Verfahrensgang
LSG Berlin (Urteil vom 17.08.1955) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 17. August 1955 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I. Die Klägerin war nach ihren Angaben dem Facharbeitsamt IV Berlin gegenüber seit dem 1. März 1946 bei der Provinzialregierung Brandenburg in Potsdam und vom 1. Januar 1951 ab bei der Landesfinanzdirektion dort bis zum 20. August 1952 beschäftigt. Im Zuge einer Verwaltungsreform wurde sie entlassen, weil ihr Ehemann in West-Berlin arbeitete. Bis zum 31. August 1952 war sie krank. Vom 1. September 1952 bis zum 27. Januar 1953 war sie bei der Industrie- und Handelskammer Land Brandenburg in Potsdam angestellt. Wegen ihres Zuzugs nach West-Berlin wurde sie an diesem Tage fristlos entlassen. Am 9. Juni 1953 – bis dahin war sie ohne Beschäftigung – meldete sie sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosenunterstützung (Alu). Diese wurde ihr für 26 Wochen gewährt. Ihr Antrag vom 26. November 1953, auf Grund ununterbrochener versicherungspflichtiger Beschäftigung von mehr als 260 Wochen die Alu nach dem Änderungsgesetz vom 24. August 1953 auf insgesamt 52 Wochen zu gewähren, wurde abgelehnt, da die versicherungspflichtigen Beschäftigungen durch die Krankheit vom 21. bis zum 31. August 1952 unterbrochen gewesen seien. Ihr Einspruch vom 21. Dezember 1953 wurde durch Bescheid der Widerspruchsstelle vorn 29. Januar 1954 aus demselben Grunde zurückgewiesen.
II. Auf Klage hob das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 10. Januar 1955 die Vorentscheidungen auf. Nach seiner Auffassung besagt der durch das Änderungsgesetz eingefügte Satz 3 des § 99 Abs. 1 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) nicht, daß der Arbeitslose vom Tage der Arbeitslosmeldung oder vom letzten Tag der Beschäftigung kalendermäßig zurückgerechnet ununterbrochen in versicherungspflichtiger Beschäftigung gestanden haben müsse. Ein Anspruch auf verlängerte Bezugsdauer bestehe, wenn der Arbeitslose schlechthin eine ununterbrochene versicherungspflichtige Beschäftigung von entsprechender Dauer vor der die Unterstützung in Lauf setzenden Arbeitslosmeldung nachweise.
Diese Entscheidung änderte auf die Berufung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung das Landessozialgericht Berlin mit Urteil vom 17. August 1955 dahin ab, daß die Verfügung des Facharbeitsamts IV Berlin und der Bescheid der Widerspruchsstelle wiederhergestellt wurden. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 99 Abs. 1 Satz 3 AVAVG sei, daß der Arbeitslose bis zur Arbeitslosmeldung ununterbrochen zwischen 104 bis zu 260 Wochen versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei und demgemäß bis zu diesem Zeitpunkt ununterbrochen die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt worden seien. Jede Unterbrechung – ohne Rücksicht auf Verschulden – habe zur Folge, daß der Anspruch auf die erhöhte Bezugsdauer nach Satz 3 nicht entstehe.
Revision ist zugelassen worden.
III. Gegen das der Klägerin am 1. September 1955 zugestellte Urteil hat sie mit Schriftsatz vom 29. September 1955 – eingegangen beim Bundessozialgericht am 1. Oktober – Revision eingelegt und beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Berlin vom 17. August 1955, der Verfügung des Facharbeitsamts IV Berlin vom 14. Dezember 1953 und des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1954 zu erkennen, daß die Beklagte ihr über die Bezugsdauer von 26 Wochen hinaus Alu für weitere 26 Wochen zu gewähren hat. Innerhalb der bewilligten Verlängerungsfrist hat sie mit Schriftsatz vom 21. November 1955 – beim Bundessozialgericht eingegangen am 26. November – diese begründet. Sie rügt rechtsirrige Auslegung des § 99 AVAVG. Der Grundgedanke dieser Vorschrift sei, daß diejenigen, die für einen bestimmten längeren Zeitraum Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geleistet hätten, bei einem späteren Unterstützungsfall bevorzugt werden sollten. Deshalb sei das Sozialgericht zutreffend davon ausgegangen, daß der Anspruch auf verlängerte Bezugsdauer dann bestehe, wenn der Arbeitslose schlechthin eine ununterbrochene Beschäftigung von entsprechender Dauer vor der die Unterstützung in Lauf setzenden Arbeitslosmeldung nachweise. Habe der Gesetzgeber etwas anderes gewollt, so hätte er vor die Worte „vor der Arbeitslosmeldung” das Wort „unmittelbar” setzen müssen. Das Landessozialgericht stütze seine Begründung insbesondere auf die Gegenüberstellung des § 99 Abs. 1 Satz 3 mit Satz 1 und 2 und schließe daraus, daß nur die Arbeitslosen die Vergünstigung erhalten sollten, die nicht nur die „Anwartschaftszeiten” aus Satz 1 und 2 erfüllt hätten, sondern darüber hinaus bis zur Arbeitslosmeldung ununterbrochen zwischen 104 bis zu 260 Wochen beschäftigt gewesen seien. Diese Schlußfolgerung sei nicht zwingend; denn es sei auch § 99 Abs. 2 zu berücksichtigen, wonach eine frühere nichtverbrauchte Unterstützungszeit zur Erhöhung der Unterstützungsdauer heranzuziehen sei. Demnach könne auch eine zurückliegende Beschäftigungszeit von 104 bis zu 260 Wochen Grundlage für eine Unterstützungsdauer bis zu 52 Wochen sein. Die Klägerin verweist weiter auf den im § 99 Abs. 1 Satz 4 erwähnten § 98 a AVAVG und den Dienstblatterlaß der Bundesanstalt Nr. 33/54 vom 20. Januar 1954, wonach Krankheitszeiten der Annahme einer ununterbrochenen Beschäftigung nicht entgegenstünden.
Die Bundesanstalt beantragt mit Schriftsatz vom 6. Februar 1956, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie bezweifelt, ob durch eine Beschäftigung in der Sowjetzone eine Anwartschaft überhaupt erfüllt sei. Allerdings habe sich ein entsprechendes Gewohnheitsrecht für die Gewährung der Alu bis zu 26 Wochen gebildet. Die Anwendbarkeit des § 99 Abs. 1 Satz 3 habe der Bundesminister für Arbeit dagegen verneint. Im übrigen habe die Klägerin die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt, da sie nicht vor der Arbeitslosmeldung ununterbrochen in einer entsprechend langen Beschäftigung gestanden habe.
In weiteren Schriftsätzen haben die Beteiligten noch Ausführungen zur Rechtsfrage gemacht, insbesondere unter Hinweis auf die hierzu bereits ergangenen Urteile des erkennenden Senats. Die Klägerin vertritt dabei die Auffassung, daß ein außergewöhnlicher Härtefall vorliege.
Im einzelnen wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.
IV. Die Revision ist zulässig, konnte aber keinen Erfolg haben.
Das Landessozialgericht hat seinem Urteil die Angaben der Klägerin über ihre Beschäftigungszeiten und ihre Erkrankung als maßgebend zugrunde gelegt. Dies bindet das erkennende Gericht.
Streitig ist die Auslegung des § 99 in der Fassung des § 1 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenfürsorge vom 24. August 1953 (BGBl. I S. 1022). Diese Vorschrift ist durch das Berliner Übernahmegesetz vom 16. Oktober 1953 (GVBl. S. 1283) als auf das Land Berlin anwendbar erklärt worden und demnach revisibles Recht. Nach § 99 Abs. 1 Satz 3 wird bei Arbeitslosen, die – wie hier – Renten aus der Rentenversicherung wegen Alters, Invalidität oder Berufsunfähigkeit nicht beziehen, die Bezugsdauer der Alu über 26 bis auf höchstens 52 Wochen erhöht, wenn sie nach der vorgesehenen Staffelung vor der Arbeitslosmeldung ununterbrochen mindestens 104 bis zu 260 Wochen versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sind. Nach § 9 des Änderungsgesetzes ist diese Vorschrift auch anzuwenden, wenn im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes – 1. August 1953 – ein Anspruch auf Alu aus einer vor dem Inkrafttreten erworbenen Anwartschaft besteht. Einen solchen hat das Facharbeitsamt IV Berlin – und zwar in Höhe von 26 Wochen gemäß § 13 des Gesetzes über die Änderung des Gesetzes über die Regelung der Arbeitslosenunterstützung in Groß-Berlin vom 13. März 1950 (VOBl. I S. 137) – durch Verfügung vom 19. Juni 1953 anerkannt. Gleichwohl ist für die Anwendung des § 99 Abs. 1 Satz 3 kein Raum, weil die Voraussetzungen hierfür – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht vorliegen.
Der erkennende Senat hat sich in mehreren Entscheidungen mit der Auslegung dieser Vorschrift befaßt. In seinem Urteil vom 30. August 1955 (BSG. 1 S. 126) hat er festgestellt, daß die ununterbrochene versicherungspflichtige Beschäftigung – wie hier – auch bei verschiedenen Arbeitgebern nacheinander zurückgelegt sein kann. Die Beschäftigungen müssen jedoch grundsätzlich kalendermäßig aneinander anschließen. Unschädlich ist dabei jedenfalls ein dazwischenliegender Sonntag, gesetzlicher Feiertag oder betriebsüblich arbeitsfreier Sonnabend (Samstag), Paß der Arbeitnehmer eine Lacke zwischen den Beschäftigungen nicht verschuldet hat, hindert die Unterbrechung in aller Hegel nicht. Im Urteil vom 30. Oktober 1956 (BSG. 4 S. 102) hat der Senat entschieden, daß einem anerkannten Sowjetzonenflüchtling die verlängerte Bezugsdauer der Alu gemäß § 99 Abs. 1 Satz 3 zusteht, und im Urteil vom 29. Januar 1957 (SozR. AVAVG § 99 Blatt Ba 2 Nr. 5) dahin erkannt, daß auch unverschuldete Krankheit zwischen zwei versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen eine Unterbrechung ist.
Die Klägerin ist – wie das Sozialgericht Berlin – der Meinung, daß der Vorschrift genügt sei, wenn vor der Arbeitslosmeldung schlechthin eine über 104 Wochen hinausgehende ununterbrochene Beschäftigung vorliege. Diese Ansicht findet im Gesetz keine Stütze. § 99 Abs. 1 Satz 3 AVAVG verlangt, daß die ununterbrochene Beschäftigung vor der Arbeitslosmeldung liegt. Es kann insoweit also nicht auf eine solche zurückgegriffen werden, die früher einmal abgeleistet ist. Sie kann dagegen beachtlich sein, soweit es sich um die Feststellung der Erfüllung der Anwartschaft – gegebenenfalls innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist des § 95 Abs. 3 AVAVG – handelt.
Unzutreffend ist deshalb auch die Auffassung der Klägerin, daß der Gesetzgeber, falls er tatsächlich nur die letzte. Beschäftigung „vor der Arbeitslosmeldung” habe heranziehen wollen, hier das Wort „unmittelbar” habe einfügen müssen. Wenn das Gesetz vorschreibt: „Bei Arbeitslosen … beträgt nach ununterbrochener versicherungspflichtiger Beschäftigung von … Wochen vor der Arbeitslosmeldung die Unterstützungsdauer …”, so besteht kein Zweifel daran, daß es sich nur um die der Arbeitslosmeldung vorausgegangene letzte versicherungspflichtige Beschäftigung handeln kann. Die Ausdrucksweise des Gesetzes ist insoweit klar.
Das ununterbrochene Beschäftigungsverhältnis der Klägerin, das über 260 Wochen gedauert hat, ist mit dem 20. August 1952 abgeschlossen gewesen. Das neue begann am 1. September 1952. Dazwischen liegen 11 Tage Krankheit. Saß insoweit eine Unterbrechung vorlag, kann jedenfalls nicht zweifelhaft sein. Die Klägerin meint zwar, daß im vorliegenden Falle § 98 a AVAVG der nach § 99 Abs. 1 Satz 4 „entsprechend” gilt, anzuwenden sei. Das ist jedoch unrichtig, § 98 a schreibt vors „Arbeitstage, an denen ein Arbeitnehmer wegen zeitweiliger Arbeitsunfähigkeit nicht gearbeitet hat, obschon die versicherungspflichtige Beschäftigung fortbestanden hat, dienen zum Erwerb einer Anwartschaft, sofern für sie das Arbeitsentgelt weitergezahlt wurde.” Er gilt seinem Wortlaut nach unbestreitbar nur für den Erwerb der Anwartschaft bei Unterbrechung eines laufenden Beschäftigungsverhältnisses durch zeitweilige Arbeitsunfähigkeit. Als Ausnahmevorschrift kann er nicht ausdehnend ausgelegt werden und kann nicht für eine Krankheit nach Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses gelten, selbst wenn die Erkrankung schon vorher bestand. Daß die Krankheit unverschuldet war, ist hier ohne Bedeutung. Maßgebend ist die objektiv vorliegende Unterbrechung. Auf den Dienstblatterlaß der Bundesanstalt 33/54.4 vom 20. Januar 1954, der nur eine Anweisung an ihre unterstellten Dienststellen ist, also keine Rechtsnorm schaffen kann, insoweit näher einzugehen, erübrigt sich.
Die Voraussetzungen für die Gewährung der Alu auf 52 Wochen sind demnach nicht erfüllt, da die ununterbrochene versicherungspflichtige Beschäftigung nicht unmittelbar vor der Arbeitslosmeldung lag, sondern sich zwischen sie und die nachfolgende Beschäftigung die elftägige Erkrankung als Unterbrechung einschob.
V. In seinem oben erwähnten Urteil (BSG. 1 S. 126 [133]) hat der erkennende Senat allerdings gewisse Ausnahmen nicht für völlig ausgeschlossen gehalten. Er hat jedoch zum Ausdruck gebracht, daß es sich dabei nur um Fälle handeln könne, die so geartet seien, daß bei wörtlicher Auslegung der Sinn des § 99 Abs. 1 Satz 3 in sein Gegenteil verkehrt und die Annahme einer Unterbrechung zu einer außergewöhnlichen Härte führen wurde; denn allgemeine Härtefälle habe der Gesetzgeber bei seiner Regelung mit in Kauf genommen. Einen solchen außergewöhnlichen Härtefall hat der Senat vor allem darin gesehen, daß der Anspruch auf die erhöhte Unterstützungsdauer durch entsprechend lange ununterbrochene Beschäftigung bereits erworben war, die Alu aber erst nach einer weiteren, nicht unmittelbar anschließenden versicherungspflichtigen Beschäftigung begehrt und deshalb die Vergünstigung nach § 99 Abs. 1 Satz 3 abgelehnt wurde. Im bereits erwähnten Urteil vom 29. Januar 1957 hat er ausgeführt, daß es unter besonderen Umständen noch andere außergewöhnliche Härtefälle geben könne, hat dabei aber ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die bloße unverschuldete Behinderung durch Krankheit nicht ausreiche.
Hier kann ein außergewöhnlicher Härtefall jedenfalls schon aus den folgenden Erwägungen nicht angenommen werden.
Die Klägerin hat sämtliche Beschäftigungen nach 1945 in der Sowjetzone geleistet. Sie ist dort auch pflichtversichert gewesen (vgl. Verordnung über die Pflichtversicherung gegen Arbeitslosigkeit in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands vom 28. Januar 1947 – Arbeits- und Sozialfürsorge 1947 S. 103 –), die Versicherungsbeiträge waren nach § 21 der Verordnung über die Sozialpflichtversicherung vom 28. Januar 1947 (Arbeits- und Sozialfürsorge S. 92) an die zuständige Sozialversicherungskasse in der Sowjetzone zu zahlen. Wie der Senat aber in seinem Urteil (BSG. 1 S. 126 [133]) dargelegt hat, war es gerade der Sinn des § 99 Abs. 1 Satz 3, die langfristigen Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung zu belohnen. Grundsätzlich ist zwar im System der Arbeitslosenversicherung die Erfüllung der Anwartschaft ebenso wie die Länge der Bezugsdauer nicht von der Beitragszahlung, sondern von der Leistung versicherungspflichtiger Beschäftigung anhängig, aber die Vergünstigung der Erhöhung der Bezugsdauer durch § 99 Abs. 1 Satz 3 ist besonders dadurch begründet, daß bei längerer ununterbrochener versicherungspflichtiger Beschäftigung die Beiträge ebenfalls für eine entsprechend längere Zeit zu zahlen sind. Denn auch die Arbeitslosenversicherung wird in ihrem Bestand letztlich durch die langfristigen Beitragszahler gesichert.
Wenn von den Arbeitsämtern den nach West-Berlin oder in das Gebiet der Bundesrepublik übergegangenen Bewohnern der Sowjetzone ohne Zahlung von Beiträgen an die Bundesanstalt auf Grund der in der Sowjetzone geleisteten und dort versicherungspflichtigen Beschäftigung Alu bis zu 26 Wochen gewährt worden ist, so sollte, wie der Bundesminister für Arbeit in seinem Erlaß II c 2 – 2762 – 628/54 vom 16. Oktober 1954 ausgeführt hat, ihnen ein Schutz gegen Arbeitslosigkeit gewährt werden. Daraus kann jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß ihnen sämtliche Vergünstigungen aus § 99 gewährt werden müssen. Der erkennende Senat hat diese Erweiterung in seinem oben erwähnten Urteil vom 30. Oktober 1956 (BSG. 4 S. 102) auch nur hinsichtlich der anerkannten Sowjetzonenflüchtlinge für zulässig angesehen, und zwar aus der besonderen Rechtsgrundlage des § 90 Abs. 1 des Bundesvertriebenengesetzes vom 19. Mai 1953 (BGBl. I S. 201) heraus, wonach in der Arbeitslosenversicherung Vertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge im Sinne dieses Gesetzes den Berechtigten im Geltungsbereich des Grundgesetzes und in Berlin (West) gleichgestellt werden. Eine solche Grundlage fehlt hier. Die Klägerin fällt nicht unter diesen Personenkreis. Sie ist nach ordnungsmäßiger Erteilung der Zuzugsgenehmigung nach West-Berlin gezogen.
Ein außergewöhnlicher Härtefall kann demnach hier nicht anerkannt werden.
Es sei hierbei noch auf § 87 (früher § 99) Abs. 2 in der Fassung des AVAVG vom 3. April 1957 (BGBl. I S. 321) verwiesen, der ausdrücklich vorsieht, daß vom 1. April 1957 ab über die sonstige Bezugsdauer hinaus nur für je weitere 52 Wochen im Geltungsbereich dieses Gesetzes innerhalb der letzten drei Jahre vor der Arbeitslosmeldung geleisteter versicherungs- und beitragspflichtiger Beschäftigung ein Anspruch für je weitere 78 Tage besteht.
Soweit die Klägerin glaubt, sich auf § 99 Abs. 2 AVAVG berufen und dadurch eine Erhöhung der Bezugsdauer erreichen zu können, irrt sie. Nach dieser Vorschrift beginnt die Unterstützungsdauer nach jeder Erfüllung einer neuen Anwartschaft von neuem. Die neue Unterstützungsdauer erhöht sich jedoch um die nicht verbrauchte nach Abs. 1 Satz 2 und 3 bis auf höchstens 52 Wochen. Abs. 2 Satz 2 setzt demgemäß grundsätzlich voraus, daß bereits Alu bewilligt und bezogen, aber nicht restlos verbraucht, sondern der Bezug durch weitere, eine neue Anwartschaft begründende versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen worden ist. Beides trifft hier nicht zu. Der Klägerin ist weder zuvor Unterstützung bewilligt worden – ganz abgesehen davon, daß sie damals noch in der Sowjetzone wohnte und sich die Gewährung der Unterstützung nach der oben erwähnten sowjetzonalen Verordnung gerichtet hätte, § 99 Abs. 1 Satz 3 auch erst am 1. August 1953 in Kraft getreten ist –, noch hat sie mit der Beschäftigung vom 1. September 1952 bis zum 27. Januar 1953 eine neue Anwartschaft erfüllt. Eine Erhöhung der Bezugsdauer auf 52 Wochen wäre also auf diesem Wege nicht möglich gewesen.
Eines Eingehens auf den von der Beklagten geltend gemachten Einwand, die Zubilligung der Alu über 26 Wochen hinaus setze eine Prüfung der Frage voraus, ob schon die Anwartschaft auf Grund der – nicht revisiblen – Vorschrift des § 69 in der Fassung des Ersten Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Arbeitslosenversicherung in Berlin vom 26. Februar 1953 – GVBl. S. 150 – (vgl. dazu Urteil des erkennenden Senats vom 13. Juli 1956 – SozR. SGG § 162 Bl. Da 19 Nr. 71) überhaupt erfüllt sei, bedurfte es nicht, weil dieser Anspruch nicht im Streit befangen ist.
VI. Da die Klägerin demnach eine ununterbrochene versicherungspflichtige Beschäftigung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 3 AVAVG vor der Arbeitslosmeldung nicht nachweisen konnte, aber auch ein außergewöhnlicher Härtefall nicht anzunehmen war, mußte ihre Revision zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, die über die Gebühr für die Berufstätigkeit des Prozeßbevollmächtigten auf § 196 SGG.
Fundstellen