Entscheidungsstichwort (Thema)
Bescheid. Feststellung. Rente. Umwandlung
Orientierungssatz
Ist ein Bescheid, durch den die Dauerrente unter gleichzeitiger Entziehung der bisher gewährten vorläufigen Rente festgestellt wird, vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Unfall zugestellt worden, so wird die Umwandlung der vorläufigen Rente in die Dauerrente kraft Gesetzes verhindert (vgl BSG 1968-12-15 2 RU 153/66 = BSGE 29/73).
Normenkette
RVO § 1585 Abs. 2, § 622 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LSG Bremen (Entscheidung vom 17.03.1966) |
SG Bremen (Entscheidung vom 27.09.1965) |
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 17. März 1966 wird insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 27. September 1965 zurückgewiesen hat.
Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Die Beklagte gewährte der Klägerin wegen der Folgen eines am 16. Oktober 1962 erlittenen Arbeitsunfalls durch Bescheid vom 8. Oktober 1963 im Wege der Abfindung vorläufige Rente für die Zeit vom 11. Februar bis 31. Oktober 1963. Auf Antrag der Klägerin bewilligte sie ihr durch Bescheid vom 27. Januar 1964 weiterhin vorläufige Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v. H. Durch Bescheid vom 24. September 1964, der am darauffolgenden Tag zur Post gegeben wurde, versagte sie mangels Unfallfolgen in rentenberechtigendem Grad die Gewährung einer Dauerrente und stellte die vorläufige Rente mit Ablauf des Oktober 1964 ein. Der Bescheid enthält den Hinweis, daß diese Feststellung eine Entscheidung über die Dauerrente gemäß § 1585 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) sei, und zwar vom Tage der Zustellung des Bescheides an (§ 622 Abs. 2 RVO).
Auf Klage hat das Sozialgericht (SG) Bremen durch Urteil vom 27. September 1965 den Bescheid der Beklagten aufgehoben: Die vorläufige Rente, welche noch bis zum Ablauf des Oktober 1964 zu zahlen gewesen sei, sei bereits am 17. Oktober 1964, nämlich nach Ablauf der 2-Jahresfrist des § 622 Abs. 2 Satz 1 RVO, zur Dauerrente geworden und dürfe seitdem nur noch in jährlichen Abständen geändert werden.
Die Beklagte hat Berufung beim LSG Bremen eingelegt.
Während des Berufungsverfahrens entzog die Beklagte durch Bescheid vom 21. Dezember 1965 die in Ausführung des Urteils des Erstgerichts gezahlte Dauerrente von 20 v. H. der Vollrente mit Ablauf des Monats Januar 1966 wegen Besserung der Unfallfolgen. Da dieser Bescheid an die Beklagte als unzustellbar zurückgelangte, stellte sie ihn der Klägerin am 10. Januar 1966 erneut mit der Maßgabe zu, daß die Rente erst mit Ablauf des Monats Februar 1966 wegfalle.
Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 17. März 1966 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen; die Klage wegen des Bescheides vom 21. Dezember 1965 hat es abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Der Bescheid vom 24. September 1964 sei, wie das Bundessozialgericht im Urteil vom 29. September 1965 (BSG 24, 36) entschieden habe, nicht bereits mit seiner Zustellung, sondern, wie sich aus § 623 Abs. 2 RVO ergebe, erst mit Ablauf des Oktober 1964 wirksam geworden. Bereits zuvor, nämlich am 17. Oktober 1964, sei jedoch die vorläufige Rente nach dem Ende der 2-Jahresfrist des § 622 Abs. 2 Satz 1 RVO zur Dauerrente geworden. Wegen des an diesem Tag nach § 622 Abs. 2 RVO beginnenden Schutzjahres sei der Bescheid vom 24. September 1964, der die zur Dauerrente gewordene vorläufige Rente bereits vor Ablauf des Schutzjahres ändern wolle, rechtswidrig. Dagegen sei der Bescheid vom 21. Dezember 1965 rechtmäßig, weil in den für die Feststellung der Dauerrente maßgebend gewesenen Verhältnissen inzwischen eine wesentliche Änderung eingetreten sei, welche die Beklagte berechtigt habe, die Rente zu entziehen.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt. Ihr Prozeßbevollmächtigter hat es im wesentlichen wie folgt begründet: § 622 Abs. 2 Satz 1 RVO sei vorliegendenfalls nicht anwendbar, weil die Dauerrente - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - bereits mit der Zustellung des Bescheides vom 24. September 1964 und somit schon vor Ablauf der 2-Jahresfrist dieser Vorschrift - negativ - festgestellt worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die - nicht vertretene - Klägerin hat sich nicht geäußert.
II
Im Streit ist nur noch, ob die Klägerin Anspruch auf Dauerrente für die Zeit vom 1. November 1964 bis 28. Februar 1966 hat. Die Klägerin hat nämlich das Urteil des LSG rechtskräftig werden lassen, das ihre Klage wegen des Bescheides vom 21. Dezember 1965, der nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist, abgewiesen hat.
Die Revision der Beklagten ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist, soweit die Dauerrente noch streitig ist.
Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß in der vorliegenden Streitsache die §§ 622, 623 RVO anzuwenden sind, obwohl der Arbeitsunfall sich bereits vor dem Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) ereignet hat (Art. 4 § 2 Abs. 1 UVNG). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die der Klägerin bewilligte vorläufige Rente aber nicht nach § 622 Abs. 2 Satz 1 RVO zur Dauerrente geworden. Der Bescheid vom 24. September 1964, der die Gewährung einer Dauerrente versagt hat, ist - wie von keiner Seite in Zweifel gezogen worden ist - der Klägerin innerhalb der 2-Jahresfrist dieser Vorschrift bekanntgegeben worden. Damit hat die Beklagte die Dauerrente - negativ - festgestellt. Dies hat jedoch zur Folge, daß die Umwandlung der vorläufigen Rente kraft Gesetzes in eine Dauerrente verhindert worden ist. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanzen vermag sich allerdings auf das Urteil des erkennenden Senats vom 29. September 1965 (BSG 24, 36) zu stützen. Der Senat hat indessen in dem heute gefällten, zur Veröffentlichung bestimmten Urteil in der Sache 2 RU 153/66 diese Rechtsauffassung aufgegeben. Auf die Gründe dieses Urteils wird Bezug genommen.
Das LSG hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - nicht geprüft, ob die Beklagte für den noch strittigen Zeitraum der Klägerin zu Recht die Dauerrente mangels Unfallfolgen in rentenberechtigendem Grad versagt hat. Der Senat hat es daher als tunlich angesehen, insoweit das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Urteil des Berufungsgerichts vorbehalten.
Fundstellen