Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragszuschuß nach § 1304e RVO (§ 381 Abs 4 RVO aF), wenn die Rente nur aus nach Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG und § 10a WGSVG entrichteten Beiträgen gezahlt wird

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auf die Wartezeit iS des ArVNG Art 2 § 51a Abs 4 sind außer den unmittelbar nach Abs 2 dieser Vorschrift entrichteten Beiträgen auch alle weiteren Beiträge nicht anzurechnen, die nur auf der Grundlage dieser Beiträge entrichtet werden konnten; das gilt auch für Beiträge nach WGSVG § 10a.

2. Das SozSichAbk mit dem Staat Israel vom 17.12.1973 sieht eine Berücksichtigung israelischer Beitragszeiten bei der Anwendung des ArVNG Art 2 § 51a Abs 4 nicht vor.

 

Orientierungssatz

Wird eine Rente nur aufgrund von nach Art 2 § 51a ArVNG und nach § 10a WGSVG entrichteten Beiträgen gezahlt, so handelt es sich nicht um eine Rente iS des § 1304e RVO, so daß ein Beitragszuschuß nach dieser Vorschrift nicht gezahlt werden kann.

 

Normenkette

ArVNG Art 2 § 51a Abs 2 Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art 2 § 51a Abs 4 Fassung: 1977-06-27; RVO § 381 Abs 4 Fassung: 1970-12-21, § 1304e Fassung: 1977-06-27; SozSichAbk ISR Art 20 Fassung: 1973-12-17; SozSichAbk ISR Art 22 Fassung: 1973-12-17; WGSVG § 10a

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 24.02.1981; Aktenzeichen L 13 J 107/80)

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 30.05.1980; Aktenzeichen S 14 J 7/79)

 

Tatbestand

Die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) lehnte den Antrag des in Israel lebenden Klägers auf Beitragszuschuß zu seiner privaten Krankenversicherung in Anwendung des Art 2 § 51a Abs 4 Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG) ab, da die Rente des Klägers ausschließlich auf gem Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG nachentrichteten und weiteren auf der Grundlage vorgenannter Beiträge gem § 10a des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) nachentrichteten Beiträgen beruhe.

Die hiergegen erhobene Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts -SG- vom 30. Mai 1980; Urteil des Landessozialgerichts -LSG- vom 24. Februar 1981). Das LSG meint, der Anspruch des Klägers scheitere entgegen der Ansicht der Beklagten nicht an Art 2 § 51a Abs 4 ArVNG. Zwar fehle es an einer Halbbelegung iS des § 1259 Abs 3 Reichsversicherungsordnung (RVO); jedoch sei die maßgebliche Wartezeit auch ohne Anrechnung von Beiträgen nach Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG erfüllt. Der Kläger habe 149 Monatsbeiträge nach der eigenständigen Vorschrift des § 10a WGSVG entrichtet und dadurch unabhängig von den Nachentrichtungsbeiträgen gem Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG die Wartezeit erfüllt. Die in § 10a Abs 2 WGSVG geforderte Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten könne nicht nur durch gem Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG nachentrichtete Beiträge, sondern auch durch andere Beiträge erfüllt werden. Daß im konkreten Fall die Versicherungszeit durch nachentrichtete Beiträge erfüllt sei, nehme der Vorschrift nicht ihre Selbständigkeit. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger behaupteten 255 Pflichtbeiträge zur israelischen Nationalversicherung gem dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit vom 17. Dezember 1973 Berücksichtigung finden müßten.

Die Beklagte rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision eine Verletzung des Art 2 § 51a Abs 4 ArVNG. Sie beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts vom 24. Februar 1981

und das Urteil des Sozialgerichts vom 30. Mai 1980 aufzuheben

und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision der Beklagten waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Anspruch auf Beitragszuschuß hat für die Zeit bis zum 30. Juni 1977 gem § 381 Abs 4 RVO aF nur, wer die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt, und für die anschließende Zeit gem § 1304e RVO idF des 20. Rentenanpassungsgesetzes (20. RAG) vom 27. Juni 1977 (BGBl I S 1040), wer eine solche Rente bezieht, sofern auch die übrigen dort genannten Voraussetzungen gegeben sind. Einschränkend bestimmt jedoch Art 2 § 51a Abs 4 ArVNG (idF des Rentenreformgesetzes -RRG- vom 16. Oktober 1972, für die Zeit ab 1. Juli 1977 idF des 20. RAG; im folgenden: Abs 4, ohne Angabe des Gesetzes), daß Renten nicht als Renten iS der §§ 165, 381 Abs 4 bzw § 1304e RVO gelten, wenn "weder die Wartezeiten nach § 1246 Abs 3, 1247 Abs 3 und § 1248 Abs 7 Satz 2 der RVO ohne Anrechnung von Beiträgen nach Abs 2 (gemeint des Art 2 § 51a ArVNG, im folgenden ohne Angabe des Gesetzes) noch die Voraussetzungen des § 1259 Abs 3 der RVO erfüllt sind". Eine Rente mit derart nachentrichteten Beiträgen gilt mithin nur dann als Rente iS der Vorschriften über den Beitragszuschuß, wenn - 1. Alternative - die Wartezeit auch ohne die derart nachentrichteten Beiträge erfüllt ist, oder wenn - 2. Alternative - die Halbbelegung gegeben ist (BSG SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 1).

Das LSG hat die 1. Alternative zu Unrecht bejaht. Die nach Abs 4 maßgebende Wartezeit ist auch dann nicht erfüllt, wenn diese mit nur 60 Monaten angesetzt wird. Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob bei allen Rentenarten, insbesondere auch beim Altersruhegeld, wie es der Kläger bezieht, die sogenannte kleine Wartezeit von 60 Monaten maßgebend ist, wie das der 3. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) angenommen hat (SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 8), obgleich der Gesetzeswortlaut nicht auf eine einheitliche Wartezeit, sondern auf "die Wartezeiten" der dort genannten Rentenarten abhebt.

Der Senat vermochte der Ansicht des LSG nicht zuzustimmen, die nach dem WGSVG nachentrichteten Beiträge seien auf die Wartezeit des Ab 4 anrechenbar, obgleich diese Beiträge nur aufgrund der Nachentrichtung nach Abs 2 hätten entrichtet werden dürfen. Der Gesetzeswortlaut allein könnte allerdings auch in diesem Sinne verstanden werden. Die Formulierung "ohne Anrechnung der Beiträge nach Abs 2" besagt nichts darüber, ob nur diese Beiträge selbst oder auch andere durch diese Beiträge ermöglichte oder anrechenbare Versicherungszeiten unberücksichtigt zu bleiben haben. Nur die letztgenannte Auslegung wird jedoch Sinn und Zweck der Regelung gerecht. Der Regelungszusammenhang zeigt in Verbindung mit den Gesetzesmaterialien, daß die Nachentrichtung von Beiträgen nach Abs 2 eine Sondervergünstigung darstellt; durch solche Beiträge sollen daher keine Ansprüche auf Leistungen der Krankenversicherung der Rentner entstehen (BT-Drucks VI/2916 auf S 48).

Mit dieser Zielsetzung ist eine einschränkende Auslegung, daß nur die unmittelbar durch die Beiträge nach Abs 2 bewirkte Beitragszeit zu kürzen sei, nicht zu vereinbaren. Dementsprechend hat der 4. Senat des BSG entschieden, daß auch solche Ersatzzeiten nicht zu berücksichtigen sind, die nur gem Art 2 § 9a Abs 2 ArVNG aufgrund einer Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG anrechenbar geworden sind. Art 2 § 9a Abs 2 ArVNG macht deren Anrechnung schon dem Grunde nach ausdrücklich von einer solchen Nachentrichtung abhängig; darüber hinaus kann ferner der Umfang der Anrechnung (vgl den Wortlaut: höchstens bis zum Umfang der anrechenbaren Beitragszeiten) von dem Umfang der Nachentrichtung abhängen. Die Absicht des Gesetzes, durch Beiträge nach Abs 2 keinen Anspruch auf Beitragszuschuß entstehen zu lassen, ist aber nicht nur dann noch zu beachten, wenn die Anrechnung weiterer Versicherungszeiten im Gesetzeswortlaut ausdrücklich mit der Beitragsnachentrichtung nach Abs 2 verknüpft ist; sie ist vielmehr allgemein immer zu verwirklichen, wenn nur aufgrund einer solchen Beitragsnachentrichtung erst weitere Versicherungszeiten erworben sind und/oder angerechnet werden können. Dies gilt auch, wenn es sich um weitere Beitragszeiten handelt. Es würde dem Ziel des Abs 4 widersprechen, wenn die Beiträge nach Abs 2 insoweit mittelbar doch einen Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung der Rentner auslösen könnten. Darum kann es nicht wesentlich sein, ob es der Beitragsnachentrichtung nach Abs 2 schon zur Entstehung weiterer Versicherungszeiten oder erst zur "Anrechnung" weiterer Versicherungszeiten bedarf.

Demgegenüber erscheint der Einwand des LSG in dem heute ebenfalls entschiedenen Verfahren 11 RJz 4/81, nach dem Gesetzeswortlaut sei zwischen Entrichtung und Anrechnung der weiteren Beiträge zu unterscheiden, nicht durchgreifend. Der in Abs 4 gebrauchte Begriff "Anrechnung" bezieht sich dort auf die Beiträge nach Abs 2, nicht aber auf hierdurch ermöglichte weitere Beiträge. Da die Anrechnung beitragsloser Zeiten nach Art 2 § 9a Abs 2 ArVNG nur die "Nachentrichtung" (nicht Anrechnung) von Beiträgen nach Abs 2 voraussetzt, und nach Abs 4 nur von der Anrechnung dieser Beiträge abzusehen ist, hätte eine an dem Begriff "anrechnen" haftende Auslegung zur Folge, daß auch diese beitragslosen Zeiten zu berücksichtigen wären, ein Ergebnis, das zu Recht in der bereits angeführten Entscheidung des 4. Senats (SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 1), die auch das LSG zustimmend anführt, abgelehnt wird.

Von dieser in Abs 4 getroffenen Regelung kann auch für die nach Maßgabe des § 10a WGSVG nachentrichteten Beiträge keine Ausnahme zugelassen werden. Der Gedanke der Entschädigung kann eine Beziehung zur Sozialversicherung als Anknüpfungspunkt nicht ersetzen, wie gerade die in § 10a WGSVG für eine Nachentrichtung nach dieser Vorschrift dort geforderte Versicherungszeit von 60 Monaten zeigt. Wer diese Voraussetzung erst durch eine Nachentrichtung nach Abs 2 herstellt, weist keine engere Beziehung zur Sozialversicherung auf als derjenige, der seine Beiträge insgesamt nach Abs 2 entrichtet hat. Ohne Anrechnung der nach Abs 2 entrichteten Beiträge und der auf der Grundlage dieser Beiträge gem § 10a WGSVG entrichteten Beiträge ist die Wartezeit von 60 Kalendermonaten nicht erfüllt.

Da mit den festgestellten Beiträgen gem § 10a WGSVG, entrichtet für die Zeit vom 1. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945, und gem Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG, entrichtet für die Zeit vom 1. Januar 1969 bis zum 31. Dezember 1973, auch die Halbbelegung des § 1259 Abs 3 RVO nicht erfüllt ist, wie das LSG unangezweifelt ausgeführt hat, entfällt auch die 2. Alternative, so daß die Rente des Klägers nicht als Rente im Sinne der Vorschriften über den Beitragszuschuß gilt.

Schließlich rechtfertigen die zur israelischen Sozialversicherung entrichteten 255 Pflichtbeiträge für die Zeit vom 1. April 1954 bis zum 30. Juni 1975 keine andere Beurteilung. Auch unter Berücksichtigung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel vom 7. Dezember 1973 (BGBl II 1975, 246), das am 1. Mai 1975 in Kraft getreten ist (BGBl II 1975, 443) ist weder die 1. noch die 2. Alternative erfüllt.

Die eine Zusammenrechnung von Versicherungszeiten unter bestimmten Umständen vorsehenden Art 20 Abs 1 und 22 Nr 3 des Abkommens sind auf den Beitragszuschuß nicht anwendbar. "In bezug auf den Betrag, den der Träger der Rentenversicherung zum Krankenversicherungsbeitrag leistet", ist gem der Nr 5 Buchst d des Schlußprotokolls zum Abkommen nur der Art 4 des Abkommens entsprechend anzuwenden, was eine unmittelbare Anwendung der übrigen Bestimmungen des Abkommens ausschließt. Der Beitragszuschuß war bei Abschluß des Abkommens im Rahmen der Vorschriften über die Krankenversicherung in § 381 Abs 4 RVO geregelt. Diese Bestimmungen werden vom Abkommen gem dessen Art 2 Abs 1 Ziffer 1 Buchst a iVm Nr 5 Buchst a des Schlußprotokolls nur erfaßt, soweit sie sich auf den Versicherungsfall der Mutterschaft beziehen. Insoweit bestätigt also die im Schlußprotokoll Nr 5 Buchst b vorgesehene entsprechende Anwendung des Art 4, daß der Beitragszuschuß nicht zu den im Vertrag geregelten Ansprüchen gehört, auf die Art 4 uneingeschränkt unmittelbar anwendbar wäre.

Der Klageanspruch wäre aber auch dann nicht begründet, wenn man den Beitragszuschuß der heutigen Rechtslage entsprechend als Leistung der Rentenversicherung iS des Abkommens ansieht, so daß die Art 20 und 22 an sich anwendbar wären. Die in Art 20 Abs 1 des Abkommens vorgesehene Zusammenrechnung setzt voraus, daß nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten anrechnungsfähige Versicherungszeiten vorhanden sind. Daran fehlt es im vorliegenden Zusammenhang, da der Kläger nach deutschem Recht, wie ausgeführt, überhaupt keine auf die Wartezeit des Abs 4 anrechnungsfähige Versicherungszeiten zurückgelegt hat. Desgleichen wären die Voraussetzungen des Art 22 Nr 3 des Abkommens nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift stehen für die Anrechnung von Ausfallzeiten, die nicht pauschal gewährt werden, und für die Hinzurechnung einer Zurechnungszeit den nach den deutschen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden Pflichtbeiträgen die nach den israelischen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden Pflichtbeiträge gleich. Die Die damit für die Anwendung des § 1259 Abs 3 RVO angeordnete Gleichstellung gilt nur für die Anrechnung von Ausfallzeiten und für die Hinzurechnung einer Zurechnungszeit, nicht aber für andere Ansprüche, in deren Voraussetzungen auf § 1259 Abs 3 RVO Bezug genommen ist, und damit insbesondere nicht für den Anspruch auf Beitragszuschuß, soweit in Abs 4, 2. Alternative, auf § 1259 Abs 3 RVO verwiesen wird (so auch Baumeister/Schroeter in Gesamtkommentar RVO, Internationales Sozialversicherungsrecht, Israel/Abkommen Art 22 Anm 4).

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1656660

BSGE, 290

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