Leitsatz (amtlich)
1. Einem vertriebenen Verfolgten, der nach der Befreiung aus dem Konzentrationslager (1945-04-11) in Kattowitz stationär behandelt wurde und invalide nach damaligem Recht war, sind Ersatzzeiten wegen "anschließender Krankheit" zu gewähren, da seit 1945-06-01 Invalidität in weiten Gebieten des jetzigen Geltungsbereichs der RVO Versicherungspflicht nicht mehr ausschloß (SVVereinfV 1 Art 4).
2. Offen bleibt, ob die rechtliche Unmöglichkeit zur Beitragsleistung wegen Invalidität damaligen Rechts der Berücksichtigung einer Ersatzzeit auch dann entgegensteht, wenn Invalidität gerade durch den Ersatzzeittatbestand (hier: Verfolgungsmaßnahmen) herbeigeführt wurde.
Normenkette
RVO § 1251 Abs. 1 Nr. 4 Fassung: 1970-12-22, § 1236 Fassung: 1911-07-19; SVVereinfV 1 Art. 4 Fassung: 1945-03-17
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 27.04.1976; Aktenzeichen L 2 J 424/75) |
SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 16.04.1975; Aktenzeichen S 2/8 J 472/73) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. April 1976 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 16. April 1975 wird insoweit zurückgewiesen, als diese zur Anrechnung einer Ersatzzeit vom 1. Januar bis 20. Dezember 1947 verurteilt wurde.
Im übrigen wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Streitig ist die Anrechnung der Zeit von Januar 1947 bis zum 4. Dezember 1960 als Ersatzzeit (hier: Anschlußersatzzeit wegen Krankheit nach § 1251 Abs 1 Nr 4 Reichsversicherungsordnung - RVO -).
Der 1917 geborene Kläger ist rassisch Verfolgter iS des § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) und als Vertriebener anerkannt. Er war in Polen von 1931 bis März 1939 zunächst als Friseurlehrling, dann als Gehilfe beschäftigt. Danach diente er in der polnischen Armee. Von Dezember 1939 bis Oktober 1940 wurde er von deutschen Behörden zu Zwangsarbeit herangezogen. Ab November 1940 befand er sich in Konzentrationslagern, bis er am 11. April 1945 aus dem Konzentrationslager (KZ) Buchenwald befreit wurde. Wegen eines in der Haft erlittenen Schädelbasisbruchs war er im Krankenhaus K vom 25. Juli 1945 bis zum 20. Dezember 1947 in stationärer, danach bis 1960 in ständiger ambulanter Behandlung. Am 5. Dezember 1960 nahm der Kläger in K eine Beschäftigung als Friseur auf, ein Jahr darauf legte er die Meisterprüfung im Friseurhandwerk ab und arbeitete in diesem Beruf bis Juli 1968. Im Oktober 1969 erhielt er aus der polnischen Sozialversicherung Rente wegen Invalidität. Im Mai 1972 kam der Kläger in die Bundesrepublik. Mit Bescheid vom 10. Mai 1973 gewährte ihm die Beklagte, ausgehend von einem im Oktober 1969 eingetretenen Versicherungsfall, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Hierbei berücksichtigte sie eine Ersatzzeit von April 1939 bis Dezember 1946.
Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 16. April 1975 die Beklagte verpflichtet, die Zeit vom 1. Januar 1947 bis zum 4. Dezember 1960 als weitere Ersatzzeit anzurechnen. Das Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat im Urteil vom 27. April 1976 ausgeführt:
Der Kläger sei zwar nach der Entlassung aus dem KZ arbeitsunfähig krank gewesen und bis zur Wiederaufnahme der Berufstätigkeit im Dezember 1960 geblieben; er habe aber damals aus Rechtsgründen keine Rentenversicherungsbeiträge entrichten können. Das stehe, da es an einer versicherungsrechtlichen Benachteiligung fehle, der Anrechnung dieser Zeit als Anschlußersatzzeit entgegen. Hierbei komme es auf das am Aufenthaltsort geltende Recht an. Der Kläger sei invalide iS des polnischen Sozialversicherungsgesetzes und deshalb auch nicht zur freiwilligen Versicherung berechtigt gewesen.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision macht der Kläger geltend, zur Auslegung des § 1251 RVO seien nur deutsche Bestimmungen heranzuziehen; dabei müsse berücksichtigt werden, daß er in Polen erst ab 1969, nach vorangegangener Berufstätigkeit seit 1960, Rente wegen Invalidität bezogen habe. Die an die im KZ verbrachte Haft anschließende Krankheitszeit müsse gemäß § 1251 Abs 1 Nr 4 RVO als Ersatzzeit berücksichtigt werden. Ihm sei auch damals nicht nach deutschem Recht die Beitragsleistung unmöglich gewesen; der die Versicherungspflicht bei bestehender Invalidität ausschließende § 1236 RVO aF habe nicht mehr gegolten.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. April 1976 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 16. April 1975 zurückzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Hessische Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie macht geltend, nach § 1236 RVO aF habe für den Kläger spätestens nach der Befreiung aus der KZ-Haft absolute Versicherungsfreiheit bestanden. Diese Bestimmung sei durch die Vereinfachungsverordnung vom 17. März 1945 erst mit Wirkung vom 1. Juni 1945 - und zunächst auch nur in der britischen Besatzungszone - aufgehoben worden, so daß es am zeitlichen Zusammenhang zwischen Freiheitsentziehung und krankheitsbedingtem Beitragsverlust fehle.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers führt zur Aufhebung des Urteils des LSG und ist insofern begründet, als die Anerkennung einer Ersatzzeit vom 1. Januar bis zum 20. Dezember 1947 begehrt wird; hinsichtlich des weitergehenden Anspruchs reichen die Feststellungen des LSG zu einer abschließenden Entscheidung des Senats nicht aus, so daß insoweit der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden muß.
Entscheidungserheblich ist, ob der Kläger nach der am 11. April 1945 beendeten KZ-Haft, also nach "Zeiten der Freiheitsentziehung" im Sinne des § 43 BEG "Zeiten einer anschließenden Krankheit" zurückgelegt hat (§ 1251 Abs 1 Nr 4 RVO). Dies kann sich allerdings nur für Zeiträume ab Januar 1947 auswirken, da die Zeit bis Dezember 1946 bereits aus anderem Grund - gemäß § 1251 Abs 1 Nr 6 RVO als pauschale Ersatzzeit für Vertriebene - berücksichtigt ist.
Zu Recht hat das LSG verlangt, daß infolge Krankheit auch Arbeitsunfähigkeit bestanden haben muß (SozR Nr 16 zu § 1251 RVO). Daß der Kläger nach der Entlassung aus dem KZ jedenfalls solange arbeitsunfähig krank gewesen ist, als er - durch Bescheinigungen belegt und vom LSG festgestellt - stationär im Krankenhaus Kattowitz behandelt wurde (25. Juli 1945 bis 20. Dezember 1947), bedarf keiner Erörterung. Dies war auch "anschließend" an den Tag der Entlassung aus dem KZ (11. April 1945) schon deshalb, weil die nachfolgende Behandlung dem im KZ erlittenen Schädelbasisbruch galt. Das LSG hat jedoch die Zeit der anschließenden Krankheit mit der Begründung unberücksichtigt gelassen, es fehle an einer versicherungsrechtlichen Benachteiligung, dem Kläger sei es rechtlich unmöglich gewesen, damals Pflicht- oder freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung zu entrichten. Damit knüpft das Berufungsgericht an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) an (vgl ua SozR 2200 § 1251 Nr 2 und 6 mit Nachweisen; SozR Nr 8 zu § 1251 RVO und Nr 5 zu § 119 AusbauG Aa 5).
Der Kläger rügt mit Recht, daß die Prüfung, ob und wann ihm eine Beitragsentrichtung rechtlich unmöglich war, nach deutschem - nicht nach polnischem - Recht hätte vorgenommen werden müssen. Indem er vorträgt, durch Anwendung nicht revisiblen polnischen Rechts sei es zur Nichtanwendung deutschen Rechts gekommen, stützt er sich zulässigerweise auf die Verletzung bundesrechtlicher Vorschriften (§ 162 SGG; BSGE 3, 77). Daß Ersatzzeiten iS des § 1251 RVO allein nach deutschem Recht zu beurteilen sind, ergibt sich aus § 1250 Abs 1 RVO iVm § 14 Fremdrentengesetz (FRG). Danach (§ 1250 Abs 1 Buchst. a RVO) sind Beitragszeiten solche Zeiten, für die nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Invalidenversicherung Beiträge wirksam entrichtet sind, und "Zeiten ohne Beitragsleistung nach § 1251 RVO" (Buchst b des § 1250 Abs 1 RVO) Ersatzzeiten; nur die vorgenannten Beitragszeiten sollen also ersetzt werden, wenn die Voraussetzungen des § 1251 RVO vorliegen. Die Gleichstellung der bei einem nichtdeutschen Versicherungsträger zurückgelegten Beitragszeiten mit solchen des Bundesrechts in § 15 FRG ist auf diesen Tatbestand beschränkt; ebenso wie die Voraussetzungen für Ersatzzeiten lediglich in § 1251 RVO normiert sind, kann es nicht auf fremdes Recht zur Beantwortung der Frage ankommen, ob überhaupt die Möglichkeit zur Beitragsentrichtung bestand. Vielmehr sind insoweit - da sich aus dem FRG, insbesondere dessen § 15 nichts anderes ergibt - die allgemeinen in der Bundesrepublik geltenden Vorschriften maßgebend (§ 14 FRG). Das gebietet im übrigen auch der das FRG beherrschende Eingliederungsgedanke. Für die Berücksichtigung von Ersatzzeiten soll es grundsätzlich keinen Unterschied machen, in welchem Herkunftsland der Versicherte gewohnt und ob er dort die rechtliche Möglichkeit zur Beitragsleistung gehabt hat, da sonst eine Bevorzugung oder Benachteiligung gegenüber Einheimischen einträte. Verdeutlicht wird dies durch § 16 FRG, der bei Vertriebenen Beschäftigungszeiten in den dort genannten Gebieten einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung, für die Beiträge entrichtet sind, auch dann gleichstellt, wenn die Beitragsleistung im Herkunftsland trotz an sich gebotener Versicherungspflicht unterblieb (SozR Nr 11 zu § 16 FRG). Es wäre systemwidrig und unbillig, nur im Rahmen des § 16 die Versicherungspflicht und -berechtigung während der geltend gemachten Ersatzzeit nach deutschem Recht zu beurteilen, in den Fällen der - vorrangigen - Anwendung des § 15 FRG (auf die der begehrten Ersatzzeit vorangegangene Zeit) aber hierfür fremdes Recht ausschlaggebend sein zu lassen. Ausnahmen von diesem Grundsatz bleiben dem deutschen Gesetzgeber vorbehalten (zB Gleichbehandlung des Dienstes zur Erfüllung der Wehrpflicht nach den Vorschriften des Herkunftslandes mit dem Dienst in der deutschen Wehrmacht bei Vertriebenen, § 1251 Abs 1 Nr 1 iVm § 2 Abs 2 Bundesversorgungsgesetz). Deshalb verlangt das FRG umgekehrt im Gegensatz zu dem vom Entschädigungsprinzip ausgehenden Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz (FAG) vom 7. August 1953 nicht mehr, daß es sich zunächst um eine Ersatzzeit nach Herkunftsrecht handeln mußte (vgl § 4 Abs 1 Satz 1 und 2 FAG).
Wie bereits erwähnt, kommen Zeiten, während derer keine rechtliche Möglichkeit bestand, Beiträge zur Rentenversicherung zu leisten, auch nicht als Ersatzzeiten in Betracht.
Dabei richten sich Versicherungspflicht und Beitragsberechtigung nach dem jeweils geltenden Recht (SozR 2200 § 1251 Nr 2 mwN). Dieser Grundsatz, der davon ausgeht, daß "ohnehin" (so SozR 2200 § 1251 Nr 6) kein Beitragsverlust eintreten konnte, ist im Zusammenhang mit dem Sinn und Zweck der Ersatzzeitregelung zu sehen, nämlich auszugleichen, daß außergewöhnliche Umstände "von hoher Hand" oder in Form einer "Opferlage" (vgl SozR Nr 53 zu § 1251 RVO) typischerweise den Beitragsausfall herbeigeführt haben.
Problematisch sind die Fälle, in denen Invalidität vorlag, die nach § 1236 RVO in der Fassung vom 19. Juli 1911 (aF) die Versicherungspflicht (nach §§ 1443, 1444 RVO aF auch die Versicherungsberechtigung) ausschloß, wenn dieser Zustand nicht ohnehin, sondern gerade aufgrund des Ersatzzeittatbestandes eingetreten war, zB die Verwundung eines Versicherten während des Kriegsdienstes mit nachfolgender Invalidität oder wenn eine KZ-Haft nicht nur zu anschließender Krankheit und Arbeitsunfähigkeit, sondern auch zu Invalidität führte. Die Rechtsprechung hat bisher, jedenfalls im Rahmen des § 1251 Abs 1 Nr 1 RVO, dem Grundsatz der Unmöglichkeit der Beitragsleistung den Vorrang eingeräumt (vgl zuletzt SozR 2200 § 1251 Nr 2 und 6). Der Senat hat Zweifel, ob diese Überlegungen zwingend sind. Der Gesetzgeber hat durchaus die Kausalität zwischen einem Tatbestand der auch ein Ersatzzeittatbestand ist, und Berufsunfähigkeit - zugunsten des Versicherten - berücksichtigt, indem er in § 1252 Abs 1 RVO die Wartezeit als erfüllt gelten läßt (ebenso früher bei Invalidität, vgl § 17 Abs 1 des Gesetzes über weitere Maßnahmen in der Rentenversicherung aus Anlaß des Krieges vom 15. Januar 1941 und § 1263 a RVO idF vom 17. März 1945, § 3 Abs 2 des Verfolgtengesetzes in der Sozialversicherung vom 22. August 1949). Demgegenüber erscheint es widersprüchlich, wenn die während einer Ersatzzeit bestehende Invalidität, für die gerade der Ersatzzeittatbestand ursächlich war, eine Anrechnung dieser Zeit verhindert, weil während der Invalidität nach §§ 1236, 1443, 1444 RVO aF keine Beiträge entrichtet werden konnten. Dies legt die Schlußfolgerung nahe, daß in solchen Fällen die Invalidität der Anrechnung dieser Ersatzzeit nicht entgegenstehen sollte (vgl zur Kausalität bei der Anrechnung von Ersatzzeiten auch das Urteil des BSG vom 31. August 1977 - 1 RA 145/75 -).
Der Senat brauchte indessen die vorgenannte Rechtsfrage hier nicht zu entscheiden. Denn im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten wäre der Kläger auch unter Beachtung damaligen Rechts nicht schlechthin gehindert gewesen, trotz Invalidität Pflichtbeiträge zu leisten. Dies folgt aus der Aufhebung des § 1236 RVO aF durch Art 4 der Ersten Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung (Vereinfachungs-VO) vom 17. März 1945 (RGBl I, 41); danach waren auch von einem versicherungspflichtig beschäftigten Invaliden Beiträge zu leisten.
Die Vereinfachungs-VO ist mit Wirkung für das gesamte Reichsgebiet wirksam verkündet worden, obwohl zum Zeitpunkt der Verkündung bereits größere Teile dieses Gebiets von den Alliierten besetzt waren. Es kommt nur auf den Formalakt der Ausgabe des Gesetzblattes an; die Vereinfachungs-VO ist in der Nr 10 des Reichsgesetzblattes abgedruckt und am 11. April 1945 in Berlin ausgegeben, darüber hinaus in Bayern zum Teil noch verbreitet worden (vgl BSGE 3, 161, 165 bis 167 und Bayer. LVAmt in AMBl BY 1954 B 45, B 47). Das BSG hat in E 3, 161, 167, 168 allerdings zwischen wirksamer Verkündung sowie materiell-rechtlicher Wirksamkeit der Vereinfachungs-VO unterschieden und ausgeführt, nicht wirksam geworden sei diese Verordnung in den Teilen des früheren Deutschen Reiches, die sich am 11. April 1945 bereits fest in alliierter Hand befunden hätten; im gesamten Bundesgebiet habe Art 19 der Vereinfachungs-VO spätestens am 7. September 1949, dem Tage des erstmaligen Zusammentrittes des Deutschen Bundestages, Wirksamkeit erlangt. Gleiches gilt für Art 4 Vereinfachungs-VO (vgl BSGE 10, 156, 158). Ob mit dieser Rechtsansicht eine den damaligen staatsrechtlichen Gegebenheiten allein entsprechende und praktikable Lösung gefunden worden ist, kann hier dahinstehen (vgl die beachtlichen Ausführungen des Bayer. LVAmt aaO, insbesondere B 48/49; Koch/Hartmann/Kaltenbach/Maier, Das Angestelltenversicherungsgesetz, Bd IV, 27. Lieferung, Anm V zu § 1251 S V 238 und 238/1). Die Vereinfachungs-VO ist jedenfalls in der britischen Zone als rechtsgültig anerkannt worden (Einzelheiten hierzu vgl Dobbernack, ArbBl brit. Zone 1947, 144, und Eckert, Die Sozialversicherungsgesetze in der Bundesrepublik Deutschland in jeweils geltender Fassung, Stand 1957, Vorbem vor §§ 165 ff RVO). Sie hat auch in Bayern Rechtsgültigkeit gehabt (vgl Urteil des BSG vom 20. September 1956 - 5 RKn 14/55 - zu Art 19 Vereinfachungs-VO, ferner Urteil vom 6. September 1956 - 4 RJ 111/54 - und Bayer. LVAmt aaO; neuerdings auch Bayer. LSG in AMBl BY 1977 B 29). Damit ist die Vereinfachungs-VO damals in überwiegenden Gebietsteilen der heutigen Bundesrepublik und auch für den Großteil der Bevölkerung dieses Gebietes geltendes Recht geworden. Im Hinblick darauf kann bei einem Versicherten, der als Verfolgter und Vertriebener anerkannt ist und sich nach Beendigung des Zwangsaufenthaltes im KZ Buchenwald außerhalb des damaligen Reichsgebietes befand, wegen Invalidität keine rechtliche Unmöglichkeit zur Entrichtung von Pflichtbeiträgen angenommen und mit dieser Begründung die Berücksichtigung einer Ersatzzeit nicht verneint werden.
Der hier maßgebende Art 4 der Vereinfachungs-VO ist am 1. Juni 1945 in Kraft getreten (Art 25 Abs 1 aaO). Dies bedeutet, daß der Kläger nach der Entlassung aus dem KZ zwar arbeitsunfähig krank war, wegen bestehender Invalidität jedoch aus Rechtsgründen bis zum 31. Mai 1945 keine Beiträge zur Rentenversicherung hätte leisten können (vgl zu Beitragslücken aus Rechtsgründen BSG 25, 284, 288). Indessen steht jedenfalls ein solches Intervall von weniger als zwei Monaten der Annahme einer "anschließenden Krankheit" nicht entgegen, weil der Kläger den Schädelbasisbruch als Ursache der Krankheit schon im KZ erlitten hat (vgl SozR 2200 § 1251 Nr 21).
Der Senat kann jedoch nicht abschließend entscheiden, soweit es sich um Zeiten nach dem 20. Dezember 1947 handelt. "Anschließende Krankheit" iS des § 1251 Abs 1 Nr 4 RVO ist ein Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen vom Revisionsgericht in vollem Umfang zu überprüfen sind. Lediglich die in diesem Zusammenhang getroffenen tatsächlichen Einzelfeststellungen der Vorinstanz unterliegen den Beschränkungen des § 163 SGG. Das LSG hat zwar eine Arbeitsunfähigkeit bedingende Krankheit auch für die Zeit nach dem Ende der stationären Behandlung des Klägers bis zur Wiederaufnahme der Berufstätigkeit (5. Dezember 1960) angenommen, ohne aber eine - aus der Sicht des LSG auch nicht erforderliche - Begründung hierfür abzugeben.
Die danach noch erforderlichen Ermittlungen kann nicht der Senat, sondern muß die Tatsacheninstanz anstellen. Dabei wird zu beachten sein, daß weder ständige ambulante Behandlung notwendig einer fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit gleichgesetzt werden kann, noch daß einer viel später ausgestellten ärztlichen Bescheinigung entscheidende Hinweise zu entnehmen sind allein deshalb, weil darin der Rechtsbegriff der Arbeitsunfähigkeit verwendet wurde. Daß der Kläger im Dezember 1960 in seinem Friseurberuf wieder tätig geworden ist und ein Jahr darauf sogar die Meisterprüfung abgelegt hat, dürfte ein Anhaltspunkt für die Prüfung sein, ob tatsächlich bis 1960 Arbeitsunfähigkeit bestand. In diesem Zusammenhang sollte ermittelt werden, wovon der Kläger nach der Entlassung aus stationärer Behandlung gelebt, ob er Tätigkeiten oder Nebentätigkeiten verrichtet hat, was ihn veranlaßte, 1960 wieder berufstätig zu werden (vgl Vorbringen des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vor dem SG) sowie welche vielleicht neuen Ursachen zur Invalidität in Polen geführt haben. Deshalb sollte versucht werden, die Unterlagen des polnischen Versicherungsträgers beizuziehen. Erst nach Ausschöpfung aller dieser Aufklärungsmöglichkeiten über die Verhältnisse des Klägers in der umstrittenen Zeit kann entschieden werden, ob und wie lange Arbeitsunfähigkeit bedingende Krankheit vorgelegen hat.
Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen