Orientierungssatz
Beitragsentrichtung zur Rentenversicherung vom Krankengeld (vgl BSG vom 19.6.1986 - 12 RK 54/85 -) - Feststellung des Unterbrechungstatbestandes iS § 1259 Abs 1 S 1 Nr 1 RVO.
Normenkette
RVO § 1385b Abs 1 Fassung: 1983-12-22, § 1259 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst b Fassung: 1983-12-22
Verfahrensgang
SG Hildesheim (Entscheidung vom 10.07.1985; Aktenzeichen S 2 Kr 23/85) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger vom Krankengeld Beiträge zur Rentenversicherung zu entrichten hat.
Der 1954 geborene Kläger ist bei der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse krankenversichert. Er bezog vom 2. Oktober bis zum 4. November 1984 Krankengeld. Davon behielt die Beklagte 168,64 DM an Beiträgen zur Rentenversicherung und 41,82 DM an Beiträgen zur Bundesanstalt für Arbeit ein und erteilte ihm hierüber den Bescheid vom 14. Dezember 1984. Gegen den Einbehalt der Beiträge zur Rentenversicherung erhob der Kläger Widerspruch, der jedoch erfolglos blieb (Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 1985).
Das Sozialgericht (SG) Hildesheim hat die Landesversicherungsanstalt (LVA) Hannover beigeladen und die Klage durch Urteil vom 10. Juli 1985 abgewiesen. Es hat die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen die Beitragspflicht des Krankengeldes für unbegründet gehalten.
Der Kläger wendet sich gegen das Urteil mit der zugelassenen Sprungrevision. Er hält die Beitragserhebung vom Krankengeld für unvereinbar mit dem Grundgesetz (GG). Auch habe, so hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch vorgetragen, das SG in seinem Urteil nicht alle Tatsachen festgestellt, die die Anwendung des § 1385b Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) rechtfertigten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 10. Juli 1985 und - hinsichtlich der Beiträge zur Rentenversicherung - den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 1985 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, 168,64 DM an ihn zu zahlen, hilfsweise den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Niedersachsen zurückzuverweisen.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten die angefochtene Regelung für vereinbar mit dem Grundgesetz. In tatsächlicher Hinsicht erfülle der Kläger ihre Voraussetzungen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung begründet. Das Urteil des SG enthält nicht alle tatsächlichen Feststellungen, die für eine abschließende Entscheidung erforderlich sind.
Die umstrittene Beitragserhebung beruht auf § 1385b RVO. Diese Vorschrift bestimmt in ihrem Abs 1 Satz 1 ua, daß die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung für Ausfallzeiten von Personen, die von ihnen Krankengeld beziehen, für die Zeit des Bezugs dieser Leistung Beiträge zu zahlen haben, wenn die Personen vor Beginn dieser Leistung zuletzt nach diesem (dh dem 4. Buch der RVO und damit in der Rentenversicherung der Arbeiter) pflichtversichert waren. Nach Satz 2 Halbs 1 sind in diesen Fällen die Beiträge von den Beziehern von Krankengeld, sofern dieses nicht in Höhe der Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit zu zahlen ist, sowie von den Krankenversicherungsträgern je zur Hälfte zu tragen.
Beiträge sind nach dieser Regelung "für Ausfallzeiten" zu zahlen. Damit ist zwar nicht gemeint, daß die Zeiten bei der Rentenberechnung auch als Ausfallzeiten anrechenbar sein, dh die Voraussetzungen des § 1259 Abs 3 RVO erfüllt sein müssen; erforderlich ist aber in Fällen der vorliegenden Art, daß es sich um Zeiten iS des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b RVO handelt, also um Zeiten, in denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit durch eine infolge Krankheit bedingte Arbeitsunfähigkeit unterbrochen worden ist und für diese Zeiten oder einen Teil von ihnen Krankengeld bezogen worden ist (zum Ganzen Urteil des Senats vom 19. Juni 1986 - 12 RK 54/85 -). Im Urteil des SG fehlt es an Feststellungen zu dem "Unterbrechungstatbestand". Wenn das SG in den Entscheidungsgründen bemerkt, zwischen den Beteiligten sei unstreitig, daß die Beklagte den Beitrag zur Rentenversicherung gemäß § 1385b RVO rechtlich zutreffend berechnet und an den Rentenversicherungsträger abgeführt habe, so reicht das nicht aus. Denn ob der "Unterbrechungstatbestand" erfüllt ist, ist keine Frage der Rentenberechnung, und da das Gericht im sozialgerichtlichen Verfahren den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen hat (§ 103 Satz 1 Halbs 1 SGG), kommt es darauf, ob Tatsachen unter den Beteiligten unstreitig sind, nicht an. Aus diesen Gründen und weil auch der Kläger, nachdem er den Versicherungsverlauf erhalten hat, abschließende Feststellungen zum "Unterbrechungstatbestand" vermißt, müssen zunächst gesicherte tatsächliche Grundlagen geschaffen werden, bevor beurteilt werden kann, ob auch im vorliegenden Verfahren die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung von der verfassungsrechtlichen Prüfung des § 1385b RVO abhängt. Der Senat hat daher das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache nach § 170 Abs 4 Satz 1 SGG an das LSG zurückverwiesen.
Zu Rechtsfragen, die § 1385b Abs 1 RVO aufwirft, insbesondere zu dessen Vereinbarkeit mit dem GG, hat der Senat in fünf Urteilen vom 19. Juni 1986 - 12 RK 53, 54, 56 und 60/85 sowie 7/86 - Stellung genommen.
Das LSG wird in der Entscheidung, die das Verfahren abschließt, auch über die Erstattung außergerichtlicher Kosten - einschließlich der des Revisionsverfahrens - zu entscheiden haben.
Fundstellen