Orientierungssatz

Zur Frage der Rückzahlungsverpflichtung zu Unrecht empfangenen Kindergeldes wegen grob fahrlässiger bzw vorsätzlich falscher Angaben.

 

Normenkette

BKGG § 13 Nrn. 1-2

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Juli 1973 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 5. September 1972 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, zu Unrecht empfangenes Kindergeld zurückzuzahlen.

Der Kläger ist der Vater zweier ehelicher 1964 und 1965 geborener Söhne. Seine Ehefrau hat eine 1961 geborene Tochter Heidemarie H (H) aus erster Ehe, die sich seit ihrer Geburt im Haushalt der Großeltern befindet. Das Sorgerecht für H. ist der Ehefrau des Klägers übertragen. Der Kläger und seine Ehefrau leben seit März 1969 getrennt.

Der Kläger beantragte am 14. Januar 1966 die Gewährung von Kindergeld unter Berücksichtigung der drei genannten Kinder. Er führte H. unter Nr. 3 Buchst. a des Antragsformulars auf und bezeichnete sie als Stiefkind, das von ihm überwiegend unterhalten werde. Die Frage Nr. 4: "Von den unter Nr. 3 a bis c aufgeführten Kindern leben dauernd außerhalb meines Haushalts" beantwortete er nicht, machte vielmehr Striche. Der Kläger unterzeichnete den Antrag als Antragsteller, seine Ehefrau unterschrieb die vorgesehene Erklärung: "Ich bin damit einverstanden, daß meinem Ehemann ... das Kindergeld ... für die unter Nr. 3 aufgeführten Kinder gewährt wird".

In der Haushaltsbescheinigung führte der Kläger zu der Frage: "Zu meinem Haushalt gehören folgende Kinder:" wiederum alle drei Kinder auf. Das Bürgermeisteramt der Gemeinde Elm bescheinigte amtlich, daß die Erklärung des Klägers über seine Person und über die unter 1 bis 3 aufgeführten Kinder "nach den hier vorhandenen Unterlagen - nach persönlicher Kenntnis - zutreffe". Daraufhin gewährte die Beklagte dem Kläger ab Dezember 1965 Kindergeld unter Berücksichtigung von drei Kindern. Den Fragebogen zur Prüfung des Anspruchs auf Kindergeld füllte der Kläger am 17. Mai 1967 in gleicher Weise aus. Die entsprechende Haushaltsbescheinigung, die wiederum vom Bürgermeisteramt Elm bestätigt wurde, lautete wie die frühere.

Nachdem sich die Eheleute 1969 getrennt, die Ehefrau des Klägers einen eigenen Kindergeldantrag gestellt und angegeben hatte, ihre Tochter Heidemarie lebe seit ihrer Geburt bei den Großeltern, und der Kläger sein Einverständnis damit erklärt hatte, daß das Kindergeld in Zukunft an seine Ehefrau ausgezahlt werde, und schließlich der Magistrat Schlüchtern auf der Haushaltsbescheinigung vermerkt hatte, das Kind Heidemarie solle nach Angaben der Antragstellerin in Steinau Krs. Schlüchtern bei den Großeltern wohnhaft sein, entzog die Beklagte mit Bescheid vom 30. April 1969 dem Kläger das Kindergeld ab Dezember 1965 vorerst in Höhe von 75,- DM monatlich. Mit dem angefochtenen Rückforderungsbescheid vom 8. Juli 1969 forderte sie von ihm 3.075,- DM an überzahltem Kindergeld zurück. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 26. September 1969 zurück. Das Sozialgericht (SG) hat den Rückforderungsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides aufgehoben und im übrigen die Klage gegen den Entziehungsbescheid abgewiesen (Urteil vom 5. September 1972). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten, nachdem diese mit Bescheid vom 15. Mai 1973 den Rückforderungsbetrag auf 2.050,- DM ermäßigt hatte, das Urteil des SG geändert und die Klage gegen den Bescheid vom 15. Mai 1973, der den Rückforderungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides geändert hatte, abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, der Entziehungsbescheid sei bindend, weil der Kläger gegen das insoweit klagabweisende Urteil des SG keine Berufung eingelegt habe. Der Kläger sei auch zur Rückzahlung des Drittkindergeldes verpflichtet - Zweitkindergeld wird von dem Kläger nicht mehr zurückgefordert -, weil die Voraussetzungen des § 13 Nr. 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) erfüllt seien. Anspruchsberechtigt für den Bezug von Drittkindergeld seien weder der Kläger noch seine Ehefrau gewesen. Die letztere habe keinen eigenen Kindergeldantrag gestellt gehabt. Die von ihr unterschriebene Erklärung sei kein eigener Antrag gewesen. Sie habe damit vielmehr auf die Geltendmachung ihres eigenen Kindergeldanspruches verzichtet und den Kläger zum Kindergeldberechtigten bestimmt. Der Antrag des Klägers könne auch nicht in einen Kindergeldantrag seiner Ehefrau umgedeutet werden. Die Gewährung des Kindergeldes an den Kläger sei durch von ihm grob fahrlässig gemachte falsche Angaben herbeigeführt worden. Er habe nämlich wahrheitswidrig behauptet, Heidemarie H gehöre zu seinem Haushalt. Die Erziehung und Betreuung des Kindes H. habe ausschließlich in den Händen seiner Großeltern mütterlicherseits gelegen, die das Kind seit seiner Geburt aufgezogen und versorgt hätten. Bei wahrheitsgemäßen Angaben wäre dem Kläger nur Kindergeld unter Berücksichtigung seiner beiden ehelichen Kinder gewährt worden. Aus dem Merkblatt und der Anleitung zur Ausfüllung des Antrages habe der Kläger ersehen können, daß ihm Kindergeld für sein Stiefkind nur dann zugestanden hätte, wenn er es in seinen Haushalt aufgenommen gehabt hätte. Die Leistungsverpflichtung der Beklagten richte sich entgegen der Auffassung des SG nur nach dem Umfang des geltend gemachten Anspruches, nicht aber danach, ob - wirtschaftlich gesehen - unter anderen rechtlichen Voraussetzungen eine Überzahlung nicht vorliegen würde. Die Beklagte müsse allerdings die von der Ehefrau beantragten Leistungen für die Zeit von Oktober 1968 bis April 1969 mit dem Rückforderungsbetrag verrechnen.

Der Kläger hat die zugelassene Revision in rechter Form und Frist eingelegt und begründet. Er trägt u. a. vor, die Rückforderung des Drittkindergeldes sei "an sich" berechtigt. Das volle Kindergeld habe jedoch der "Familie" S zugestanden, wenn die Ehefrau des Klägers als leibliche Mutter ihrer drei Kinder zur Bezugsberechtigung bestimmt worden wäre. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle mit dem Kindergeld ein mindestens teilweiser Ausgleich der Familienlast herbeigeführt werden, die sich aus einer größeren Anzahl von Kindern für die Familie ergebe. Der im Sinne des Gesetzes Bezugsberechtigte sei nur Durchgangsperson für die Familie, insbesondere für die Kinder. Er habe das Geld so anzulegen, wie es dem Recht des Kindes auf leibliche, seelische und gesellschaftliche Tätigkeit entspreche. Er sei sogar verpflichtet, das gezahlte Kindergeld auch für die sogenannten Zählkinder - die kein Kindergeld erhalten - zu verwenden. Auf ein mögliches Verschulden der Durchgangsperson könne es deshalb nach dem Sinn des Gesetzes nicht ankommen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 5. September 1972 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist begründet. Entgegen der Auffassung des LSG ist der Kläger nicht verpflichtet, das ihm von Dezember 1965 bis April 1969 gewährte Kindergeld zurückzuzahlen.

Zutreffend ist das LSG zunächst davon ausgegangen, daß die Entziehung des Kindergeldes in der unstreitigen Höhe von 2.050,- DM, d. h. des Drittkindergeldes, bindend festgestellt ist, nachdem der Kläger gegen das insoweit klagabweisende Urteil des SG keine Berufung eingelegt hatte.

Zu Unrecht gezahltes Kindergeld ist jedoch u. a. nur dann zurückzuzahlen (vgl. § 13 BKGG), wenn der Empfänger die Gewährung dadurch herbeigeführt hat, daß er vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder eine Anzeige nach § 21 Abs. 1 BKGG vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassen hat oder wenn er wußte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußte, daß ein Anspruch auf Kindergeld nicht bestand (§ 13 Nrn. 1 und 2 BKGG). Die beiden übrigen Voraussetzungen, unter denen § 13 BKGG eine Rückzahlungspflicht vorsieht (Nrn. 3 und 4), scheiden im vorliegenden Fall aus.

Geht man von den nicht angegriffenen und auch unstreitigen Feststellungen des LSG aus, so läßt sich entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts eine grobe Fahrlässigkeit oder gar ein Vorsatz des Klägers weder im Sinne von § 13 Nr. 1 noch Nr. 2 BKGG nachweisen, so daß ein Rückforderungsanspruch der Beklagten, auch soweit er nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BKGG verjährt ist, nicht besteht.

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Kläger grob fahrlässig gehandelt hat, ist von der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen und Verhalten des Betroffenen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles auszugehen (BSG 35, 108, 112; SozR - neue Folge - 5870 § 13 BKGG Nr. 1; Urteil des erkennenden Senats vom 13. Februar 1975 - 8/7 RKg 14/73 -). Eine grobe Fahrlässigkeit liegt u. a. vor, wenn der Betroffene die ihm obliegende Sorgfaltspflicht in besonders schwerwiegendem Maß verletzt (Wickenhagen-Krebs, Bundeskindergeldgesetz, Bd. 2 Stand: September 1971 Anm. 9 zu § 13 BKGG; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 34. Aufl., Anm. 2 zu § 277 BGB), indem er nicht das beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten mußte (BGHZ 10, 14, 16, 69, 74) oder wenn er schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt (RGZ 163, 106), so daß sein Verhalten auch subjektiv schlechthin unentschuldbar ist (BSG in SozR aaO).

Wenn das LSG ausführt, in der Nichtbeachtung von Merkblättern und Anleitungen bei der Ausfüllung von Anträgen liege grundsätzlich ein grobes Verschulden und es sei nicht anzunehmen, daß der Kläger den Inhalt des ihm ausgehändigten Merkblattes bzw. der Anleitung nicht verstanden habe, weil er sehr genau gewußt habe, daß seine Stieftochter H. sich allein in der Obhut der Großeltern befunden habe und er nicht wie bei seinen ehelichen Kindern auf ihre Erziehung und Betreuung Einfluß nehmen konnte, weshalb er habe erkennen müssen, ihm stehe unter diesen Umständen für das Stiefkind kein Kindergeld zu, verkennt es damit den Begriff der groben Fahrlässigkeit, weil es die Umstände des Falles nicht hinreichend berücksichtigt.

Zwar heißt es in dem "Merkblatt über Kindergeld und Ausbildungszulage" unter Nr. 2 c: "Berücksichtigt werden Stiefkinder des Antragstellers, die er in seinen Haushalt aufgenommen hat". Das Merkblatt enthält aber ebensowenig wie die "Anleitung für die Ausfüllung des Antrages auf Kindergeld und Ausbildungszulage" eine nähere Erklärung des Begriffes "in den Haushalt aufgenommen", dessen Bedeutung das LSG dem Kläger offenbar als bekannt unterstellen will. Das Antragsformular selbst sieht in diesem Zusammenhang lediglich die Angabe des Kindschaftsverhältnisses und die Angabe der Person vor, von der das Kind überwiegend unterhalten wird. Das LSG erblickt eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers darin, daß er wahrheitswidrig behauptet habe, das Stiefkind "gehöre zu seinem Haushalt" (Urt. S. 9). Er hat aber in seinem Widerspruchsschreiben - Bl. 27 der Verwaltungsakten - angegeben, er habe angenommen, das Kind gehöre zu seinem Hausstand, weil er die Aufwendungen für die Erziehung des Kindes bzw. "alle notwendigen Leistungen aufgebracht" habe. Dies ist von den Großeltern im wesentlichen bestätigt worden (Bl. 18 d. VerwA). Es ist deshalb anzunehmen, daß der Kläger insoweit einem Rechtsirrtum erlegen ist. Dieser erscheint um so eher entschuldbar, als unstreitig ist (vgl. Urteil des LSG S. 8), daß für 3 Kinder ein Anspruch auf Kindergeld bestand, wenn nur die Ehefrau den Antrag im eigenen Namen gestellt hätte. Im übrigen obliegt die Entscheidung darüber, ob und ggf. welche der wahrheitsgemäß aufgeführten Kinder bei der Kindergeldzahlung zu berücksichtigen sind, nicht dem Antragsteller, sondern der Beklagten, deren Sache es ist, in Zweifelsfällen Rückfrage zu halten bzw. die Antragsteller zu belehren (vgl. dazu Nr. 17 des Merkblatts und die Ausführungen weiter unten).

Auch daraus, daß der Kläger die Stieftochter H. nicht unter Nr. 4 des Antrags aufgeführt hat, kann ihm nicht der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit gemacht werden. Es heißt dort: "Von den unter 3 a bis c aufgeführten Kindern leben dauernd außerhalb meines Haushalts:" Dadurch, daß das Wort "dauernd" fettgedruckt ist, kommt deutlich zum Ausdruck, daß nicht jedes außerhalb des Haushalts lebende Kind aufzuführen ist. Die "Anleitung" enthält zu dieser Frage wiederum keine Begriffsbestimmung, sondern lediglich Beispiele für die geforderte Angabe des Grundes, aus welchem ein Kind dauernd außerhalb des Haushalts lebt. Der Kläger hat bereits in seinem Widerspruch zum Ausdruck gebracht, er sei der Meinung, sein Stiefkind gehöre zu seinem Haushalt und sei nur aus bestimmten Gründen vorübergehend bei den Schwiegereltern untergebracht, weshalb er noch etwas warten wolle, bevor er es in die eigene Wohnung aufnehme. Wenn er also bei Antragstellung beabsichtigt haben sollte, H. alsbald zu sich zu nehmen, so konnte er die Voraussetzungen der Nr. 4 verneinen. Daß unter Nr. 3 a des Antrags der überwiegende Unterhalt durch den Kläger zu Unrecht bejaht worden sei, hat das LSG im übrigen nicht festgestellt. Es kommt hinzu, daß das Bürgermeisteramt Elm die Angabe des Klägers in der Haushaltsbescheinigung bestätigte, H. gehöre zu seinem Haushalt. Dabei ist nichts dafür ersichtlich, daß dieser Stelle die tatsächlichen Verhältnisse unbekannt gewesen sein sollten. Konnte der Kläger sich daher in seiner Auffassung bestätigt fühlen, H. gehöre zu seinem Haushalt, so könnte es allenfalls als fahrlässig bezeichnet werden, wenn er keine weitergehenden Überlegungen dahin anstellte, daß zwischen "zum Haushalt gehören" und " dauernd außerhalb des Haushalts leben" rechtlich bedeutsame Unterschiede bestehen könnten, zumal weder das "Merkblatt" noch die "Anleitung" insoweit klare Hinweise geben. Bei denkbaren mehrdeutigen Auslegungsmöglichkeiten kann einem Antragsteller aber nicht der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit gemacht werden, wenn er, ohne die rechtliche Bedeutung seiner Angaben zu kennen, nur eine Möglichkeit berücksichtigt, es sei denn, diese ist so abwegig, daß sie auch bei nur geringster Aufmerksamkeit für den Antragsteller ausscheiden muß. Mag die Auslegung, die der Kläger dem Begriff "dauernd außerhalb des Haushalts leben" gegeben haben will, auch der tatsächlichen Sachlage nicht entsprochen haben, so ist sie doch unter den gegebenen Umständen vor allem angesichts der Bestätigung des Bürgermeisteramts und des Umstandes, daß bei richtiger Behandlung der Anspruch voll zu bejahen war, nicht so abwegig, daß er sie ohne weiteres und ohne eingehende Überlegungen als falsch hätte erkennen müssen.

Die gleichen Erwägungen gelten für die Angaben des Klägers vom 17. Mai 1967, in dem Fragebogen zur Prüfung des Anspruchs auf Kindergeld. Der Kläger hat hierin im wesentlichen die gleichen Angaben gemacht, die tatsächlichen Verhältnisse hatten sich nicht geändert und das Bürgermeisteramt Elm hatte wiederum bestätigt, daß H. zu seinem Haushalt gehöre.

Schließlich läßt sich auch nicht feststellen, daß der Kläger als er das von der Beklagten jetzt zurückgeforderte Kindergeld empfing, wußte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußte, daß ein Anspruch insoweit nicht bestand (§ 13 Nr. 2 BKGG). Konnte er, wie oben ausgeführt, ohne grob fahrlässig zu sein, davon ausgehen, er habe zutreffende Angaben bei der Antragstellung gemacht, so müßten besonders augenfällige und ohne weiteres erkennbare Tatsachen vorliegen, um ihm die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis über das teilweise, nur auf formalen Gründen beruhende Nichtbestehen des Kindergeldanspruchs anlasten zu können. Ein Antragsteller muß davon ausgehen können, daß ein Antragsformular alle für den Anspruch maßgebenden Fragen enthält, so daß nur ein offensichtlicher Irrtum der Beklagten zu einer unberechtigten Gewährung einer Leistung führen könnte. Wollte man dem Kläger insoweit vorwerfen, er hätte aus dem "Merkblatt" erkennen müssen, sein Stiefkind dürfe nicht berücksichtigt werden, weil er es nicht in seinen Haushalt aufgenommen gehabt habe, so hätte es für ihn erkennbar sein müssen, daß das Kind zwar nicht "dauernd außerhalb seines Haushalts lebe" (i. S. der Frage 4 des Antrages) und auch entsprechend der amtlich bestätigten Haushaltsbescheinigung zu seinem "Haushalt gehöre", dennoch aber nicht "in seinen Haushalt aufgenommen" sei. Eine solche Schlußfolgerung ist aber nicht so offensichtlich, als daß der Kläger sie ohne weiteres hätte ziehen müssen. Vor allem aber ist auch hier zu beachten, daß, wie bereits erwähnt und wie auch die Beklagte offenbar nicht bestreitet, ein Kindergeldanspruch in der streitigen Höhe tatsächlich bestand, allerdings nicht in der Person des Klägers, wohl aber in der seiner Ehefrau, deren eheliches Kind die H. war (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 BKGG), und daß es nur der Antragstellung seitens der Ehefrau bedurft hätte, um diesen Anspruch zu verwirklichen. Wollte man dem Kläger daher vorwerfen, er hätte erkennen müssen, daß ihm der Anspruch nicht zustand, so müßte man ihm andererseits zubilligen, daß er damit rechnen durfte, die Beklagte werde im Zweifel die Unterschrift seiner Ehefrau im Kindergeldantrag als für eine eigene Antragstellung ausreichend ansehen oder andernfalls seine Ehefrau auf die Notwendigkeit hinweisen, einen eigenen Antrag zu stellen, zumal aus den Angaben unter Nr. 1 b und 5 des Antrages hinreichend deutlich hervorgeht, daß H. ein eheliches Kind seiner Ehefrau war und auch keine andere Person dafür Kindergeld erhielt (Frage 8 des Antrags).

Kann bei dem Kläger somit eine grobe Fahrlässigkeit weder i. S. der Nr. 1 noch der Nr. 2 des § 13 BKGG festgestellt werden, so gilt das erst recht für einen entsprechenden Vorsatz bzw. das Wissen über die Unrechtmäßigkeit der Leistung.

Das SG hatte somit im Ergebnis zu Recht den streitigen Rückforderungsbescheid aufgehoben, so daß das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1651022

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