Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Februar 1996 und des Sozialgerichts Gießen vom 31. August 1994 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Kosten des Rechtsstreits sind in allen Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt Kindergeld (Kg) nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) für den Zeitraum von April bis Dezember 1993.
Der Kläger ist Bürgerkriegsflüchtling aus Bosnien-Herzegowina, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Er reiste im April 1992 mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er sich seither aufhält. Der für den Wohnsitz des Klägers zuständige Landkreis erteilte am 15. Mai 1992 erstmals eine Duldungsbestätigung, die zunächst bis zum 7. November 1992 befristet war und in der Folgezeit jeweils für sechs Monate verlängert wurde, zuletzt bis zum 30. September 1995. Für die Zeit vom 28. August 1995 bis zum 27. August 1996 erhielt der Kläger eine Aufenthaltsbefugnis. Der Verlängerung der Duldung lagen jeweils Verlängerungen ministerieller Erlasse des Landes Hessen zugrunde. Während des streitbefangenen Zeitraums standen sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisen, für die Arbeitserlaubnisse vorlagen. Das zuständige Finanzamt hat die Einkommensteuer für 1993 auf 5.594 DM festgesetzt.
Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Kg wurde von der Beklagten abgelehnt (Bescheid vom 8. August 1992), weil der Kläger nicht über den nach § 1 BKGG erforderlichen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG verfüge. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. November 1992). Das Sozialgericht hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit von April bis Dezember 1993 Kg zu gewähren (Urteil vom 31. August 1994). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 14. Februar 1996): Für die Feststellung, ob ein Ausländer, der sich ohne formelles Bleiberecht in Deutschland aufhalte, hier seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt habe, komme es auf die Prognose an, ob er auf unbestimmte Zeit in Deutschland bleiben werde. Die Dauerhaftigkeit sei schon dann gegeben, wenn sein Aufenthalt innerhalb eines überschaubaren Zeitraums so gesichert sei, daß er nicht mit einer ihm aufgezwungenen Änderung seiner aufenthaltsrechtlichen Situation rechnen müsse. Diese Voraussetzung sei beim Kläger gegeben. Die ihm erteilte Duldung stehe, anders als dies etwa bei Asylantragstellern der Fall sei, nicht unter einer auflösenden Bedingung. Außerdem habe die Ausländerbehörde mitgeteilt, daß innerhalb der Duldungszeiträume gegen den Kläger keine Abschiebemaßnahmen ergriffen würden. Zwar seien die den Duldungen zugrundeliegenden ministeriellen Erlasse jeweils befristet gewesen; in ihnen sei jedoch nicht vorgesehen gewesen, daß nach Ablauf der jeweils maßgebenden Sechsmonatsfrist aufenthaltsbeendende Maßnahmen ergriffen werden sollten. Ein unbestimmter Abschiebestopp liege nicht erst dann vor, wenn im Rahmen von § 54 Ausländergesetz (AuslG) gänzlich von einer Befristung abgesehen werde, sondern auch schon bei einer Befristung mit der Möglichkeit anschließender gleichlautender Abschiebestopps.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 1 Abs 1 Nr 1 und Abs 3 BKGG idF vom 9. Juli 1990. Mit § 1 Abs 3 BKGG habe der Gesetzgeber weitgehend auf die Rechtsprechung des BSG zum Wohnsitz bzw gewöhnlichen Aufenthalt Bezug genommen. Danach seien die territorialen Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 1 BKGG nur dann erfüllt, wenn nach dem Ausländerrecht davon auszugehen sei, daß der Ausländer nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer in Deutschland bleiben könne. Diese Voraussetzung liege bei dem Kläger nicht vor. Er verfüge nicht über eine Aufenthaltsgenehmigung und gehöre, entgegen der Auffassung des LSG, auch nicht zum Personenkreis des § 1 Abs 3 BKGG. Das Aufenthaltsrecht von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem früheren Jugoslawien sei zeitlich begrenzt auf die Dauer der dortigen Kriegshandlungen. Dies sei in dem seit dem 1. Juli 1993 geltenden § 32a AuslG ausdrücklich normiert. Auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Kg-Anspruch habe nicht davon ausgegangen werden können, daß der Kläger auf unbestimmte Zeit in Deutschland werde bleiben können. Die Aussetzung der Abschiebung von Bügerkriegsflüchtlingen sei jeweils nur zeitlich befristet verlängert worden. Hieraus könne nicht geschlossen werden, daß Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem früheren Jugoslawien ein Daueraufenthaltsrecht habe eingeräumt werden sollen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Februar 1996 und das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 31. August 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hatte keinen Anspruch auf Kg, da im streitigen Zeitraum für ihn weder eine Aufenthaltsgenehmigung noch ein Abschiebehindernis auf unbestimmte Zeit vorlag.
1. Der Anspruch des Klägers auf Kg in der Zeit vom 1. April 1993 bis 31. Dezember 1993 für seine beiden Kinder richtete sich nach § 1 BKGG idF der Bekanntmachung vom 30. Januar 1990 – BKGG 1990 – (BGBl I, 149), einschließlich der Anfügung von Abs 3 durch Art 9 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 – BKGG 1990 nF – (BGBl I, 1354).
Nach § 1 Abs 3 BKGG 1990 nF haben Ausländer, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Geltungsbereich des BKGG aufhalten, Anspruch auf Kg nur, wenn sie nach den §§ 51, 53 oder 54 AuslG auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können, frühestens jedoch für die Zeit nach einem gestatteten oder geduldeten ununterbrochenen Aufenthalt von einem Jahr. Der Kläger hielt sich nicht im April 1993 ununterbrochen seit einem Jahr in Deutschland auf; für ihn lag im streitigen Zeitraum aber weder eine Aufenthaltsgenehmigung noch ein Abschiebehindernis von unbestimmter Dauer vor. Das LSG hat festgestellt, daß der Kläger während des streitigen Zeitraums nicht im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis war und daß die maßgebenden ministeriellen Erlasse in Hessen nach § 54 Satz 1 AuslG jeweils nur auf sechs Monate befristet waren.
Der erkennende Senat hat bereits mit Urteil vom 10. Juli 1997 (14/10 RKg 1/95) entschieden, daß es unerheblich ist, daß in den genannten Erlassen keine endgültige Regelung über den Abschiebstopp nach Ablauf der Sechs-Monate-Frist enthalten war und offen- bleiben kann, ob – wovon das LSG ausgeht – im Hinblick auf das im streitigen Zeitraum nicht absehbare Ende des Bürgerkrieges im früheren Jugoslawien von vornherein jeweils mit einer Verlängerung der Abschiebestopps zu rechnen war. Wie das BSG bereits in ständiger Rechtsprechung zu früheren Gesetzeslagen betont hat, ist im Kindergeldverfahren für Ausländer das Ausländerrecht nicht eigenständig anzuwenden (vgl BSG vom 25. Juli 1995, 10 RKg 13/93, und vom 12. Februar 1992, 10 RKg 26/90, sowie BSGE 72, 8, 10 = SozR 3-5870 § 1 Nr 2 für das BKGG 1989; für die Rechtslage davor vgl ebenfalls die zuletzt genannte Entscheidung). Diese Rechtsprechung hat der Senat dahingehend fortgeführt, daß auch nach § 1 Abs 3 BKGG 1990 nF weder den Kindergeldbehörden noch den Sozialgerichten eine eigenständige Prüfung dahingehend oblag, ob für die Zukunft – aufgrund welcher Umstände auch immer – weiterhin damit zu rechnen war, daß ein Ausländer „auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden” konnte. Vielmehr beschränkte sich die insoweit anzustellende Prüfung aufgrund der geänderten Gesetzesfassung darauf, ob für den betreffenden Ausländer im Zeitpunkt der Kindergeldentscheidung ein konkretes ausländerrechtliches Abschiebeverbot auf unbestimmte Zeit galt (BSG vom 13. August 1996, 10 RKg 11/95 – nicht veröffentlicht –). Diese Voraussetzung war nicht erfüllt, wenn der Ausländer – wie hier – zwar in diesem konkreten Zeitpunkt einem Abschiebestopp für Ausländer bestimmter Herkunft unterfiel, dieser Abschiebestopp jedoch befristet war. Von einem Abschiebehindernis auf unbestimmte Zeit kann auch nicht deshalb ausgegangen werden, weil die dem Kläger jeweils befristet erteilten Duldungen – wie das LSG annimmt – „zukunftsoffen” und nicht auf eine Beendigung des Aufenthalts angelegt gewesen seien. Das vom 4. Senat des BSG im Urteil vom 30. September 1993 (4 RA 49/92 = SozR 3-6710 Art 1 Nr 1) herangezogene Kriterium der „Zukunftsoffenheit” ist im Hinblick auf das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland nur dann von Bedeutung, wenn der Betroffene sich materiell rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, sein Aufenthaltsrecht jedoch zeitlich befristet ist. Für diesen Fall verlangt der 4. Senat eine verbindliche Einzelfallentscheidung über das endgültige Ende des berechtigten Aufenthalts, damit das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland verneint werden kann. Der Kläger erfüllte diese Voraussetzung nicht, denn er besaß aufgrund der bloßen Duldung nie ein materielles Aufenthaltsrecht; nach § 56 Abs 1 AuslG blieb er ausreisepflichtig.
Diese Auslegung und Anwendung des § 1 Abs 3 BKGG 1990 nF widerspricht nicht den Regelungen des AuslG, auf welche die kindergeldrechtliche Bestimmung verweist. Dies könnte allenfalls angenommen werden, wenn ausländerrechtlich ein Abschiebeverbot auf unbestimmte Zeit von vornherein generell undenkbar wäre, der Gesetzgeber also nur befristete Meldungen der hier vorliegenden Art gemeint haben könnte, wenn die Regelung nicht leerlaufen sollte. Das ist jedoch nicht der Fall. Nach den §§ 51, 53 und 54 AuslG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl I, 1354) ist ein Abschiebeverbot auf unbestimmte Zeit durchaus möglich, und zwar nach § 51 AuslG für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge, nach § 53 AuslG für Abschiebungen in einen Staat unter konkreter Gefahr der Folter, der Todesstrafe oder eines Verstoßes gegen die Menschenrechtskonvention vom 4. November 1950 oder bei erheblicher konkreter Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit dieses Ausländers, schließlich nach § 54 AuslG aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland, bei Anordnung der obersten Landesbehörde für länger als sechs Monate im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Inneren; im letzten Fall nicht nur „in mehreren Schritten”, sondern ebenso schon „von vornherein” (vgl Kanein/Renner, Ausländerrecht, 6. Aufl 1993, § 54 AuslG RdNr 3).
Der oben vorgenommenen Auslegung und Anwendung von § 1 Abs 3 BKGG 1990 nF kann nicht die frühere „Prognose-Rechtsprechung” des 10. Senats zum „gewöhnlichen Aufenthalt” von Asylbewerbern entgegengehalten werden. Diese Rechtsprechung hatte für die Zeit vor Inkrafttreten des § 1 Abs 3 BKGG 1989 lediglich die Regelung des § 1 Abs 1 BKGG auf eine besondere Fallkonstellation angewendet und daher zu Recht eine Einzelfallprüfung verlangt, ob ein Asylbewerber nicht ausnahmsweise doch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat; der verlangte Aufenthalt mußte sich dabei im Wege der Prognose „nach dem Ausländerrecht und der Handhabung der einschlägigen Ermessensvorschriften durch die Behörden” ergeben (vgl für das BKGG 1989 die oben zitierte Rechtsprechung sowie für die Rechtslage davor BSGE 65, 84, 86 ff = SozR 1200 § 30 Nr 17; BSGE 63, 47, 49 = SozR 5870 § 1 Nr 14). Zwar ist richtig, daß der Gesetzgeber mit § 1 Abs 3 BKGG 1989 – auch wenn dies im Gesetzgebungsverfahren nicht ausdrücklich ausgesprochen wurde – noch im wesentlichen an diese Rechtsprechung des 10. Senats angeknüpft hatte (so auch Wickenhagen/Krebs, BKGG, Stand Mai 1995, § 1 BKGG, RdNr 129). Das ergibt sich aus der Gesetzestechnik der Konkretisierung der allgemeinen Norm des § 1 Abs 1 Nr 1 BKGG (für Ausländer „ohne Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis”), aus der Anspruchsgewährung „nur, wenn ihre Abschiebung auf unbestimmte Zeit unzulässig ist ≪1. Alternative≫ oder wenn sie aufgrund landesrechtlicher Verwaltungsvorschriften auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden ≪2. Alternative≫”), sowie aus dem Abstellen auf die „ausländerbehördliche Praxis” in den Materialien und der dort vorausgeschickten Bemerkung, der neue Abs 3 diene nur der „Klarstellung” (vgl Bericht der Abgeordneten Götte in BT-Drucks 11/4765, S 5). Die Vorschrift stellte mithin in der 1. Alternative immer noch auf sämtliche Abschiebungshindernisse ab und war so noch einer Auslegung im Sinne einer Einzelfallprüfung zugänglich. Allerdings hatte der Gesetzgeber mit der 2. Alternative bereits stärker als bisher dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität Rechnung getragen, dem gerade im Kindergeldrecht als Regelung einer Massenerscheinung besondere Bedeutung zukommt (BVerfGE 82, 60, 101 ff).
Bei der – hier im Streit stehenden – Neufassung des § 1 Abs 3 BKGG 1990 nF schien zwar die gesetzgeberische Begründung, daß lediglich „die erforderlichen redaktionellen Anpassungen … an das neue Ausländergesetz” geregelt werden sollten (BT-Drucks 11/6321, S 91), unverändert in die bisherige Richtung zu weisen. In Wahrheit nahm die Novellierung zur Verwirklichung „verstärkter Verwaltungspraktikabilität” (so schon BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 47) eine völlig neue Ausrichtung der Vorschrift vor, und zwar gleich in doppelter Hinsicht: Zum einen war „nach den §§ 51, 53 oder 54 des AuslG”) nicht mehr auf alle Umstände des individuellen Einzelfalles, sondern nur noch auf bestimmte, im AuslG enumerativ aufgezählte Fälle abzustellen (BSG aaO; BSG vom 13. August 1996, 10 RKg 11/95 – nicht veröffentlicht –); zum anderen konnte der veränderte Wortlaut „nach den §§ 51, 53 oder 54 des AuslG auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können”) nur noch so ausgelegt werden, daß die Anordnungen der obersten Landesbehörde nach § 54 Satz 1 AuslG sich bereits selbst – also generell – Geltung für unbestimmte Zeit beimessen müssen. Damit ist die frühere Prognoserechtsprechung des 10. Senats jedenfalls hinsichtlich derartiger Abschiebehindernisse nach § 54 AuslG nicht mehr anwendbar.
Auf der geschilderten Grundlage hat der Kläger im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen des § 1 Abs 3 BKGG 1991 nF nicht erfüllt. Auch das LSG geht davon aus, daß die oben genannten Erlasse jeweils kein Abschiebeverbot für unbestimmte Zeit anordneten, sondern lediglich einen befristeten – wenn auch jeweils verlängerten – Abschiebestopp; dies ermöglichte, einer wechselnden Lage in den jeweiligen Herkunftsländern der von dem Abschiebestopp erfaßten Ausländer Rechnung zu tragen (s hierzu auch Renner ZAR 1995, 13, 17; zur Bedeutung von Anordnungen nach § 54 AuslG allgemein Göbel-Zimmermann ZAR 1995, 23, 27). Hinzu kam, daß nach § 54 AuslG die Anordnung eines Abschiebestopps im Ermessen der obersten Landesbehörde stand „kann”) und außerdem für jegliche Erstreckung über sechs Monate hinaus – also auch für eine bloße Verlängerung – des Einvernehmens des Bundesministeriums des Innern bedurfte (§ 54 Satz 2 AuslG). Den entsprechenden Ermessensentscheidungen jener Behörde und der Herbeiführung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern konnten Kindergeldbehörden und Sozialgerichte nicht im Wege einer Prognose vorgreifen. Dann kann im Kindergeldverfahren aber nicht mehr entgegen der sechsmonatigen Befristung der Erlasse angenommen werden, der Kläger könne auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden, weil die Befristung, so das LSG, die Möglichkeit offenlasse, daß sich angesichts der politischen Verhältnisse im Herkunftsland möglicherweise gleichlautende Abschiebestopps an die erstmalige Regelung anschließen können, was angesichts des seinerzeitigen Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien nahegelegen habe. Aus der tatsächlichen Verlängerung der Abschiebestopps kann rückwirkend nichts gefolgert werden.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, in Ansehung des Kg wie ein Deutscher behandelt zu werden. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus der Regelung des § 42 BKGG. Danach haben Angehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften (EG), Flüchtlinge und Staatenlose nach Maßgabe des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen die gleichen Rechte wie Deutsche. Das innerstaatliche Recht verweist damit auf das europäische Gemeinschaftsrecht (EG-Recht). Der Kläger kann sich für die begehrte Gleichstellung mit Deutschen und anderen EG-Bürgern nicht auf das EG-Recht stützen. Nach Art 3 Abs 1 der Verordnung (EWG) 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (EWGV 1408/71), stehen in einem Mitgliedstaat der EG wohnende Flüchtlinge iS der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FlüAbk) vom 28. Juli 1951 (BGBl II 1953 S 560) sowie deren Familienangehörige und Hinterbliebene (Art 1 Buchst d und Art 2 Abs 1 EWGV 1408/71), soweit die Flüchtlinge Arbeitnehmer oder Selbständige sind, den Staatsangehörigen des Wohnstaates hinsichtlich des Anspruchs auf Familienleistungen (Art 4 Abs 1 Buchst h EWGV 1408/71) zwar grundsätzlich gleich. Voraussetzung ist jedoch die formelle Anerkennung als Flüchtling durch unanfechtbare behördliche oder gerichtliche Entscheidung (vgl hierzu § 3 des Asylverfahrensgesetzes ≪AsylVfG≫). An dieser formellen Anerkennung fehlt es. Daher kann die Frage offenbleiben, ob die Gleichstellungsregelung des Art 3 Abs 1 EWGV 1408/71 nicht nur dann gilt, wenn ein Flüchtling nach seiner Anerkennung aus einem EG-Mitgliedstaat in einen anderen wechselt, sondern auch schon dann, wenn er – wie hier – aus einem nicht zur EG gehörenden Staat in einen EG-Mitgliedstaat einreist und dort als Flüchtling anerkannt wird, er also von der Freizügigkeitsregelung innerhalb der EG gar keinen Gebrauch gemacht hat und deshalb kein EG-interner grenzüberschreitender Sachverhalt gegeben ist (verneinend BSG SozR 3-5870 § 1 Nr 12).
Mangels formeller Anerkennung als Flüchtling scheidet auch eine Gleichstellung des Klägers mit Deutschen nach Art 24 FlüAbk von vornherein aus. Diese Vorschrift sieht eine grundsätzliche Gleichstellung anerkannter Flüchtlinge bei Lohnzahlungen einschließlich Familienleistungen (Buchst a) sowie in Angelegenheiten der Sozialen Sicherheit (Buchst b), zu der auch der Familienunterhalt gehört, vor. Die Ansprüche nach dem FlüAbk stehen ferner den „Kontingentflüchtlingen” nach Art 1 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge vom 22. Juli 1980 (BGBl I S 1057) idF durch Art 5 Nr 1 Buchst a des Gesetzes vom 9. Juli 1990 (BGBl I S 1354) zu. Den Feststellungen des LSG ist jedoch kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß der Kläger (oder seine Ehefrau) im fraglichen Zeitraum zum Personenkreis der Kontingentflüchtlinge gehört oder dies auch nur geltend gemacht hätte. Die Frage, inwieweit das FlüAbk die Anknüpfung des Kg-Anspruchs an den Besitz bestimmter Aufenthaltstitel untersagt (für das Kg nach der bis Ende 1995 geltenden Rechtslage ein solches Verbot verneinend BSG SozR 3-5870 § 1 Nr 2; für das Erziehungsgeld ein solches Verbot ebenfalls verneinend BSG SozR 3-7833 § 1 Nrn 7 und 16), und ob die dem Runderlaß (RdErl) der Beklagten vom 20. Dezember 1993 (Dienstbl RdErl 125/93) zu § 1 Abs 3 BKGG zugrundeliegende Ansicht der Beklagten zutrifft, das FlüAbk stelle anerkannte Flüchtlinge Deutschen in Ansehung des Kg gleich, kann daher offenbleiben.
2. Im vorliegenden Zusammenhang ist nicht zu prüfen, ob durch die Veranlagung des Klägers und seiner Ehefrau zur Einkommensteuer im Jahre 1993 in Höhe von 5.594 DM der verfassungsrechtliche Grundsatz verletzt ist, daß das Existenzminimum einer Familie lohn- und einkommensteuerrechtlich verschont bleiben muß (BVerfGE 82, 60, 85 ff). Denn vorliegend geht es nicht um einen Steuerbescheid, bei dem die Verfassungswidrigkeit von steuerrechtlichen Eingriffsnormen oder unzureichenden steuerrechtlichen Freibetragsregelungen zu prüfen ist.
Auch die vom Bundesverfassungsgericht (≪BVerfG≫ aaO S 83 ff) entwickelten Grundsätze für sich aus dem Zusammenwirken mehrerer Einzelregelungen ergebende verfassungswidrige Rechtslagen greifen hier nicht ein. Danach kann, wenn sich der verfassungsrechtliche Mangel durch eine gesetzliche Nachbesserung bei der einen o d e r der anderen Einzelregelung beheben ließe, grundsätzlich jede dieser Normen zur Prüfung gestellt werden. Indessen ist eine Norm in diesem Zusammenhang nicht schon dann verfassungswidrig, wenn sie von ihrem Regelungsgegenstand her dazu dienen kann, dem Gesetzgeber durch ihre Änderung die Behebung eines – auch oder sogar in erster Linie durch eine andere Norm geschaffenen – verfassungswidrigen Zustands zu ermöglichen. Hinzu kommen muß vielmehr, daß die Norm objektiv erkennbar dem Regelungsziel (dem „gesetzgeberischen Programm”) dient, das in verfassungswidriger Weise verfehlt worden ist (BVerfG aaO, S 85). Dem Ziel, der Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit durch Unterhalt von Kindern Rechnung zu tragen, sollten im bis Ende 1995 geltenden dualen System nicht nur die steuerrechtlichen Freibeträge, sondern auch die Kindergeldregelungen dienen, weshalb von der Verfassungswidrigkeit der Gesamtlage auch die letztgenannten Regelungen erfaßt waren.
Dies gilt aber nicht für Ausländer ohne dauerhaftes Aufenthaltsrecht. Durch die zu Lasten des Klägers angewendete Norm des § 1 Abs 3 BKGG 1990 nF werden solche Ausländer gerade von vornherein aus diesem gesetzgeberischen Programm ausgeklammert. Die Zahlung von Kg als Sozialleistung kommt hier auch dann nicht in Betracht, wenn steuerrechtlich das notwendige Existenzminimum nicht gewahrt ist. Eine etwaige Verfassungswidrigkeit der Besteuerung ist allein anhand der einschlägigen Steuervorschriften zu prüfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Fundstellen