Leitsatz (amtlich)
Für die günstigere Vergleichsberechnung nach altem Recht gemäß ArVNG Art 2 § 42 ist nicht erforderlich, daß die Anwartschaft aus allen bis zum 1957-01-01 entrichteten Beiträgen zu diesem Zeitpunkt erhalten war.
Beiträge, die zwar für die Zeit vor dem 1957-01-01 bestimmt, tatsächlich jedoch erst nach diesem Zeitpunkt entrichtet worden sind, sind bei der Prüfung der Frage, ob jene Anwartschaft erhalten war, grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (Anschluß BSG 1959-07-01 4 RJ 249/58 = BSGE 10, 139-148).
Die Berechnung der Rente nach den günstigeren Vorschriften des alten Rechts ist nicht davon abhängig, daß am 1956-12-31 bereits die Wartezeit für die auf Grund des in der Zeit vom 1957-01-01 bis 1961-12-31 eingetretenen Versicherungsfalles begehrte Rente erfüllt ist (Anschluß BSG 1961-04-20 4 RJ 106/60 = BSGE 14, 159-164).
Normenkette
ArVNG Art. 2 § 42 S. 2 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 28. Januar 1960 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen!
Gründe
I.
Die ... 1897 geborene Klägerin war in den Jahren 1915 bis 1926 als Näherin invalidenversicherungspflichtig beschäftigt. Damals wurden für sie Beiträge zur Invalidenversicherung an die damaligen Landesversicherungsanstalten P... und B... entrichtet. Im Jahre 1951 kam sie nach West-Berlin. Hier versicherte sie sich freiwillig weiter. Für die Jahre 1952 bis 1955 wurden je 52 Wochenmarken der Klasse II rechtswirksam entrichtet. Nach der Quittungskarte Nr. 3 wurden ferner für das Jahr 1956 32 Wochenmarken mit dem Jahresaufdruck 55 aufgerechnet, außerdem sind für das Jahr 1956 nach der Quittungskarte Nr. 4 nochmals 20 Wochenmarken mit dem Jahresaufdruck 57 entwertet worden. Schließlich entrichtete die Klägerin in der Quittungskarte Nr. 4 für Anfang 1957 nochmals 7 Wochenmarken der Klasse II mit der Jahreszahl 57 und einen Monatsbeitrag von 14,- DM.
Am 29. Juni 1957 beantragte sie die Zahlung von Rente wegen Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit, nachdem sie am 7. Juni 1957 einen Schlaganfall erlitten hatte. Da bei ihr im Mai 1958 ein neuer Schlaganfall auftrat, nahm die Beklagte Erwerbsunfähigkeit seit Juni 1957 an und bewilligte Rente nach § 1247 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vom 1. Juni 1957 an, und zwar in Höhe von 4,70 DM monatlich und vom 1. Januar 1959 an in Höhe von 5,- DM monatlich. Die Gewährung der günstigeren Berechnung nach altem Recht gemäß Art. 2 § 42 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) vom 23. Februar 1957 lehnte die Beklagte ab, weil am 31. Dezember 1956 nicht die Anwartschaft aus allen bis zu diesem Zeitpunkt entrichteten Beiträgen erhalten gewesen sei. Insbesondere sei die Anwartschaft nicht nach § 4 Abs. 3 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FAG) vom 7. August 1953 bis zum Ende des Jahres 1952 erhalten worden, weil die Klägerin am 1. Juli 1944 nicht ihren ständigen Aufenthalt außerhalb des Bundesgebietes oder des Landes Berlin gehabt habe.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Beklagte verurteilt, die Rente nach dem am 31. Dezember 1956 geltenden Recht unter Hinzurechnung von monatlich 21,- DM zu zahlen und außerdem hierzu noch vom 1. Januar 1959 an den Anpassungsbetrag gemäß dem Ersten Rentenanpassungsgesetz vom 21. Dezember 1958. Die hiergegen von der Beklagten eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin durch Urteil vom 28. Januar 1960 zurückgewiesen. Die Vorinstanzen sind in wesentlichen davon ausgegangen, für die Gewährung der günstigeren Berechnung der Rente nach Art. 2 § 42 ArVNG sei nicht erforderlich, daß die Anwartschaft aus den alten Beiträgen aus den Jahren 1915 bis 1926 zum 31. Dezember 1956 erhalten gewesen sei. Vom Jahre 1952 bis zum Ende des Jahres 1956 habe die Klägerin 240 Wochenbeiträge entrichtet, nämlich je 52 für die Jahre 1952 bis 1955 und 32 mit dem Jahresaufdruck 55 für das Jahr 1956. Aus diesen Beiträgen sei die Anwartschaft zum 31. Dezember 1956 gemäß § 1264 RVO aF erhalten gewesen, da auch für das Jahr 1956 mehr als 26 Wochenbeiträge vorlägen. Damit sei zwar die Wartezeit zum 31. Dezember 1956 noch nicht erfüllt gewesen, dies sei aber für die Zulässigkeit der Vergleichsberechnung nicht erforderlich. Vielmehr genüge es, wenn die Wartezeit bei Eintritt des Versicherungsfalles erfüllt sei. Die Klägerin habe noch rechtzeitig im Jahre 1957 20 Beiträge für das Jahr 1956 nachentrichtet und außerdem weitere Beiträge für das Jahr 1957. Damit werde die Wartezeit mit den am 31. Dezember 1956 in ihrer Anwartschaft erhaltenen Beiträgen und mit den neuen, bis zum Eintritt des Versicherungsfalles entrichteten erfüllt. Dies reiche für die Anwendung des Art. 2 § 42 ArVNG aus.
Gegen das Urteil des LSG, in dem die Revision zugelassen worden ist, hat die Beklagte Revision eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Sie wendet sich gegen die Auffassung, daß es für die Anwendung des Art. 2 § 42 ArVNG ausreiche, wenn die Anwartschaft aus den nach Neubeginn einer Rentenversicherung entrichteten Beiträgen zum 31. Dezember 1956 erhalten sei. Hinzu müsse noch kommen, daß die Wartezeit bereits zum 31. Dezember 1956 erfüllt sei. Art. 2 § 42 ArVNG habe den Charakter einer Vorschrift zur Wahrung des Besitzstandes. Von einem Besitzstand könne man nur sprechen, wenn der Versicherte am 31. Dezember 1956 Anspruch auf Rente gehabt hätte, falls an diesem Tage der Versicherungsfall eingetreten wäre. Auch aus einer anderen Erwägung folge, daß das Gesetz von einer erheblichen Beitragsleistung zum Ende des Jahres 1956 ausgegangen sei. Anderenfalls sei nämlich die der Übergangsregelung des Art. 2 § 42 ArVNG zugrunde liegende Annahme nicht zu verwirklichen, daß innerhalb der nächsten fünf Jahre nach dem Inkrafttreten der Neuregelung die Versicherten durch vermehrte Beitragsleistungen einen vollen Ausgleich in der Höhe der Renten nach altem und nach neuem Recht in allen denjenigen Fällen erzielen könnten, bei denen das bisherige Recht wegen der hohen Grundbeträge und sonstigen festen Bestandteile günstiger war als die neue beitragsbezogene Rentenberechnung.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Berlin vom 28. Januar 1960 und des SG Berlin vom 11. Mai 1959 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, daß Art. 2 § 42 Satz 2 ArVNG für die günstigere Berechnung nach altem Recht nicht voraussetzt, daß die Anwartschaft aus allen bis zum 31. Dezember 1956 entrichteten Beiträgen zu diesem Zeitpunkt erhalten war. Wie der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom 1. Juli 1959 (BSG 10, 139) näher ausgeführt hat, ist nach Art. 2 § 42 Satz 2 ArVNG allein die Erhaltung der Anwartschaft aus früheren Beiträgen in einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich zum 31. Dezember 1956, erforderlich, ohne daß hieraus gefolgert werden darf, damit müsse die Anwartschaft aus allen bisherigen Beitragen erhalten sein. Es wäre unverständlich, wenn die Klägerin die günstigere Vergleichsberechnung nach altem Recht allein deswegen nicht beanspruchen dürfte, weil sie verfallene Beiträge aus früheren Jahren aufzuweisen hat, während sie die Vergleichsberechnung beanspruchen könnte, wenn jene nicht vorhanden wären (RVO-Gesamtkomm. S. 383 Anm. 8 a zu Art. 2 § 42 ArVNG). Nach § 1264 Abs. 1 Satz 3 RVO aF begann nach dem Erlöschen einer Anwartschaft die Versicherung mit den späteren Beiträgen von neuem. Auch mit Rücksicht hierauf kann es nicht angehen, daß alte Beiträge, aus denen die Anwartschaft erloschen war und auch nicht auf dem Wege der Halbdeckung (§ 1265 RVO aF) als erhalten gilt, bei der Anwendung des Art. 2 § 42 ArVNG jetzt den Versicherten zum Nachteil gereichen. Der erkennende Senat schließt sich deshalb dem genannten Urteil des 4. Senats an. Damit kann dahingestellt bleiben, ob die Anwartschaft aus den alten Beiträgen der Klägerin nicht ohnehin nach § 4 Abs. 3 FAG bis Ende 1952 erhalten war (vgl. hierzu Jahn, WzS 1953, 296, 299; Malkewitz ebenda S. 358; Koch/Hartmann Komm. zum Angestelltenversicherungsgesetz S. 406 a zu § 32 AVG aF).
Ebenfalls zu Recht hat das LSG angenommen, daß bei der Entscheidung darüber, ob die Anwartschaft aus den vor dem 1. Januar 1957 entrichteten Beiträgen entsprechend der Vorschrift des Art. 2 § 42 Satz 2 ArVNG zu diesem Zeitpunkt nach den bis dahin geltenden Vorschriften erhalten war, nur die bis dahin tatsächlich entrichteten Beiträge zu berücksichtigen sind. Auch dies hat der 4. Senat in dem bereite erwähnten Urteil (aaO S. 146) schon näher begründet. Dieser Auffassung schließt sich der Senat jedenfalls grundsätzlich an. Nach dem 31. Dezember 1956 gemäß § 1418 RVO nachentrichtete Beiträge genügen insoweit nicht. Ob für die Fälle des § 1397 Abs. 6 RVO nF (§ 11 Abs. 3 der DVO zur 2. LAV) und des § 1420 Abs. 1 Nr. 1 und 2 RVO nF (§ 1444 Abs. 1 Nr. 1 und 2 RVO aF) etwas anderes zu gelten hat (vgl. BSG 6, 85), braucht hier nicht entschieden zu werden, desgleichen nicht, ob etwa die freiwilligen Beiträge anders zu behandeln sind, die in der Zeit vom 1. Januar 1957 bis zur Verkündung des ArVNG, d.h. bis zum 26. Februar 1957, für die Jahre 1955 oder 1956 nachentrichtet sind. Die vom 4. Senat vertretene Ansicht wird allein dem Wortlaut des Gesetzes - "vor dem 1. Januar 1957 entrichteten Beiträgen" - gerecht. Für die Auffassung, der Gesetzgeber habe hiermit die tatsächliche Beitragsentrichtung vor dem 1. Januar 1957 fordern wollen, sprechen auch folgende Erwägungen: Ähnliche Fassungen hatten bereits Art. 19 der Ersten Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung (VereinfVO) vom 17. März 1945 (RGBl I 41) und - worauf ebenfalls schon in der genannten Entscheidung des 4. Senats hingewiesen ist - § 4 Abs. 2 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes (SVAG) vom 17. Juni 1949. Danach war die Anwartschaft aus Beiträgen, die bis zum Ablauf des zweiten Kalenderjahres nach Kriegsende, d.h. bis zum 31. Dezember 1947, bzw. bis zum 31. Dezember 1948 entrichtet waren, bis zu diesen Zeitpunkten erhalten, sofern nicht der Versicherungsfall vor dem 1. April 1945 bzw. vor dem 1. Januar 1949 eingetreten war. Für Beiträge, die für die Zeit vor dem 1. Januar 1924 entrichtet sind, galt dies jedoch nicht, wenn bis zum 31. März 1945 bzw. bis zum 30. November 1948 für die Zeit nach dem 31. Dezember 1923 kein Beitrag "entrichtet ist". Hierzu war stets anerkannt, daß für die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen über das Wiederaufleben der vor dem Jahre 1924 geleisteten Beiträge erforderlich war, daß die späteren Beiträge tatsächlich bis zum 31. März 1945 bzw. bis zum 30. November 1948 entrichtet waren, und daß eine nach diesen Stichtagen gemäß § 1442 RVO aF erfolgte Entrichtung zur Anwendung jener Vorschriften nicht ausreichte (vgl. VerbKom. 5. Aufl. § 1264 RVO Anm. 15, LSG Mains SozR § 4 SVAG Bl. Ab 4 Nr. 8; BSG 6, 85; Koch/Hartmann aaO § 190 AVG aF Anm. 10 S. 668). § 4 Abs. 2 SVAG hatte sogar, ebenso wie sein Vorläufer, Art. 19 der VereinfVO, bewußt "mit einem überraschenden Schlag" die Möglichkeit ausgeschlossen, die bis zum Stichtag geforderte Beitragsleistung noch nachzuholen (Koch/Hartmann aaO § 32 AVG aF Anm. 1 zu § 1264 RVO). Der Anschluß an die alte Versicherung durch Wiederaufleben der Anwartschaft sollte nicht erst, wenn der Versicherte von den sich für ihn ergebenden Vorteilen Kenntnis erhalten hatte, nachträglich nach seinem Gutdünken hergestellt werden können. Entsprechende Wendungen wie in Art. 19 der VereinfVO und § 4 Abs. 2 SVAG kehrten sodann in § 4 Abs. 3 FAG wieder. Danach galt die Anwartschaft aus bestimmten Beiträgen unter gewissen Voraussetzungen als erhalten, "sofern bis zum 30. November 1948 für die Zeit nach dem 31. Dezember 1923 mindestens ein Beitrag entrichtet worden ist und der Versicherungsfall nicht vor dem 1. Januar 1949 eingetreten ist". In dieser Vorschrift zeigt die Gegenüberstellung, daß "für die Zeit nach dem 31. Dezember 1923" wenigstens ein Beitrag "bis zum 30. November 1948" entrichtet worden sein muß, erneut, daß nur eine tatsächlich bis zu diesem Stichtag geschehene Beitragsleistung ausreichte und nicht eine Nachentrichtung gemäß § 1442 RVO aF. Ähnlich eindeutig lautet jetzt § 1249 RVO nF. Hiermit im Einklang steht überdies die Entstehungsgeschichte der Übergangsvorschrift des Art. 2 § 4 Satz 1 ArVNG, wonach ua zur Fortsetzung seiner bisherigen Selbstversicherung (§ 1243 RVO aF) berechtigt ist, wer sie "durch Entrichtung eines Beitrages vor dem 1. Januar 1956" begonnen hatte. Diese Passung ist wiederum absichtlich gewählt worden, um klar zu stellen, daß die Entrichtung, d.h. sowohl die Ausstellung der Versicherungskarte als auch die Markenverwendung, vor dem. 1. Januar 1956 liegen mußte (vgl. Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, Art. 2 § 4 ArVNG Anm. I Abs. 2). Wenn ein Gesetz mithin von bis zu einem bestimmten Zeitpunkt entrichteten Beiträgen spricht, waren hierunter stets solche Beiträge zu verstehen, die bis dahin auch tatsächlich geleistet worden sind. Für die Annahme, daß der Gesetzgeber bei dem Art. 2 § 42 ArVNG von diesem seit langem geübten Sprachgebrauch habe abgehen wollen, fehlt es an hinreichendem Anhalt.
Der Umstand, daß hierdurch nunmehr in gewisser Hinsicht diejenigen Versicherten benachteiligt werden können, die im Hinblick auf die Nachentrichtungsfrist des § 1442 RVO aF glaubten, ihre Beitragspflichten für das Jahr 1956 noch in den Jahren 1957 oder 1958 erfüllen zu können, rechtfertigt, abgesehen von etwaigen Sonderfällen, keine andere Beurteilung. Jeder Versicherte begab sich bereits nach altem Recht in gewisse Gefahren, wenn er seine freiwilligen Beiträge nicht in dem Kalenderjahr leistete, für das sie bestimmt waren, so zB in die, daß er alle Ansprüche aus seiner Versicherung verlor, wenn nach jenem Jahr, aber vor der an sich noch möglichen fristgerechten Nachentrichtung innerhalb zweier Jahre Umstände eintraten, die eine rechtswirksame Nachentrichtung ausschlossen. Ein Hauptfall hierfür war, daß ein Versicherter während der Zweijahresfrist nach Schluß des Kalenderjahres invalide wurde. Eine Beitragsentrichtung war alsdann unzulässig und eine etwaige Nachentrichtung unwirksam (§ 1443 RVO aF), so daß der Versicherte seine gesamten Rechte aus der Invalidenversicherung verlor, wenn die bisherigen Beiträge die Wartezeit noch nicht erfüllten, oder wenn die Anwartschaft aus den früheren Beiträgen erloschen und auch nicht durch Halbdeckung erhalten war. Das gleiche konnte bei Hinterbliebenenrentenansprüchen eintreten, wenn der Versicherte vor der an sich noch möglichen Nachentrichtung der Beiträge starb und zu diesem Zeitpunkt die Wartezeit noch nicht erfüllt hatte oder die Anwartschaft bei an sich erfüllter Wartezeit nicht erhalten war. Jeder Versicherte ging und geht deshalb stets, wenn er seiner Beitragsverpflichtung nicht in dem Jahre nachkommt, für das sie erfüllt werden muß, ein Risiko ein, dessen Folgen er, selbst wenn ihn daran kein Verschulden trifft, tragen mußte und auch jetzt noch tragen muß. Alles dies muß auch für die Nachteile gelten, die eine Gesetzesänderung für einen Teil der Versicherten hinsichtlich der Höhe ihrer späteren Rente mit sich bringt, zumal wenn bei dieser Gesetzesänderung in anderer Hinsicht wiederum erhebliche Verbesserungen eingeführt werden, wie dies in der Rentenversicherung zB durch den Wegfall aller Vorschriften über die Aufrechterhaltung der Anwartschaft geschehen ist; hierdurch werden u.a. nunmehr Beiträge anrechnungsfähig, die dies nach altem Recht nicht gewesen wären.
Nach alledem waren vorerst für das Jahr 1956 allein die tatsächlich bis zum 31. Dezember 1956 entrichteten 32 Wochenmarken mit dem Jahresaufdruck 55 zu berücksichtigen. Mit ihnen war jedoch immerhin die Anwartschaft aus den für die Jahre 1952 bis 1955 jeweils entrichteten 52 Beiträgen gemäß § 1264 RVO aF erhalten. Allerdings war mit den darin in ihrer Anwartschaft erhaltenen Beiträgen die Wartezeit noch nicht erfüllt. Daß indes über das Erfordernis der Anwartschaftserhaltung hinaus bereits zum 31. Dezember 1956 aus den bis dahin entrichteten Beiträgen die Wartezeit von 60 Beitragsmonaten für die begehrte Rente erfüllt sein mußte, ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht erforderlich, wie der 4. Senat in seinem Urteil vom 20. April 1961 SozR ArVNG Art. 2 § 42 Bl. Aa 2 Nr. 3) bereits entschieden hat. Auch dieser Auffassung folgt der erkennende Senat. Für sie spricht nicht nur der Wortlaut des Gesetzes, in welchem das Erfordernis der Erfüllung der Wartezeit keinen, auch keinen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat, obwohl dies überaus nahegelegen hätte, wenn es der Wille des Gesetzgebers gewesen wäre, sondern auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes.
Nach den Ausführungen des Abgeordneten S... (schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik - Bundestagsdrucksache Nr. 3080 Anl. III S 25 -) zum damaligen § 41 der Übergangsvorschriften des ArVNG wollte man durch die dort vorgesehene Regelung einer gewissen Gruppe von Versicherten und deren Hinterbliebenen, die am 1. Januar 1957 noch nicht Rentner waren, es aber in den nächsten fünf Jahren würden, unter bestimmten Voraussetzungen eine besondere Vergünstigung gewähren. Sie sollte darin bestehen, daß die Rente nach dem bisherigen Recht unter Hinzufügung von Festbeträgen von 14,- DM berechnet wird, wenn die Berechnung nach dem neuen Recht ungünstiger wäre. Dabei ging man davon aus, daß hierfür hauptsächlich Versicherte mit niedrigen Entgelten und Beiträgen oder kurzer Versicherungsdauer wegen späten Eintritts in die Versicherung oder geringer Beitragsdichte in Betracht kommen würden. Diesem Personenkreis werde es kaum möglich sein, so nahm man an, durch vermehrte Beitragsleistung in den nächsten fünf Jahren einen Anspruch auf eine angemessene Rente zu erwerben, sich also von dem System der früheren Mindestrente auf das neue System der beitragsbezogenen Renten umzustellen. Voraussetzung der Vergünstigung sollte jedoch sein, daß der Versicherte seinen Willen zur Umstellung durch Entrichtung von jährlich neun Monatsbeiträgen vom 1. Januar 1957 an beweist, und daß außerdem die Anwartschaft nach bisherigem Recht am 1. Januar 1957 erhalten war oder durch auf diesen Zeitpunkt berechnete Halbdeckung als erhalten galt. Hiermit wäre es nicht zu vereinbaren, die Erfüllung der Wartezeit bereits zum 31. Dezember 1956 zu verlangen. Denn zu den für die beabsichtigte Vergünstigung in Betracht kommenden Personen zählten vor allem diejenigen mit kurzen Versicherungszeiten. Dementsprechend ist in den Materialien des Gesetzes niemals das Erfordernis einer zusätzlichen Wartezeiterfüllung bereits zum 31. Dezember 1956 erwähnt worden. Angesichts dessen geht es nicht an, ein solches Erfordernis auf Grund von Erwägungen über den angeblichen Sinn und Zweck dieser Vorschrift als einer solchen zur Besitzstandswahrung in den Gesetzestext hineinzulegen oder es etwa daraus zu folgern, daß "offensichtlich", wie die Beklagte meint, der Gesetzgeber eine erhebliche Beitragsleistung bereits zum Ende des Jahres 1956 vorausgesetzt habe, weil anderenfalls, wie eine Ausrechnung im einzelnen ergebe, niemals seine Annahme erfüllt werden könne, daß der Versicherte durch vermehrte Beitragsleistung bis 1961 seine beitragsbezogene Rente der bisherigen sozialen Mindestrente anzupassen in der Lage sei. Die Unrichtigkeit dieser Annahme könnte allenfalls dafür sprechen, daß die Ausnahmevorschrift des Art. 2 § 42 ArVNG an zu enge Voraussetzungen geknüpft worden ist. Daraus darf aber nicht gefolgert werden, daß diese Übergangsregelung noch einengender ausgelegt werden müßte. Ob allerdings nicht wenigstens die Wartezeit erfüllt sein muß mit seit dem 31. Dezember 1956 entrichteten Beiträgen und solchen, die vor dem 1. Januar 1957 entrichtet worden sind, aus denen jedoch zu diesem Zeitpunkt die Anwartschaft erhalten war (vgl. LSG Hamburg, SozSich 1961, Rechtsprechung Nr. 1275), braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn die Klägerin hatte die gesetzliche Wartezeit von 60 Beitragsmonaten bei Eintritt des Versicherungsfalles, der nach den unangefochtenen und damit für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) im Juni 1957 erfolgt ist, bereits mit den von 1952 bis Anfang 1957 entrichteten Beiträgen zurückgelegt.
Damit haben die Vorinstanzen die Beklagte zu Recht zur Gewährung der günstigeren Vergleichsberechnung nach altem Recht verurteilt, so daß die Revision keinen Erfolg haben konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen