Leitsatz (amtlich)

1. Werden Versorgungsbezüge im Rahmen des BVG § 60a nur "vorläufig" festgestellt, kann bei Überzahlungen ein guter Glauben des Versorgungsberechtigten in den Bestand und die Höhe der vorläufig festgesetzten Rente grundsätzlich nicht eintreten.

2. Zur Frage der unzulässigen Rechtsausübung bei endgültiger Festsetzung der Versorgungsbezüge und Rückforderung des überzahlten Betrages.

 

Leitsatz (redaktionell)

BVG § 60a Abs 2 findet Anwendung, wenn nach Ablauf des Feststellungszeitraums die neue endgültige Feststellung im Rahmen des BVG § 60a auf einer Änderung des anzurechnenden Einkommens beruht.

 

Normenkette

BVG § 60a Abs. 1 S. 4 Fassung: 1960-06-27; KOVVfG § 47 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27, Abs. 2 Buchst. a Fassung: 1960-06-27; BVG § 60 Abs. 4 Fassung: 1960-06-27, § 60a Abs. 2 Fassung: 1960-06-27

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 9. März 1965 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin auch nicht die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Die Klägerin bezieht seit dem 1. Juli 1950 Witwenrente aus der Kriegsopferversorgung. Die Ausgleichsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wurde ihr wegen eines Einkommens aus vorübergehender Beschäftigung mehrfach entzogen und wieder gewährt. Durch Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 19. Juni 1959 wurde ihr rückwirkend vom 1. April 1959 an eine Versichertenrente gewährt. Das Versorgungsamt (VersorgA) I Berlin stellte unter Berücksichtigung dieser Versichertenrente mit Bescheid vom 20. Januar 1961 die Ausgleichsrente der Klägerin rückwirkend vom 1. Juni 1959 auf 19 DM monatlich fest. In einem weiteren Bescheid vom 20. Januar 1961 wurde sowohl die Grundrente als auch die Ausgleichsrente für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 1960 endgültig, für die Zeit ab 1. Januar 1961 vorläufig festgestellt. Von diesem Zeitpunkt ab wurde die vorläufig zu zahlende Ausgleichsrente auf 12 DM monatlich festgesetzt. In dem Bescheid vom 20. Januar 1961 wurde der Klägerin ferner mitgeteilt, die endgültige Regelung der Versorgungsbezüge werde nach Ablauf des Feststellungszeitraums vorgenommen, der mit dem 1. Januar 1961 beginne und voraussichtlich mit Ablauf des Monats Mai 1961 ende. Gleichzeitig wurde die Klägerin wie in allen vorangegangenen Bescheiden formularmäßig über ihre Verpflichtung zur Mitteilung etwaiger Änderungen ihrer Einkommensverhältnisse belehrt. Es wurde ihr ferner mitgeteilt, daß die Erfüllung ihrer Anzeigepflicht die Rückforderung überzahlter Versorgungsbezüge nicht ausschließe.

Mit Schreiben vom 3. März 1961 und 7. März 1962 teilte die Klägerin dem VersorgA die jeweilige Erhöhung ihrer Versichertenrente mit, ohne daß zunächst seitens der Versorgungsbehörde etwas veranlaßt wurde. Erst am 5. Februar 1963 ergingen zwei Bescheide des Beklagten. In dem ersten Bescheid - einem Zugunstenbescheid nach § 40 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) - stellte der Beklagte fest, daß eine in dem Bescheid vom 20. Januar 1961 vorläufig errechnete Rentenüberzahlung in Höhe von 12 DM im Hinblick auf die durch eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) geänderte Rechtsauffassung nicht eingetreten sei und auf spätere Überzahlungen verrechnet werde. In dem zweiten Bescheid vom 5. Februar 1963 stellte der Beklagte nunmehr die Versorgungsbezüge für die Zeit vom 1. Januar 1961 bis zum 31. Mai 1962 nach § 60 a Abs. 1 BVG im Hinblick auf die Erhöhung der Versichertenrente endgültig fest und errechnete für diesen Zeitraum eine Überzahlung von insgesamt 87 DM. Hiervon zog der Beklagte jedoch den Freibetrag des § 60 a Abs. 2 BVG in Höhe von 5 DM monatlich - also für 17 Monate 85 DM - ab, so daß eine Überzahlung von 2 DM verblieb. Gleichzeitig stellte er die Versorgungsbezüge auch für die Zeit vom 1. Juni 1962 bis 31. März 1963 sofort endgültig fest, weil der Klägerin im Hinblick auf die Höhe ihrer Versichertenrente vom 1. Juni 1962 an eine Ausgleichsrente nicht mehr zu zahlen war (vgl. § 60 a Abs. 1 letzter Satz BVG). Die Überzahlung für die Zeit vom 1. Juni 1962 bis 31. März 1963 betrug monatlich 12 DM - in dieser Höhe war die Ausgleichsrente vorläufig gezahlt worden -, also für 10 Monate = 120 DM. Da zu diesem Betrag eine Überzahlung von 2 DM aus der Zeit vorher hinzukam, andererseits aber eine Gutschrift von 12 DM zu berücksichtigen war, forderte der Beklagte mit dem Bescheid vom 5. Februar 1963 den Betrag von 110 DM zurück. Der Widerspruch gegen diesen Bescheid hatte keinen Erfolg (Bescheid des Landesversorgungsamts - LVersorgA - Berlin vom 22. März 1963).

Im Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) hat der Beklagte im Schriftsatz vom 23. Oktober 1963 erklärt, daß ein Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Überzahlung für die Monate Dezember 1962 bis März 1963 in Höhe von 4 x 12 DM = 48 DM nicht mehr geltend gemacht werde und sich die im Bescheid vom 5. Februar 1963 festgestellte Überzahlung in Höhe von 110 DM somit auf 62 DM ermäßige. Mit Urteil vom 3. März 1964 hat das SG Berlin unter Abänderung der angefochtenen Bescheide vom 5. Februar 1963 und 22. März 1963 die Rückforderung des Betrages von 62 DM für unzulässig erklärt; es hat die Berufung zugelassen. Es hat die Auffassung vertreten, daß die Versorgungsbehörde verpflichtet sei, im Rahmen ihrer Kräfte darauf hinzuwirken, daß der Versorgungsempfänger nicht über längere Zeit hinaus Überzahlungen erhalte. Diese Verpflichtung zu unverzüglicher "Leistungsanpassung" ergebe sich insbesondere aus § 60 a Abs. 1 Satz 4 BVG, nach dem bei Erhöhung des anzurechnenden Einkommens im Laufe des Feststellungszeitraums der vorläufig zu zahlende Betrag neu festzusetzen oder zu entziehen ist, wenn eine Überhebung zu erwarten ist. Da der Beklagte dieser Verpflichtung nicht innerhalb einer angemessenen Frist nachgekommen sei, habe er gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen.

Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin mit Urteil vom 9. März 1965 die Entscheidung des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen; es hat die Revision zugelassen. Nach Ansicht des LSG hatte der Vorbehalt der vorläufigen Zahlung den Zweck, für die Zeit von Januar bis Mai 1961 - aber auch darüber hinaus - klarzustellen, daß die Versorgungsbezüge endgültig erst zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt würden und erst danach ermittelt werden sollte, ob die Versorgungsbehörde in der zurückliegenden Zeit zu viel oder zu wenig gezahlt hatte. Der angefochtene Bescheid vom 5. Februar 1963 sei durch die Vorschrift des § 60 a BVG noch gedeckt, obwohl der Feststellungszeitraum in der Regel nur 12 Monate betrage. Die endgültige Festsetzung der Ausgleichsrente nach Ablauf längerer Zeit sei jedenfalls nicht unzulässig. Die Beträge, die nach endgültiger Feststellung überzahlt sind, seien nach § 47 Abs. 1 VerwVG als zu Unrecht empfangene Leistungen zurückzuerstatten. Da die Ausgleichsrente nach dem Bescheid vom 20. Januar 1961 jedoch nur vorläufig gewährt worden sei, komme die Anwendung des § 47 Abs. 2 VerwVG auf den Rückforderungsanspruch nicht in Betracht, weil es auf die Gut- oder Bösgläubigkeit der Klägerin als Zahlungsempfängerin dann nicht ankommen könne, wenn sie von vornherein über die nur vorläufige Gewährung der Ausgleichsrente unterrichtet worden sei. Insoweit sei dem Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 18. Juli 1962 (BVBl 1962 S. 97 Nr. 49) beizutreten, das an ein Urteil des BSG vom 7. Dezember 1961 - 8 RV 93/60 - anknüpfe. Diese Entscheidung betreffe allerdings vorläufige Leistungen auf Grund eines Ausführungsbescheides im Anschluß an ein zusprechendes, aber später aufgehobenes Urteil eines SG (vgl. § 154 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), während es sich hier um Verwaltungsakte handle, die der Beklagte in eigener Befugnis gesetzt habe. Die Rechtslage sei jedoch hier wie dort die gleiche. Die nur vorläufige Gewährung von Versorgungsbezügen gebe der Versorgungsbehörde allerdings nicht das Recht, uferlos und uneingeschränkt von ihrem Rückforderungsrecht Gebrauch zu machen, vielmehr gelte auch hier der Grundsatz von Treu und Glauben. Dieser Grundsatz sei im vorliegenden Falle nicht schon dadurch verletzt, daß der Beklagte im Bescheid vom 20. Januar 1961 erklärt habe, die endgültige Regelung der Versorgungsbezüge werde "voraussichtlich" mit Ablauf des Monats Mai 1961 vorgenommen werden. Wenn demgegenüber die endgültige Festsetzung der Ausgleichsrente tatsächlich erst in dem angefochtenen Bescheid vom 5. Februar 1963, also mit einer Verzögerung von etwa 1 3/4 Jahren seit Ablauf des Feststellungszeitraums, erfolgt sei, schließe dieser Umstand den Rückforderungsanspruch des Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht aus, weil auch die Zahlungszeiträume ab Mai 1961 - für die Klägerin erkennbar - unter dem Vorbehalt vorläufiger Zahlung gestanden hätten. Die Rechtsprechung des BSG, daß in den Fällen des § 47 Abs. 2 VerwVG ein Untätigbleiben der Versorgungsbehörde trotz ordnungsgemäßer Einkommensänderungsanzeige den Rentenempfänger etwa sechs Monate nach Erstattung der Anzeige "gutgläubig" mache und damit eine Rückforderung der Versorgungsbezüge für die Zeit nach Ablauf dieser sechs Monate ausschließe, komme im vorliegenden Falle nicht in Betracht, weil § 47 Abs. 2 VerwVG hier überhaupt keine Anwendung finden könne. Die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs stelle auch keine unzulässige Rechtsausübung dar, die nach dem Urteil des BSG vom 17. April 1964 (BSG 21, 27) nur dann vorliege, wenn die Verwaltungsbehörde Versorgungsbezüge für einen Zeitraum zurückfordere, der mehr als vier Jahre seit Beginn des Jahres zurückliege, in dem der Rückforderungsbescheid ergangen ist.

Gegen dieses am 28. Juni 1965 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 14. Juli 1965, eingegangen beim BSG am 19. Juli 1965, Revision eingelegt und beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Berlin vom 9. März 1965 sowie unter Abänderung des Bescheides des VersorgA I Berlin vom 5. Februar 1963 und des Widerspruchsbescheides des Landesversorgungsamts Berlin vom 22. März 1963 die Rückforderung von 62 DM für unzulässig zu erklären.

Die Klägerin hat die Revision gleichzeitig in dem Schriftsatz vom 14. Juli 1965, auf den Bezug genommen wird, begründet. Sie rügt eine Verletzung des § 60 a Abs. 1 Satz 3 BVG (gemeint ist offenbar Satz 4) sowie einen Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben im allgemeinen und der Verwirkung im besonderen. Sie trägt hierzu vor, das LSG habe dem formularmäßigen Hinweis des Beklagten, daß die Erfüllung der Anzeigepflicht eine Rückforderung nicht ausschließe, eine Wirkung beigelegt, die nicht rechtens sein könne. Es werde zwar durchaus anerkannt, daß die tatsächliche Rechtslage zunächst dem Hinweis vollinhaltlich entsprochen habe, so daß für den Fall einer Überzahlung eine Rückforderung auch durch eine Erfüllung der Anzeigepflicht nicht ausgeschlossen worden sei. Diese anfängliche Rechtslage habe sich aber dadurch geändert, daß seit der vorläufigen Rentenfestsetzung mehr als ein Jahr verstrichen sei, ohne daß die Rente neu festgesetzt worden sei. Der Beklagte habe durch die Verzögerung der endgültigen Festsetzung der Ausgleichsrente die grundsätzlich einzuhaltende Jahresfrist (Feststellungszeitraum nach § 60 a Abs. 1 BVG) um mehr als ein weiteres Jahr überschritten und dadurch nach Treu und Glauben das Recht zur Rückforderung überzahlter Beträge verwirkt. Der Beklagte habe sein Rückforderungsrecht zwar nicht unbedingt schon mit Ablauf der Jahresfrist verwirkt, weil eine Behörde unter besonders ungünstigen Umständen an einer alsbaldigen endgültigen Rentenfeststellung gehindert sein könne. Auf einen solchen Hinderungsgrund hätte aber mindestens in Form einer Routinemitteilung in der Weise hingewiesen werden müssen, daß sich der endgültige Bescheid nur verzögere, mit ihm aber immer noch gerechnet werden müsse.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision; er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene und somit nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision frist- und formgerecht eingelegt (§§ 164, 166 SGG); sie ist daher zulässig. Die Revision ist jedoch im Ergebnis nicht begründet (§ 170 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Bescheid vom 5. Februar 1963 rechtmäßig ist, in dem der Beklagte zunächst eine Überzahlung von 110 DM errechnet, diesen Betrag aber im sozialgerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 23. Oktober 1963 auf 62 DM ermäßigt hat. Wie das LSG in dem angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt hat, war der Beklagte berechtigt, die Ausgleichsrente der Klägerin nach den §§ 60 Abs. 4, 60 a BVG in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (1. NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) durch den Bescheid vom 5. Februar 1963 für die Zeit vom 1. Januar 1961 an neu festzustellen. Die Klägerin hat hiergegen auch keine rechtlichen Bedenken geltend gemacht und ferner in der Revisionsbegründung erklärt, daß sie eine erneute rechnerische Überprüfung des vom Beklagten zurückgeforderten Betrages in Höhe von 62 DM nicht begehre. Es besteht somit zwischen den Parteien nur noch Streit darüber, ob der Beklagte diesen zu Unrecht gezahlten Betrag zurückfordern darf.

Das LSG hat in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, daß nach § 47 Abs. 1 VerwVG zu Unrecht gezahlte Versorgungsleistungen grundsätzlich zurückgezahlt werden müßten. Die Anwendung des § 47 Abs. 2 VerwVG komme aber für den Rückforderungsanspruch des Beklagten nicht in Betracht, weil es sich im vorliegenden Falle um die endgültige Festsetzung der Ausgleichsrente der Klägerin nach ihrer vorläufigen Feststellung im Rahmen des § 60 a BVG in der Fassung des 1. NOG handle. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß es auf die Gut- oder Bösgläubigkeit der Klägerin als Zahlungsempfängerin dann nicht ankommen könne, wenn sie von vornherein über die nur "vorläufige" Gewährung der Ausgleichsrente unterrichtet ist. Diese Ansicht werde durch einen Erlaß des BMA vom 18. Juli 1962 bestätigt, der seinerseits an ein Urteil des BSG vom 7. Dezember 1961 - S RV 93/60 - anknüpfe. Das Berufungsgericht verkennt hierbei zunächst, daß § 47 Abs. 1 VerwVG für sich allein keine selbständige Grundlage für einen Rückerstattungsanspruch der Versorgungsverwaltung bilden kann.

Der erkennende Senat hat diese Rechtsauffassung schon in seinem Urteil vom 12. August 1966 (SozR VerwVG § 47 Nr. 19; vgl. auch § 47 Nr. 16) vertreten. Es besteht kein Anlaß, von dieser eingehend begründeten Entscheidung abzugehen, in der im einzelnen dargelegt ist, daß § 47 Abs. 1 VerwVG nur eine der Voraussetzungen für die Rückforderung einer Überzahlung festlegt, nämlich die, daß Leistungen der Versorgungsbehörde zu Unrecht empfangen sein müssen. Mit den Worten "soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist" wird in Abs. 1 des § 47 VerwVG auf die anderen Absätze dieser Vorschrift hingewiesen, in denen die - insoweit also einschränkenden - weiteren Voraussetzungen enthalten sind, bei deren Vorliegen zu Unrecht empfangene Leistungen zurückgefordert werden können. Der Beklagte ist daher nur berechtigt, den zwischen den Parteien noch streitigen Betrag von 62 DM zurückzufordern, wenn außer der Voraussetzung des § 47 Abs. 1 VerwVG, die hier gegeben ist, auch die Voraussetzungen des Abs. 2 vorliegen. Beruht die Überzahlung auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, ist der Empfänger der Versorgungsleistungen nach § 47 Abs. 2 Buchst. a VerwVG in der Fassung des 1. NOG zur Rückerstattung nur verpflichtet, soweit er beim Empfang wußte oder wissen mußte, daß ihm die Leistung nicht oder nicht in der gewährten Höhe zustand. Das Berufungsgericht hat für seine Auffassung, daß § 47 Abs. 2 VerwVG keine Anwendung finden könne, den Erlaß des BMA vom 18. Juli 1962 (BVBl 1962 S. 97 Nr. 49) angeführt, der seinerseits auf der Entscheidung des BSG vom 7. Dezember 1961 - 8 RV 93/60 - beruht. Hierbei hat das LSG zutreffend angenommen, daß diese Entscheidung die Rückforderung von vorläufigen Zahlungen auf Grund des § 154 Abs. 2 SGG betraf. Zwar handelt es sich im vorliegenden Falle auch um Verwaltungsakte des Beklagten, in denen vorläufige Leistungen neu festgestellt worden sind, jedoch hat das Berufungsgericht - ebenso wie der BMA in seinem Rundschreiben vom 18. Juli 1962 - nicht hinreichend berücksichtigt, daß die Anwendung des § 47 Abs. 2 VerwVG bei der Rückforderung von vorläufig gewährten Leistungen auf Grund eines sozialgerichtlichen Urteils nach § 154 Abs. 2 SGG deswegen nicht in Betracht kam, weil in diesen Fällen nach Ansicht des 8. Senats die Überzahlung nicht auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 47 Abs. 2 VerwVG beruht. Hierbei muß dem Berufungsgericht und dem Beklagten allerdings zugegeben werden, daß dies aus dem Urteil des BSG vom 7. Dezember 1961 nicht hinreichend klar hervorgeht, sondern sich nur aus der dem Urteil des BSG zugrunde liegenden Entscheidung des LSG Niedersachsen vom 17. November 1959 entnehmen läßt, in der dieses Gericht die dargelegte Rechtsauffassung vertreten hat. Im vorliegenden Falle ist dagegen die Voraussetzung des § 47 Abs. 2 VerwVG erfüllt, daß die Überzahlung auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse beruht. In dieser Vorschrift ist von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nicht nur im Sinne des § 62 BVG die Rede, so daß ihre Anwendung bei endgültigen Feststellungen vorläufig festgesetzter Ausgleichsrenten im Sinne des § 60 a BVG etwa aus diesem Grunde entfallen könnte. Der § 47 Abs. 2 VerwVG muß vielmehr bei der Rückforderung von zu Unrecht empfangenen Versorgungsleistungen stets dann Anwendung finden, wenn die Überzahlung auf eine wesentliche Änderung der Verhältnisse zurückzuführen ist. Dies ist aber bei einer endgültigen Feststellung der Versorgungsbezüge im Sinne des § 60 a BVG nach Ablauf des Feststellungszeitraums der Fall, weil die neue endgültige Feststellung auf einer Änderung des anzurechnenden Einkommens beruht. Entgegen der Auffassung des BMA in seinem Rundschreiben vom 18. Juli 1962 und des Berufungsgerichts findet daher § 47 Abs. 2 VerwVG in den Fällen des § 60 a BVG Anwendung. Das LSG und der BMA haben übersehen, daß die Überzahlung bei einer endgültigen Feststellung nach § 60 a BVG auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse beruht, während dies nach Ansicht des 8. Senats des BSG in seinem Urteil vom 7. Dezember 1961 bei der Rückforderung von nach § 154 Abs. 2 SGG gezahlten Beträgen nicht der Fall ist. Ob diese Rechtsauffassung des 8. Senats zutrifft, kann dahingestellt bleiben, weil es sich hier nicht um einen Fall des § 154 Abs. 2 SGG handelt. Jedenfalls ist § 47 Abs. 2 VerwVG entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auf den Rückforderungsanspruch des Beklagten in Höhe von 62 DM anzuwenden.

Das Berufungsgericht hat im Hinblick auf seine - nicht zutreffende - Rechtsauffassung nicht zu der Frage Stellung genommen, ob bei Anwendung des § 47 Abs. 2 VerwVG auf Überzahlungen bei endgültiger Feststellung der Ausgleichsrente nach § 60 a BVG die Rechtsprechung des BSG zu berücksichtigen ist, daß von einem bestimmten Zeitpunkt an beim Empfänger von einem "Wissenmüssen", daß ihm die laufend gezahlten Versorgungsbezüge nicht mehr in der bisherigen Höhe zustehen, nicht mehr gesprochen werden kann (vgl. BSG 9, 47, 53). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist diese Frist regelmäßig mit sechs Monaten zu bemessen, wenn die Versorgungsbehörde nicht innerhalb dieser Frist einen Zwischenbescheid erteilt, in dem darauf hingewiesen wird, daß der Versorgungsberechtigte noch mit einer Kürzung seiner Rente zu rechnen hat. Diese Rechtsprechung betrifft jedoch nur Überzahlungen, die darauf beruhen, daß nach einer endgültigen Feststellung der Versorgungsbezüge eine wesentliche Änderung durch eine Erhöhung des anrechnungspflichtigen Einkommens des Versorgungsberechtigten eingetreten ist. Wenn in solchen Fällen der Versorgungsberechtigte seiner Anzeigepflicht nachkommt, soll er damit rechnen dürfen, daß die Versorgungsbehörde in spätestens sechs Monaten eine Neufeststellung der Versorgungsbezüge vornimmt, falls die Erhöhung des Einkommens zu einer Minderung oder Entziehung der Versorgungsbezüge führt. Dieser "gute Glaube", der regelmäßig dem Versorgungsberechtigten nach dem Ablauf von sechs Monaten von der Rechtsprechung des BSG zugebilligt wird, kann aber bei der vorläufigen Feststellung der Versorgungsbezüge im Rahmen des § 60 a BVG und einer sich daraus ergebenden Überzahlung nicht nach sechs Monaten eintreten. Mit der "vorläufigen" Feststellung wird gerade deutlich gemacht, daß auf den Bestand der Rente, wie sie vorläufig festgesetzt ist, nicht vertraut werden darf. Das Berufungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil zutreffend darauf hingewiesen, daß der Klägerin in dem Bescheid vom 20. Januar 1961 eindeutig mitgeteilt worden ist, die endgültige Regelung der Versorgungsbezüge werde erst später vorgenommen und sie müsse im Falle einer Überzahlung damit rechnen, daß die überhobenen Bezüge zurückgefordert werden. Insbesondere der Hinweis in diesem Bescheid, daß die Ausgleichsrente nur "vorläufig" festgestellt wird, konnte bei der Klägerin nicht den Eindruck aufkommen lassen, daß eine Überzahlung der Ausgleichsrente durch eine Erhöhung ihrer Versichertenrente nicht eingetreten und mit einer Rückforderung daher nicht zu rechnen war. Bei derartigen nur vorläufig im Rahmen des § 60 a BVG festgesetzten Versorgungsbezügen kann somit der Natur der Sache nach ein guter Glaube nach dem Ablauf einer Frist von sechs Monaten grundsätzlich nicht eintreten. Die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung ergibt sich auch daraus, daß der Feststellungszeitraum nach § 60 a Abs. 1 BVG in der Regel 12 Monate beträgt und dieser Zeitraum nach § 60 a Abs. 2 Satz 2 BVG auch länger als ein Jahr sein kann. Auch hierauf ist die Klägerin in dem Bescheid vom 20. Januar 1961 hingewiesen worden. Die Klägerin mußte daher noch bis zum Erlaß des angefochtenen Bescheides vom 5. Februar 1963 bei der endgültigen Festsetzung ihrer Ausgleichsrente mit einer Rückforderung des überzahlten Betrages rechnen. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß der Beklagte in dem Bescheid vom 20. Januar 1961 angegeben hat, die endgültige Regelung werde nach Ablauf des Feststellungszeitraums vorgenommen, der mit dem 1. Januar 1961 beginne und voraussichtlich mit Ablauf des Monats Mai 1961 ende. Schon das Wort "voraussichtlich" deutet darauf hin, daß die Feststellung der endgültig zustehenden Ausgleichsrente nicht unbedingt mit Ablauf des Monats Mai 1961 vorgenommen werden sollte. Die Klägerin mußte daher mit einer nur vorläufigen Weitergewährung ihrer Ausgleichsrente über den 31. Mai 1961 hinaus für den Fall rechnen, daß der Beklagte nicht unmittelbar danach die endgültige Feststellung der Ausgleichsrente vornahm.

Auch aus § 60 a Abs. 1 Satz 4 BVG kann nicht ohne weiteres, wie die Klägerin und das SG meinen, eine Verpflichtung zu unverzüglicher Neufestsetzung entnommen werden, wenn sich das anzurechnende Einkommen im Laufe des Feststellungszeitraumes erhöht. Ob eine Nichtbeachtung dieser Vorschrift durch den Beklagten überhaupt dazu führen kann, nach dem Ablauf einer bestimmten Frist den guten Glauben des Versorgungsberechtigten herbeizuführen, wenn nach der Anzeige einer Erhöhung des Einkommens der vorläufig zu zahlende Betrag von der Versorgungsbehörde nicht neu festgesetzt wird, kann dahingestellt bleiben. Voraussetzung für eine solche Pflicht der Versorgungsverwaltung wäre in jedem Falle, daß "eine Überhebung zu erwarten ist". Da § 60 a BVG ua den Sinn und Zweck hat, der Verwaltungsvereinfachung zu dienen, muß die zu erwartende Überhebung immerhin in finanzieller Hinsicht von einer solchen Bedeutung sein, daß dem Versorgungsberechtigten nach längerer Zeit die Rückerstattung einer Überzahlung nicht zugemutet werden kann. Im vorliegenden Falle hat die von der Klägerin mit Schreiben vom 3. März 1961 dem Beklagten angezeigte Erhöhung ihrer Versichertenrente lediglich 5,90 DM monatlich betragen. Da ihr auf Seite 2 des Bescheides vom 20. Januar 1961 ausdrücklich mitgeteilt worden war, daß bei der endgültigen Feststellung vorläufig gezahlter Bezüge nur der Betrag als überzahlt gilt, der 5 DM je Monat des Feststellungszeitraums übersteigt, handelte es sich - für die Klägerin erkennbar - nur um eine Überzahlung von 0,90 DM monatlich. Ein derartig geringfügiger Betrag brauchte jedoch für die Versorgungsbehörde keinen Anlaß darzustellen, die vorläufig zu zahlende Ausgleichsrente nach § 60 a Abs. 1 Satz 4 BVG neu festzusetzen; denn die Rückerstattung der insoweit überzahlten Versorgungsbezüge konnte die Klägerin nicht in finanzielle Schwierigkeiten bringen. Die endgültige Festsetzung der Ausgleichsrente der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1961 bis 31. Mai 1962 in dem Bescheid vom 5. Februar 1963 hat dann auch bei Anrechnung des Freibetrages des § 60 a Abs. 2 BVG und einer Gutschrift für die Klägerin von 12 DM nur eine Überzahlung von insgesamt 2 DM ergeben. Selbst wenn man bei dem weiterhin zurückgeforderten Betrag von 60 DM für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 1962 eine wesentliche Überhebung im Sinne des § 60 a Abs. 1 Satz 4 BVG annehmen wollte, hat der Beklagte insoweit die Neufeststellung mit Bescheid vom 5. Februar 1963 innerhalb einer angemessenen Frist vorgenommen. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ergibt sich somit, daß sich die Klägerin gegenüber dem Rückforderungsanspruch des Beklagten in Höhe von 62 DM nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen kann, weil sie bis zu diesem Zeitpunkt wissen mußte, daß ihr die Ausgleichsrente nicht oder nicht in der gewährten Höhe zustand.

In der Revisionsbegründung trägt die Klägerin noch vor, der Beklagte habe dadurch, daß er durch die Verzögerung der endgültigen Festsetzung der Ausgleichsrente die grundsätzlich einzuhaltende Jahresfrist um mehr als ein weiteres Jahr überschritten habe, nach Treu und Glauben das Recht verwirkt, die Ausgleichsrente für die Zukunft zu kürzen. Mit diesem Vorbringen macht sie hinsichtlich der Rückforderung von 62 DM eine unzulässige Rechtsausübung seitens des Beklagten geltend. Das Berufungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil diese Frage geprüft und im Anschluß an das Urteil des erkennenden Senats vom 17. April 1964 (BSG 21, 27) die Auffassung vertreten, daß eine unzulässige Rechtsausübung durch den Beklagten nicht vorliegt. In dem angeführten Urteil hat der Senat ausgesprochen, daß es eine unzulässige Rechtsausübung darstellt, wenn die Versorgungsbehörde Rückforderungsansprüche nach § 47 Abs. 2 VerwVG für einen Zeitraum geltend macht, der mehr als vier Jahre seit Beginn des Jahres zurückliegt, in dem der Rückforderungsbescheid ergangen ist und der Versorgungsberechtigte annehmen kann, der Rückforderungsanspruch werde nicht mehr geltend gemacht werden. Wie das LSG zutreffend dargelegt hat, sind im vorliegenden Falle seit dem im Bescheid vom 20. Januar 1961 angegebenen Zeitpunkt für die endgültige Feststellung der Ausgleichsrente der Klägerin (Ablauf des Monats Mai 1961) nur 1 3/4 Jahre verstrichen, bis der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 5. Februar 1963 den überzahlten Betrag zurückgefordert hat. Die in der angeführten Entscheidung des BSG für eine unzulässige Rechtsausübung seitens des Beklagten geforderte Zeit von vier Jahren ist somit bei Erlaß des Rückforderungsbescheides noch nicht verstrichen gewesen. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der Beklagte das Recht, die Rückforderung geltend zu machen, auch nicht deswegen verwirkt, weil § 60 a Abs. 1 BVG vorschreibt, daß der Feststellungszeitraum regelmäßig 12 Monate beträgt und daß im übrigen bei einer Erhöhung des anzurechnenden Einkommens im Laufe des Feststellungszeitraums der vorläufig zu zahlende Betrag neu festzusetzen ist. Die Frage, ob eine unzulässige Rechtsausübung vorliegt, obwohl der Beklagte - wie im vorliegenden Falle - berechtigt ist, den überzahlten Betrag von der Klägerin zurückzufordern, kann grundsätzlich nicht verschieden beurteilt werden, je nachdem ob es sich um einen Rückforderungsanspruch im Anschluß an eine endgültig festgestellte Rente oder um einen solchen handelt, der nach einer vorläufig festgesetzten Rente im Rahmen des § 60 a BVG bei der endgültigen Feststellung entstanden ist.

Es liegt nahe, in beiden Fällen dem Beklagten denselben Zeitraum für die Ausübung seiner Rechte zuzubilligen, weil die Verwirkung von Rückforderungsansprüchen nicht davon abhängen kann, auf welchen Vorschriften im einzelnen der Rückforderungsanspruch beruht. Aber selbst wenn man im Hinblick auf die Sondervorschrift des § 60 a BVG bei der Feststellung von einkommensabhängigen Leistungen schon einen kürzeren Zeitraum als ausreichend für die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung ansehen wollte, so würde die im vorliegenden Fall bis zum Erlaß des Rückforderungsbescheides vom 5. Februar 1963 verstrichene Zeit hierzu nicht ausreichen. Wie bereits oben dargelegt worden ist, hat die von der Klägerin mit Schreiben vom 3. März 1961 angezeigte Erhöhung ihrer Versichertenrente um monatlich 5,90 DM den Beklagten nicht veranlassen müssen, eine Neufeststellung der vorläufig festgesetzten Rente nach § 60 a Abs. 1 Satz 4 BVG oder eine endgültige Feststellung der Ausgleichsrente mit Ablauf des Monats Mai 1961 vorzunehmen. Für die Zeit vom 1. Januar 1961 bis 31. Mai 1962 hat unter Berücksichtigung des monatlichen Freibetrages von 5 DM (§ 60 a Abs. 2 BVG) und eines Guthabens von 12 DM der überzahlte Betrag nur insgesamt 2 DM betragen. Den für die anschließende Zeit vom 1. Juni bis 30. November 1962 zu Unrecht gezahlten Betrag hat der Beklagte bereits Anfang Februar 1963 zurückgefordert. Bei diesem Sachverhalt kann von einer unzulässigen Rechtsausübung seitens des Beklagten selbst dann keine Rede sein, wenn man die Meinung vertreten will, daß bei der Rückforderung von Überzahlungen, die bei der endgültigen Feststellung von einkommensabhängigen Versorgungsbezügen nach § 60 a BVG eingetreten sind, der Zeitraum von vier Jahren seit Beginn des Jahres, in dem der Rückforderungsbescheid ergangen ist, zu lang ist (vgl. BSG 21, 27).

Das Berufungsgericht hat zwar die Rechtslage insoweit verkannt, als es angenommen hat, daß § 47 Abs. 2 VerwVG im vorliegenden Fall keine Anwendung finden kann. Die angefochtene Entscheidung stellt sich aber, wie vorstehend dargelegt ist, aus anderen Gründen als richtig dar, so daß die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen werden mußte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2296890

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