Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Dezember 1996 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Rechtsstreit betrifft (noch) die Erstattung des an den früheren Arbeitnehmer E.B. der Klägerin gezahlten Arbeitslosengeldes (Alg) – nebst Beiträgen zur Krankenversicherung (KV) und Rentenversicherung (RV) – für die Zeit vom 26. April bis 26. Juli 1994.
Der am 19. April 1932 geborene E.B. war vom 27. April 1959 bis 31. Januar 1994, zuletzt als Lagerhalter, bei der Klägerin beschäftigt. Am 26. Juni 1993 schloß die Klägerin mit ihm einen Vertrag, durch den das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 1994 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 11.097,00 DM beendet wurde.
Das Arbeitsamt (ArbA) bewilligte E.B. Alg ab 26. April 1994 – unter Anwendung des § 105c Arbeitsförderungsgesetz (AFG) – in Höhe von 364,20 DM wöchentlich (Bescheid vom 10. März 1994), nachdem es zuvor wegen Eintritts einer Sperrzeit (1. Februar bis 25. April 1994) und wegen Ruhens des Alg-Anspruchs (bis 22. Februar 1994) im Hinblick auf die gezahlte Abfindung die Leistung bis 25. April 1994 abgelehnt hatte (Bescheid vom 8. März 1994). Seit 1. Februar 1995 bezieht E.B. von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.
Im August 1994 eröffnete das ArbA der Klägerin mit einem vorgedruckten Schreiben, man beabsichtige, die Erstattung des gezahlten Alg von ihr zu verlangen, und stellte später fest, daß die Klägerin verpflichtet sei, das dem früheren Arbeitnehmer ab 26. April 1994 gezahlte Alg einschließlich der hierauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen KV und RV für längstens 624 Tage zu erstatten (Bescheid vom 25. Oktober 1994). Das ArbA errechnete außerdem einen Erstattungsbetrag in Höhe von 7.511,24 DM (weiterer Bescheid vom 25. Oktober 1994; Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 1995).
Klage und Berufung, die noch gegen beide Bescheide vom 25. Oktober 1994 und einen weiteren während des Klageverfahrens ergangenen Abrechnungsbescheid (betreffend die Zeit vom 27. Juli 1994 bis 31. Januar 1995) gerichtet waren, blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 24. November 1995; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 17. Dezember 1996). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Voraussetzungen für die Entstehung der Erstattungspflicht seien erfüllt. Vor Erlaß des Abrechnungsbescheids sei die Klägerin ausreichend angehört und der Sachverhalt hinreichend ermittelt worden. § 128 AFG sei verfassungsgemäß; dies gelte auch für die Verpflichtung zur Erstattung von nach § 105c AFG gezahlten Alg. Eine Ausnahme von der Erstattungspflicht liege nicht vor. Der frühere Arbeitnehmer der Klägerin habe weder die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 bis 4 AFG genannten Leistungen noch für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt. Schließlich liege keiner der Tatbestände des § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 1 bis 7 und Abs 2 AFG vor; insoweit fehle es an einer substantiierten Darlegung der Klägerin.
Mit der Revision rügt die Klägerin einen Verstoß gegen Art 12 Grundgesetz (GG), § 128 AFG und § 24 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X). Die Beklagte habe weder den Sachverhalt ausreichend ermittelt noch sie (die Klägerin) wirksam angehört. § 128 AFG sei verfassungswidrig, und zwar insbesondere auch insoweit, als er eine Erstattung des nach § 105c AFG gezahlten Alg vorsehe. § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG, der bei sozial gerechtfertigter Kündigung die Erstattungspflicht nicht eintreten lasse, müsse über seinen Wortlaut hinaus auch für Aufhebungsverträge gelten. § 128 Abs 2 Nr 2 AFG, der die Erstattungspflicht entfallen lasse, wenn die Erstattung eine unzumutbare Belastung bedeuten würde, weil der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung des Personalabbaus verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet wären, sei zu eng gefaßt.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG und des SG abzuändern und den Abrechnungsbescheid vom 25. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 1995 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist zulässig. Zum Zeitpunkt der Revisionseinlegung war eine sog Postulationsvollmacht erteilt (vgl hierzu BSG SozR 1500 § 166 Nr 12). Zwar wurde die vom stellvertretenden Vorsitzenden des Verbandes der Metallindustrie Baden-Württemberg eV – als einer Vereinigung von Arbeitgebern iS des § 166 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ (vgl hierzu: BSG SozR 3-1500 § 166 Nr 6 mwN) – erteilte Vollmacht vom 20. Dezember 1996 nur in Kopie überreicht; jedoch hat der Stellvertretende Vorsitzende des Verbandes, der nach der Satzung und dem Vereinsregisterauszug vertretungsbefugt iS des § 26 Bürgerliches Gesetzbuch war, an Eides Statt versichert, dem Verfasser der Revisions- und Revisionsbegründungsschrift, Herrn Assessor H. H., am 20. Dezember 1996 die in Kopie vorliegende Vollmacht erteilt zu haben. Dies genügt den Anforderungen des § 166 Abs 2 SGG, der – uU anders als § 73 Abs 2 SGG (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, Rz 13 zu § 73 mwN) – nur das rechtzeitige Vorliegen einer schriftlichen Vollmacht und den entsprechenden Nachweis verlangt (vgl BSG SozR 1500 § 166 Nr 12), nicht jedoch die Vorlage der Original-Postulationsvollmacht.
Die Revision ist im Sinne der Aufhebung der zweitinstanzlichen Entscheidung und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Für eine abschließende Entscheidung durch den Senat reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch der Abrechnungsbescheid der Beklagten vom 25. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 1995. Die Klage gegen den Grundlagenbescheid hat die Klägerin nicht mehr aufrechterhalten, nachdem die Beklagte diesen Bescheid in der mündlichen Verhandlung aufgehoben hat; gleiches gilt für den zweiten Abrechnungsbescheid vom 7. September 1995 (für die Zeit vom 27. Juli 1994 bis 31. Januar 1995). Es ist deshalb in der Sache allein noch darüber zu entscheiden, ob die Klägerin zu Recht gemäß § 128 AFG zur Erstattung von insgesamt 7.511,24 DM (4.795,30 DM Alg, 1.795,24 DM KV-Beiträge und 920,70 DM RV-Beiträge) herangezogen worden ist; diese Verfügung umfaßt, selbst wenn formal ein sog Grundlagenbescheid vorausgegangen ist, inhaltlich auch die Entscheidung über die Voraussetzungen der Erstattungspflicht, also auch über den Grund des Anspruchs (BSG, Urteile vom 18. September 1997 – 11 RAr 7/96 und 11 RAr 55/96 –, zur Veröffentlichung vorgesehen; Urteil vom 17. Dezember 1997 – 11 RAr 61/97 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Der angefochtene Bescheid ist nicht bereits wegen fehlender Anhörung (§ 24 SGB X) rechtswidrig; die Beklagte hat der Klägerin vielmehr Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Erstattungspflicht erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 24 Abs 1 SGB X). Ob der Anhörungspflicht schon mit dem Schreiben genügt ist, das dem mittlerweile aufgehobenen Grundlagenbescheid und dem am selben Tag ergangenen, noch streitbefangenen Abrechnungsbescheid (= Erstattungsbescheid) vorausgegangen ist, bedarf keiner Entscheidung. Die Anhörungspflicht bezieht sich zwar auf sämtliche für die Erstattung entscheidungserheblichen Tatsachen, damit auch auf diejenigen, die die Höhe der Erstattungsforderung betreffen; aus diesem Grund hat dem Abrechnungsbescheid eine Anhörung hierzu vorauszugehen (Urteile des 11. Senats vom 17. Dezember 1997 – 11 RAr 103/96 und 11 RAr 61/97 –, zur Veröffentlichung vorgesehen), während die Beklagte der Klägerin vor dem Erstattungsbescheid vom 25. Oktober 1994 zur Höhe der Erstattungsforderung jedenfalls nichts mitgeteilt hat. In der Rechtsprechung ist indes anerkannt, daß die Anhörung im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden kann (§ 41 Abs 1 Nr 3 und Abs 2 SGB X). Voraussetzung hierfür ist, daß zumindest der angefochtene Bescheid diejenigen Tatsachen enthält, die nach § 24 Abs 1 SGB X Gegenstand der Anhörung sind (BSG SozR 1300 § 24 Nr 7; BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 11; BSG, Urteil vom 17. Dezember 1997 – 11 RAr 61/97 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Der Abrechnungsbescheid vom 25. Oktober 1994 führt zwar nur die Höhe der Erstattungsforderung (bzgl des Alg und der Beiträge) und nicht das genaue Rechenwerk auf, das ihr zugrunde liegt. Der Inhalt des Bescheids vermittelte der Klägerin jedoch hinreichende Kenntnisse, um sich zur Ausschöpfung ihres Rechts auf rechtliches Gehör noch weitere Tatsachenkenntnisse zu verschaffen (vgl: BSG SozR 1300 § 24 Nrn 4 und 6; BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 11 mwN; BSG, Urteil vom 17. Dezember 1997 – 11 RAr 61/97 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Zutreffend hat das LSG – ausgehend von den von ihm festgestellten, mangels Verfahrensrüge für den Senat verbindlichen Tatsachen (§ 163 SGG) – eine Erstattungspflicht der Klägerin für das in der Zeit vom 26. April bis 26. Juli 1994 gezahlte Alg einschließlich der auf diese Leistung entfallenden Beiträge zur gesetzlichen KV und RV angenommen. Dies ergibt sich aus § 128 AFG in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Änderung von Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992 (BGBl I 2044; vgl zur Geltung über den 1. April 1997 hinaus § 242x Abs 6 AFG und § 431 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – ≪SGB III≫); § 128 in der vor dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung ist nicht anwendbar (§ 242m Abs 10 AFG).
Nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Bundesanstalt für Arbeit (BA) vierteljährlich das Alg für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage. Nach § 128 Abs 1 Satz 2 tritt die Erstattungspflicht nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 56. Lebensjahres des Arbeitslosen beendet worden ist (1. Alt), der Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 bis 4 genannten Leistungen (Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld, Mutterschaftsgeld, Übergangsgeld nach diesem oder einem anderen Gesetz oder Sonderunterstützung nach dem Mutterschutzgesetz, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus einer der gesetzlichen Rentenversicherungen, Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Knappschaftsausgleichsleistungen oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art) oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt (2. Alt) oder wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, daß einzelne der in Nrn 1 bis 7 (Betriebszugehörigkeit des arbeitslosen Arbeitnehmers von kürzerer Dauer; Kleinbetriebe bis zu 20 Arbeitnehmer; Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitslosen ohne Anspruch bzw Zahlung von Abfindung uä wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses; Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch sozial gerechtfertigte Kündigung des Arbeitgebers; Berechtigung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist; größerer Personalabbau unter bestimmten Voraussetzungen) näher aufgeführte Voraussetzungen vorliegen (3. Alt). Nach § 128 Abs 2 AFG entfällt die Erstattungspflicht ua, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, daß die Erstattung für ihn eine unzumutbare Belastung bedeuten würde, weil durch die Erstattung der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung des Personalabbaus verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet wären (Nr 2). Insoweit ist zum Nachweis die Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle erforderlich. Gemäß § 128 Abs 4 schließt die Erstattungspflicht die auf die Leistungen von Alg entfallenden Beiträge zur gesetzlichen KV und RV (seit 1. Januar 1996 auch diejenigen zur sozialen Pflegeversicherung) ein.
Die Voraussetzungen des § 128 Abs 1 Satz 1 AFG und Satz 2 (1. Alt) für den Eintritt der Erstattungspflicht sind vorliegend erfüllt. Dahinstehen kann, ob das gezahlte Alg quartalsweise, also nicht – wie von der Beklagten praktiziert – in einem Dreimonatsrythmus, und jeweils nur für entsprechende Teilzeiträume oder auch für längere Zeiträume zu erstatten ist. Die Beklagte hat jedenfalls ausschließlich nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG fällige Erstattungsbeträge – wenn auch für das 3. Quartal des Jahres 1994 nicht vollständig und insgesamt für mehr als drei Monate – geltend gemacht, so daß die Klägerin durch dieses Vorgehen nicht beschwert ist (so auch Urteil des 11. Senats vom 17. Dezember 1997 – 11 RAr 61/97 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Zutreffend ist das LSG auch davon ausgegangen, daß E.B. nicht die Voraussetzungen für eine der in § 128 Abs 1 Satz 2 2. Alt AFG genannten Sozialleistungen erfüllt. Insoweit ist der Senat an die mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG gebunden, es hätten keine Anhaltspunkte für irgendwelche Leistungseinschränkungen des E.B. bestanden, die Voraussetzung für alle in Betracht kommenden alternativen Sozialleistungen sind. Ob das LSG weitere Ermittlungen hätte anstellen müssen, bedarf bei dieser Sachlage ebensowenig der Prüfung wie die Frage, ob die Beklagte im Verwaltungsverfahren ihrer Ermittlungspflicht genügt hat. Eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes im Verwaltungsverfahren (§ 20 SGB X) wäre nämlich nur dann erheblich, wenn in der Sache eine andere Entscheidung hätte getroffen werden können (§ 42 Satz 1 SGB X). Anders gewendet: Ein auf nicht ausreichender Sachverhaltsermittlung beruhender gebundener Bescheid der Behörde – wie hier – ist nur dann aufzuheben, wenn er auch materiell-rechtlich falsch ist. Gerade dies ist vorliegend zu verneinen.
Zu Recht hat das LSG die Voraussetzungen des § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 1 bis 7 AFG für den Nichteintritt der Erstattungspflicht (3. Alt) nicht näher geprüft, weil die Klägerin hierzu zu keinem Zeitpunkt Tatsachen vorgetragen hat und – wie das LSG festgestellt hat – weder ihm noch der Beklagten solche Umstände bekannt waren. Es kann deshalb dahinstehen, welche Bedeutung im einzelnen der gesetzlichen Regelung zukommt, daß der Arbeitgeber die ihn entlastenden Umstände darzulegen und nachzuweisen hat (Darlegungs-, Beweisführungs- und materielle Beweislast oder nur Darlegungs- und materielle Beweislast; Beschränkung auf den Vortrag im Verwaltungsverfahren oder Berücksichtigung auch des gerichtlichen Vortrags; Berücksichtigung bekannter Tatsachen nur bei Vortrag?); die Einwände der Klägerin jedenfalls beschränkten und beschränken sich auf rechtliche Gesichtspunkte.
Soweit sie vorträgt, § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG müsse über seinen Wortlaut hinaus neben dem Fall der sozial gerechtfertigten Kündigung auch die Fälle einer einvernehmlichen (sozial gerechtfertigten) Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfassen, hat dem bereits der 11. Senat in seinem Urteil vom 17. Dezember 1997 (11 RAr 61/97, zur Veröffentlichung vorgesehen) zu Recht widersprochen. Zur Begründung der Vorschrift ist in der BT-Drucks 12/3211 (S 25) ausdrücklich ausgeführt, der Ausnahmetatbestand trage dem Gedanken Rechnung, daß den Arbeitgeber dann keine besondere, die Erstattungspflicht begründende Verantwortung für die Freisetzung des Arbeitnehmers und damit die Aufwendungen der Arbeitslosenversicherung treffe, wenn er sich in arbeitsrechtlich begründeter Weise von seinem Arbeitnehmer getrennt habe, er das Arbeitsverhältnis also durch sozial gerechtfertigte Kündigung iS des § 1 des Kündigungsschutzgesetzes beenden konnte und auch in dieser Form beendet hat. Der Gesetzgeber hat damit beachtet, daß das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gerade in der Wahl bestimmter Formen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen älterer, langjährig beschäftigter Arbeitnehmer ein Indiz für einen Verantwortungsbereich des Arbeitgebers sieht (BVerfGE 81, 156, 197 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1). § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG knüpft bewußt an das äußere Merkmal der Kündigung durch den Arbeitgeber an, weil sich dieser bei Abschluß eines Aufhebungsvertrags gerade nicht der Prüfung der die Kündigung sozial rechtfertigenden Gründe aussetzt (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1997 – 11 RAr 61/97 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Dies gilt vor allem dann, wenn – wie vom LSG vorliegend angenommen – eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber tarifvertraglich sogar ausgeschlossen ist, also erst der Aufhebungsvertrag selbst eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ermöglicht oder zumindest erleichtert (vgl zu einer ähnlichen Situation im Rahmen des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG: BSG, Urteil vom 18. September 1997 – 11 RAr 7/96 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
§ 128 AFG unterliegt entgegen der Annahme der Klägerin auch keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken (so auch BSG, Urteil vom 17. Dezember 1997 – 11 RAr 61/97 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Er knüpft unter Beachtung der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 81, 156 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 1) an die Vorgängerregelung des § 128 AFG an und trägt der Forderung des BVerfG nach einem Nichteintritt der Erstattungspflicht für den Fall Rechnung, daß der Arbeitnehmer Anspruch auf soziale Sicherung aus einem anderen Sozialleistungssystem als dem der Arbeitslosenversicherung hat (BT-Drucks 12/3211 S 24 zu Nr 35). § 128 AFG stellt sich damit als eine Regelung der Berufsausübung dar, die mit Art 12 Abs 1 Satz 2 GG deshalb vereinbar ist, weil die gewählten Mittel zum Erreichen des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriff und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt.
Zu § 128 AFG aF hat das BVerfG (aaO) bereits im einzelnen ausgeführt, daß die arbeits- und sozialpolitische Zielsetzung, einer „Frühverrentung” entgegenzutreten, mit der Personalkosten namentlich von Großunternehmen auf die Solidargemeinschaft abgewälzt würden, durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist. Zur Eignung und Erforderlichkeit des eingesetzten Mittels der Erstattungspflicht hat das BVerfG hervorgehoben, die Eignung der Erstattungspflicht sei bereits dann anzunehmen, wenn durch sie der gewünschte Erfolg gefördert werde. Eine verfassungsrechtliche Beanstandung sei nur möglich, wenn das eingesetzte Mittel „objektiv ungeeignet” oder „schlechthin ungeeignet” sei (BVerfGE 81, 156, 192 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Dieses Merkmal hat das BVerfG für die frühere Regelung verneint; für das jetzige Recht kann nichts anderes gelten. Der 11. Senat hat deshalb in seiner Entscheidung vom 17. Dezember 1997 (11 RAr 61/97, zur Veröffentlichung vorgesehen) zutreffend darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber durch die typisierend differenzierende Regelung des § 128 AFG (Voraussetzungen für die Erstattungspflicht überhaupt – Abs 1 Satz 1; von Amts wegen zu prüfender Nichteintritt der Erstattungspflicht – Abs 1 Satz 2 1. Alt und 2. Alt; Nichteintritt der Erstattungspflicht bei entsprechender Darlegung und entsprechendem Beweis des Arbeitgebers – Abs 1 Satz 2 3. Alt; Minderung des Erstattungsbetrags bei entsprechender Darlegung und entsprechendem Beweis des Arbeitgebers – Abs 3; Entfallen der Erstattungspflicht bei Darlegung und entsprechendem Beweis des Arbeitgebers – Abs 2) die vom BVerfG geforderte besondere Verantwortung des Arbeitgebers für die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer konkretisiert hat. Arbeitgebern ist somit die Möglichkeit eingeräumt worden, betriebliche Belange hinreichend geltend zu machen; die Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Regelung ist deshalb gewahrt.
Dies gilt – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch für § 128 Abs 2 Nr 2 AFG. Nach dieser Vorschrift entfällt die Erstattungspflicht nur, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, daß die Erstattung für ihn eine unzumutbare Belastung bedeuten würde, weil durch sie der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung des Personalabbaus verbleibende Arbeitsplätze gefährdet wären. Unabhängig davon, welche Anforderungen an eine unzumutbare Belastung unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte zu stellen sind (vgl dazu BVerfGE 81, 156, 203 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 1) und ob diesen nicht bereits durch verfassungskonforme Auslegung des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG oder die anderen Tatbestände des § 128 AFG entsprochen ist bzw werden kann, ermöglichen jedenfalls § 128 Abs 6 AFG iVm der gemäß § 152 AFG erlassenen Anordnung des Verwaltungsrats der BA über Stundung, Niederschlagung und Erlaß von Rückforderungen vom 18. Dezember 1969 (ANBA 1970, 220) und § 219 AFG iVm der Bundeshaushaltsordnung eine weitere verfassungsrechtliche Korrektur im Einzelfall.
Die Erstattungspflicht des Arbeitgebers ist schließlich auch für den Fall verfassungsgemäß, daß der Arbeitslose von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, Alg unter den erleichterten Voraussetzungen des § 105c AFG in Anspruch zu nehmen. Denn entgegen der Ansicht der Klägerin führt die Erstattungspflicht des Arbeitgebers bei eingeschränkter Arbeitsbereitschaft älterer Arbeitnehmer und eingeschränkten Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht zu einer unverhältnismäßigen Risikoverteilung zum Nachteil von Arbeitgebern (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1997 – 11 RAr 61/97 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Regel des § 105c AFG berücksichtigt, daß Arbeitslosen nach Vollendung des 58. Lebensjahres „im allgemeinen kein Arbeitsplatz mehr vermittelt werden kann, der ihrer bisherigen – in der Regel durch langjährige Betriebszugehörigkeit geprägten – Tätigkeit annähernd gleichwertig ist” (BT-Drucks 10/3923 S 21). Gerade dies verdeutlicht aber, daß der Aufhebungsvertrag nach langer Betriebszugehörigkeit wesentlich mitwirkende Ursache für die Arbeitslosigkeit ist und die vom BVerfG geforderte (BVerfGE 81, 156, 197 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 1) besondere Verantwortung des Arbeitgebers für den Eintritt der Arbeitslosigkeit des Arbeitnehmers zu bejahen ist.
Zur Höhe des Erstattungsbetrags kann der Senat jedoch mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG keine abschließende Entscheidung treffen. Zu prüfen ist nicht nur, in welcher Höhe Alg bzw Beiträge gezahlt worden sind, sondern auch, ob Alg und Beiträge überhaupt und in der Höhe gezahlt werden durften (vgl: BSG SozR 3-4100 § 128a Nr 7 mwN; BSG, Urteil vom 18. September 1997 – 11 RAr 55/96 –, zur Veröffentlichung vorgesehen; Urteil vom 17. Dezember 1997 – 11 RAr 61/97 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Dem Urteil des LSG fehlen insbesondere Feststellungen zur Bestimmung des Bemessungsentgelts, das dem an E.B. gezahlten Alg zugrunde zu legen ist. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG zu beachten haben, daß § 112 Abs 2 AFG in der seit 1. Januar 1994 geltenden Fassung (Bemessungsrahmen von sechs Monaten) anzuwenden ist (§ 242q Abs 7 AFG) und die vorliegende am 10. Januar 1994 (Stichtag: 31. Dezember 1993) erstellte Arbeitsbescheinigung keine Aussagekraft für den Monat Januar 1994 besitzt. Im übrigen hat der Arbeitslose im Antrag auf Gewährung von Alg angegeben, er beziehe von der Klägerin „Vorruhestandsgeld”; wegen § 118b AFG wird dem das LSG nachzugehen haben. Schließlich wird das LSG die Beitragsberechnung der Beklagten nach § 157 AFG iVm § 223 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) im einzelnen nachzuvollziehen und zu beurteilen haben. Die Beklagte teilt bei ihrer Berechnung entgegen dem Wortlaut der Vorschriften den Wochenbetrag des der Bemessung der Leistung zugrundeliegenden Arbeitsentgelts (= Bemessungsentgelt) durch sechs und multipliziet dann mit der Zahl der Tage, für die Alg gezahlt worden ist (vgl Theuerkauf in Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, Stand Juli 1997, Rz 20 zu § 157 AFG); daraus resultiert ein – wenn auch nur in geringem Umfang – höherer Beitrag und Erstattungsbetrag.
Schließlich wird das LSG bei seiner erneuten Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden und dabei zu berücksichtigen haben, daß die Beklagte durch die Aufhebung ihres Grundlagenbescheids vom 25. Oktober 1994 und zweiten Abrechnungsbescheids vom 7. September 1995 dem Klagebegehren teilweise Rechnung getragen hat.
Fundstellen