer zugelassenen Revision angefochtene Urteil in vollem Umfange materiell-rechtlich nachzuprüfen ist. Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 DVO ist für die Einstufung in eine höhere Besoldungsgruppe allein der in den letzten drei Jahren vor Eintritt der Schädigung oder der sonst in dieser Vorschrift genannten Ereignisse aus Gewerbe oder selbständiger Arbeit nachweislich erzielte Gewinn maßgebend, soweit er auf die eigene Arbeitsleistung zurückzuführen ist, deren Wert an dem Arbeitsentgelt eines Arbeitnehmers in vergleichbarer Stellung gemessen wird. Grundlage für eine höhere Einstufung ist demnach stets nur der bereits vor der Schädigung erzielte Gewinn und dieser nur in Höhe des Anteils, der auf der eigenen Arbeitsleistung des Beschädigten beruht und nach dem Arbeitsentgelt eines Arbeitnehmers in vergleichbarer Stellung bewertet wird. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, die höhere Einstufung gemäß § 6 DVO wie bei den unselbständig beschäftigten Personen in der privaten Wirtschaft und im öffentlichen Dienst so auch bei selbständig Tätigen nur nach dem Maße des durch eigene Arbeitsleistung erbrachten Einkommens zuzulassen. Unterschieden wird zwischen dem Ertrag der eigenen Arbeitsleistung des Beschädigten und dem durch andere Mittel, insbesondere durch den Einsatz von Kapital erzielten Ertrag. Zu ermitteln ist der Wert der eigenen Arbeitsleistung, der in dem gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 DVO allein zu berücksichtigenden durchschnittlichen Gewinn aus Gewerbe oder selbständiger Arbeit in den letzten drei Jahren vor der Schädigung enthalten ist. Der Ermittlung des im Wert der eigenen Arbeitsleistung ausgedrückten Anteils an diesem Gewinn kann daher nur der gleiche Zeitraum zugrunde gelegt werden, der für den Nachweis des Gewinnes aus Gewerbe oder selbständiger Arbeit maßgebend ist. Zum Vergleich kann daher nur das Arbeitsentgelt herangezogen werden, das im gleichen Zeitraum einem Arbeitnehmer in vergleichbarer Stellung zu zahlen gewesen wäre. Nur dieses kann nach Wortlaut, Sinn und Zweck des § 6 Abs. 2 Satz 3 DVO als Grundlage für die Bewertung der eigenen Arbeitsleistung in dem nach § 6 DVO für die Feststellung der angemessenen Besoldungsgruppe allein maßgeblichen Zeitraum dienen. Der Bewertung der in diesem Zeitraum erbrachten eigenen Arbeitsleistung und des hierauf zurückzuführenden Anteils am Gewinn hätte das LSG sonach die Verdienste zugrunde legen müssen, die einem Arbeitnehmer in vergleichbarer Stellung in diesem Zeitraum und nicht im Jahre 1964 zugestanden hätten.
Bei der Entscheidung über die Anschlußberufung hat das LSG § 6 DVO somit nicht richtig angewandt. Die Revision der Klägerin ist daher begründet. Das Urteil über die Anschlußberufung war daher aufzuheben. Da Feststellungen über das Arbeitsentgelt, das einem Arbeitnehmer in einer der Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin vergleichbaren Stellung in dem nach § 6 Abs. 2 DVO maßgeblichen Zeitraum zu zahlen gewesen wäre, fehlen und entsprechende Feststellungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats möglicherweise zu einer anderen Beurteilung führen, mußte die Sache zur erneuten Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.
Fundstellen