Leitsatz (amtlich)

1. Die Notwendigkeit einer zur Durchführung von Früherkennungsmaßnahmen bei Kindern beantragten Ermächtigung ist kein - ungeschriebenes - Tatbestandsmerkmal des § 15 Abs 4 ÄBMV (Fassung: 1.1.1982).

2. § 31 Abs 2 ZO-Ärzte schreibt den Vertragspartnern des ÄBMV nicht zwingend vor, unterschiedslos bei allen denkbaren Ermächtigungstatbeständen die Feststellung einer Versorgungsnotwendigkeit zur Voraussetzung einer Erteilung zu machen.

 

Normenkette

RVO § 368 Abs 2 S 2 Fassung: 1975-08-28, § 368a Abs 1 Fassung: 1976-12-28, § 368c Abs 2 Nr 12 Fassung: 1976-12-28, § 368g Abs 2 Fassung: 1977-06-27; ZO-Ärzte § 31 Abs 1 Fassung: 1977-07-20; ZO-Ärzte § 31 Abs 2 Fassung: 1977-07-20; ZO-Ärzte § 31 Abs 5 Fassung: 1977-07-20; ZO-Ärzte § 31 Abs 6 Fassung: 1977-07-20; BMV-Ä § 10a Abs 4 Fassung: 1971-05-26, § 14 Abs 1 Fassung: 1982-01-01, § 15 Abs 4 Fassung: 1982-01-01

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 10.04.1981; Aktenzeichen L 6 KA 4/80)

SG Kiel (Entscheidung vom 27.02.1980; Aktenzeichen S 8 Ka 22/79)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erteilung einer Ermächtigung zur Durchführung von Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten bei Kindern.

Die 1935 geborene Klägerin erhielt am 14. März 1965 ihre Bestallung als Ärztin und am 7. April 1970 die Anerkennung als Ärztin für Kinderheilkunde. Nach Tätigkeiten als Assistenzärztin am Zentralkrankenhaus in Bremen und am Altonaer Kinderkrankenhaus in Hamburg war sie von 1971 bis 1977 bei der Orthopädischen Universitätsklinik Basel, Neuro-Orthopädische Abteilung, Kinderspital, und anschließend bis 1978 im Werner-Otto-Institut der Alsterdorfer Anstalten in Hamburg beschäftigt. Seit dem 1. Januar 1979 ist sie Stadtärztin beim Gesundheitsamt Lübeck.

Mit Schreiben vom 20. Februar 1970 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, sie zur Durchführung von Vorsorgeuntersuchungen bei Säuglingen und Kleinkindern zu ermächtigen. Dazu teilte sie mit, daß ihr von der Stadt Lübeck die Nebentätigkeitsgenehmigung erteilt worden sei. Daraufhin forderte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 23. Februar 1979 auf, ein als Anlage übersandtes Antragsformular ausgefüllt und unterschrieben zurückzugeben. Außerdem wäre ein Nachweis über die Teilnahme der Klägerin an einem Einführungslehrgang für die kassenärztliche Tätigkeit beizufügen, welcher nicht länger als vier Jahre zurückliegen dürfe. Wenig später ging das Antragsformular mit den entsprechenden Angaben bei der Beklagten ein. Darin teilte die Klägerin mit, daß sie 1969 oder 1970 einen kassenärztlichen Einführungslehrgang besucht habe und diesen nunmehr am 23. Mai 1979 wiederholen werde. Mit Bescheid vom 22. März 1979 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie aus, daß die Kassenärztlichen Vereinigungen nach den bestehenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen nur dann über den Kreis der zugelassenen und beteiligten Ärzte hinaus weitere Ärzte oder ärztlich geleitete Einrichtungen ambulant zur Ausübung bestimmter ärztlicher Leistungen ermächtigen könnten, wenn dies zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung erforderlich sei. Mit Rücksicht darauf sei ihr Vorstand in eine Überprüfung des Bedarfs für die von der Klägerin beantragte Ermächtigung eingetreten. Dabei sei festgestellt worden, daß in Lübeck Kassenärzte, die Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten bei Kindern durchführten, in ausreichender Zahl niedergelassen seien.

Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin vor allem geltend: In dem angefochtenen Bescheid fehlten konkrete Angaben, um die Feststellungen der Beklagten zur Frage des Bedarfs nachprüfbar zu machen. Neben einer Ermächtigung nach § 31 Abs 1 Buchst a Zulassungsordnung für Kassenärzte (ZO-Ärzte) komme auch eine solche nach § 31 Abs 1 Buchst b ZO-Ärzte in Betracht, weil die zur Inanspruchnahme von Früherkennungsmaßnahmen berechtigten Kinder als begrenzter Personenkreis iS dieser Vorschrift anzusehen seien. Im übrigen vertrete sie in den Sommerferien eine Heimärztin in einem Säuglingsheim. Weiterhin habe die Beklagte sie durch das Anfordern des Nachweises über die Teilnahme an einem kassenärztlichen Einführungslehrgang zu Dispositionen veranlaßt und dadurch ein schutzwürdiges Vertrauen auf Erteilung der Ermächtigung hervorgerufen, welches einer konkludent erteilten Zusage gleichkomme. Es stelle einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Grundgesetz (GG) dar, wenn die Beklagte, die bisher immer Ermächtigungen erteilt habe, von dieser Praxis abweiche, zumal sie, die Klägerin, Nachfolgerin einer Ärztin sei, welche die fragliche Ermächtigung besessen habe. Schließlich habe die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung neben dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch die Intentionen aller an der Durchführung von Vorsorgeuntersuchungen Beteiligter zu berücksichtigen. Dem auch in jüngster Zeit festgestellten Interessenschwund bei den Eltern könne am ehesten durch eine Erweiterung des Angebots begegnet werden. Außerdem entspreche es den Zielen des Gesetzgebers, gerade auch die Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes in die Durchführung von Früherkennungsmaßnahmen, einem traditionellen Wirkungsbereich des Gesundheitsamtes, mit einzubeziehen, nicht nur wegen der fachlichen Qualifikation dieser Ärzte, sondern auch, weil sie mit einer großen Zahl von Kindern zu tun hätten, die üblicherweise die Praxis eines niedergelassenen Arztes nicht regelmäßig aufsuchten.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 1979 zurück, wobei sie sich ua auf folgende Erwägungen stützte: Aus dem Anforderungsschreiben vom 23. Februar 1979 könne die Klägerin keinen Anspruch auf eine positive Entscheidung herleiten, denn es entspreche einem im Verwaltungsrecht allgemein anerkannten Grundsatz, daß einem Antrag die zur Begründung erforderlichen Unterlagen beizufügen seien. Insoweit könne es dem Vorstand nicht zugemutet werden, jeweils abschnittsweise über Ermächtigungsanträge zu befinden. Eine Ermächtigung sei auch nicht gem § 31 Abs 1 Buchst b ZO-Ärzte für die vertretungsweise Tätigkeit im Säuglingsheim zu erteilen, da Vertretungen eines an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztes in der Regel in der Weise abgerechnet würden, daß der Vertretene die vom Vertreter erbrachten Leistungen selbst abrechne. Darüber hinaus weise bereits § 31 Abs 1 ZO-Ärzte aus, daß es sich bei dem Institut der Ermächtigung um eine der Zulassung (§ 368a Abs 4 Reichsversicherungsordnung -RVO-) und der Beteiligung (§ 368a Abs 8 RVO) nachrangige Form der Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung (§ 368a Abs 1 RVO) handele, von der lediglich Gebrauch zu machen sei, wenn sie zur Behebung einer Unterversorgung notwendig sei. Nach § 31 Abs 2 ZO-Ärzte könnten die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Bundesverbände der Krankenkassen im Bundesmantelvertrag Regelungen treffen, die über die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 ZO-Ärzte hinaus Ermächtigungen zur Erbringung bestimmter ärztlicher Leistungen im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung vorsähen. Hierzu bestimme § 15 Abs 4 Bundesmantelvertrag/Ärzte (BMVÄ), daß die kassenärztlichen Vereinigungen nach Maßgabe des § 31 Abs 2, 5 und 6 ZO-Ärzte im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den örtlich zuständigen landwirtschaftlichen Krankenkassen über den Kreis der zugelassenen und beteiligten Ärzte hinaus weitere Ärzte (zB an Krankenhäusern, Gesundheitsämtern), die die persönlichen Voraussetzungen nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Früherkennung von Krankheiten erfüllten, zur Durchführung von Maßnahmen der Früherkennung ermächtigen könnten. Da sich jedoch jede Ermächtigung an den Grundsätzen eines entsprechenden Bedarfs zu orientieren habe, habe der Vorstand diesen Gesichtspunkt in seine Überlegungen einzubeziehen gehabt. Daß sich eine Bedürfnisprüfung, wie sie bei der Beteiligung von Ärzten gem § 368a Abs 8 RVO wie auch bei der Ermächtigung iS von § 31 ZO-Ärzte anzustellen sei, mit dem grundgesetzlich geschützten Recht der freien Berufswahl insoweit vereinbaren lasse, als sie lediglich eine zulässige Regelung der Berufsausübung darstelle, hätten bereits das Bundesverfassungsgericht -BVerfG- (BVerfGE 7, 377, 406) und das Bundessozialgericht -BSG- (BSG Urteil vom 24. Oktober 1961 - 6 RKa 9/60 -) herausgestellt. Da im Lübecker Bereich zur Zeit allein 16 niedergelassene und zur Kassenpraxis zugelassene Kinderärzte Früherkennungsmaßnahmen bei Kindern durchführten und darüber hinaus weitere, bereits früher ermächtigte Ärzte an derartigen Maßnahmen beteiligt seien, habe der Vorstand auch nach erneuter Überprüfung seiner Entscheidung Anhaltspunkte für einen Bedarf an weiteren Ermächtigungen nicht zu erkennen vermocht. Soweit die Klägerin rüge, bisher ohne Bedürfnisprüfung ausgesprochene Ermächtigungen zur Durchführung von Früherkennungsmaßnahmen würden nunmehr von einer Bedarfsfeststellung abhängig gemacht, liege darin kein Verstoß gegen Art 3 GG. Abgesehen davon, daß bei der Einführung der Früherkennungsmaßnahmen in den Aufgabenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung am 1. Juli 1971 davon ausgegangen worden sei, die niedergelassenen Ärzte allein würden den zu erwartenden Andrang der anspruchsberechtigten Personen nicht erfüllen können, so daß weitere Ärzte zur Durchführung dieser Untersuchungen zu ermächtigen seien, sich diese Erwartung aber nicht erfüllt habe, könne nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Vorschrift des § 31 ZO-Ärzte durch die Änderungsverordnung vom 24. Juli 1978 insoweit eine gegenüber ihrer Vorläuferin weitaus engere Fassung erhalten habe, als die Bedarfsprüfung stets im Vordergrund stehe und die Ermächtigung im übrigen auch zeitlich zu begrenzen sei. Daraus folge, daß nicht jeder Kinderarzt, der die fachlichen Voraussetzungen erfülle, zwangsläufig zur Durchführung von Kinderfrüherkennungsmaßnahmen ermächtigt werden müßte. Zwar möge das Gesundheitsamt Vorsorgeuntersuchungen auch im Rahmen der ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben ausführen, dafür bedürfe es jedoch keiner besonderen kassenärztlichen Ermächtigung.

Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Kiel mit Urteil vom 27. Februar 1980 abgewiesen. Mit ihrer Berufung hatte die Klägerin ebenfalls keinen Erfolg. In seinem Urteil vom 10. April 1981 hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) im wesentlichen ausgeführt: Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen seien nicht aus formellen Gründen aufzuheben. Insbesondere seien die von der Klägerin hinsichtlich des Bescheides vom 22. März 1979 gerügten Mängel durch den Widerspruchsbescheid geheilt worden. In materieller Hinsicht habe die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Ermächtigung. Es bestehe nämlich kein Bedürfnis für die Ermächtigung der Klägerin zur Durchführung von Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten bei Kindern. Insoweit führe nicht schon die Anforderung sämtlicher für eine positive Entscheidung notwendigen Antragsunterlagen zu einer Bindung der Beklagten, zumal darin keine Zusage zu sehen sei, den Antrag nur noch unter bestimmten Gesichtspunkten zu beurteilen. Obwohl § 15 Abs 4 BMVÄ nicht auf § 31 Abs 1 ZO-Ärzte Bezug nehme, sei davon auszugehen, das eine Ermächtigung nach dieser Vorschrift eine Notwendigkeit, dh ein Bedürfnis, voraussetze. Dies ergebe sich aus der subsidiären Funktion, welche die Ermächtigung im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung erfülle. Diese Auslegung folge aus der Bezugnahme auf § 31 Abs 2, 5 und 6 ZO-Ärzte in § 15 Abs 4 BMVÄ, aus dem Sinn und Zweck des § 31 Abs 2 ZO-Ärzte sowie aus dem Regelungszusammenhang der §§ 14, 15 BMVÄ. Die Ermächtigung sei in diesem Sinne nicht notwendig, weil die Ärzte, die in Lübeck für die Durchführung der Früherkennungsmaßnahmen zur Verfügung stünden, nach der Bedarfsplanung der Beklagten in der Lage seien, die erfahrungsgemäß anfallenden ärztlichen Aufgaben einschließlich der Früherkennungsmaßnahmen zu bewältigen. Der allgemeine Hinweis der Klägerin, sie verfüge über spezielle Kenntnisse und Erfahrungen, welche die bereits teilnehmenden Ärzte im Lübecker Bereich nicht aufwiesen, könne nicht zur Feststellung eines weiteren - qualitativen - Bedarfs führen, weil die Qualifikation eines Arztes sich grundsätzlich einer gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit entziehe. Soweit die Klägerin weiter geltend mache, daß Kinder aus sozial schwachen Kreisen im wesentlichen nur über die Ärzte der Gesundheitsämter erreicht werden könnten, sei dieser Gesichtspunkt nicht entscheidend, weil er für die Bedarfsberechnung nicht berücksichtigt werden könne. Schließlich ergäben sich auch aus der bisherigen Verwaltungspraxis der Beklagten keine Rechte für die Klägerin, denn der Gleichheitssatz des Art 3 GG verpflichte die Behörde nicht, eine (fehlerhafte) Verwaltungspraxis aufrechtzuerhalten.

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 368a RVO, 17 und 31 ZO-Ärzte iVm §§ 14, 15 BMVÄ. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Insbesondere macht sie geltend, daß § 15 Abs 4 BMVÄ ein Bedürfnis für die beantragte Ermächtigung nicht erfordere. Vielmehr lasse es diese Vorschrift nach Wortlaut, Sinn und Zweck zu, sich der ärztlichen Fähigkeiten von Ärzten an Gesundheitsämtern im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern zu bedienen. Es bestehe sogar ein Erfordernis, die Klägerin zur Durchführung derartiger Maßnahmen bei Kindern zu ermächtigen, die ihr im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit vorgestellt würden, zumal es sich dabei vielfach um Kinder der sozialen Unterschicht handele, die gemeinhin von ihren Eltern nur selten in den normalen Sprechstunden bei niedergelassenen Ärzten vorgestellt würden. Eine mögliche "Verweigerungshaltung" der Eltern dürfe insoweit nicht zu Lasten der Kinder gehen.

Die Klägerin beantragt, die Urteile des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 10. April 1981 - L 6 Ka 4/80 - und des SG Kiel vom 27. Februar 1980 - S 8 Ka 22/79 - sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. März 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 1979 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie, die Klägerin, zur Durchführung von Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten bei Kindern zu ermächtigen.

Die Beklagte und der Beigeladene zu 2) beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend.

Die Beigeladenen zu 1) und zu 3) bis 5) haben sich zur Revision nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teilweise begründet.

Das LSG hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Unrecht in vollem Umfang zurückgewiesen. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist nämlich iS von § 54 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) rechtswidrig, weil diese von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht bzw nicht in einer zweckentsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kann die beantragte Erteilung der Ermächtigung zur Durchführung von Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten bei Kindern nicht allein mit der Begründung abgelehnt werden, es bestehe angesichts der Zahl der bereits an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte kein Bedarf an weiteren Ermächtigungen. Dies läßt sich allerdings nicht bereits aus dem Schreiben der Beklagten vom 23. Februar 1979 entnehmen, mit welchem diese sämtliche für eine positive Entscheidung notwendigen Antragsunterlagen angefordert hat. Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, kann darin keine Zusage gesehen werden, hinsichtlich des Antrags der Klägerin keine Bedürfnisprüfung vorzunehmen. Vielmehr ergibt sich aus dem objektiven Erklärungsinhalt des Schreibens, daß es nicht vorab eine Regelung treffen, sondern lediglich der Vorbereitung einer Entscheidung des Vorstands dienen sollte. Darüber hinausgehende Vertrauensschutzgesichtspunkte - für deren Annahme die Feststellungen des LSG in tatsächlicher Hinsicht nichts hergeben - würden im übrigen bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen allenfalls nach Amtshaftungsgrundsätzen (§ 839 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-, Art 34 GG) einen auf Geldleistung gerichteten Schadensersatzanspruch, nicht jedoch einen Anspruch gegen die Beklagte begründen können, den Antrag gegebenenfalls entgegen den einschlägigen Bestimmungen nur noch unter bestimmten Gesichtspunkten zu beurteilen (BSGE 41, 260, 262 = SozR 4100 § 151 Nr 3, S 5 f; BSGE 44, 114, 121 f = SozR 2200 § 886 Nr 1, S 9 f; BSGE 49, 76, 80 = SozR 2200 § 1418 Nr 6, S 12).

Der Senat vermag jedoch den Vorinstanzen nicht darin zu folgen, daß die Ermächtigung nach § 15 Abs 4 BMVÄ eine Bedarfsfeststellung in dem Sinne voraussetze, daß eine Erteilung ausscheide, wenn die gewöhnlich zu erwartende tatsächliche Nachfrage nach Früherkennungsmaßnahmen durch die bereits an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte abgedeckt werden könne. Ein derartiges Tatbestandsmerkmal läßt sich insbesondere nicht der in dieser Vorschrift erfolgten Verweisung auf § 31 Abs 2 , 5 und 6 ZO-Ärzte entnehmen. Vielmehr hat der Verordnungsgeber in § 31 Abs 2 ZO-Ärzte die Regelung von Ermächtigungstatbeständen, welche die Erbringung bestimmter Leistungen im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung - und damit auch die Durchführung von Früherkennungsmaßnahmen (§ 368 Abs 2 Satz 2 RVO) - ermöglichen sollen, den Vertragspartnern der kassenärztlichen Versorgung auf Bundesebene (§ 368g Abs 2 RVO) überlassen (vgl Schirmer, KrV 1977, 253, 265). Da diese Bestimmung zusätzlich zu den in § 31 Abs 1 ZO-Ärzte geregelten Voll-Ermächtigungen weitere Ermächtigungen, bezogen auf Spezialleistungen, ermöglichen soll, kann die Formulierung "über die Voraussetzungen des Absatzes 1 hinaus" in § 31 Abs 2 ZO-Ärzte nur so verstanden werden, daß die Erteilung dieser Ermächtigungen nicht von vornherein an die eng umschriebenen Tatbestandsmerkmale des § 31 Abs 1 ZO-Ärzte (Unterversorgung bzw Versorgung eines begrenzten Personenkreises) gebunden ist. § 31 Abs 5 ZO-Ärzte betrifft allein die Rechtsfolgenseite, indem er vorschreibt, daß die Ermächtigung zeitlich, räumlich und ihrem Umfang nach zu bestimmen und die Pflicht zur Teilnahme an einem kassenärztlichen Einführungslehrgang vorzusehen ist. Für sich betrachtet läßt diese Regelung jedenfalls keine Rückschlüsse für die Frage der Bedürfnisprüfung zu. Denn auch und gerade wenn eine Ermächtigung nicht an das Erfordernis der Notwendigkeit geknüpft ist, mag eine inhaltliche Beschränkung angezeigt erscheinen. Soweit § 15 Abs 4 BMVÄ schließlich auch auf § 31 Abs 6 ZO-Ärzte Bezug nimmt, ist lediglich die persönliche Eignung des Arztes angesprochen, der sich um eine Ermächtigung bemüht.

Nach Auffassung des Senats enthält § 15 Abs 4 BMVÄ auch kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eines Versorgungsbedürfnisses (so wohl auch Albrecht, ZfS 1971, 272, 274; Töns, DOK 1971, 424, 443, zu § 10a Abs 4 BMVÄ aF, der im wesentlichen mit § 15 Abs 4 BMVÄ nF übereinstimmt). Die gegenteilige Ansicht läßt sich weder mit dem subsidiären Charakter der kassenärztlichen Ermächtigung noch mit Sinn und Zweck des § 31 Abs 2 ZO-Ärzte begründen. Zwar hat die Ermächtigung, wie das LSG ausführlich dargetan hat, gegenüber der kassenärztlichen Zulassung und der Beteiligung eine nachrangige Funktion (s zB BSG, Urteil vom 8. Juli 1980 - 6 RKa 10/79 -, USK 80113; ebenso Brück/Hess, Einführung in Kassenpraxis und Kassenabrechnung, 3. Aufl, S 59; Heinemann/ Liebold, Kassenarztrecht, 5. Aufl, § 368a, Anm 4; Krauskopf, in: Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Stand Juli 1982, § 368a RVO, Anm 3.8.). Diesem Grundprinzip trägt jedoch auch eine wortgetreue Auslegung des § 15 Abs 4 BMVÄ iVm § 31 Abs 2 ZO-Ärzte Rechnung. Da nach § 31 Abs 1 ZO-Ärzte eine Voll-Ermächtigung nur erteilt werden darf, wenn dies zur Beseitigung bestimmter Versorgungslücken notwendig ist, gilt der Vorrang von zugelassenen und beteiligten Ärzten ohnehin praktisch für den gesamten Bereich der kassenärztlichen Tätigkeit. Von dieser Regel macht § 31 Abs 2 ZO-Ärzte lediglich insoweit eine Ausnahme, als er nach Art einer Öffnungsklausel den Vertragspartnern des BMVÄ - beschränkt auf bestimmte Leistungen - Handlungsspielräume für flexiblere Regelungen bietet. Dabei schließt § 31 Abs 2 ZO-Ärzte die Anknüpfung an eine - eng verstandene - Bedarfssituation keineswegs aus. Vielmehr mag dies je nach der Art des im BMVÄ vorgesehenen Ermächtigungstatbestandes sogar geboten erscheinen, um dem subsidiären Charakter dieser Teilnahmeform (§§ 368a Abs 1, 368c Abs 1 Nr 12 RVO) gerecht zu werden. So haben die vertragsschließenden Parteien die Ermächtigung zur Durchführung kurativer Leistungen in § 14 BMVÄ zutreffenderweise davon abhängig gemacht, daß die Erteilung zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung erforderlich ist. Entscheidend ist, daß § 31 Abs 2 ZO-Ärzte eine Tatbestandsvoraussetzung in dem oben genannten Sinne nicht unterschiedslos für alle denkbaren Ermächtigungstatbestände zwingend vorschreibt. Dadurch sollte im BMVÄ die Möglichkeit eröffnet werden, in dem gesetzlich vorgegebenen Rahmen auch besonderen Versorgungsgegebenheiten Rechnung zu tragen. Dies lag um so näher, als in § 10a BMVÄ aF, welcher mit Ausnahme der inzwischen entfallenen Absätze 2 und 3 dem jetzigen § 15 BMVÄ weitgehend entsprach, bereits Ermächtigungstatbestände für die Durchführung von Früherkennungsmaßnahmen ohne ausdrückliche Bedürfnisprüfung vorgesehen waren. Insoweit diente § 31 Abs 2 ZO-Ärzte gleichzeitig dazu, diese vertraglichen Regelungen rechtlich abzudecken, nachdem das Recht der kassenärztlichen Ermächtigung durch das am 1. Januar 1977 in Kraft getretene Gesetz zur Weiterentwicklung des Kassenarztrechts (Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetz -KVWG-) vom 28. Dezember 1976 (BGBl I 3871) in § 368c Abs 2 Nr 12 RVO eine neue Rechtsgrundlage erhalten hatte (vgl Hoffmann ua, Ärztliches Gebühren- und Vertragsrecht, Stand 1983, Teil 7, S 22/5; Schirmer, KrV 1977, 253, 265). Nicht zuletzt erscheint der subsidiäre Charakter der Ermächtigung nach § 15 Abs 4 BMVÄ iVm § 31 Abs 2 ZO-Ärzte auch in verfahrensmäßiger Hinsicht ausreichend abgesichert. Denn zum einen bedarf es für die Einführung besonderer Ermächtigungstatbestände iS des § 31 Abs 2 ZO-Ärzte einer entsprechenden Vereinbarung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit den Bundesverbänden der Krankenkassen, wobei alle Beteiligten an die jeweils für sie geltenden gesetzlichen Bestimmungen gebunden sind (insbesondere § 182 Abs 2, § 368 Abs 2, § 368n Abs 1, § 414f RVO). Zum anderen steht die Erteilung einer Ermächtigung nach § 15 Abs 4 BMVÄ im Ermessen der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung und setzt darüber hinaus noch ein Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den landwirtschaftlichen Krankenkassen voraus. Auch auf dieser Ebene haben sich die entscheidungsbefugten Körperschaften naturgemäß an Recht und Gesetz zu orientieren, was ebenfalls eine Einschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten mit sich bringt.

Weiterhin hält es der Senat nicht für zutreffend, die hinsichtlich der Bedürfnisfrage bestehenden Unterschiede idF der §§ 14 Abs 1 und 15 Abs 4 BMVÄ als "redaktionelle Unebenheiten" zu charakterisieren. Vielmehr ergibt sich insbesondere aus der Vorgeschichte des § 10a BMVÄ aF, dessen Bestimmungen mit unwesentlichen Änderungen bzw Ergänzungen in § 15 BMVÄ nF übernommen worden sind, daß die Vertragspartner der kassenärztlichen Versorgung die fragliche Regelung bewußt so offen formuliert haben. Im Rahmen der parlamentarischen Beratung des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (Zweites Krankenversicherungsänderungsgesetz - 2. KVÄG -) vom 21. Dezember 1970 (BGBl I S 1770), durch welches die Früherkennungsmaßnahmen nach §§ 181 ff RVO zu Pflichtleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gemacht wurden, waren nämlich, insbesondere vom Bundesverband der Ortskrankenkassen (s die Darstellung in DOK 1970, 753 ff; DOK 1971, 17 ff), Einwände gegen die Einbeziehung dieser Leistungen in die kassenärztliche Versorgung erhoben und die Forderung nach einer weitergehenden Einbeziehung der Krankenhäuser und öffentlichen Gesundheitsämter vorgebracht worden. Im Bundesrat erkannte man das Anliegen, die in der Vergangenheit ua von den Ärzten des öffentlichen Gesundheitsdienstes gesammelten Erfahrungen und die bereits bestehenden Einrichtungen auch weiterhin für Früherkennungsmaßnahmen nutzbar zu machen, als grundsätzlich berechtigt an. Dem Gesetz stimmte der Bundesrat jedoch ohne Anrufung des Vermittlungsausschusses entsprechend der Empfehlung seines Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik (BR-Drucks 611/1/70) zu, welcher, bestärkt durch eine entsprechende schriftliche Zusage des 1. Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die Auffassung vertreten hatte, daß bereits nach den bestehenden Vorschriften alle hinreichend qualifizierten Ärzte an der Früherkennung von Krankheiten teilnehmen könnten (Verhandlungen des Bundesrates, Stenographische Berichte, Niederschrift der 359. Sitzung am 4. Dezember 1970, S 274 f). Gleichzeitig nahm der Bundesrat einen Entschließungsantrag der Freien und Hansestadt Hamburg (BR-Drucks 611/2/70) an, wonach er bei seiner Zustimmung davon ausginge, daß alle Möglichkeiten zur Beteiligung von Ärzten, Krankenhäusern und sonstigen ärztlich geleiteten Einrichtungen an den Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten in großzügiger Weise genutzt würden, um das Ziel des Gesetzes zu erreichen (s dazu auch Friede, SuS 1971, 97, 99; Sörensen, ErsK 1971, 287, 288; Stockhausen, DÄ 1971, 1810, 1816; Töns, DOK 1971, 424, 439 f). Vor diesem Hintergrund ist § 10a BMVÄ aF als das Ergebnis der sich daran anschließenden Bemühungen der Bundesverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung um eine adäquate vertragliche Grundlage für die Erteilung von Ermächtigungen zur Durchführung von Früherkennungsmaßnahmen zu sehen (so auch Albrecht ZfS 1971, 272, 274; Engels, KrV 1971, 183, 189; Müller, WzS 1971, 193, 200).

Die Abweichungen in der tatbestandsmäßigen Ausgestaltung der §§ 14 und 15 BMVÄ rechtfertigen sich aus den unterschiedlichen Regelungsinhalten dieser beiden Vorschriften. Während nämlich § 14 Abs 1 BMVÄ die Durchführung kurativer Leistungen betrifft, ermöglicht es § 15 Abs 4 BMVÄ, über den Kreis der zugelassenen und beteiligten Ärzte hinaus, weitere Ärzte zur Durchführung von Früherkennungsmaßnahmen zu ermächtigen. Die Erteilung der letztgenannten Ermächtigungen kann nach anderen Grundsätzen erfolgen als die nach § 14 BMVÄ, weil auch für die Inanspruchnahme von Früherkennungsmaßnahmen durch die berechtigten Personen andere Gesichtspunkte maßgebend sind, als bei der von kurativen Leistungen. Der Umfang einer ärztlichen Behandlung zur Heilung einer Krankheit läßt sich kaum vorher ermitteln, weil er von verschiedenen Faktoren (Konstitution des Patienten, Therapieresistenz, Kontraindikationen usw) abhängt und nicht zuletzt vom Arzt nach seinem pflichtgemäßen Ermessen bestimmt wird. Demgegenüber fallen die nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Früherkennung von Krankheiten bei Kindern bis zur Vollendung des 4. Lebensjahres (Kinder-Richtlinien) vorgesehenen Untersuchungen (U 1 bis U 8) bei jedem leistungsberechtigten Kind jeweils nur einmal in den festgelegten Entwicklungsstadien an, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, daß jede ordnungsgemäß durchgeführte Untersuchung wünschenswert und notwendig ist (vgl Matzke/Schirmer, KrV 1971, 170, 178). Darüber hinaus kommt es bei diesen Maßnahmen entscheidend auf eine entsprechende Einsicht bzw Motivation der Eltern an, da die Inanspruchnahme dieser Untersuchungen anders als bei Leistungen der Krankenpflege regelmäßig erfolgt, ohne daß Schmerzen, körperliches Unwohlsein oder sonstige Krankheitssymptome dazu Anlaß gegeben hätten. Schließlich besteht auch ein starkes Interesse der Allgemeinheit, dh der Versichertengemeinschaft, an einer extensiven Erbringung von Früherkennungsmaßnahmen, da bei einer möglichst vollständigen Erfassung des berechtigten Personenkreises nicht nur wichtige statistische Aufschlüsse, sondern langfristig auch eine Verringerung der Kosten für kurative Leistungen zu erwarten ist (Müller, WzS 1971, 193 ff; Schmitz-Formes, DÄ 1971, 1683 ff; Schwartz, KrV 1979, 104 ff; Stockhausen, DÄ 1971, 1810 ff).

Mit dieser Auslegung des § 15 Abs 4 BMVÄ iVm § 31 Abs 2 ZO-Ärzte stellt sich der Senat nicht in Widerspruch zu seinem Urteil vom 8. Juli 1980 - 6 RKa 10/79 - aa0; denn zum einen betrifft jene Entscheidung noch den alten Rechtszustand, zum anderen lag ihr ein vom vorliegenden Fall wesentlich abweichender Sachverhalt zugrunde. Dort war nämlich der Widerruf einer Ermächtigung zur Durchführung von histologischen und zytologischen Untersuchungen - und zwar sowohl im Rahmen von kurativen als auch von Früherkennungsmaßnahmen - im Streit. Derartige Laborleistungen unterscheiden sich von den hier streitigen Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern nicht zuletzt dadurch, daß die Nachfrage nach ihnen nicht unmittelbar durch die leistungsberechtigten Personen erfolgt, vielmehr ihre Erbringung von einer entsprechenden Anordnung des Arztes abhängt, der die eigentliche Früherkennungsmaßnahme durchführt. Diese Gegebenheiten rechtfertigten seinerzeit die Feststellung, die beklagte Kassenärztliche Vereinigung könne im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens die Ermächtigung mit Rücksicht auf den subsidiären Charakter dieser Teilnahmeform widerrufen, weil kein Bedürfnis mehr für sie bestünde.

Das Fehlen eines Tatbestandsmerkmals der Notwendigkeit in § 15 Abs 4 BMVÄ führt nicht schon an sich dazu, daß die auf Erteilung einer Ermächtigung gerichtete Klage Erfolg hat. Denn die Entscheidung darüber ist nach § 15 Abs 4 BMVÄ in das Ermessen der Beklagten gestellt. Diese ist insoweit zu Recht davon ausgegangen, daß sie auch in Anbetracht der bisherigen Verwaltungspraxis nicht zu einer positiven Entscheidung über den Antrag der Klägerin verpflichtet war. Eine derartige auf Art 3 GG beruhende Ermessensbindung kommt von vornherein nur dann in Betracht, wenn es sich um gleichgelagerte Fälle handelt. Dies erscheint hier schon mit Rücksicht darauf zweifelhaft, daß sich die Versorgungslage im Laufe der Zeit - insbesondere durch Anwachsen der Zahl der an kassenärztlichen Früherkennungsmaßnahmen teilnehmenden Ärzte - verändert haben wird. Darüber hinaus stand es der Beklagten frei, selbst von einer gefestigten Verwaltungsübung aus sachlichen Gründen abzuweichen (Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl, § 12 II 2, S 183 f); Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl, § 31 II d 2, S 201). Insoweit hat sie sich in zureichender Weise darauf berufen, daß die Erteilung von Ermächtigungen in der Anfangsphase mangels ausreichender Erfahrungen mit Kinderfrüherkennungsmaßnahmen nach anderen Gesichtspunkten erfolgen konnte, als im Zeitpunkt der Antragstellung der Klägerin. Im übrigen ist die Frage der Ermächtigung eines bestimmten Arztes nach § 15 Abs 4 BMVÄ ohnehin so sehr von den Umständen des Einzelfalls abhängig, daß sich der Anspruch des Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung kaum jemals nach Art 3 GG zu einem Rechtsanspruch auf Erteilung verdichten wird.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte in der Annahme, sie dürfe mangels eines von ihr als erforderlich angesehenen Bedürfnisses keine Ermächtigung erteilen, es unterlassen hat, das ihr gem § 15 Abs 4 BMVÄ eingeräumte Ermessen überhaupt auszuüben, oder ob sie den ihr zustehenden Handlungsspielraum verkannt hat, indem sie ihre ablehnende Entscheidung aufgrund einer rechtsirrigen Auslegung der einschlägigen Vorschriften allein auf ein fehlendes Bedürfnis gestützt hat. Jedenfalls ist der angefochtene Bescheid insoweit als rechtsfehlerhaft anzusehen, denn die Beklagte war auch unter Berücksichtigung der Versorgungslage nach ihrem Bedarfsplan nicht gehalten, den Antrag der Klägerin abzulehnen. Vielmehr wäre es ihr nach Sinn und Zweck des § 15 Abs 4 BMVÄ sowie nach Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Interessen auch möglich gewesen, zu einem für die Klägerin günstigen Ergebnis zu gelangen. Da das Angebot von Früherkennungsmaßnahmen auf eine möglichst vollständige Inanspruchnahme angelegt ist, bleibt nämlich im Rahmen des Sicherstellungsauftrags der Beklagten für die Erteilung weiterer Ermächtigungen grundsätzlich so lange Raum, als noch nicht alle berechtigten Personen tatsächlich von den bereits an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten erfaßt werden. Von einer 100%igen Quote kann bei der Inanspruchnahme von Kinderfrüherkennungsmaßnahmen jedoch nach den Feststellungen des LSG nicht ausgegangen werden (vgl auch Haibach, BArbBl, Heft 7 - 8/1980, 30f; sowie die Mitteilungen in BKK 1980, 121, 122 und 1981, 410f). Soweit die Beklagte im Laufe des Streitverfahrens weitere Argumente vorgebracht hat, vermögen diese die ihr obliegende umfassende Interessenabwägung nicht zu ersetzen, falls sie überhaupt als nachgeschobene Gründe Berücksichtigung finden können (s dazu Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Stand Dezember 1982, § 54 SGG, Anm 2c, S 172/29).

Über den Verpflichtungsantrag der Klägerin kann das Gericht nicht abschließend entscheiden, da der Beklagten - wie dargelegt - insoweit ein Ermessensspielraum eröffnet ist. Bei ihrer erneuten Entscheidung über den Antrag der Klägerin, welcher der Senat nicht vorgreifen kann und darf, wird die Beklagte zu prüfen haben, ob die Erteilung einer Ermächtigung unter Abwägung der damit verbundenen Vor- und Nachteile zur Erfüllung des kassenärztlichen Sicherstellungsauftrags zweckmäßig erscheint. Ein wesentlicher Gesichtspunkt dürfte dabei sein, ob und ggf in welchem Umfang sowie mit welcher Wahrscheinlichkeit von einer Ermächtigung der Klägerin eine Steigerung der Quote der Inanspruchnahme von Kinderfrüherkennungsmaßnahmen erwartet werden kann. Insoweit werden insbesondere die in Lübeck bereits erzielte Teilnahmequote, die allgemeine kassenärztliche Versorgungslage hinsichtlich dieser Maßnahmen sowie die Frage, ob die Klägerin zusätzliche Personenkreise erreichen kann, welche bisher nicht ausreichend erfaßt werden, eine Rolle spielen. Ist die Quote der Inanspruchnahme bereits sehr hoch und reichen die vorhandenen Kapazitäten aus, um ggfs alle anspruchsberechtigten Kinder mit Früherkennungsmaßnahmen zu versorgen, so wird die Beklagte im Regelfall zusätzliche Ermächtigungen ohne weiteres versagen können.

Sicher kann sie in diesem Zusammenhang auch überlegen, ob bereits eine verstärkte Aufklärung iS von § 369 RVO ausreicht, um die Verbreitung von Früherkennungsmaßnahmen bei Kindern zu fördern. Wenn trotz entsprechender Informationstätigkeit einzelne Personen oder bestimmte Bevölkerungskreise nicht bereit sind, an Kinder-Vorsorgeuntersuchungen teilzunehmen, so muß dieser Umstand der Beklagten keine Veranlassung geben, weitere Ärzte, wie etwa die Klägerin, zur Durchführung solcher Maßnahmen zu ermächtigen, selbst wenn diese Mediziner häufiger mit den betreffenden Leistungsberechtigten in Kontakt kommen sollten als niedergelassene Ärzte. Bei allem Interesse an einer möglichst weitgehenden Inanspruchnahme von Früherkennungsmaßnahmen überläßt es der Gesetzgeber doch der freien Entscheidung des durch die gesetzliche Krankenversicherung geschützten Bürgers, ob er dieses Leistungsangebot annehmen möchte oder nicht. Andererseits braucht die tatsächliche oder vermeintliche Versagungshaltung einer sozialen Schicht die Beklagte nicht davon abzuhalten, eine Ermächtigung zu erteilen, wenn gerade diese geeignet erscheinen sollte, derartige Vorbehalte abbauen zu helfen.

Ebenso besteht keine Notwendigkeit, allein aus Gründen der Gleichbehandlung alle Ärzte eines Gesundheitsamtes zu ermächtigen, wenn bereits eine begrenzte Anzahl von Ermächtigungen in diesem Bereich ihren Zweck erfüllt. Denn es ist nicht Aufgabe der Beklagten, öffentlich bediensteten Medizinern Einkünfte aus Nebentätigkeiten zu verschaffen. Vielmehr hat sie sich ausschließlich an ihrem Sicherstellungsauftrag zu orientieren, welchen sie entsprechend dem System der kassenärztlichen Versorgung in erster Linie mit Hilfe der zugelassenen, in zweiter Linie mit Hilfe der beteiligten und erst in dritter Linie mit Hilfe der ermächtigten Ärzte zu erfüllen hat. Insoweit wird die Beklagte auch etwaige Nachteile zu berücksichtigen haben, welche sich aus einer Ermächtigung der Klägerin für die Leistungserbringung der bereits zugelassenen und beteiligten Ärzte ergeben können.

Vor einer Erteilung der beantragten Ermächtigung wäre noch das gemäß § 15 Abs 4 BMVÄ erforderliche Einvernehmen mit den Beigeladenen zu 2) bis 5) herzustellen. Im übrigen weist der Senat daraufhin, daß sich der Antrag der Klägerin ausweislich des vorgedruckten Formulars wohl auch auf eine Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung bezieht. Gegebenenfalls wäre daher seitens der Beklagten auch auf die einschlägigen Vorschriften des Arzt/Ersatzkassen-Vertrages (EKV) einzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Die Klägerin hat insoweit einen angemessenen Teil ihrer außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen, weil sie mit ihrem eigentlichen Begehren, nämlich der Erlangung der beantragten Ermächtigung, in diesem Streitverfahren nicht durchdringen kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1661701

BSGE, 212

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge