Leitsatz (amtlich)

Der Ersatzanspruch der Familienausgleichskasse nach RVO § 1541a aF betreffend den Kinderzuschuß aus der Rentenversicherung ging insoweit dem nach RVO § 183 Abs 3 S 2 auf die KK übergangenen Anspruch vor.

 

Normenkette

RVO § 183 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1961-07-12, § 1541a Fassung: 1955-12-23

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. März 1966 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über das Rangverhältnis zwischen dem Ersatzanspruch nach § 1541 a der Reichsversicherungsordnung (RVO) - aufgehoben durch § 36 Nr. 6 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) vom 14. April 1964 (BGBl I S. 265) - und dem Übergang des Rentenanspruchs nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO.

Der bei der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) pflichtversicherte R M (M.) war vom 5. Februar 1961 an arbeitsunfähig. Die AOK gewährte ihm bis zum 25. Oktober 1961 Krankengeld oder entsprechende Ersatzleistungen (Krankenhauspflege einschl. Hausgeld - §§ 184, 186 RVO -). Von der Familienausgleichskasse (FAK) der beigeladenen Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft bezog er Kindergeld für das dritte Kind H in Höhe von 40 DM monatlich.

Am 18. Mai 1961 beantragte M. bei der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU). Die AOK wies die LVA mit Schreiben vom 12. September 1961 darauf hin, daß der Anspruch auf Rente für die Zeit, in der sie M. Krankengeld gezahlt habe, nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO auf sie übergegangen sei. Die FAK beantragte bei der LVA mit Schreiben vom 3. Oktober 1961 Ersatz des Kindergeldes gemäß § 1541 a RVO aF.

Durch Bescheid vom 24. Oktober 1961 gewährte die LVA M. ab 1. Februar 1961 Rente wegen EU in Höhe von 429,50 DM monatlich. In der Rente war für das Kind H ein Kinderzuschuß von 44,40 DM monatlich enthalten.

Mit Schreiben vom 31. Oktober 1961 forderte die AOK von der LVA als Ersatz für das vom 1. August bis 25. Oktober 1961 gezahlte Krankengeld (insgesamt 1 379,28 DM) 1 205,40 DM, das entspricht dem auf diesen Zeitraum entfallenden Teil der Rentennachzahlung.

Unter dem 2. November 1961 machte die FAK ihren Ersatzanspruch in Höhe von 360 DM für das dem M. in der Zeit vom 1. Februar bis 31. Oktober 1961 gewährte Kindergeld geltend.

Die LVA überwies von der Rentennachzahlung im Gesamtbetrag von 4 295 DM an die FAK 360 DM und an die AOK 1 103,60 DM.

Mit Schreiben vom 13. Februar 1962 verlangte die AOK von der LVA die Erfüllung ihrer Restforderung von 101,80 DM. Die LVA lehnte dies ab: Für die Monate August bis 25. Oktober 1961 stehe nach Abzug der für diese Zeit bestehenden Ersatzforderung des Trägers der Kindergeldzahlung nur noch ein Betrag von 1 103,60 DM zur Verfügung. Der Ersatzanspruch der FAK nach § 1541 a RVO aF gehe allen anderen Ersatzansprüchen vor.

Auf die Klage der AOK hat das Sozialgericht (SG) die LVA verurteilt, an die AOK 101,80 DM zu zahlen (Urteil vom 17. Oktober 1963). Es hat die Berufung zugelassen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 16. März 1966). Zur Begründung hat es unter Hinweis auf die Entscheidung des 1. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. September 1965 - 1 RA 285/62 - (BSG 24, 16, 17 ff) ausgeführt: Der Anspruch des Versicherten M. auf Rentennachzahlung für die Zeit vom 1. August bis 25. Oktober 1961 sei schon mit dem Ersatzanspruch des Trägers der Kindergeldzahlung behaftet gewesen, als er auf die AOK übergegangen sei. Deswegen sei der Anspruch der FAK vorrangig.

Gegen dieses Urteil hat die AOK die zugelassene Revision eingelegt. Sie meint, der in § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO angeordnete gesetzliche Forderungsübergang räume ihr eine stärkere Position als der FAK ein.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Bayerischen LSG vom 16. März 1966 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG Augsburg vom 17. Oktober 1963 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beigeladene beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beklagte stellt keine Anträge.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden.

II

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 183 Abs. 3 RVO idF des Leistungsverbesserungsgesetzes (LeistungsverbesserungsG) vom 12. Juli 1961 endet der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tage, von dem an Rente wegen EU oder Altersruhegeld von einem Träger der Rentenversicherung zugebilligt wird. Ist über diesen Zeitpunkt hinaus Krankengeld gezahlt worden, so geht der Anspruch auf die Rente bis zur Höhe des gezahlten Krankengeldes auf die Kasse über. Wie vom Senat in BSG 24, 285, 286 entschieden, ist § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO entsprechend anzuwenden, wenn während des Bezuges von EU-Rente oder Altersruhegeld Krankengeld gewährt wird (§ 183 Abs. 4 RVO). Das trifft auf den vorliegenden, bei Inkrafttreten des LeistungsverbesserungsG - am 1. August 1961 - noch nicht abgeschlossenen Versicherungsfall zu: M. bezog i.S. des § 183 Abs. 4 RVO (vgl. BSG 19, 28, 32) EU-Rente seit 1. Februar 1961, während Krankengeld bzw. Krankenhauspflege einschließlich Hausgeld erst ab 5. Februar 1961 gewährt wurde. Der Anspruch auf Krankengeld für höchstens sechs Wochen - gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an -, den § 183 Abs. 4 RVO dem Versicherten neben der Rente beläßt, war bei Inkrafttreten des LeistungsverbesserungsG schon verbraucht. Der Forderungsübergang nach § 183 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 RVO trat also zum 1. August 1961 - und nicht erst sechs Wochen danach - ein (vgl. BSG 24, 285, 290). Da das Krankengeld die Rente überstieg, erfaßte er die ganze, auf die Zeit vom 1. August bis 25. Oktober 1961 entfallende Rentennachzahlung (1 205,40 DM), insbesondere auch die Kinderzuschüsse (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 11. Juli 1967 - 3 RK 51/67 -, SozR Nr. 25 zu § 183 RVO).

Für die gleiche Zeit konnte aber auch die FAK nach § 1541 a Satz 1 aF i.V.m. § 1536 Satz 1 RVO Ersatz aus der Rente beanspruchen. Denn sie hatte M. für das dritte Kind H bis einschl. Oktober 1961 ein Kindergeld von 40 DM monatlich gewährt, obwohl ihm seit dem 1. Februar 1961 für dieses Kind ein Kinderzuschuß zur Rente von 44,40 DM monatlich zustand (vgl. auch § 3 Abs. 2 Nr. 7 des Kindergeldgesetzes vom 13. November 1954 - BGBl I S. 333 - idF des § 10 des Kindergeldergänzungsgesetzes - KGEG - vom 23. Dezember 1955 - BGBl I S. 841 - und des Art. I des Zweiten Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Kindergeldgesetze vom 16. März 1959 - BGBl I S. 153 -; § 4 Abs. 1 KGEG).

Die Summe beider Ansprüche überstieg die Rentennachzahlung von 1 205,40 DM jedenfalls um den mit der Klage geltend gemachten Betrag von 101,80 DM. Da die LVA nur einmal zur Leistung verpflichtet war, hatte sie über die Rangfolge bei der Deckung beider Ansprüche zu befinden. Sie hat mit Recht den Anspruch der FAK vor dem der AOK befriedigt.

Funktionell gesehen sind allerdings der gesetzliche Forderungsübergang nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO und der Ersatzanspruch des § 1541 a RVO aF verwandte Rechtsinstitute; beide Anspruchsberechtigten - Krankenkasse und Träger der Kindergeldzahlung - sollen in gewissen Grenzen dafür entschädigt werden, daß sie für den eigentlich verpflichteten Rentenversicherungsträger einspringen mußten (vgl. das Urteil des Senats vom 20. März 1969 - 3 RK 108/67 -, SozR Nr. 39 zu § 183 RVO, betr. das Verhältnis von § 183 Abs. 3 RVO und § 71 b BVG). Es darf - wie der 4. Senat in seinem Urteil vom 11. März 1969 - 4 RJ 107/68 - (SozR Nr. 23 zu § 1531 RVO) ausgesprochen hat - nicht ohne weiteres von dem Mittel, mit dem Ersatzansprüche durchzusetzen sind - hier gesetzlicher Forderungsübergang, dort selbständiger Ersatzanspruch -, auf die Stärke und Rangstelle dieser Berechtigungen geschlossen werden. Das wird an der Entstehungsgeschichte des § 1531 RVO deutlich, dem § 1541 a RVO aF - eingefügt durch das KGEG vom 23. Dezember 1955 - bewußt nachgebildet war: § 35 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes betr. die Invaliditäts- und Altersversicherung - IVG - vom 22. Juni 1889 (RGBl 97) ließ noch - der Regelung des § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO entsprechend - den Rentenanspruch kraft Gesetzes auf den Träger der Armenfürsorge übergehen. Später führte § 49 Abs. 2 des neugefaßten IVG vom 18. Juli 1899 (RGBl 463) anstelle des bisherigen gesetzlichen Forderungsübergangs einen selbständigen Anspruch auf Ersatz "durch Überweisung von Rentenbeträgen" ein, und zwar ohne Beschränkung auf die bereits fällig gewordenen Rentenzahlungen (vgl. die Amtliche Begründung zum Entwurf eines IVG, Reichstagsdrucksache Nr. 93, 10. Legislatur-Periode, I. Session 1898/99 S. 277 f; Isenbarth-Spielhagen, IVG, 2. Aufl. 1903, Anm. II zu §§ 49, 50 und 51 IVG). Weitere Ziele - etwa eine "Rang"-aufbesserung im Verhältnis zu anderen, die Rente aus gesetzlichem Forderungsübergang beanspruchenden Trägern von Sozialleistungen - waren dabei nicht ins Auge gefaßt. Der Ersatzanspruch des § 1531 RVO - und damit auch der des § 1541 a RVO aF - sollte nach der Vorstellung des Gesetzgebers nichts anderes sein als der Überweisungsanspruch des IVG (vgl. die Begründung zum Entwurf einer RVO, Anlagen zur Reichstagsdrucksache Nr. 340, 12. Legislatur-Periode, II. Session 1909/10, S. 438; RVA GE Nr. 1880, AN 1914, 634, 637).

Auch die Stellung der Krankenkasse und des Trägers der Kindergeldzahlung im System der sozialen Leistungsverwaltung ist für die Rangfrage nicht ergiebig. Insbesondere spricht für den Vorrang des Forderungsübergangs nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO nicht zwingend, daß die Krankenkasse - rückschauend gesehen - stellvertretend für den Träger der Rentenversicherung "Schnellhilfe" geleistet hat. Wenn Peters (Handbuch der Krankenversicherung, Stand Mai 1969, Anm. 6 c zu § 183 RVO) folgert, diesem engen Zusammenwirken zweier Versicherungszweige könne nur ein möglichst enger, dem Zweck der Sozialversicherung als Ganzes entsprechender Belastungsausgleich gerecht werden, so läßt sich - worauf Panse (ZfS 1968, 208, 209) hinweist - auch umgekehrt argumentieren: Gerade weil die §§ 1531 ff RVO das System der Sozialversicherung als Ganzes in Beziehung zu einem anderen, gleichfalls Sozialleistungen gewährenden System bringen, kommt ihnen gegenüber einer bloßen "Binnenregelung" wie § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO herausragende Bedeutung zu.

Wie der Senat in seinem Urteil vom 20. März 1969 (SozR Nr. 39 zu § 183 RVO) ausgesprochen hat, ist auch die Finanzierungsquelle einer Leistung, zu deren Ausgleich ein Übergang des Rentenanspruchs vorgesehen ist, für den Rang der Forderung des Leistungsträgers grundsätzlich ohne Bedeutung; denn sie sagt nichts über das höhere Schutzbedürfnis der einen oder anderen Leistungsverwaltung aus.

Ebensowenig kommt es darauf an, daß die AOK den Forderungsübergang schon mit Schreiben vom 12. September und 31. Oktober 1961, die FAK ihren Ersatzanspruch aber erst mit Schreiben vom 3. Oktober und 2. November 1961 bei der LVA geltend gemacht hat. Der für die Zwangsvollstreckung geltende Grundsatz, daß die Priorität des Zugriffs über den Befriedigungsrang entscheidet, kann für die Beurteilung der materiellen Rechtslage nicht maßgebend sein; die sich allein aus dem materiellen Recht ergebende Rangstellung eines Gläubigers ist unabhängig von der Geltendmachung des Rechts (Urteil des Senats vom 20. März 1969, aaO, im Anschluß an BGHZ 28, 68, 72). In diesem Zusammenhang bedarf es keines Eingehens auf die Ansicht des 4. Senats, der in seinem Urteil vom 11. März 1969 (aaO) die Konkurrenz zwischen dem Ersatzanspruch des Sozialhilfeträgers nach § 1531 RVO und dem Anspruch der Kindergeldkasse nach § 23 Abs. 1 BKGG unter dem Gesichtspunkt des Zeitvorrangs gelöst hat. Denn § 23 Abs.1 BKGG macht den Übergang des Rentenanspruchs von einer schriftlichen Überleitungsanzeige der Kindergeldkasse, also - möglicherweise ähnlich wie in der Zwangsvollstreckung - von einem Zugriff des Gläubigers auf das Befriedigungsobjekt abhängig. Hier stehen sich indessen zwei Anspruchsberechtigungen gegenüber, die beide unmittelbar kraft Gesetzes entstanden sind, ohne daß es einer Überleitungsanzeige, einer Mitteilung an die LVA oder eines ähnlichen Zutuns der Berechtigten bedurfte. Nach § 1539 RVO, der nach § 1541 a RVO aF auch für den Ersatzanspruch des Trägers der Kindergeldzahlung galt, ist zwar der Anspruch auf Ersatz ausgeschlossen, wenn er nicht spätestens sechs Monate nach Ablauf der Unterstützung geltend gemacht wird. Die "Belastung" des Anspruchs auf Rentennachzahlung durch den Ersatzanspruch aus § 1541 a RVO aF erfolgte jedoch unabhängig davon, ob dieser schon geltend gemacht war oder ob dies erst künftig - innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 1539 RVO - geschah (vgl. BSG 24, 16, 18). § 1539 RVO normiert nur einen Ausschlußtatbestand; die fristgemäße Anmeldung bringt den Ersatzanspruch nicht etwa zum Entstehen, sondern sie bewahrt lediglich den bereits entstandenen Anspruch vor dem Erlöschen.

Auch der Eintritt des Forderungsübergangs nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO und die Entstehung des Ersatzanspruchs aus § 1541 a RVO aF bieten keinen Anknüpfungspunkt für den Prioritätsgedanken. Der Anspruch des M. auf Rentennachzahlung für die Zeit vom 1. August bis 25. Oktober 1961 ist mit der Bewilligung der Rente rückwirkend zum 1. August 1961 auf die AOK übergegangen (vgl. BSG 24, 285, 290). Aber auch zugunsten der FAK war der Rentenanspruch für jeden Monat der Gewährung von Kindergeld von vornherein durch den Ersatzanspruch des § 1541 a RVO aF "belastet". Diese "Belastung" und der Übergang nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO sind also - ohne sich gegenseitig auszuschließen - für den Zeitraum, in dem sie sich gegenüberstehen, gleichzeitig eingetreten (vgl. Franz, SozVers 1964, 273, 274).

Nach alledem läge es nahe, den auf die Zeit vom 1. August bis 25. Oktober 1961 entfallenden Kinderzuschuß für das Kind H. im Verhältnis der beiderseitigen Aufwendungen zu teilen. Für diese Lösung hat sich das RVA (GE Nr. 2118, AN 1915, 772, 774) bei Zusammentreffen mehrerer gleichberechtigter Ersatzansprüche von Armenverbänden auf die gleiche Versicherungsleistung (§§ 1531, 1536, 1506 Abs. 1 RVO aF) ausgesprochen. Es konnte insoweit auch auf die Begründung zum Entwurf einer RVO (Anlagen zur Reichstagsdrucksache Nr. 340, 12. Legislatur-Periode, II. Session 1909/10 S. 451) verweisen. Dort ist für die Teilung der in den §§ 1506, 1507 RVO aF in erster Linie in Betracht kommenden Unfallrente ausgeführt: "Übersteigen die Leistungen der beiden Kassen die Grenze (nämlich die dem Versicherten nach damaligem Recht verbleibende halbe Unfallrente), so werden sie, ihre Gleichberechtigung vorausgesetzt, nach Verhältnis ihrer Höhe in ihrem Umfang auf die Höhe der halben Unfallrente beschränkt." Im gleichen Sinne hat der Bundesgerichtshof (BGH) in BGHZ 28, 68, 72 f entschieden, in Fällen eines mehrfachen Forderungsübergangs nach § 1542 RVO seien die Versicherungsträger, soweit sie konkurrieren, Gesamtgläubiger. Als sachgerechter Maßstab für den Innenausgleich biete sich von selbst das Größenverhältnis der beiderseitigen Versicherungsleistungen an. Dabei sei vorausgesetzt, daß es sich um gleichartige Versicherungsleistungen handele, die sachlich und zeitlich dem Schaden kongruent seien, auf dessen Erstattung der gemäß § 1542 RVO übergegangene Anspruch bestehe und daß sich nicht aus besonderen rechtlichen Gesichtspunkten ein Vorrang eines Versicherungsträgers ergebe.

Dieser Ansicht ist der Senat in seinem Urteil vom 20. März 1969 (SozR Nr. 39 zu § 183 RVO) insoweit beigetreten, als in solchen Fällen grundsätzlich Gleichrangigkeit angenommen wird. Er ist jedoch - ebenso wie das RVA und der BGH aaO - ausdrücklich von der Voraussetzung ausgegangen, daß es sich um gleichberechtigte Forderungsübergänge handelt oder daß - was dasselbe besagt - der eine dem anderen nicht aus besonderen rechtlichen Gesichtspunkten vorgeht. An dieser Voraussetzung fehlt es hier; der Ersatzanspruch des § 1541 a RVO aF geht dem Forderungsübergang nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO unter dem Gesichtspunkt der Spezialität vor.

§ 183 Abs. 3 Satz 2 RVO regelt nur den Ausgleich globaler, auf den gesamten Lebensbedarf des Versicherten zugeschnittener Leistungen. Demgegenüber stellte § 1541 a RVO aF (vgl. jetzt § 23 Abs. 1 BKGG) eine besondere Ausgleichsbeziehung zwischen Kinderzuschuß und Kindergeld her, welche der Gleichartigkeit dieser in gewissem Sinne zweckgebundenen Leistungen (vgl. BSG 19, 241, 243) Rechnung trug. Während § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO den Kinderzuschuß lediglich als unselbständigen Teil der Rente (§ 1262 Abs. 1 RVO) auf die Krankenkasse mit überleitet - und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sich das Krankengeld um entsprechende Leistungen nach § 182 Abs. 4 Satz 2 RVO erhöht hat oder nicht -, löste § 1541 a RVO aF ihn eigens für den Zugriff des Trägers der Kindergeldzahlung aus dem engen Verband mit der Stammrente heraus. Nach § 4 Abs. 1 des hier noch anzuwendenden KGEG war das Kindergeld ausdrücklich nur "vorläufig" zu gewähren, solange ein den Anspruch auf Kindergeld ausschließender Anspruch auf Kinderzuschuß aus den gesetzlichen Rentenversicherungen noch nicht erfüllt wurde. Ähnlich darf das Arbeitsamt nach § 8 Abs. 3 des jetzt maßgebenden BKGG das Kindergeld nur unter dem "Vorbehalt der Rückforderung" gewähren, wenn eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beantragt ist, für die ein Kinderzuschuß in Betracht kommt. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers wird also das Kindergeld in einem Falle wie dem vorliegenden als Vorschuß auf den künftig nachzuzahlenden Kinderzuschuß gewährt. In dem Ersatzanspruch nach § 1541 a RVO aF kann daher ein gesetzlich geregelter Sonderfall der in § 119 RVO zugelassenen Verpfändung eines bevorschußten Leistungsanspruchs erblickt werden (so für § 23 Abs. 1 BKGG auch Kühl, ABA 1969, 180).

Die Fassung des § 183 Abs. 3 RVO bringt diesen Rechtsgedanken für das Krankengeld nicht zum Ausdruck. Vielmehr hebt die § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO zugrunde liegende Interessenwertung auf das Ausgleichsverhältnis zwischen Krankenkasse und Versichertem ab. Hier soll das Entschädigungsinteresse der Krankenkasse den unbedingten Vorrang haben, weil der Versicherte mit dem - in aller Regel - höherem Krankengeld immer noch mehr als die eigentlich ihm zustehende Rente einschließlich Kinderzuschuß erhalten hat (Urteil des Senats vom 11. Juli 1967, SozR Nr. 25 zu § 183 RVO). Davon wesentlich verschieden ist die Interessenlage, wenn die Krankenkasse beim Zugriff auf den Kinderzuschuß mit dem Träger der Kindergeldzahlung zusammentrifft, der eine gleichartige Leistung für den Kindesunterhalt erbracht hat, aber nicht - wie der Versicherte - durch das überzahlte Krankengeld schadlos gestellt ist. Für den Fall des § 1262 Abs. 8 RVO, daß nämlich der Kinderzuschuß zugunsten eines Dritten abgezweigt wird, der den Unterhalt des Kindes überwiegend bestreitet, hat der Senat schon in seinem Urteil vom 11. Juli 1967 (aaO) eine besondere Bezugsberechtigung angenommen, die den Forderungsübergang nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO einschränkt.

Für die besondere Ersatzberechtigung aus § 1541 a RVO aF kann nichts anderes gelten. Hier wie dort soll der Kinderzuschuß jedenfalls in erster Linie dem zufließen, der in einer dem Zweck des Zuschusses entsprechenden Weise zum Unterhalt des Kindes beiträgt oder - im Nachzahlungsfalle - beigetragen hat. Nur der Vorrang des Ersatzanspruchs aus § 1541 a RVO aF vor dem Forderungsübergang nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO wird letztlich auch dem gemeinsamen Anliegen beider Bestimmungen gerecht, Doppelleistungen zu verhindern. Bei umgekehrter Rangfolge würden nämlich der Träger der Rentenversicherung und derjenige der Kindergeldzahlung für dieselbe Zeit nebeneinander auf Kinderzuschuß und Kindergeld in Anspruch genommen (im Ergebnis ebenso Franz, aaO S. 275 f. und - für das insoweit gleichgelagerte Verhältnis zwischen § 183 und § 119 a RVO - Oppenländer, Mitt. LVA Württ. 1969, 170, 173; vgl. auch Kühl, aaO).

Über die Frage, ob etwa anders zu entscheiden wäre, wenn die Krankenkasse gemäß § 182 Abs. 4 Satz 2 RVO mit Rücksicht auf die Kinder des Versicherten das Krankengeld erhöht, brauchte der Senat nicht zu befinden, da es sich um Drittkindergeld handelt und von der Krankenkasse wegen Erschöpfung der Zuschlagsquote von 10 v.H. kein weiterer Betrag für das dritte Kind gezahlt worden ist.

Obwohl nicht Inhaberin des Anspruchs auf Rentennachzahlung, war die FAK nach alledem auf Grund ihres Ersatzanspruchs aus § 1541 a RVO aF zur Einziehung der an sie gezahlten Beträge ermächtigt (vgl. Sieg, SGb 1966, 161, 163). Insoweit hat die Zahlung an die FAK auch den nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO übergegangenen Rentenanspruch, also auch den mit der Klage verfolgten Teil dieses Anspruchs, zum Erlöschen gebracht.

Dieser Auffassung steht auch nicht das Urteil des 4. Senats vom 11. März 1969 (SozR Nr. 23 zu § 1531 RVO) entgegen. Hier hat der 4. Senat die Ansicht vertreten, daß aus dem inhaltlichen "Gewicht" und einer Bewertung der einzelnen miteinander konkurrierenden Ersatzberechtigungen kein zuverlässiger, einheitlich zu handhabender Maßstab für ihre Rangfolge zu gewinnen sei. Er hat es jedoch offengelassen, ob "im Einzelfall die Interessenabwägung einen überzeugenden Gesichtspunkt für die Bevorzugung dieses oder jenes Ersatzrechts zu liefern vermag". Ein solcher Gesichtspunkt ist hier - wie dargelegt - derjenige der Spezialität, zumal - wie ebenfalls ausgeführt - der Rechtsgedanke des zeitlichen Vorrangs im Verhältnis von § 183 Abs. 3 Satz 2 und § 1541 a RVO aF nicht verwertbar ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1668921

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