Entscheidungsstichwort (Thema)
SVAbk AUT 2. Österreichischer Staatsbürger
Leitsatz (redaktionell)
Der Vorrang der Sozialversicherungsabkommen ergibt sich aus ihrer Natur als Spezialregelung gegenüber der innerstaatlichen allgemeinen Norm. An dem Verhältnis wurde durch die Neufassung des AVG § 27 (= RVO § 1250) nichts geändert. Eine Änderung hat sich insoweit auch nicht durch den FinAusglVtr AUT vom 1961-11-27 ergeben.
Es kann nicht angenommen werden, daß die Bundesrepublik Deutschland österreichischen Staatsbürgern gegenüber weitergehende Pflichten haben sollte als gegenüber den deutschen Staatsangehörigen.
Weder die Sozialversicherungsabkommen noch das SVFAG noch AVG § 27 (= RVO § 1250) verstoßen bei der Auslegung durch den Senat gegen die Vorschriften des GG.
Orientierungssatz
Unter "Aufenthalt" ist im Gegensatz zu dem Rechtsgeschäftlich begründeten "Wohnsitz" ein rein tatsächliches Verweilen zu verstehen, ohne daß es auf die Gründe für das Verweilen ankäme (vergleiche Entscheidung des RVA Nr 3468 AN 1929, 272 und Nr 4204 AN 1931, 447; BSG 1955-12-21 3 RJ 191/55 = BSGE 2, 150; BSG 1959-04-21 2 RU 293/56 = BSGE 9, 266; BSG 1962-03-07 9 RV 846/59 in VersorgB 1962 Nr 8 RspNr 67). Mit der Bedeutung der Zusammensetzung "nicht nur vorübergehender Aufenthalt" hat sich auch der erkennende Senat (vergleiche BSG 1964-05-27 = BSGE 21, 91) befaßt und sie neben die Begriffe des ständigen und des gewöhnlichen Aufenthalts gestellt. Es kann dahinstehen, ob diese drei Wendungen den gleichen Inhalt haben oder ob die negative Fassung "nicht nur vorübergehend" gegenüber den positiven Worten "ständig" und "gewöhnlich" eine Abschwächung bedeutet. Gemeinsam ist jedenfalls den genannten Begriffen als wesentliches Element das der Dauer. Ein nicht nur zufälliges tatsächliches Verweilen von gewisser Dauer wird aber auch durch gelegentliche kürzere Unterbrechungen nicht zu einem vorübergehenden.
Normenkette
SVAbk AUT 2 Art. 4 Fassung: 1953-07-11, Art. 5 Fassung: 1953-07-11; SVAbk AUT Art. 23 Nr. 2a Fassung: 1951-04-21; AVG § 27 Fassung: 1960-02-25; RVO § 1250 Fassung: 1960-02-25; FinAusglVtr AUT Fassung: 1961-11-27; GG Art. 14; SVFAG Fassung: 1953-08-07; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. März 1962 wird aufgehoben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
Der Kläger - österreichischer Staatsbürger - begehrt eine Rente wegen Berufsunfähigkeit aus den Beiträgen, die er als Opernsänger an mehreren deutschen Bühnen vor 1945 zur ehemaligen Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (RfA) entrichtet hat.
Nachdem ihm die Landesversicherungsanstalt (LVA) Oberbayern als damalige Verbindungsstelle zur österreichischen Sozialversicherung vom 1. Januar 1954 an vorschußweise Leistungen gewährt hatte, lehnte die Beklagte die Rentengewährung ab: Der Kläger habe lediglich acht Monatsbeiträge im Gebiet der jetzigen Bundesrepublik Deutschland (BRD) entrichtet; diese seien nach dem Ersten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommen vom 21. April 1951 (BGBl 1952 II 318) vom deutschen Versicherungsträger zu übernehmen, reichten aber für eine Leistung nicht aus; die Anwartschaft aus den übrigen Beiträgen falle nach dem Zweiten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommen vom 11. Juli 1953 (BGBl II 1954 S. 773) in die österreichische Versicherungslast, weil der Kläger am Tage der Unterzeichnung des Abkommens - 11. Juli 1953 - seinen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt in Schwaz/Österreich gehabt habe (Bescheid vom 21. Mai 1957).
Der österreichische Versicherungsträger merkte die vom Kläger außerhalb des Gebietes der BRD in der deutschen Rentenversicherung zurückgelegten Beitragszeiten vor, versagte aber auf Grund der Vorschriften des österreichischen Rechts ebenfalls eine Leistung (Bescheide vom 11. April 1952, 30. April 1952, 29. August 1955).
Der Kläger berief sich darauf, er habe seit dem 10. Oktober 1952 seinen Wohnsitz in W.-E., wo er seitdem polizeilich gemeldet sei und sich auch jährlich von Oktober bis Ende Dezember aufhalte. Zudem beziehe er auch Renten von der Pensionsanstalt für Film, Bühne und Rundfunk in München und von der bayerischen Versicherungskammer, Abt. Bühnenversorgung, und habe somit den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen seit dem 10. Oktober 1952 in der BRD.
Klage und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) sah es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere auf Grund der Eintragungen im Reisepaß des Klägers, als erwiesen an, daß dieser sich wegen seiner Rentenangelegenheit am 10. Oktober 1952 in W. polizeilich angemeldet habe, doch habe er seinen Lebens-Mittelpunkt bei seiner aus Ehefrau und Sohn bestehenden in S./Österreich ansässigen Familie behalten. Dort habe er sich ganz überwiegend - insbesondere am 11. Juli 1953 - aufgehalten und auch eine Versorgungsrente bezogen, während er in der BRD immer nur kurzfristig von Oktober bis Dezember und zwischenzeitlich oft bloß stundenweise verweilt habe. Danach sei mit der Beklagten davon auszugehen, daß sich der Kläger am 11. Juli 1953 nicht nur vorübergehend in der Bundesrepublik Österreich aufgehalten habe. Die Anwartschaft aus den außerhalb des Gebietes der BRD entrichteten Beiträgen sei daher nach dem Zweiten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommen in die österreichische Versicherungslast gefallen, so daß vom deutschen Versicherungsträger keine Leistung beansprucht werden könne. Aus dem Grundgesetz (GG) ergäben sich keine Bedenken gegen diese Regelung (Urteil vom 28. März 1962).
Mit der - zugelassenen - Revision beantragt der Kläger,
das Urteil des LSG mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Er meint, das LSG habe bei der Beurteilung der Frage, ob er sich am 11. Juli 1953 nicht nur vorübergehend in Österreich aufgehalten habe, seiner Aufklärungspflicht nicht genügt (Verstoß gegen § 103 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) und im übrigen die Art. 3 und 14 GG unrichtig ausgelegt.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist zulässig und im Ergebnis begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf die seit 1950 begehrte Rente wegen Berufsunfähigkeit dann, wenn u. a. die gesetzliche Wartezeit mit 60 anrechenbaren Versicherungsmonaten erfüllt ist oder die Wartezeit in anderer Weise als erfüllt gilt (§ 31 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG - aF in Verbindung mit §§ 1262 bis 1263 a der Reichsversicherungsordnung - RVO - aF; § 23 Abs. 1 und 3 und § 29 AVG nF). Welche Versicherungszeiten die Beklagte auf die Wartezeit anzurechnen hat, beurteilt sich, weil der Kläger österreichischer Staatsangehöriger ist, nach den Bestimmungen der zwischen der BRD und der Republik Österreich abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen. Diese Abkommen haben u. a. zum Ziel, den Geltungsbereich der Versicherungssysteme beider Staaten gegeneinander abzugrenzen und die Versicherungslast - hauptsächlich aus der Zeit vor 1945 - auf die Versicherungsträger in den beiden Staaten zu verteilen; sie haben durch Zustimmungsgesetze Gesetzeskraft erhalten und sind deshalb von den Versicherungsträgern und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anzuwenden. Wie das LSG zutreffend angenommen hat, sind nur acht Beitragsmonate, die der Kläger in den Jahren 1925 und 1926 im Gebiet der heutigen BRD zurückgelegt hat, nach Art. 23 Ziff. 2 a des Ersten deutschösterreichischen Sozialversicherungsabkommens in die deutsche Versicherungslast gefallen. Die Anwartschaft des Klägers aus allen übrigen von ihm bis 1945 außerhalb des heutigen Bundesgebietes geleisteten RfA-Beiträgen wird jedoch nicht von den Vorschriften dieses Abkommens erfaßt, sie ist vielmehr, weil der Kläger am Tage der Unterzeichnung des Zweiten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens (11. Juli 1953) sich im Gebiet der Republik Österreich nicht nur vorübergehend aufgehalten hat, vom österreichischen Versicherungsträger zu übernehmen (Art. 4 und Art. 5 des Zweiten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens).
Der Kläger greift zwar mit Verfahrensrügen die Feststellungen an, die der Annahme des LSG zugrunde liegen, er habe sich am 11. Juli 1953 nicht nur vorübergehend in Österreich aufgehalten. Was er hierzu vorträgt, genügt aber nicht den Anforderungen, die das Gesetz (§ 164 Abs. 2 SGG) - auch bei einer zugelassenen Revision - an eine ordnungsmäßig erhobene Verfahrensrüge stellt; denn es fehlt an einer ausreichenden Bezeichnung der Tatsachen und Beweismittel, die einen Verstoß gegen § 103 SGG ergeben. Mag der Kläger auch - wie die Revision vorträgt - eine erste Ehe in W.-E. geschlossen gehabt haben und seine frühere Ehefrau dort noch leben, so hätten diese Umstände das LSG doch allenfalls dann zu weiteren Ermittlungen drängen müssen, wenn sie ihm bekannt gewesen wären. Hierzu läßt die Revisionsbegründung aber jede Angabe - auch von Beweismitteln - vermissen. Das gleiche gilt für die Behauptung, der Kläger habe seine gesamten Steuern ausschließlich im Gebiet der BRD entrichtet und sich nach Kriegsende in seinem Heimatort S. nur so lange aufhalten wollen, bis die Verhältnisse in der BRD wieder gefestigt seien. Es bleibt danach unklar, warum sich das LSG - von seiner Rechtsauffassung aus - bei Beurteilung der Frage, ob sich der Kläger am 11. Juli 1953 nicht nur vorübergehend in Österreich aufgehalten habe, mit den Zeugenaussagen und den beigezogenen Urkunden, aus denen sich die Dauer der jeweiligen Aufenthalte in der BRD entnehmen ließen, nicht begnügen durfte. Vor allem bleibt offen, welche weiteren Aufklärungsmöglichkeiten dem LSG zur Verfügung gestanden hätten. In Ermangelung solcher Angaben ist aber ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht nicht hinreichend erkennbar. Der Entscheidung sind deshalb die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils zugrunde zu legen.
Hiervon ausgehend bestehen aber keine rechtlichen Bedenken gegen die Ansicht des LSG, der Kläger habe sich am Tage der Unterzeichnung des Zweiten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens nicht nur vorübergehend in Österreich aufgehalten. Insbesondere besteht kein Anhalt für die Annahme, das Berufungsgerichts habe etwa Inhalt und Bedeutung des Begriffs "nicht nur vorübergehender Aufenthalt" verkannt. Wie in der Rechtsprechung allgemein anerkannt ist und schon das Reichsversicherungsamt (RVA) und das Bundessozialgericht (BSG) ständig entschieden haben, ist unter "Aufenthalt" im Gegensatz zu dem rechtsgeschäftlich begründeten "Wohnsitz" ein rein tatsächliches Verweilen zu verstehen, ohne daß es auf die Gründe für das Verweilen ankäme (Entsch. d. RVA Nr. 3468 AN 1929 S. 272 und Nr. 4204 AN 1931 S. 447; BSG Urt. vom 21. Dezember 1955 - 3 RJ 191/51 - BSG 2, 150; BSG Urt. vom 21. April 1959 - 2 RU 293/56 - BSG 9, 266; BSG Urt. vom 7. März 1962 - 9 RV 846/59 - VersorgB 1962 Nr. 8 Rechtspr. Nr. 67). Mit der Bedeutung der Zusammensetzung "nicht nur vorübergehender Aufenthalt" hat sich auch der erkennende Senat in seinem Urteil vom 27. Mai 1964 - 1 RA 145/60 - (BSG 21, 91) befaßt und sie neben die Begriffe des ständigen und des gewöhnlichen Aufenthalts gestellt. Es kann dahinstehen, ob diese drei Wendungen den gleichen Inhalt haben oder ob die negative Fassung "nicht nur vorübergehend" gegenüber den positiven Worten "ständig" und "gewöhnlich" eine Abschwächung bedeutet. Gemeinsam ist jedenfalls den genannten Begriffen als wesentliches Element das der Dauer. Ein nicht nur zufälliges tatsächliches Verweilen von gewisser Dauer wird aber auch durch gelegentliche kürzere Unterbrechungen nicht zu einem vorübergehenden. Das LSG hat danach zu Recht angenommen, daß die zwar wiederholten, aber stets befristeten Besuche des Klägers in der BRD sowie seine zusätzliche polizeiliche Anmeldung in Wuppertal den ebenfalls regelmäßigen aber länger dauernden Aufenthalt am Familienwohnort in Österreich nicht zu einem vorübergehenden machten. Hat sich der Kläger demnach an dem im Zweiten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommen genannten Stichtag nicht nur vorübergehend in der Republik Österreich aufgehalten, so sind Leistungen aus den außerhalb der BRD bis 1945 zur deutschen Rentenversicherung entrichteten Beiträgen gemäß Art. 4 Abs. 1 Ziff. 2, 5 Abs. 1 des Zweiten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens in Verbindung mit Art. 23 Ziff. 2 b, Art. 24 des Ersten deutschösterreichischen Sozialversicherungsabkommens ausschließlich aus der österreichischen Versicherung zu gewähren. Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß diese Regelung eine Leistung auf Grund innerstaatlicher deutscher Vorschriften ausschließt. Zutreffend hat es auf den Vorrang verwiesen, der den zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen vor dem innerstaatlichen deutschen Recht zukommt. Für die Zeit vor dem 1. Januar 1959 ergibt sich dies schon aus der Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 1 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FAG) vom 7. August 1953; der Vorrang besteht auch dann, wenn aus der österreichischen Versicherung keine Rente gewährt wird (BSG Urt. vom 25. Mai 1965 - 1 RA 152/62 -; Urt. vom 7. Juli 1964 - 1 RA 230/61 - Die Praxis 1965 S. 43; Urt. vom 27. November 1962 - 4 RJ 157/60 - BSG 18 S. 113). Seit dem 1. Januar 1959 (Inkrafttreten des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes - FANG - vom 25. Februar 1960) richtet sich die Anrechenbarkeit der zur RfA entrichteten Beiträge zwar im allgemeinen nach § 27 AVG, der keine dem § 1 Abs. 1 FAG entsprechende Vorrangvorschrift enthält. Einer solchen bedarf es auch nicht. Der Vorrang der Sozialversicherungsabkommen ergibt sich vielmehr aus ihrer Natur als Spezialregelung gegenüber der innerstaatlichen allgemeinen Norm. An diesem Verhältnis wurde durch die Neufassung des § 27 AVG nichts geändert. Diese sollte vielmehr - wie der Senat in der o. a. Entscheidung vom 25. Mai 1965 ausgeführt hat - lediglich zur Klarstellung der sich aus dem Wegfall des FAG ergebenden Folgerungen dienen. Hinsichtlich der von zwischenstaatlichen Abkommen erfaßten und bisher nicht nach dem FAG behandelten Beitragszeiten sollte dadurch jedoch keine Änderung eintreten.
Eine Änderung hat sich insoweit auch nicht durch den deutschösterreichischen Finanz- und Ausgleichsvertrag vom 27. November 1961 (in Kraft seit dem 11. Oktober 1962 - BGBl II 1457) und das dazu ergangene Gesetz vom 21. August 1962 (BGBl II 1041) ergeben. Nach Art. 18 dieses Vertrages ist allerdings Teil III des Zweiten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens mit den im vorliegenden Fall entscheidenden Regelungen der Art. 4 und 5 rückwirkend zum 1. Januar 1961 außer Kraft gesetzt worden. Dadurch ist aber die Anwartschaft aus den davon erfaßten Beitragszeiten des Klägers nicht etwa in die deutsche Versicherungslast übernommen worden oder nach innerstaatlichem deutschem Recht zu beurteilen. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut, wohl aber aus dem Sinn und Zweck des Vertrages. Mit ihm sollte u. a. zwischen der BRD und der Republik Österreich eine endgültige, globale Bereinigung aller Ansprüche herbeigeführt werden, die sich nach Teil III des Zweiten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens aus den bis Kriegsende und darüber hinaus) zurückgelegten "fremden" Versicherungszeiten der beiderseitigen Staatsangehörigen und ihrer Zuordnung zu einem der beiden Sozialversicherungssysteme gegen einen der beiden Vertragsstaaten ergaben (vgl. Art. 24 des Vertrages und die Denkschrift der Bundesregierung zum Vertrag vom 27. November 1961 zum Teil III des Vertrages in der BT-Drucks. IV/392 S. 30). Dementsprechend verpflichtete sich die BRD zur Abgeltung der sich aus Teil III des Zweiten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens ergebenden Verpflichtungen, an die Republik Österreich für die von dieser übernommenen Lasten eine Pauschale zu zahlen (Art. 17 des Vertrages), während sich die Republik Österreich bereiterklärte, die von Teil III des Zweiten deutschösterreichischen Sozialversicherungsabkommens erfaßten Ansprüche, Anwartschaften und Personen unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dem innerstaatlichen österreichischen Sozialversicherungssystem einzugliedern. Bezüglich der deutschen Staatsangehörigen und der Volksdeutschen bestätigte sie dies ausdrücklich in der Note V zu dem Vertrage. Hinsichtlich der Personen, die wie der Kläger die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, ist zwar keine entsprechende Erklärung abgegeben worden. Es kann aber nicht angenommen werden, daß die BRD ihnen gegenüber weitergehende Pflichten haben sollte als gegenüber den deutschen Staatsangehörigen. Vielmehr dürfte davon ausgegangen worden sein, daß die Ansprüche dieser Personen, die sich gemäß Teil III des Zweiten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens ausschließlich gegen den österreichischen Versicherungsträger richten konnten, ein innerstaatliches österreichisches Problem seien, auf dessen Lösung in einem bestimmten Sinn die BRD im Rahmen des Finanz- und Ausgleichsvertrages keinen Einfluß nehmen wollte. Jedenfalls fehlt jeder Hinweis dafür, daß deutsche Versicherungsträger über das Erste deutschösterreichische Sozialversicherungsabkommen hinaus für weitere Versicherungszeiten einstehen sollten, deren Honorierung nach Teil III des Zweiten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens allein der österreichischen Sozialversicherung oblag.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Grund der außerhalb der BRD entrichteten Beiträge gegen die Beklagte auch nicht nach Art. 7 des Gesetzes zu dem Vertrage vom 27. November 1961 zu. Die Voraussetzungen dieser der Besitzstandswahrung dienenden Vorschrift liegen nicht vor: Weder hatte der Kläger vor Inkrafttreten des Finanz- und Ausgleichsvertrages einen Anspruch auf Leistungen gegen einen deutschen Versicherungsträger, der durch den Vertrag in die österreichische Versicherungslast gefallen ist, noch wurden ihm vor dem Zweiten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommen deutsche Versicherungsleistungen gewährt, die nach Teil III des Zweiten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens vom österreichischen Versicherungsträger übernommen worden sind. Danach kann der Rentenanspruch gegen die Beklagte nicht auf die außerhalb der BRD entrichteten Beiträge gestützt werden.
Weder die Sozialversicherungsabkommen noch das FAG noch § 27 AVG verstoßen in dieser Auslegung gegen die Vorschriften des Grundgesetzes. Es kann schon zweifelhaft sein, ob gegenüber einer Regelung, die auf Abmachungen der BRD mit einem anderen Staat und auf den hierzu ergangenen Zustimmungsgesetzen beruht, überhaupt eine Berufung auf die Grundrechte wirksam stattfinden kann. Aber selbst wenn man das bejaht, liegt ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 nicht vor. Die Ansprüche nach dem FAG waren, wie § 1 Abs. 1 ausdrücklich besagt, nur vorläufiger Art (bis zu einer anderen gesetzlichen Regelung) und standen von vornherein unter dem Vorbehalt zwischenstaatlicher Abkommen. Der Kläger hatte also insoweit keine eigentumsähnliche Rechtsposition, die verletzt sein könnte (vgl. BSG Urt. vom 25. Mai 1965 - 1 RA 251/62 -). Der Ausschluß einzelner Beitragszeiten von den Verbesserungen des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) und des FANG aber stellt - wie der Senat in der o. a. Entscheidung bereits ausgeführt hat - schon begrifflich keine Enteignung dar, weil dem Kläger nichts genommen wird, was er bisher besessen hat.
Auch der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG ist nicht verletzt. Zwar bedeutet die Verweisung des Klägers an den österreichischen Versicherungsträger möglicherweise eine Schlechterstellung gegenüber den Inländern und Ausländern, deren Ansprüche nach innerstaatlichem deutschen Recht oder nach günstigeren zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen zu beurteilen sind. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG läge darin aber nur, wenn sich für die unterschiedliche Behandlung kein vernünftiger, sachlich einleuchtender Grund finden ließe (BVerfG 1 S. 52). Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsort sind aber sachlich bedeutsame Umstände, an die bei der Frage, wie die Sozialversicherungssysteme zweier Staaten voneinander abzugrenzen seien, eine rechtliche Differenzierung anknüpfen kann. Das gilt um so mehr, wenn beim Abschluß des zwischenstaatlichen Abkommens nicht nur sozialversicherungsrechtliche, sondern in hohem Maße auch politische und wirtschaftliche Erwägungen bestimmend sind. So sind die deutsch-österreichischen Vereinbarungen weniger von den Unterschieden in den beiderseitigen Sozialversicherungssystemen beeinflußt als von dem Bestreben, die Folgen der vorübergehenden Eingliederung Österreichs in das Reich und der dadurch entstandenen Verflechtung der Sozialversicherungen zu beseitigen. Aus dieser besonderen Situation heraus wurden im Ersten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommen die bis 1. Mai 1945 entstandenen Anwartschaften und Ansprüche teilweise den deutschen und teilweise den österreichischen Sozialversicherungsträgern zugeordnet. Wenn danach die deutschen Versicherungsträger die in der deutschen Rentenversicherung zurückgelegten Beitragszeiten nur mit Einschränkung zu übernehmen hatten - nämlich soweit sie in gewisser Beziehung zur BRD standen - war diese Regelung für die betroffenen Versicherten günstiger als die des FAG, weil sie sich nicht auf Personen beschränkte, die sich ständig in der BRD aufhielten. Jedenfalls lag sie im Ermessen der Vertragschließenden und des Gesetzgebers. In gleichem Sinne bezweckte das Zweite deutsch-österreichische Sozialversicherungsabkommen eine Bereinigung der durch die Eingliederung entstandenen Folgen auf sozialversicherungsrechtlichem Gebiet und führte deshalb zur Herausnahme bestimmter Beitragszeiten aus der deutschen Sozialversicherung und ihrer Unterstellung unter die österreichische Sozialversicherung. Ob diese Lösung die allein sinnvolle war, kann dahingestellt bleiben, jedenfalls kann ihr eine sich aus der Sache ergebende Berechtigung nicht abgesprochen werden. Der Finanz- und Ausgleichsvertrag macht schließlich diese Entwicklung nicht rückgängig, sondern baute sie durch die vollständige Eingliederung der betroffenen Versicherungszeiten und Personen in das innerstaatliche österreichische Recht weiter aus. Die somit endgültige Herausnahme der betreffenden Beitragszeiten aus der deutschen Sozialversicherung gibt ihnen die Stellung ausländischer Beitragszeiten. Dies rechtfertigt aber, sie an Vergünstigungen der inländischen Gesetzgebung - wie sie § 27 AVG gegenüber den Vorschriften des FAG und des Art. 23 des Ersten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens darstellt - nicht teilnehmen zu lassen.
Der Kläger kann hiernach von der Beklagten keine Leistung auf Grund der außerhalb der BRD entrichteten Beiträge zur RfA beanspruchen.
Das angefochtene Urteil kann dennoch keinen Bestand haben, weil dem Kläger nämlich möglicherweise ein Leistungsanspruch gegen die Beklagte auf Grund der acht im Gebiete der BRD entrichteten Monatsbeiträge zusteht.
Diese Versicherungszeiten sind - darüber besteht auch zwischen den Beteiligten kein Streit - nach Art. 23 Ziff. 2 Buchst. a) des Ersten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens von der Beklagten zu übernehmen. Nach Art. 18 Abs. 2 des Abkommens besteht allerdings in der Regel kein Leistungsanspruch aus Beitragszeiten bis zu zwölf Monaten. Das gilt aber dann nicht, wenn nach innerstaatlichen Vorschriften die Wartezeit als erfüllt gilt. Es war daher zu prüfen, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Wartezeitfiktion des § 1263 a RVO aF in Verbindung mit § 31 AVG aF, § 4 Abs. 2 des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes (SVAG) erfüllt sind. Diese Prüfung hat das LSG unterlassen und damit die Vorschrift des Art. 18 Abs. 2 des Ersten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens unrichtig angewendet. Das muß zur Zurückverweisung des Rechtsstreits führen, weil dem Senat eine abschließende Beurteilung insoweit nicht möglich ist.
Nach § 1263 a RVO gilt die Wartezeit u. a. dann als erfüllt, wenn der Versicherte in Kriegszeiten während der Ableistung von Kriegsdiensten für das Deutsche Reich (§ 1263 a Abs. 1 Ziff. 2 RVO) oder infolge Feindeinwirkung (§ 1263 a Abs. 1 Ziff. 3 RVO) invalide/berufsunfähig geworden ist. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger im zweiten Weltkrieg Kriegsdienst geleistet und bezieht er eine Versorgungsrente wegen einer dabei erlittenen Verwundung. Es fehlen aber Feststellungen darüber, ob der Kläger damit gleichzeitig berufsunfähig wurde, ob also die Berufsunfähigkeit des Klägers in zeitlichem Zusammenhang mit dem Kriegsdienst oder in ursächlichem Zusammenhang mit Feindeinwirkungen eingetreten ist. Nach dem im angefochtenen Urteil in Bezug genommenen Akteninhalt ist dies nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Der Kläger hat nämlich nicht nur selbst behauptet, während des Kriegsdienstes seine künstlerischen Fähigkeiten verloren zu haben und berufsunfähig geworden zu sein (Bl. 24 der SG-Akte), vielmehr hat auch der untersuchende Arzt im HNO-fachärztlichen Rentengutachten - ohne exakt danach befragt worden zu sein- einen ursächlichen Zusammenhang der vorgefundenen Gesundheitsstörung mit dem Kriegsdienst "für möglich" gehalten.
Sollten die versicherungsmäßigen Voraussetzungen des § 1263 a RVO aF erfüllt sein - auch insoweit läßt der Sachverhalt eine abschließende Beurteilung nicht zu (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 11. Dezember 1956 - 1 RA 139/55 - BSG 4, 186; ferner BSG 9, 43 -) - wird das LSG daher - tunlichst unter Heranziehung der Versorgungsakten - zu klären haben, ob der Kläger während des Kriegsdienstes oder infolge Feindeinwirkung berufsunfähig geworden ist und damit die Voraussetzungen für die Wartezeitfiktion erfüllt. Dementsprechend ist der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.
Fundstellen