Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 29.05.1973)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 29. Mai 1973 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu er statten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der am 6. November 1970 erlittene Verkehrsunfall des Klägers ein Arbeitsunfall gewesen ist und ob der Kläger deswegen Ansprüche gegen die Beklagte auf Verletztengeld und Verletztenrente hat.

Der Kläger ist seit 1964 als Handelsvertreter für Landmaschinen selbständig tätig. Seit Dezember 1968 betreibt er zusätzlich einen Großhandel mit landwirtschaftlichen Bedarfsartikeln. Als Handelsvertreter ist er in wesentlichen als solcher für die Maschinenfabrik T. („MATREB”) – Inhaber Albert G. in T. – und für die Firma D. & W. tätig. Das Verkaufsprogramm für diese Firma umfaßt Beton-Fertigteile, während er für die Firma MATREB im wesentlichen Stalleinrichtungen und Gülleanlagen verkauft und ein geschütztes Werkvertretungsgebiet betreut. Den Vertragsverhältnis mit der Firma MATREB lag folgende, an 9. März 1965 schriftlich festgehaltene Vereinbarung zugrunde:

„Aufgrund der Vereinbarung vom 9. März 1965 verpflichte ich mich, die Interessen der Maschinenfabrik T. wie bisher als selbständige Werksvertretung auf Gegenseitigkeit durch mich unkündbar, durch die Maschinenfabrik T. unkündbar bis 31.12.1970 wahrzunehmen. Die Verlängerung des Vertrages ist selbstverständlich, die Kündigungsfristen bedürfen dann einer neuen Regelung.”

Die Firma MATREB ist ihrerseits Mitglied der Vereinigung „Bauförderung Echem” in Echem, Kreis Lüneburg. Diese Organisation will im allgemeinen land- und volkswirtschaftlichen Interesse zweckmäßiges und richtiges Bauen in der Landwirtschaft und insbesondere die Verbesserung der Haltungsbedingungen der landwirtschaftlichen Nutztiere fördern. Die Vereinigung führt in der Regel einmal jährlich Arbeitskreis-Tagungen zum Zwecke der Information und des produktiven Erfahrungsaustauschs durch, zu denen nur die Mitglieder der Vereinigung, die Vertreter der fachorientierten Behörden und in Ausnahmefällen auch interessierte Gäste eingeladen werden. Der Kläger, der selbst nicht ihr Mitglied ist und als Handelsvertreter bzw. als Inhaber eines Handelsgeschäfts für landwirtschaftliche Artikel auch nicht Mitglied werden kann, hatte bereits in den Jahren vor dem Unfall zusammen mit dem Inhaber der Firma MATREB bzw. mit dem inzwischen verstorbenen Handelsvertreter G., der seinerzeit noch Angestellter der Firma MATREB war, an den Arbeitskreis-Tagungen teilgenommen.

Unter dem 20. Oktober 1970 richtete die Firma MATREB an den Kläger folgendes Schreiben:

„Betr.: Arbeitstagung der Bauförderung Echem

Sehr geehrter Herr von W.

Wir überreichen Ihnen als Anlage die Unterlagen zu einer Arbeitskreis-Tagung der Bauförderung Echem, die am 5./6. November in Papenburg stattfindet.

Von Trebgast aus kann leider niemand an dieser Veranstaltung teilnehmen. Deshalb beauftragen wir Sie, vielleicht auch mit Herrn G., den Termin für uns wahrzunehmen und uns später kurz über das Wesentliche zu berichten.”

Der Kläger nahm an dieser Arbeitskreis-Tagung teil und erlitt auf dem Rückweg am 6. November 1970 einen Verkehrsunfall, bei dem er sich u. a. Serienrippenbrüche und einen komplizierten Unterschenkelbruch zuzog.

Diesen Unfall zeigte die Maschinenfabrik Trebgast der Beklagten an und teilte später ergänzend mit, daß die Fahrt, auf der sich der Unfall ereignet habe, vom Kläger im Auftrag der Firma unternommen worden sei, nachdem die Firma ihn als ihren Werkvertreter, in dessen Gebiet die Institution liege, deren Hauptversammlung in Oldenburg stattfand, mit der Wahrnehmung ihrer Interessen auf dieser Veranstaltung beauftragt hätte. Unter dem 1. April 1971 teilte die Beklagte dem Kläger formlos mit, sein Unfall könne nicht entschädigt werden, weil er als freier Werkvertreter nicht zum Kreis der versicherten Personen gehöre. Auf Grund der dagegen erhobenen Einwendungen des Klägers erklärte die Beklagte unter dem 21. April 1971 diesen, daß auch nach nochmaliger Prüfung der Unfall nicht als entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall anerkannt werden könne. Der Kläger wies in einem weiteren Schreiben darauf hin, daß der Tagungsort Papenburg außerhalb seines Vertretergebiets liege und er mit seiner Reise nach dort weder ein eigenes Provisions- noch ein sonstiges eigenes geschäftliches Interesse verfolgt habe. Mit einem durch Einschreiben am 16. Juni 1971 zur Post gegebenen Schreiben der Beklagten vom 15. Juni 1971 teilte diese dem Kläger mit, seine Ausführungen seien nicht geeignet, ihren bisher vertretenen Standpunkt zu ändern. Sie stellte dem Kläger anheim, gegen die „formlosen Verwaltungsakte” vom 1. und 21. April 1971 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Itzehoe zu erheben. Mit Schreiben vom 10. März 1972 führten die Bevollmächtigten des Klägers aus, daß sie sich mit der von der Beklagten geäußerten Rechtsauffassung nicht einverstanden erklären könnten, und mit Schreiben vom 13. März 1972 teilten sie mit, daß für die Klageerhebung der 10. April 1972 vorgemerkt worden sei. Hit förmlichem Bescheid vom 27. März 1972 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung aus Anlaß des Verkehrsunfalls vom 6. November 1970 ab, weil der Kläger als freier Werkvertreter nicht Arbeitnehmer der Maschinenfabrik Trebgast, sondern selbständiger Handelsvertreter gewesen sei und an der Tagung der „Bauförderung Echem” auch nicht als Arbeitnehmer der Firma MATREB teilgenommen habe. Diese Tätigkeit habe seinen eigenen unternehmen gedient.

Das SG hat die an 28. April 1972 erhobene Klage des Klägers, nachdem es noch weitere Ermittlungen angestellt hatte, im wesentlichen aus denselben Gründen abgewiesen wie die Beklagte den Leistungsanspruch (Urteil von 26. September 1972).

Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte den Grunde nach verurteilt, den Kläger wegen der Folgen des an 6. November 1970 erlittenen Unfalls Verletztengeld und Verletztenrente zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) habe der Kläger an der Tagung in Papenburg „wie” ein Beschäftigter der Firma MATREB teilgenommen, denn der Besuch habe zumindest wesentlich auch den Interessen der genannten Firma gedient, wenn auch nicht zu verkennen sei, daß der Kläger als selbständiger Handelsvertreter ebenfalls aus dieser Zusammenkunft mittelbaren Nutzen gezogen habe. Entscheidend sei jedoch, daß der Kläger von der Firma MATREB den Auftrag zur Teilnahme an dieser Tagung mit der Begründung erhalten habe, daß von der Firma selbst niemand abkömmlich sei und er außerdem die Verpflichtung übernommen habe, später kurz über das Wesentliche der Tagung zu berichten. Zwar habe er auch an den früheren Tagungen, die in der Nähe seines Firmensitzes gelegen hätten, teilgenommen, Papenburg habe jedoch weit außerhalb seines Vertretungsgebietes gelegen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die zugelassene Revision eingelegt und zur Begründung vorgetragen:

Hätte das LSG den Sachverhalt vollständig ermittelt, dann hätte sich herausgestellt, daß der Kläger auch in früheren Jahren jedesmal zur Teilnahme an den Echemer Arbeitstagungen von der Firma MATREB veranlaßt worden sei. Die Maschinenfabrik habe sich nur deswegen an den Kläger gewandt, weil er für sie als selbständiger Handelsvertreter tätig gewesen sei und es vor allem in seinem eigenen Interesse gelegen habe, an den Arbeitstagungen teilzunehmen. Der „Auftrag” zur Teilnahme an der Arbeitstagung habe die Stellung des Klägers als selbständiger Handelsvertreter im Rahmen der unfallbringenden Tätigkeit nicht berührt.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG Niedersachsen vom 29. Mai 1973 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 26. September 1972 zurückzuweisen,

hilfsweise,

die Sache an das LSG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt dazu u. a. aus: Dadurch, daß sich der Mitgliederkreis der „Bauförderung Echem” lediglich auf die Hersteller beschränkt habe, ergebe sich, daß die dort vermittelten Informationen nur für die Hersteller-Firmen bestimmt gewesen seien, dies werde auch aus der Aussage des sachverständigen Zeugen D. deutlich –, nicht jedoch für die selbständigen Handelsvertreter wie der Kläger. Wenn diesem der Zutritt zu der genannten Veranstaltung verwehrt gewesen sei, könne man nicht annehmen, daß der Kläger auf einer solchen Veranstaltung Informationen für seine Handelsvertretung habe erwerben wollene Dies um so weniger als die übrigen Handelsvertreter der Maschinenfabrik Trebgast aus dem gesamten Bundesgebiet an der Tagung nicht teilgenommen hätten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

Zutreffend ist zunächst das LSG davon ausgegangen, daß die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Lüneburg vom 26. September 1972 zulässig gewesen ist. Hinsichtlich der Gewährung von Verletztengeld war sie gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 SGG nicht ausgeschlossen. Der Kläger hatte vorgetragen, daß er länger als ein Jahr arbeitsunfähig gewesen sei, so daß sein auf Gewährung von Verletztengeld gerichtetes Begehren einen Zeitraum von mehr als 13 Wochen bzw. drei Monaten umfaßte. Soweit die Berufung die Zahlung von Verletztenrente betraf, war sie nicht nach § 145 Nr. 2 SGG ausgeschlossen, weil der Kläger nicht nur Rente für einen bereits abgelaufenen Zeitraum beansprucht, sondern ohne zeitliche Einschränkung geltend gemacht hat, seine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch den Unfall betrage mindestens 30 v.H.

Das LSG ist weiterhin zutreffend davon ausgegangen, daß Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens der Bescheid der Beklagten vom 27. März 1972 gewesen ist. Die formlosen Schreiben der Beklagten von 1. und 21. April 1971 stellen keine Verwaltungsakte dar, gegen die sich der Kläger zur Vermeidung etwaiger Rechtsnachteile innerhalb einer bestimmten Frist hätte wenden müssen. Dies zwar nicht deswegen, weil sie keine Rechtsbehelfsbelehrungen enthielten, denn das Fehlen einer solchen hat nur zur Folge, daß die Frist für die Anfechtung durch Klage auf ein Jahr verlängert wird (§ 66 Abs. 2 SGG; vgl. auch BSG in SozR Nr. 34 zu § 66 SGG sowie SozR Nr. 61 zu § 182 RVO). Die genannten Schreiben sind aber deswegen keine einer Bindung fähigen Verwaltungsakte, weil sie ersichtlich keine abschließende Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer rechtlicher Wirkung nach außen enthalten. Mit diesem Schreiben sollte der Kläger lediglich veranlaßt werden, von einer weiteren Verfolgung seiner Entschädigungsansprüche abzusehen. Dies ist offensichtlich auch die Ansicht der Beklagten, denn sonst wäre es nicht recht verständlich, daß sie am 27. März 1972 noch einen förmlichen Bescheid erlassen hat. Dadurch hat sie selbst zum Ausdruck gebracht, daß sie die vorhergehenden Erklärungen nicht als abschließende Regelung ansehen wollte. Das gilt auch für das Schreiben der Beklagten vom 15. Juni 1971, in dem sie auf die Schreiben vom 1. April und 21. April 1971 verweist. Aber selbst wenn man dieses Schreiben, das eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt und per Einschreiben an den Kläger gesandt worden ist, als Bescheid auffassen würde, ist dieser ebensowenig wie die Schreiben vom 1. April und 21. April 1971 unanfechtbar geworden, denn der Kläger hat sich bereits mit Schreiben vom 6. April und 16. Mai gegen die von der Beklagten in den genannten Schreiben vertretene Auffassung gewandt, daß ihm keine Entschädigungsansprüche gegen die Beklagte zustünden und damit zu erkennen gegeben, daß er mit der Ablehnung seiner Anträge auf Entschädigung nicht einverstanden war, so daß auch diese Schreiben des Klägers als Klage aufzufassen und gemäß § 91 Abs. 2 SGG unverzüglich an das zuständige Gericht der Sozialgerichte abzugeben gewesen wären, was die Beklagte nicht getan hat (vgl. Urteil des 4. Senats vom 31. Januar 1974 – 4 RJ 167/73 – „SozSich”-Kartei Nr. 2850, I/A zu § 92 SGG – Heft 6/1974 –).

Selbst wenn man aber das Schreiben der Beklagten von 15. Juni 1971 alleine in Betracht zieht und es als Bescheid auffassen wollte, hätte der Kläger die Klagefrist nicht versäumt, denn dieses Schreiben enthielt eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung, weil für den. Wohnort des Klägers: 2111 Wistedt (über Buchholz in der Nordheide), Kreis Harburg, nicht das SG Itzehoe, sondern das SG Lüneburg zuständig war (vgl. Ausführungsgesetz Niedersachsem zum SGG von 3. September 1953 – BGBl I 1239 – vom 24. November 1953 – GVBl 1953, 87 – in Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl. Band III Anhang 2/59-60, Anmerkungen). Demgemäß hat auch das SG Lüneburg entschieden. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob auch auf die Möglichkeit des § 91 Abs. 1 SGG hätte hingewiesen werden müssen, nach den die Frist für die Erhebung der Klage auch dann als gewahrt gilt, wenn die Klageschrift u. a. bei einem Versicherungsträger innerhalb der gesetzlichen Frist eingeht. Da die Rechtsbehelfsbelehrung i. S. des § 66 Abs. 2 SGG unrichtig erteilt worden ist, konnte der Kläger noch innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe des Schreibens Klage erheben, und dies hat er rechtzeitig getan. Sein Rechtsbehelf ist nämlich am 28. April 1972 beim SG in Lüneburg eingegangen. Damit war im übrigen auch die Monatsfrist hinsichtlich des am 27. März 1972 als Einschreibbrief zur Post gegebenen, förmlichen Ablohnungsbescheides vom 27. März 1972 gewahrt (vgl. § 4 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes).

Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, daß der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls nach § 539 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO versichert gewesen ist, weil er wie ein auf Grund eines Arbeitsverhältnisses Beschäftigter für die Firma MATREB an der Arbeitskreistagung der „Bauförderung Echem” in Papenburg teilgenommen hatte. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der das LSG gefolgt ist, setzt § 539 Abs. 2 RVO voraus, daß – auch wenn es sich nur um eine vorübergehende Tätigkeit handelt – eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit vorliegt, die – ungeachtet des Beweggrundes des Tätigwerdens ihrer Art nach sonst von einer Person verrichtet werden könnte, welche in einem, den Erwerbsleben zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen könnte, so daß durch sie ein innerer Zusammenhang mit dem unterstützten Unternehmen hergestellt wird (vgl. BSG 5, 168, 174; 14, 1, 4; 15, 292, 294; 16, 73, 76; 17, 211, 216 f; BSG SozR Nr. 16, 23, 29 zu § 537 RVO aF, Nr. 27 zu. § 539 RVO – Urteil des Senats vom 21. März 1974 zu 8/7 RU 8/72; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 7. Auflage, Stand August 1973 Bd. II S. 476 f mit weiteren Nachweisen). Weiter muß die Tätigkeit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen (BSG 5, 168, 172; 14, 1, 4; 17, 211, 216; Brackmann aaO S. 476 b II; BSG 18, 143, 146). Für eine versicherte Tätigkeit nach § 539 Abs. 2 RVO kommt es auch nicht auf eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit zum unterstützten Unternehmen an (Brackmann aaO S. 476 d, 476 e mit weiteren Nachweisen). Ist der Verletzte selbst Unternehmer, so reicht es für den Versicherungsschutz aus, daß es für ihn wesentlich war, auch den anderen Unternehmen – hier der Firma MATREB – zu dienen (BSG in SozSich-Kartei Nr. 2090, V/A zu § 537 Nr. 10 SozSich Heft 12, 1967; Brackmann aaO So 476a; BSG 18, 143, 147). Hiernach kann also grundsätzlich auch ein Unternehmer für einen anderen Unternehmer eine Tätigkeit verrichten und dabei gemäß § 539 Abs. 2 RVO versichert sein, es sei denn, daß er bei der Ausführung einer einheitlich zu beurteilenden Arbeit in erster Linie bzw. ausschließlich in Rahmen seines eigenen Unternehmens tätig ist, weil in diesen Fällen eine dabei nicht vermeidbare gleichzeitige Förderung der Interessen des anderen Unternehmens seine Tätigkeit für das eigene Unternehmen nicht beseitigt (BSG 5, 168, 174; 7, 195, 197/198; Brackmann aaO S. 476 h). Ein Unternehmer muß somit, damit gegenüber dem anderen Unternehmen ein innerer, ursächlicher Zusammenhang und daraus folgend ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO begründet wird, ohne seine eigene Unternehmenssphäre unbedingt ganz zu verlassen, in erster Linie in der Sphäre des anderen Unternehmens tätig geworden sein (BSG 5, 168, 174; BSG 7, 195, 197 f).

Geht man von diesem rechtlichen Ausgangspunkt aus, ist nicht zu beanstanden, daß das LSG zu dem Ergebnis gekommen ist, der Kläger sei bei der Teilnahme an der Tagung in Papenburg wie ein Beschäftigter der Firma MATREB tätig gewesen. Der Besuch der Tagung und die anschließende Berichterstattung war eine ernstliche Tätigkeit und entsprach auch dem – ausdrücklichen – Willen der Firma MATREB. Diese Aufgabe hätte auch von einer Person wahrgenommen werden können, die in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Zwar hatte zuletzt der Inhaber der Firma MATREB persönlich die entsprechenden Arbeitskreistagungen der „Bauförderung Echem” besucht, er hätte aber ebenso auch einen Bediensteten der Firma MATREB zur Tagung nach Papenburg entsenden können.

Der Besuch der Tagung durch den Kläger diente in erster Linie den Interessen er Firma MATREB. Zwar hat das LSG festgestellt, daß die Tagung in Papenburg auch für den Kläger als Handelsvertreter der Maschinenfabrik Trebgast nicht uninteressant war und das dort vermittelte Wissen für seine weitere Tätigkeit als Handelsvertreter hätte mittelbar von Nutzen sein können. Entscheidend konnte das LSG jedoch darauf abstellen, daß der Kläger durch das Schreiben der Firma MATREB vom 20. Oktober 1970 ausdrücklich aufgefordert worden ist, an dieser Tagung teilzunehmen, um später der Firma MATREB über das Wesentliche zu berichten. Daraus wird deutlich, daß er dabei im wesentlichen für die Firma MATREB tätig wurde. Dies um so mehr, als von der genannten Firma kein anderer entsandt werden sollte und konnte, denn in dem Schreiben heißt es ausdrücklich: „Von Trebgast aus kann leider niemand an dieser Veranstaltung teilnehmen. Deshalb beauftragen wir Sie, vielleicht auch mit Herrn G. (einem anderen Handelsvertreter), den Termin für uns wahrzunehmen”. Auch der Umstand, daß nur die Maschinenfabrik Trebgast als Herstellerfirma Mitglied der „Bauförderung Echem” war, läßt erkennen, daß diese Tagung zumindest in erster Linie der Information dieser Firma als Herstellerfirma und nicht der Information des Klägers, der als Handelsvertreter tatsächlich nicht Mitglied dieser Vereinigung werden konnte, diente. Aus dem Schreiben vom 20. Oktober 1970 konnte das LSG auch entnehmen, daß die Maschinenfabrik Trebgast und nicht etwa vornehmlich der Kläger über die auf der Tagung der „Bauförderung Echem” erörterten Dinge unterrichtet werden wollte. Dabei kann dahinstehen, ob die dort behandelten Fragen dem Kläger letztlich vollkommen gleichgültig sein konnten, weil er etwa ohnhin nur das zu verkaufen hatte, was die Maschinenfabrik Trebgast produzierte. Denn das LSG durfte davon ausgehen, daß es nicht seine Aufgabe war, als Handelsvertreter darüber zu befinden, welche Schlußfolgerungen die Herstellerfirmen aus den ihnen dargelegten Vorteilen und Nachteilen der einzelnen Systeme – auf Grund der angestellten Erprobungsversuche – ziehen sollten (vgl. dazu die Aussage von Damm, Bl. 71/72 der SG-Akten). Wäre dies anders, so wäre es geboten gewesen, auch die übrigen Handelsvertreter der Maschinenfabrik Trebgast aus dem gesamten Bundesgebiet an der Tagung zu beteiligen. Schon daraus konnte das LSG mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, daß die Teilnahme an einer derartigen Tagung nicht ohne weiteres zu dem Pflichtenkreis eines Handelsvertreters der Maschinenfabrik Trebgast und damit auch nicht zum Pflichtenkreis des Klägers gehöre.

Soweit die Beklagte rügt, daß vom Vorderrichter, wenn er seiner Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG nachgekommen wäre, festgestellt worden wäre, daß der Kläger, auch früher an den Tagungen der „Bauförderung Echem” teilgenommen habe und sie andeuten will, daß das LSG dann zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, so übersieht sie, daß das LSG dieses in seinem Urteil sehr wohl berücksichtigt hat (vgl. S. 17 des Urteils). Zutreffend hat das LSG ausgeführt, daß die Frage des Versicherungsschutzes bei früheren Tagungen hier nicht zu entscheiden sei. Deshalb konnte es annehmen, daß sich daraus für den Zweck der Reise des Klägers nach Papenburg nichts herleiten lasse, zumal die früheren Tagungen nach seinen Feststellungen – im Gegensatz zu der hier streitigen Veranstaltung – in dem von ihm betreuten Vertretungsgebiet stattgefunden hatten. Dem LSG konnte aber vor allem wesentlich erscheinen, daß der Klüger in dem vorliegenden Fall von der Maschinenfabrik Trebgast den ausdrücklichen Auftrag zur Teilnahme an dieser Tagung mit der – bereits erwähnten – Begründung erhalten hatte, daß von der Firma selbst niemand abkömmlich sei. Da ihm außerdem auf getrogen worden war, später über das Wesentliche der Tagung zu berichten, woraus sich ein unzweifelhaftes eigenes Interesse der Firma MATREB an der Erlangung der auf dieser Tagung vermittelten Informationen ergab, konnte das LSG nach alledem ohne Verfahrens- oder Gesetzesverstoß zu dem Ergebnis gelangen, daß der Kläger für die Firma MATREB „wie” ein Versicherter i. S. des § 539 Abs. 2 RVO tätig geworden ist. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist es rechtlich unerheblich, ob dem Kläger die Auslagen für die Fahrt nach Papenburg etwa deswegen nicht erstattet worden sind, weil er es infolge des Unfalls verabsäumt hat, diese geltend zu machen oder weil er aus einer gewissen Kulanz darauf verzichtete.

Nach alledem ist das LSG zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, daß die Teilnahme des Klägers an der Tagung in Papenburg im wesentlichen dem Unternehmen der Maschinenfabrik Trebgast diente.

Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das LSG nur ein Grundurteil gefällt hat (vgl. BSG in SozR Nr. 4 zu § 130 SGG), denn es besteht die begründete Wahrscheinlichkeit, daß der Leistungsanspruch des Klägers in einer Mindesthöhe gegeben ist. Nach den Feststellungen des LSG steht den Kläger Verletztengeld und in Anbetracht der Schwere der Unfallfolgen auch eine Verletztenrente zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Unterschriften

Dr. Maisch, Thomas, Schroeder-Printzen

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926507

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