Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff der Entäußerung in dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte

 

Orientierungssatz

Nach der alten Fassung des GAL ist bei nicht völliger Abgabe des Unternehmens nur dann eine Entäußerung iS des § 2 GAL aF gegeben, wenn die zurückbehaltenen Teile nicht mehr als etwa ein Viertel der bisher bewirtschafteten Fläche ausmachen; beträgt der zurückbehaltene Teil zwar weniger als ein Viertel, stellt er jedoch allein noch eine dauerhafte Existenzgrundlage dar, so liegt keine Abgabe vor. Von einer Entäußerung kann nur die Rede sein, wenn das Unternehmen in der bisherigen Form nicht mehr fortgeführt wird, wenn also der weitaus überwiegende Teil abgegeben wird.

 

Normenkette

GAL § 2 Fassung: 1957-07-27, § 1 Abs. 4 Fassung: 1957-07-27, § 25 Abs. 1 Buchst. b Fassung: 1957-07-27

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 25.04.1962)

SG Oldenburg (Entscheidung vom 29.08.1961)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. April 1962 insoweit aufgehoben, als es sich um die Ansprüche auf Altersgeld für die Zeit vom 1. November 1957 bis zum 31. Dezember 1961 handelt.

In diesem Umfange wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 29. August 1961 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Der 1878 geborene Kläger bewirtschaftete von 1919 bis 1955 einen landwirtschaftlichen Betrieb von 7,6 ha, davon 6,7 ha Eigenland, den Rest Pachtland. Im November 1955 verpachtete er insgesamt 4,1 ha auf neun Jahre, die übrigen 2,6 ha bewirtschaftete er weiter. Seinen im November 1957 gestellten Antrag auf Altersgeld lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Kläger habe wegen Zurückbehaltung einer Restfläche von 2,6 ha seinen landwirtschaftlichen Betrieb noch nicht abgegeben. Der Kläger verpachtete nunmehr zum 1. August 1958 auch die Restfläche bis auf 0,3 ha. Seinen erneuten Antrag auf Altersgeld lehnte die Beklagte am 31. August 1959 ab, weil er in den letzten drei Jahren vor Aufgabe der Landwirtschaft nur noch 2,6 ha Land bewirtschaftet habe und deshalb nicht mehr landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 Abs. 4 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957 (BGBl I 1063) - GAL aF - gewesen sei. Die Klage gegen diesen Bescheid wies das Sozialgericht (SG) ab. Dagegen verurteilte das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte zur Zahlung von Altersgeld. Es führte zur Begründung aus, die Entscheidung hänge davon ab, ob das Unternehmen 1955 oder 1958 abgegeben worden sei. Sei die Abgabe erst 1958 erfolgt, so könne der Kläger Altersgeld nach dem GAL aF nicht erhalten, weil in der Zeit von 1955 bis 1958 der Betrieb keine Existenzgrundlage mehr gebildet und deshalb vor der Abgabe keine ununterbrochene Unternehmertätigkeit von 15 Jahren vorgelegen habe. Die Abgabe sei jedoch schon 1955 vorgenommen worden, da eine solche bereits in dem Zeitpunkt anzunehmen sei, in dem der Betrieb durch die teilweise Entäußerung keine dauerhafte Existenzgrundlage mehr war. Damit sei der Kläger vor der Entäußerung 15 Jahre lang landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen, wie es § 25 Abs. 1 GAL aF verlange. Das LSG ließ die Revision zu.

Die Beklagte legte gegen das am 20. Juni 1962 zugestellte Urteil am 13. Juli 1962 Revision ein und begründete sie nach Fristverlängerung am 1. September 1962. Sie erkennt den Altersgeldanspruch auf Grund der Neufassung des GAL für die Zeit nach dem 1. Januar 1962 an und trägt im übrigen vor, eine Abgabe liege nur dann vor, wenn Unternehmensteile von höchstens einem Viertel der bisherigen Betriebsgröße zurückbehalten worden seien. Unter diesen Umständen habe bei zurückbehaltenen 2,6 ha von insgesamt 6,7 ha im Jahre 1955 keine Entäußerung stattgefunden; diese sei erst für das Jahr 1958 anzunehmen. Da es somit von 1958 ausgehend an einer Unternehmertätigkeit von 15 Jahren vor der Entäußerung gefehlt habe, stehe dem Kläger bis zum 31. Dezember 1961 kein Altersgeld zu.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG Niedersachsen vom 25. April 1962 insoweit aufzuheben, als es sich um die Ansprüche auf Altersgeld für die Zeit vom 1. November 1957 bis zum 31. Dezember 1961 handelt, und in diesem Umfange die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Oldenburg vom 29. August 1961 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II

Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist zulässig und begründet, soweit es sich um den noch streitigen Anspruch auf Altersgeld für die Zeit vom 1. November 1957 bis zum 31. Dezember 1961 handelt.

Das LSG geht zunächst zutreffend davon aus, daß der Kläger für die genannte Zeit Altersgeld nur erhalten kann, wenn die Abgabe bereits 1955 stattgefunden hat; wenn sie erst im Jahre 1958 erfolgte, war der Kläger in den letzten 15 Jahren vor der Abgabe nicht mehr hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer, wie es § 25 Abs. 1 Buchst. b GAL aF verlangt. Denn sein Betrieb stellte für die Zeit von 1955 bis 1958 keine dauerhafte Existenzgrundlage mehr dar, was das LSG bindend festgestellt hat (§ 163 SGG).

Dem LSG kann aber nicht beigetreten werden, wenn es eine Entäußerung bereits für das Jahr 1955 angenommen hat. Wie der Senat in seinem Urteil vom 20. Juni 1962 - SozR GAL § 2 Nr. 3 - mit näherer Begründung ausgeführt hat, ist nach der alten Fassung des GAL bei nicht völliger Abgabe des Unternehmens nur dann eine Entäußerung im Sinne des § 2 GAL aF gegeben, wenn die zurückbehaltenen Teile nicht mehr als etwa ein Viertel der bisher bewirtschafteten Fläche ausmachen; beträgt der zurückbehaltene Teil zwar weniger als ein Viertel, stellt er jedoch allein noch eine dauerhafte Existenzgrundlage dar, so liegt keine Abgabe vor. Von einer Entäußerung kann nur die Rede sein, wenn das Unternehmen in der bisherigen Form nicht mehr fortgeführt wird, wenn also der weitaus überwiegende Teil abgegeben wird. Die in § 2 Abs. 6 GAL nF festgelegte Mindestgrenze findet für die Geltungsdauer der alten Fassung des GAL keine Anwendung, da sie erst am 1. Januar 1962 in Kraft getreten ist. Die von dem Kläger zurückbehaltene Restfläche von 2,6 ha ist aber wesentlich mehr als ein Viertel des zuletzt bewirtschafteten Eigenlandes von 6,7 ha bzw. der Gesamtfläche von 7,6 ha, so daß im Jahre 1955 noch keine Abgabe stattgefunden hat.

Geht man aber von der Abgabe im Jahre 1958 aus, so fehlt es, wie bereits dargelegt, an einer fünfzehnjährigen ununterbrochenen Unternehmertätigkeit vor der Abgabe, so daß dem Kläger für die Zeit bis zum 31. Dezember 1961 kein Altersgeld zusteht. Für die Zeit vom 1. Januar 1962 an hat er jedoch gemäß § 26 Abs. 1 GAL nF Anspruch auf Altersgeld, wie die Beklagte auch zugestanden hat.

Die angefochtenen Urteile mußten daher, wie geschehen, abgeändert werden.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324279

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