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BSG Urteil vom 19.03.1986 - 9a RVi 4/84

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs zwischen Pockenschutzimpfung, Impfschaden und Dauerleiden. Beweiswert von Gutachten

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob ein Hirnleiden nach nicht unüblich verlaufener Impfung als "gesundheitliche Folge eines Impfschadens" anerkannt werden kann.

Orientierungssatz

Ein Gutachten, auf das eine Gerichtsentscheidung gestützt wird, muß medizinischen Erfahrungen in gleichen oder ähnlichen Fällen entsprechen, darauf den Sachverhalt des zu beurteilenden Einzelfalles beziehen und Abweichungen von allgemeinen Lehren mit nachprüfbaren medizinischen Erkenntnissen begründen. Anderenfalls ist es als Entscheidungsgrundlage nicht geeignet.

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Impfopferversorgung müssen wie für die Kriegsopferversorgung die schädigende Einwirkung (Impfung), die gesundheitliche Schädigung (unübliche Impfreaktion, Impfschaden) und die Schädigungsfolge (Dauerleiden) nachgewiesen und nicht nur wahrscheinlich sein. Nur wahrscheinlich zu sein braucht der Zusammenhang zwischen der Impfung, dem Impfschaden und dem Leiden.

2. Ohne eine gesundheitliche Schädigung, die über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehen muß, ist die Anerkennung eines Dauerleidens als Folge eines Impfschadens nicht erlaubt. Das gilt auch dann, wenn außer der Impfung eine bestimmte Ursache für den Dauerschaden nicht gefunden werden kann.

3. Es reicht nicht aus, wenn - wie im vorliegenden Fall - die geforderte Gesundheitsschädigung in einer durch die Impfung verursachten Encephalopathie gesehen wird, die blande, also ohne deutliche Symptome, verlaufen sei, weil andere Ursachen für den Hirnschaden auszuschließen seien.

Normenkette

BSeuchG § 52 Abs. 1 S. 1; BSeuchG § 52 Abs. 2 S. 1; BSeuchG § 51 Abs. 1 S. 1

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 03.12.1979; Aktenzeichen S 12 Vi 104/74)

Hessisches LSG (Entscheidung vom 09.08.1984; Aktenzeichen L 5 Vi 208/80)

Tatbestand

Die am 4. Oktober 1958 geborene Klägerin begehrt Versorgung nach dem Bundes-Seuchengesetz (BSeuchG) wegen eines Hirnschadens, den sie auf ihre Pockenschutzimpfung vom 11. Dezember 1959 zurückführt. Der Regierungspräsident in Darmstadt lehnte mit Bescheid vom 16. April 1969 eine Anerkennung des Hirnschadens als Impfschaden ab, weil ihm eine Ahorn-Sirup-Stoffwechselkrankheit zugrundeliege. Wiederholt an das Versorgungsamt gerichtete Anträge vom Oktober 1971 wurden zurückgewiesen (Bescheide vom 5. Oktober 1971 und 30. Januar 1974, Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 1974). Das Sozialgericht (SG) hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen (Urteil vom 3. Dezember 1979). Das Landessozialgericht (LSG) hat nach Einholung eines weiteren Gutachtens der Berufung stattgegeben (Urteil vom 9. August 1984). Es hat den Bescheid vom 16. April 1969 als unrichtig beurteilt, weil in ihm eine angeborene Krankheit angenommen worden sei, die bei der Klägerin nicht bestehe. Eine Zugunstenentscheidung sei deshalb geboten; die Hirnschädigung mit Schwachsinn bei Verhaltensauffälligkeiten und cerebralen Bewegungsstörungen sei wahrscheinlich durch die Impfung verursacht worden (§§ 51 und 52 BSeuchG). Dies ergebe sich aus den Gutachten der Professoren S. und S. Das Leiden sei weder auf eine neurologische Abbauerkrankung noch auf eine bis heute ungeklärte Stoffwechselkrankheit noch auf eine toxisch-infektiöse Erkrankung innerhalb der ersten zweieinhalb Jahre zurückzuführen, sondern auf eine blande verlaufene Encephalopathie, die erst ab der zweiten bis sechsten Woche nach der Impfung mit auffälligem Verhalten verbunden gewesen sei.

Der Beklagte rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision eine Verkennung des Wahrscheinlichkeitsbegriffes und verschiedene Verfahrensfehler, insbesondere eine unzureichende Begründung; das Gericht hätte sich mit den zu Ungunsten der Klägerin ausgefallenen Gutachten kritisch auseinandersetzen müssen. Schließlich hätten die Eltern über erste Krankheitsanzeichen nach der Impfung vernommen werden müssen.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Rügen des Beklagten nicht für durchgreifend.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist insoweit erfolgreich, als die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.

Wie der Beklagte formgerecht und zutreffend gerügt hat, hätte das Berufungsgericht eigene Feststellungen darüber, ob die Klägerin an einer Encephalopathie (oder Encephalitis) kurze Zeit nach der Impfung erkrankte, auf Grund einer Vernehmung ihrer Eltern (§ 103 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und einer eigenen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) treffen müssen. Diese tatsächliche Feststellung war erforderlich für die Entscheidung über die für den Versorgungsanspruch nach den §§ 51 und 52 BSeuchG bedeutsame Voraussetzung, daß die Klägerin einen "Impfschaden" erlitten haben muß.

Ein solcher "Impfschaden" als ein über die übliche Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden (§ 52 Abs 1 Satz 1 BSeuchG) ist ein unerläßliches Mittelglied in der Ursachenkette zwischen Pockenschutzimpfung und verbleibender Gesundheitsstörung - hier dem Hirnschaden -, der Voraussetzung für einen Versorgungsanspruch (Urteil des erkennenden Senats vom 19. März 1986 - 9a RVi 2/84 -). Das LSG hat von seiner für den Verfahrensfehler maßgebenden Rechtsauffassung aus geprüft, ob der ursächliche Zusammenhang zwischen Impfung und Hirndauerschaden wahrscheinlich ist (§ 51 Abs 1 Satz 1, § 52 Abs 2 Satz 1 BSeuchG; zur Wahrscheinlichkeit: BSG aaO). Es hat, allerdings ohne einen "Impfschaden" ausdrücklich zu fordern, ein solches Brückenglied in der Ursachenkette für rechtserheblich gehalten; denn es hat eine kongestiv-ödematöse Encephalopathie als unmittelbare Impffolge geprüft und angenommen, was als "Impfschaden" im bezeichneten Sinn einzuordnen wäre, und darauf den verbliebenen Hirnschaden als weitere wahrscheinliche Folge zurückgeführt.

Zu der Überzeugung, jene Encephalopathie sei bei der Klägerin zwischen der zweiten und sechsten Woche nach der Impfung "blande" verlaufen, ist das Berufungsgericht auf verfahrensfehlerhafte Weise gelangt. Das Gericht hätte die Eltern der Klägerin als Zeugen über den genauen Krankheitsverlauf nach der Impfung im einzelnen und über die gegenüber vorher eingetretenen Veränderungen hören müssen. Das mußte sich ihm zum einen angesichts der unsicheren und teilweise widerspruchsvollen Angaben der Eltern aufdrängen, die in den verschiedenen Berichten und Gutachten wiedergegeben worden sind, auf die in der ersten Instanz der Kammervorsitzende den Sachverständigen Prof. Dr. J. hingewiesen hat und die in der Begründung des SG-Urteils herausgestellt worden sind (S 13). Zum anderen war diese vom Beklagten im Berufungsverfahren schriftlich und mündlich beantragte Beweisaufnahme deshalb geboten, weil Zeitpunkt und Ausmaß der Erkrankung für die Beurteilung nach den vorliegenden Gutachten, nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", herausgegeben vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Ausgabe 1983 (Nr 57 S 183 f) und nach der unten zitierten Literatur bedeutsam sind; auf die "Anhaltspunkte" in einer vor dem Berufungsurteil veränderten Fassung hatte der Berichterstatter in der Beweisanordnung vor dem letzten Gutachten hingewiesen.

Medizinalrat Dr. B. berichtete dem Gesundheitsamt, etwa vier bis sechs Wochen nach der Impfung hätten bei der Klägerin nächtliche Unruhe und Schreiattacken eingesetzt (Bericht vom 31. Januar 1967). Nach der Ermittlung der Fürsorgerin von K. sollen keine epileptischen Anfälle und kein Fieber aufgetreten sein (Bericht vom 15./19. März 1965). Nach neuer Befragung durch Medizinalrat Dr. M. soll die Krankheit erst vier Wochen nach der Impfung, wahrscheinlich noch später in Erscheinung getreten sein (Impfschadensmeldung vom 16. März 1967). Nach den Angaben für Prof. Dr. K. Gutachten (vom 16. Dezember 1968) soll sich die Klägerin bis 14 Tage nach der Impfung normal entwickelt haben; dann seien Unruhe und anhaltendes Schreien aufgefallen. 1961 sollen die Eltern in der H. Kinderklinik angegeben haben, das Kind habe sich bis zum 6./7. Lebensmonat regelrecht entwickelt, danach sei ein psychomotorischer Entwicklungsrückstand eingetreten (Bericht vom 19. Juli 1974). Prof. Dr. S. ging von der übereinstimmenden Aussage beider Elternteile aus, bis zur Impfung sei lediglich die psychomotorische Entwicklung mäßig retardiert gewesen und bis 22 Tage nach der Impfung seien keinerlei bemerkenswerte Änderungen aufgefallen (Gutachten vom 9. Februar 1976). Prof. Dr. S. und Oberärztin Dr. M., die keine genauen Angaben erhalten konnten, legten ihrem ersten Gutachten (vom 18. November 1978) schwankend bekundete Feststellungen zwischen zwei und sechs Wochen nach der Impfung zugrunde. Allein diese Unklarheiten gebieten eine Vernehmung der Eltern. Der Beklagte brauchte keine neuen Tatsachen darzulegen, zu denen diese Zeugen zu hören wären.

Es ist nicht auszuschließen, daß die Eltern, ungeachtet ihrer inzwischen erworbenen Kenntnisse über die Bedeutung ihrer Aussage, bei gründlicher richterlicher Vernehmung klarstellen, an was sie sich noch mit welchem Erinnerungsgrad erinnern können. Zu einer solchen Anhörung sollte ein Arzt für Kinderkrankheiten, möglichst ein Kinder- und Jugendpsychiater, zugezogen werden, der dem Gericht bei der fachgerechten Formulierung der einzelnen Beweisfragen helfen könnte (vgl Harbauer in: Remschmidt/Schüler/Springorum -Hg-, Festschrift für Hermann Stutte, 1979, S 55, 59 f). Bei dieser Aufklärung müßte auf verschiedene Zeitabschnitte abgehoben werden, auf die es nach der medizinischen Erfahrung, wie im folgenden dargelegt wird, ankommt. Bei der Wirkung der Aussagen sollte das LSG prüfen, ob nach psychologischer Erfahrung den frühesten Angaben der Vorrang einzuräumen ist (Ehrengut/Ehrengut-Lange in: Rauschelbach/Jochheim -Hg-, Das neurologische Gutachten, 1984, S 305). Andererseits kann im Rahmen der Beweiswürdigung ins Gewicht fallen, daß vielleicht eine gründliche zeitnahe Befragung deshalb unterblieben ist, weil die Verwaltung - zu Unrecht - von einer Stoffwechselkrankheit ausgegangen war.

Wie der Beklagte noch hinreichend formgerecht dargetan hat, ist die Klärung der Krankheitsgeschichte unmittelbar nach der Impfung für die Entscheidung über den ursächlichen Zusammenhang rechtserheblich. Wenn das LSG - zutreffend - eine solche Kausalität als gegeben ansieht, falls mehr für als gegen sie spricht (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 19. März 1986 - 9a RVi 2/84 -), hat es indes diesen Rechtsmaßstab infolge unzureichender Auslegung nicht richtig auf den gegenwärtigen Fall angewendet und dazu keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen. Es hätte nicht ohne weiteres den Hirnschaden als durch die Impfung in jenem Sinn herbeigeführt deshalb annehmen dürfen, weil, was für eine Heilbehandlung hinreichend bedeutsam sein mag, andere Ursachen nicht erkennbar sind ("Ausschlußdiagnose" gemäß Gutachten von Prof. Dr. S. vom 24. März 1983, S 18). Ein solch weites Verständnis des Wahrscheinlichkeitsbegriffes ist mit den allgemeinen Anforderungen an die Voraussetzungen für eine Entschädigung iS des § 5 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1) und der §§ 51 und 52 BSeuchG nicht vereinbar (vgl Urteil vom 19. März 1986 - 9a RVi 2/84 -). Wohl kann im Einzelfall die notwendige Kausalität als wahrscheinlich beurteilt werden, wenn nach bestimmten zeitgerechten Komplikationen ein Dauerschaden eintritt und andere Ursachen als die Impfung nicht in Betracht kommen. Aber dann müssen eindeutig mehr Umstände für als gegen den Zusammenhang sprechen. Sie müssen für eine rechtliche Würdigung gegeneinander abgewogen werden. Außerdem muß, wie schon ausgeführt, ein Impfschaden als Mittelglied erwiesen sein. Das LSG hat allerdings Verhaltensauffälligkeiten angenommen, die für einen solchen primären Gesundheitsschaden sprechen können (vgl Doose, KOV 1974, 97, 99, 100; Doose, Deutsches Ärzteblatt 1976, 1167, 1168, 1169; Ehrengut, Medizinischer Sachverständiger 1981, 42; "Anhaltspunkte", aaO; Ehrengut/ Ehrengut-Lange, aaO, 306 ff). Jedoch hat es diese im Abstand zwischen zwei und sechs Wochen nach der Impfung genügen lassen. Es ist fraglich, ob dieser neue Abstand mit der herrschend anerkannten Erfahrung vereinbar ist (Doose, KOV 1974, 97, 98, 101; Doose, Deutsches Ärzteblatt 1976, 1103, 1104, 1167; "Anhaltspunkte", aaO; Harbauer, aaO, S 55, 56, 60; Ehrengut/Ehrengut-Lange, aaO, S 308, 309 f; Gutachten von Prof. Dr. G. vom 3. August 1974, S 5). Das Berufungsgericht hat nicht in der nach § 128 Abs 1 Satz 2 SGG gebotenen Weise begründet, warum, abweichend davon, Krankheitserscheinungen, die als Impfschaden zu werten sein sollen, noch nach Ablauf der Inkubationszeit - bis zu drei Wochen - erstmalig aufgetreten sein können. Die Urteilsbegründung läßt nicht erkennen, daß diese Entscheidung über das Mittelglied auf einer vertretbaren Abwägung des gesamten Beweismaterials in den Grenzen freier richterlicher Überzeugungsbildung gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG beruht. Darauf hat die Revision formgerecht hingewiesen. Die Ausführungen des LSG hierzu lassen eine Auseinandersetzung mit den allgemein anerkannten Erkenntnissen vermissen. Falls ein Sachverständiger, dem sich ein Gericht in einer Impfschadenssache anschließt, erstmalig Krankheitszeichen nach Ablauf der allgemein anerkannten Inkubationszeit als ausreichende Brückensymptome wertet, muß er diese Auffassung um so gründlicher und überzeugungskräftiger mit gesicherten medizinischen Erfahrungen begründen, je größer der zeitliche Abstand zur Impfung ist und je schwächer die Krankheitserscheinungen waren. Diese proportional wachsende Begründungspflicht besteht ebenfalls für die dem Berufungsurteil zugrundeliegende, nicht allgemein anerkannte Ansicht, wenig ausgeprägte Symptome berechtigten, den ursächlichen Zusammenhang mit schweren verbleibenden Gesundheitsstörungen für wahrscheinlich zu halten (zur allgemeinen medizinischen Lehre: Doose, KOV 1974, 97, 99 f; Doose, Deutsches Ärzteblatt 1976, 1167, 1168 f; "Anhaltspunkte", aaO S 184; Harbauer, aaO, S 61; Ehrengut/Ehrengut-Lange, aaO, S 310; Gutachten von Prof. Dr. J. vom 12. September 1979 - S 12 -; Stellungnahmen von Leitendem Medizinaldirektor aD Dr. von K.). Ein Gutachten, auf das eine Gerichtsentscheidung gestützt wird, muß medizinischen Erfahrungen in gleichen oder ähnlichen Fällen entsprechen, darauf den Sachverhalt des zu beurteilenden Einzelfalles beziehen und Abweichungen von allgemeinen Lehren mit nachprüfbaren medizinischen Erkenntnissen begründen. Anderenfalls ist es als Entscheidungsgrundlage nicht geeignet. Rechtlich ist es nicht ausgeschlossen, eine seit einiger Zeit nach der Impfung mit Gewißheit bestehende Gesundheitsstörung als wahrscheinliche Impffolge auch dann zu beurteilen, wenn eine gesundheitliche Schädigung, aus der sie sich wahrscheinlich entwickelt hat und die ihrerseits eine wahrscheinliche Impffolge sein muß, nicht deutlich als solche ungewöhnliche Impfreaktion in Erscheinung trat; sie würde dann unterstellt. Aber der ursächliche Zusammenhang zwischen Impfung und verbleibenden Gesundheitsschäden müßte in einem solchen Fall als medizinische Erfahrung entsprechend zu bewerten sein. Wie dargelegt, müßten für eine solche Erfahrung besonders einleuchtende Umstände sprechen, die mindestens ein gleiches Gewicht haben wie diejenigen, die den Ursachenzusammenhang wegen des Auftretens eines Impfschadens innerhalb einer begrenzten Inkubationszeit wahrscheinlich erscheinen lassen. Ein Urteil, das - wie in diesem Fall - einem unzureichend begründeten Gutachten folgt, läuft Gefahr gegen den Rechtsgrundsatz zu verstoßen, daß die anspruchsbegründenden Tatsachen erwiesen oder nach gesetzlicher Vorschrift wahrscheinlich sein müssen. Auch im Impfschadensrecht gibt es keine Beweislastumkehr (Urteile des erkennenden Senats in Breithaupt 1981, 803 = ZfS 1981, 144, SozR 3850 § 52 Nr 1 und 1500 § 160 Nr 51).

Das Berufungsgericht hat nun unter Beachtung dieser Rechtsauffassungen den Sachverhalt weiter aufzuklären und erneut über den Klageanspruch zu entscheiden. Das Berufungsgericht darf dann allerdings nicht prüfen, ob der Beklagte gegenüber dem rechtsverbindlichen Bescheid des Regierungspräsidenten vom 16. April 1969 wegen Unrichtigkeit desselben einen Zugunstenbescheid nach § 40 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOV) hätte erlassen müssen und ob er zu einer entsprechenden Entscheidung nach § 44 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB 10) zu verurteilen ist. In diesem Verfahren ist vielmehr gemäß Art 2 Abs 3 Satz 1 des 2. Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes vom 25. August 1971 (BGBl I 1401) erstmalig nach der neuen Fassung des Gesetzes zu prüfen, ob der ursächliche Zusammenhang zwischen Impfung und Gesundheitsschaden wahrscheinlich ist, und unter dieser Voraussetzung frühestens ab Antragsmonat - Oktober 1971 - Versorgung zuzuerkennen (Satz 3), nachdem der Regierungspräsident eine Entschädigung abgelehnt hatte, weil dieser Zusammenhang nicht nachgewiesen werden konnte.

Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden.

Fundstellen

  • Dokument-Index HI1656859

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