Leitsatz (amtlich)

Die Familienausgleichskassen sind mit dem Inkrafttreten des Kindergeldgesetzes (KGG § 40) als selbständige Körperschaften des öffentlichen Rechts errichtet worden (KGG § 15). Von da ab waren sie gehalten, die ihnen übertragenen Aufgaben, zu denen die Aufbringung der Mittel für den Familienlastenausgleich (KGG § 11) gehört, wahrzunehmen und diesbezüglich Verwaltungsakte zu erlassen.

 

Normenkette

KGG §§ 11, 40 Fassung: 1954-11-13, § 15 Fassung: 1954-11-13, § 10; SGG § 166 Abs. 2

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 25. Juni 1959 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I. Von dem Kläger, einem Kraftdroschkenhalter in B, forderte die beklagte Familienausgleichskasse (FAK) mit formblattmäßiger Beitragsberechnung vom 21. Juni 1956 auf Grund des Kindergeldgesetzes (KGG) Zahlung von 106,40 DM. Hierbei handelte es sich um den Restbetrag aus dem Unternehmerkopfbeitrag für das Jahr 1955 und um den Beitragsvorschuß für das Jahr 1956 in Gesamthöhe von 182,- DM, worauf der Kläger bereits Teilzahlungen von zusammen 75,60 DM geleistet hatte.

Mit der Klage begehrte der Kläger, die Beitragsanforderung vom 21. Juni 1956 aufzuheben. Diese sei unwirksam, weil im Zeitpunkt ihres Erlasses die Beklagte noch keine rechtsgültige Satzung besessen habe. Erst am 11. Januar 1957 sei diese genehmigt worden, habe hierdurch jedoch keine rückwirkende Geltung erlangt. Außerdem fehle es an der für das Inkrafttreten einer Satzung notwendigen Veröffentlichung.

Mit Urteil vom 26. September 1958 wies das Sozialgericht (SG) die Klage ab. Es hielt den angefochtenen Bescheid für rechtens, da sich die Beitragspflicht zur FAK und deren Einzugsbefugnis unmittelbar aus dem KGG selbst ergebe. Die Berufung des Klägers hiergegen wurde durch Urteil des Landessozialgerichts (LSG) vom 25. Juni 1959 zurückgewiesen. Es sah ebenfalls die Beitragsberechnung vom 21. Juni 1956 als rechtmäßig an. Damals sei die beklagte FAK bereits existent gewesen, da sich ihre Konstituierung unmittelbar aus § 15 KGG herleite. Ferner sei deren Satzung schon durch die Vertreterversammlung vom 6. April 1955 und vom 22. März 1956 beschlossen worden und damit anwendbar gewesen. Bei der Festlegung der Satzung sei der Berufsstand des Klägers den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend beteiligt gewesen, da gemäß § 17 KGG die Organe der Berufsgenossenschaft, der der Kläger angehört, gleichzeitig die Organe der Selbstverwaltung der bei ihr errichteten FAK seien. Zwar sei die Satzung erst nach Erlaß des angefochtenen Bescheides, nämlich am 11. Januar 1957 genehmigt worden. Die Genehmigung habe sich indessen auch auf § 31 der Satzung erstreckt, der bestimmte, daß sie am 1. Januar 1955 in Kraft trete. Wenn in der Rechtsprechung gelegentlich die Rückwirkung der Genehmigung einer Satzung verneint worden sei, so habe dies seinen Grund darin gehabt, daß dann darin ein Tatbestand der Abgabepflicht enthalten gewesen sei, der vor Erlaß jener Satzung noch nicht bekannt war. Hier sei jedoch die Grundlage für die Beitragspflicht zur FAK bereits durch das ordnungsgemäß bekanntgemachte KGG geschaffen worden. Die Satzung habe demgegenüber allenfalls die Bedeutung einer Ausführungsvorschrift, so daß gegen die Rückwirkung ihrer Genehmigung Bedenken nicht bestünden. Der Mangel einer förmlichen Bekanntmachung der Satzung stehe der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ebensowenig entgegen. Weder im KGG noch in der Reichsversicherungsordnung (RVO) sei eine solche Bekanntmachung vorgeschrieben. Die verbindliche Kraft der genehmigten Satzung ergebe sich wie bei den Berufsgenossenschaften unmittelbar aus dem Gesetz.

Revision wurde zugelassen.

II. Gegen das am 10. Juli 1959 zugestellte Urteil legte der Kläger am 10. August Revision ein und begründete diese am 7. September 1959. Er wurde dabei durch den Verbandssyndikus des Bundesfachverbandes der Taxi-Vereinigungen Deutschlands e. V. (BTV) Dr. Ackermann als Prozeßbevollmächtigten vertreten, dem der Kläger bereits unter dem 13. Januar 1958 im Berufungsverfahren Vollmacht zu seiner Prozeßvertretung erteilt hatte. Diese Vollmacht erstreckt sich ihrem Wortlaut nach auch auf die Einlegung von Rechtsmitteln.

Der Kläger ist der Auffassung, daß das KGG nur eine formelle Ermächtigung darstelle, im Wege der Verbandsautonomie durch Satzung abgabepflichtige Tatbestände in bezug auf Kindergeldbeiträge zu schaffen. Die Berechtigung zur Erhebung dieser Beiträge erwachse jedoch nicht unmittelbar aus dem KGG. Das ergebe die in § 29 KGG enthaltene Bezugnahme auf die Vorschriften der RVO, denen zufolge die FAKen als selbständige Körperschaften des öffentlichen Rechts zu errichten seien. Erst nach ihrer vorschriftsmäßigen Konstituierung bestehe Satzungsgewalt und damit die Möglichkeit, Beitragsverpflichtungen aufzuerlegen. Hierzu wiederum bedürfe es der vorherigen Genehmigung und Verkündung der Satzung. Keinesfalls stelle die Satzung der FAK nur eine "Ausführungsbestimmung" des KGG dar.

Der Kläger beantragte,

das Urteil des LSG aufzuheben.

Die Beklagte beantragte,

die Revision als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Revision für unzulässig, weil der Kläger nicht dem Gesetz entsprechend vertreten sei. Der BTV sei keine Vereinigung von Arbeitgebern im Sinne von § 166 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da hierfür Tariffähigkeit notwendig sei. Diese besitze der BTV jedoch nicht, wie sich aus seinen Satzungsbestimmungen ergebe. Es handele sich nicht um eine Vereinigung von typischen Arbeitgebern, sondern vielmehr um einen rein wirtschaftlichen Zusammenschluß, einen sogenannten Unternehmensverband. Selbst wenn man aber die Vertretungsberechtigung des BTV anerkennen wolle, sei die Revision deswegen unzulässig, weil der Verbandssyndikus Dr. Ackermann nicht ordnungsgemäß bevollmächtigt sei. Die im Revisionsverfahren vorgelegte Vollmacht trage kein Datum und sei nicht von allen laut Eintragung in das Vereinsregister für den BTV vertretungsberechtigten Personen unterzeichnet.

In sachlicher Hinsicht bezieht sich die Beklagte im wesentlichen auf die Gründe des angefochtenen Urteils. Schon aus dem Umstand, daß gemäß § 40 KGG die Kindergeldansprüche der Berechtigten am 1. Januar 1955 entstanden seien, ergebe sich, daß von diesem Zeitpunkt ab auch die Beitragspflicht existent geworden sei.

Mit Schreiben vom 12. Oktober 1962 an das Bundessozialgericht (BSG) hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers Dr. Ackermann dessen Vertretung niedergelegt. Der Kläger hat einen neuen Prozeßbevollmächtigten nicht bestellt.

III. Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist zulässig. Die seitens der Beklagten gegen die Zulässigkeit der Prozeßvertretung des Klägers im Revisionsverfahren vorgetragenen Bedenken greifen nicht durch. Nach § 166 Abs. 1 SGG müssen sich die Beteiligten, soweit es sich nicht um Behörden oder öffentlich-rechtliche Rechtsträger handelt, vor dem BSG durch Prozeßbevollmächtigte vertreten lassen. Nach § 166 Abs. 2 SGG sind als Prozeßbevollmächtigte ua die Angestellten von Vereinigungen von Arbeitgebern zugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozeßvertretung befugt sind. Der BTV ist als eine Vereinigung von Arbeitgebern anzusehen; denn seine Mitglieder sind Taxameter- und Kraftdroschkenvereinigungen sowie einzelne Taxameterbesitzer (vgl. § 5 der Verbandssatzung). Als Bevollmächtigte vor dem BSG sind aber auch Angestellte eines Zusammenschlusses von Arbeitgebervereinigungen zugelassen (vgl. BSG 6, 47). Die Entscheidung darüber, ob der BTV tariffähig im Sinne von § 2 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) ist, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen; die Tariffähigkeit ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht Voraussetzung für das Vorliegen einer Arbeitgebervereinigung im Sinne von § 166 Abs. 2 SGG. Das BSG hat dies bisher ausdrücklich zwar nur für Arbeitnehmervereinigungen entschieden (vgl. BSG 12, 283; MdR 1960, 877; Breith. 1961, 286). Dasselbe muß jedoch auch für Arbeitgebervereinigungen gelten (vgl. BSG in SozR SGG § 166 Bl. Da 10 Nr. 25). Eine eigene Definition des Begriffs "Vereinigung von Arbeitgebern" enthält § 166 SGG nicht. Derselbe Begriff ist auch in anderen Vorschriften enthalten, zB in § 14 SGG, § 4 Abs. 1 des Selbstverwaltungsgesetzes, § 2 Abs. 1 TVG. Abgesehen von der Tariffähigkeit, die - wie dargelegt - für eine Vereinigung im Sinne von § 166 Abs. 2 SGG nicht zu fordern ist, wird man jedoch folgende Merkmale verlangen müssen:

1. Organisationsreinheit, d. h. der Zusammenschluß darf nur Arbeitgeber in sich vereinigen (wie umgekehrt die Arbeitnehmervereinigung nur aus Arbeitnehmern bestehen darf);

2. Unabhängigkeit oder Selbständigkeit, d. h. die Vereinigung muß die Interessen ihrer Mitglieder unabhängig und selbständig von Einflüssen der Gegenseite wahrnehmen können;

3. Überbetrieblichkeit

(vgl. zu 1 bis 3 Hueck/Nipperdey, Komm. z. TVG, § 2 Anm. III Nrn. 4, 5 und 7).

Der BTV erfüllt diese Voraussetzungen sämtlich; selbst wenn man für ihn ebenfalls die für Arbeitnehmervereinigungen durch § 166 Abs. 2 SGG geforderte sozial- oder berufspolitische Zwecksetzung verlangen wollte, ist er als Vereinigung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Aus §§ 3 und 4 der Satzung des BTV ergibt sich nämlich, daß er sich zumindest die Wahrung berufspolitischer Aufgaben im Interesse seiner Mitglieder zum Ziel gesetzt hat. Infolgedessen konnte sich der Kläger durch den Verbandssyndikus Dr. Ackermann, einen Angestellten des BTV, im Revisionsverfahren wirksam vertreten lassen. Die auf Dr. A als Verbandssyndikus des BTV ausgestellte schriftliche Vollmacht des Klägers vom 13. Januar 1958 bietet hierfür die erforderliche Legitimation im Sinne von § 73 SGG, da sie die Ermächtigung zur Einlegung von Rechtsmitteln ausdrücklich enthält. Auf die dem Revisionsgericht später zusätzlich übergebene Vollmacht ohne Datum kommt es daher nicht an. Im übrigen ist der Verbandssyndikus gemäß § 6 Abs. 2 i. V. m. § 4 der Satzung des BTV zur Prozeßvertretung der Mitglieder befugt. Der Zulässigkeit der Revision steht ferner nicht entgegen, daß der bisherige Prozeßbevollmächtigte des Klägers nach Einlegung und Begründung der Revision die Vertretung niedergelegt hat. Dem Vertretungszwang des § 166 Abs. 1 SGG ist dadurch Genüge getan, daß die Revision durch einen Prozeßbevollmächtigten eingelegt und begründet worden ist. Der Revisionskläger braucht in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten zu sein; auch im Falle seines Ausbleibens kann verhandelt und entschieden werden. Die Niederlegung der Vertretung durch Dr. A hat somit auf die Zulässigkeit der Revision keinen Einfluß (vgl. BSG in SozR SGG § 166 Bl. Da 9 Nr. 22).

IV. Sachlich ist die Revision jedoch nicht begründet. Entgegen der Auffassung des Klägers war die Beklagte bereits im Jahre 1956 berechtigt, Beiträge zur Durchführung der ihr durch das KGG auferlegten Aufgaben zu erheben. Sie hat als selbständige Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 15 Abs. 2 KGG) im Zeitpunkt des Inkrafttretens der insoweit maßgeblichen Vorschriften des KGG, d. h. am 16. November 1954 (§ 40 KGG), ihre rechtliche Existenz erlangt. Es ist das besondere Merkmal der juristischen Person des öffentlichen Rechts, daß sie als selbständiger Träger öffentlicher Aufgaben nur durch einen hoheitlichen Akt ins Leben gerufen werden kann, also entweder durch Gesetz oder durch einen besonderen Verleihungsakt des hierzu ermächtigten und zuständigen Staatsorgans (vgl. Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. Aufl., 1. Bd. S. 620 mit weiteren Nachweisen; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 7. Aufl., S. 431 ff). Den für die Errichtung der FAKen maßgeblichen Hoheitsakt stellt das KGG, speziell die Vorschrift des § 15 Abs. 1, dar: "Als Träger der Kindergeldzahlung wird bei jeder Berufsgenossenschaft eine Famlienausgleichskasse errichtet". Der Wortlaut "wird errichtet" bezieht sich dabei - worauf der Kläger offenbar abstellen will - nicht auf einen noch hinzutretenden selbständigen Errichtungsvorgang seitens der Beteiligten, sondern ist offensichtlich in Hinblick auf den bei der Verkündung des KGG noch in der Zukunft liegenden Zeitpunkt seines Inkrafttretens sprachlich zutreffend gewählt worden. Zudem kommt der Wille des Gesetzgebers, die Existenz der FAKen ex lege zu begründen, auch in den Motiven des KGG hinreichend zum Ausdruck (vgl. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik in BT-Drucks. 708, II. Wahlperiode, 1953, 6). Für die Errichtung der FAKen , also auch der Beklagten, bedurfte es somit keiner weiteren Maßnahmen, insbesondere nicht des Erlasses und des Inkrafttretens von Satzungen. Sie sind als selbständige Körperschaften des öffentlichen Rechts zugleich mit dem Inkrafttreten des § 15 KGG am 16. November 1954 (§ 40 KGG) ins Leben getreten (vgl. Lauterbach/Wickenhagen, Die Kindergeldgesetzgebung 1958 Anm. 5 zu § 15; Witting/Meier, Kindergeld-Handbuch 1961 Anm. 4 zu § 15). Hatte die Beklagte aber bereits am 16. November 1954 Rechtsbestand erlangt, so war sie auch berechtigt und verpflichtet, in eigener Zuständigkeit die ihr übertragenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben wahrzunehmen, d. h. insbesondere rechtlich wirksame Verwaltungsakte zu erlassen.

Der Kläger beruft sich demgegenüber zu Unrecht auf das Nichtbestehen seiner Beitragspflicht, weil die Satzung der Beklagten im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Beitragsberechnung noch nicht Geltung erlangt habe. Seine Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen ergibt sich jedoch ebenfalls unmittelbar aus dem Gesetz. Im § 10 Abs. 1 KGG ist der Personenkreis bestimmt, der Beiträge zu leisten hat; der Kläger gehört unstreitig hierzu. Diese Vorschrift ist am 1. Januar 1955 in Kraft getreten (§ 40 KGG). Damit war der Kläger seit diesem Zeitpunkt dem Anspruch der Beklagten auf Beitragszahlung kraft Gesetzes unterworfen, und diese war gehalten, ihn für die Aufbringung der Mittel (Bedarf an Kindergeld) heranzuziehen (§ 11 Abs. 1 KGG). Weder bedurfte es im Hinblick auf die Beitragspflicht einer zusätzlichen Satzungsbestimmung noch durfte die Beklagte in dieser Richtung eigenes Recht setzen. Soweit ihr überhaupt Autonomie eingeräumt ist, beschränkt sich diese neben der Gestaltung ihrer Organisation innerhalb des hierfür gesetzlich vorgeschriebenen Rahmens und neben den Maßnahmen, die zur Errechnung des erforderlichen Bedarfs, der Feststellung der notwendigen Umlage, der Art ihrer Erhebung und dergleichen erforderlich sind, gegebenenfalls auf Bestimmungen über die Befreiung von der Beitragspflicht (§ 10 Abs. 2 KGG). Die FAK ist also nicht ermächtigt, neue (selbständige) Abgabetatbestände im Wege eigener Rechtsetzung zu schaffen, sondern sie ist darauf verwiesen, die Realisierung der kraft Gesetzes bestehenden Abgabetatbestände verwaltungsmäßig (organisatorisch) zu ermöglichen. Infolgedessen kommt es für die Beitragspflicht des Klägers nicht darauf an, ob die Satzung der Beklagten im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsakts bereits Rechtswirksamkeit erlangt hatte oder nicht.

V. Falls der Kläger sich indessen darauf berufen will, daß die angefochtene Beitragsberechnung schließlich auf Satzungsbestimmungen gestützt wurde und daß dies infolge der Unwirksamkeit jener Satzung doch zur Rechtswidrigkeit des Bescheides führen müsse, kann er hiermit nicht gehört werden. Zutreffend hat das LSG nämlich festgestellt, daß die Satzung der Beklagten infolge der erforderlichen nachträglichen Genehmigung (§ 29 KGG, § 681 RVO) rückwirkend ab 1. Januar 1955 in Kraft getreten ist. Die Genehmigung durch den Bundesminister für Arbeit vom 11. Januar 1957 (III b 5429/56) als damaliger Aufsichtsbehörde erstreckte sich auch auf den diese Rechtsfolge anordnenden § 31 der Satzung. Es ergeben sich insbesondere keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das rückwirkende Inkrafttreten der Satzung. In Lehre und Rechtsprechung ist anerkannt, daß von dem grundsätzlichen Verfassungsverbot der Rückwirkung von Rechtssätzen dann abgewichen werden darf und die Rückwirkung ua jedenfalls dann zugelassen ist, wenn der Staatsbürger mit den Regelungen, die die betreffende Norm für eine vergangene Zeit trifft, bereits damals rechnen konnte und sie bei verständiger Vorschau im privaten und beruflichen Bereich berücksichtigen mußte. In diesen Fällen steht der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und des Vertrauensschutzes der Rückwirkung auch einer belastenden Vorschrift nicht entgegen, weil hier die Berufung auf diese Prinzipien sachlich nicht gerechtfertigt ist (vgl. BVerfG 1, 264, 280; 2, 237, 264; 8, 274, 304; BSG 3, 77, 82; 9, 127, 130; BVerwG 5, 99 ff). Der Kläger mußte seit Inkrafttreten der Vorschriften über die Beitragspflicht nach dem KGG am 1. Januar 1955 (§ 40 KGG) wissen, daß ihm Leistungen nach diesem Gesetz auferlegt sind. Ihm waren sogar die Maßstäbe erkennbar, nach denen sich die Höhe seiner Beitragslast bestimmte, nämlich nach dem Bedarf für die Kindergeldzahlungen (§ 11 Abs. 1 KGG), dem Aufwand für die Rücklagebildung (§ 12 KGG), den vom Gesamtverband der FAKen erhobenen Zuschuß (§ 14 KGG) und den Verwaltungskosten (§ 13 KGG). Selbst wenn er hieraus den auf ihn entfallenden Beitragssatz rechnerisch im einzelnen nicht feststellen konnte, so mußte er doch mit einer jährlichen Beitragssumme etwa in der Größenordnung des dann tatsächlich verlangten Beitrages rechnen. Diese Umstände würden es nach den vorstehend angeführten Grundsätzen zulassen, eine gesetzliche Regelung zur genauen Bestimmung der Beitragshöhe mit rückwirkender Kraft auszustatten. Umsomehr muß dies nach Auffassung des Senats dann aber für Satzungsbestimmungen gelten, welche die bereits vorhandenen gesetzlichen Tatbestände ausgestalten und realisierbar machen. Infolgedessen kann der Kläger mit seinen Bedenken gegen das rückwirkende Inkrafttreten der Satzung der Beklagten nicht durchdringen. Die Satzung der Beklagten hatte vielmehr vom 1. Januar 1955 an Gültigkeit erlangt. Das vom LSG festgestellte Fehlen der Genehmigungsverfügung in der Satzung selbst macht diese, falls die Aufnahme jener Verfügung überhaupt erforderlich ist, jedenfalls nicht rechtswidrig. Allenfalls konnte es sich insoweit um einen unschädlichen Verstoß gegen Ordnungsvorschriften handeln. Schließlich ist auch hinsichtlich der vom Kläger erhobenen Rüge mangelnder Veröffentlichung der Satzung die Auffassung des LSG frei von Rechtsirrtum. Eine Veröffentlichungspflicht ist weder im KGG noch nach den in Betracht kommenden Vorschriften der RVO vorgesehen. § 684 RVO ordnet lediglich die Bekanntmachung des Namens, des Gesetzes und der Bezirke der Sektionen der Körperschaft an.

VI. Nach alledem ist die angefochtene Beitragsberechnung der Beklagten unter den vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkten der fehlenden Beitragspflicht und der mangelnden Legitimation zur Beitragserhebung nicht zu beanstanden. Das LSG hat die Abweisung der Klage durch das SG zu Recht bestätigt. Aus den dargelegten Gründen mußte auch die Revision des Klägers erfolglos bleiben (§ 170 Abs. 1 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926568

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