Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorarabzüge zugunsten eines Versorgungswerkes
Leitsatz (amtlich)
1. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über den Anspruch eines Kassenarztes (Kassenzahnarztes) auf Auszahlung von Honorarteilen, die die beklagte KÄV (KZÄV) für Zwecke einer von ihr geschaffenen Versorgungseinrichtung (erweiterte Honorarverteilung) einbehalten hat.
2. Die KZÄV durften bis zum Inkrafttreten des GKAR Einrichtungen für die Alters- und Hinterbliebenenversorgung ihrer Mitglieder schaffen ( Satzung KZÄV idF vom 1937-07-29 § 2 Abs 4 S 3), sie durften solche Einrichtungen auch nach dem Inkrafttreten des GKAR fortführen und die für sie erlassenen Bestimmungen später noch ändern (Ergänzung zu BSG 1966-07-20 6 RKa 2166 = SozR Nr 1 zu GKAR Art 4 § 1).
3. Sehen die für eine kassen(zahn)ärztliche Versorgungseinrichtung erlassenen Bestimmungen vor, daß die Anwartschaft auf Versorgungsleistungen mit dem Ausscheiden als Mitglied der KÄV (KZÄV) endet, so wird das ausgeschiedene Mitglied durch den Verlust seiner - von vornherein auf die Dauer seiner Mitgliedschaft beschränkten - Versorgungsanwartschaft nicht "enteignet" (GG Art 14).
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Finanzierung kassenzahnärztlicher Versorgungseinrichtungen dürfen Honorarabzüge vorgenommen werden, wenn dies vor Inkrafttreten des KARG gestattet war; das gilt auch dann, wenn die diesbezüglichen landesrechtlichen Regelungen später ohne wesentliche Änderungen durch neue Regelungen ersetzt worden sind.
2. Beim Ausscheiden aus einer KZÄV steht dem Kassenzahnarzt kein Anspruch auf Rückgewährung der einbehaltenen Honorarteile zu; eine entschädigungslose und damit verfassungswidrige Enteignung liegt insoweit nicht vor.
Normenkette
SGG § 51 Fassung: 1953-09-03; GG Art. 14 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1949-05-23; KARG Art. 4 § 1 Fassung: 1955-08-17
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. Februar 1966 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger, der bis 1961 in Schleswig-Holstein als Kassenzahnarzt zugelassen war, verlangt von der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) die Auszahlung von Honorarteilen, die diese während seiner früheren Tätigkeit für Zwecke der sog. erweiterten Honorarverteilung einbehalten hat.
An der Verteilung der kassenzahnärztlichen Gesamtvergütung nehmen im Bezirk der Beklagten unter bestimmten Voraussetzungen auch nicht mehr berufstätige Zahnärzte und Hinterbliebene von verstorbenen Zahnärzten teil (erweiterte Honorarverteilung). Seit dem 1. Oktober 1947 geschah dies aufgrund von Richtlinien für die Witwen-, Waisen- und Invalidenbetreuung (WWIB), die die Delegiertenversammlung der Beklagten als für alle Mitglieder "verbindlich" beschlossen hatte. Diese Richtlinien sahen in der Fassung vom 17. Mai 1952 für den Fall, daß ein Kassenzahnarzt berufsunfähig wurde oder starb, die Zahlung von Beihilfen (monatlich höchstens 120,- DM je Person und 300,- DM je Familie) vor. Die Beihilfen wurden freiwillig - ohne Rechtsanspruch - gewährt und setzten Bedürftigkeit voraus. Die Verwaltung der Betreuungseinrichtung lag bei einem Kuratorium; dieses konnte nach seinem Ermessen auch Zahnärzten, die aus zwingenden Gründen aus dem Bezirk der Beklagten verzogen waren, bei Eintritt des Leistungsfalles Leistungen zubilligen.
Seit dem 1. Mai 1957 gelten für die Mitglieder der Beklagten neue Bestimmungen über eine Vorsorge für den Fall des Alters, der Invalidität und des Todes (AIHV). Die Leistungen (Ruhegeld, Witwen-, Witwer- und Waisengeld) bemessen sich nunmehr nach Bruchteilen des jeweiligen Durchschnittshonorars aller Kassenzahnärzte (§ 5). Auf sie besteht ein Rechtsanspruch, sofern die Versorgungseinrichtung nicht durch Maßnahmen der Verwaltung oder einen Beschluß der Vertreterversammlung der Beklagten geändert oder aufgelöst wird (§§ 1, 12). Der Anspruch auf Versorgung endet u.a. mit dem Verzicht auf die Zulassung oder mit ihrer rechtskräftigen Entziehung (§ 7 Abs. 1). Auch in diesen Fällen kann jedoch zur Vermeidung von Härten nach dem Ermessen des Kuratoriums eine Leistung zugebilligt werden (§ 7 Abs. 2). Bei einem Praxistausch zwischen etwa gleichaltrigen Zahnärzten können beide mit Zustimmung der zuständigen KZÄV'en ihre Versorgungsansprüche austauschen (§ 6). Mit dem Inkrafttreten der neuen Vorschriften wurden die Leistungen der WWIB in das neue Versorgungswerk nach den früher gültigen Sätzen übernommen (§ 13 Abs. 1).
Die Beklagte behielt vom Kassenhonorar des Klägers vom 1. Quartal 1954 bis zum 3. Quartal 1961 - für die frühere Zeit fehlen Unterlagen - für die WWIB mehr als 300,- DM und für die AIHV mehr als 900,- DM ein (nach einer Aufstellung in den Verwaltungsakten der Beklagten zusammen 1.245,66 DM). Nachdem der Kläger im August 1961 aus dem Bezirk der Beklagten verzogen war, erklärte der Zulassungsausschuß seine Kassenzulassung mit Wirkung vom 1. Oktober 1961 für beendet. Seinen Antrag vom September 1962, ihn weiterhin unter Entgegennahme von Beiträgen am Versorgungswerk der Beklagten teilnehmen zu lassen, lehnte diese mit Bescheid vom 23. Januar 1963 und Widerspruchsbescheid vom 13. März 1963 ab. Sie bezog sich dabei auf § 7 Abs. 1 der AIHV-Bestimmungen; danach habe der Kläger mit dem Ende der Zulassung am 1. Oktober 1961 seine bisherigen Ansprüche auf Teilnahme an der erweiterten Honorarverteilung verloren. Über die Anwendung der Härteklausel (§ 7 Abs. 2) könne erst nach Eintritt des Versorgungsfalles entschieden werden.
Nachdem dieser Bescheid bindend geworden war, beantragte der Kläger im September 1963 die Erstattung der bis 1961 einbehaltenen Beträge. Die Beklagte lehnte auch diesen Antrag mit Bescheid vom 10. Oktober 1963 und Widerspruchsbescheid vom 29. November 1963 ab: Die Mittel für die erweiterte Honorarverteilung würden nicht durch Beiträge, sondern im Umlagewege aufgebracht, es werde kein Kapital angesammelt, das zurückgezahlt werden könne; der Kläger sei auch nicht enteignet worden, da er seine Praxis aus freiem Entschluß verlegt habe.
Mit der hiergegen erhobenen Klage machte der Kläger geltend, die Satzungsbestimmung der Beklagten, nach der er mit der Beendigung der Zulassung seine Anwartschaft auf eine Altersversorgung bei der Beklagten verloren habe, sei verfassungswidrig, weil sie ihn praktisch enteigne; entweder hätte ihm die Beklagte trotz seines Wegzuges die weitere Teilnahme an ihrer Versorgungseinrichtung gestatten oder ihm die entrichteten "Beiträge" zumindest zu einem hohen Prozentsatz zurückzahlen müssen.
Das Sozialgericht (SG) wies die Klage als unbegründet ab: Die Bestimmungen der Beklagten sähen bei Verzicht auf die Kassenzulassung keine Rückerstattung der für die erweiterte Honorarverteilung einbehaltenen Beträge vor. Darin liege keine verfassungswidrige Enteignung, da das bis zum Eintritt des Versorgungsfalles bestehende bedingte Forderungsrecht nicht dem Eigentumsbegriff zugerechnet werden könne. Im übrigen dürften die Gerichte mangels einer Entschädigungsregelung die Entschädigung nicht von sich aus festsetzen (Urteil vom 11. März 1964).
Auch die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt: Über den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Auszahlung von einbehaltenen Teilen seines Kassenhonorars hätten die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu entscheiden. Der Klaganspruch sei unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt unbegründet. Die Beklagte habe die streitigen Honorarteile mit Recht einbehalten. Aufgrund der Verordnung über die Kassenzahnärztliche Vereinigung Deutschlands (KZVD) vom 27. Juli 1933, die jedenfalls bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über Kassenarztrecht (GKAR) am 20. August 1955 gültig geblieben sei, habe sie die WWIB-Richtlinien des Jahres 1947 wirksam erlassen und sie auch später noch ändern, d.h. durch die AIHV-Bestimmungen des Jahres 1957 ersetzen können. In diesen Bestimmungen sei keine Auszahlung von einbehaltenen Honorarteilen vorgesehen. Darin liege auch im Falle des Klägers keine verfassungswidrige Enteignung, seine Versorgungsanwartschaft habe nämlich von vornherein unter der auflösenden Bedingung gestanden, daß er bis zum Eintritt des Versorgungsfalles nicht als Mitglied der Beklagten ausscheide. Im übrigen sei seine Anwartschaft mit der Beendigung der Kassenzulassung noch nicht endgültig erloschen, sondern nur auf die Ermessensleistungen des § 7 Abs. 2 der AIHV-Bestimmungen beschränkt worden. Schließlich hätte er selbst im Falle einer verfassungswidrigen und damit unwirksamen Enteignung keinen Entschädigungsanspruch, weil dieser eine rechtswirksame Enteignung voraussetze und überdies vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen sei (Urteil vom 14. Februar 1966).
Der Kläger hat hiergegen die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und gerügt: Das LSG habe sein Klagebegehren nicht richtig gewürdigt. Tatsächlich habe er die Einbehaltung von Honorarteilen durch die Beklagte niemals beanstandet, sondern sich nur dagegen gewandt, daß die Beklagte ihm nach seinem Wegzug die weitere Teilnahme an ihrer Versorgungseinrichtung verweigert und es darüberhinaus abgelehnt habe, ihm trotz des Verlustes seiner Versorgungsanwartschaft wenigstens einen Teil seiner Beiträge zurückzuerstatten. Damit habe die Beklagte ihn unter Verstoß gegen Art. 14 des Grundgesetzes (GG) entschädigungslos enteignet. Für den auf diesen Sachverhalt gegründeten Klaganspruch seien die Verwaltungsgerichte, nicht die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig. Deren Zuständigkeit wäre nur dann gegeben, wenn es an jeglicher Rechtsgrundlage für die Versorgungseinrichtung der Beklagten fehlen sollte, die streitigen Honorarteile also zu Unrecht einbehalten worden seien.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 14. Februar 1966 und des SG Schleswig vom 11. März 1964 sowie die Bescheide der Beklagten vom 10. Oktober und 29. November 1963 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die von seinem Kassenhonorar bis September 1961 für Zwecke der erweiterten Honorarverteilung einbehaltenen Beträge auszuzahlen,
hilfsweise,
unter Aufhebung der genannten Urteile den Rechtsstreit an das zuständige Verwaltungsgericht zu verweisen.
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Urteils,
die Revision des Klägers und seinen Verweisungsantrag zurückzuweisen.
II
Die Revision ist nicht begründet.
Der Kläger macht nach seinen im gerichtlichen Verfahren gestellten Anträgen einen Anspruch auf Auszahlung von einbehaltenen Honorarteilen gegen die beklagte KZÄV geltend. Dieser Anspruch gehört vor die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit; denn der Rechtsstreit betrifft die Beziehungen der beklagten KZÄV zu ihren Mitgliedern und ist deshalb eine Angelegenheit des Kassenzahnarztrechts im weiteren, auch die kassenzahnärztliche Selbstverwaltung umfassenden Sinne des § 51 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - (vgl. § 12 Abs. 3 Satz 2 SGG und Urteil des Senats vom 20. Juli 1966, SozR GKAR Art. 4 § 1 Nr. 1). Daß nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten mit Versorgungseinrichtungen der Ärztekammern der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist, weil der Begriff der Sozialversicherung im Sinne des § 51 SGG auf die klassischen Zweige der Sozialversicherung zu beschränken sei (BVerwGE 17, 74 und dazu Haueisen, DOK 1967, 453, 457), berührt den vorliegenden Rechtsstreit nicht. Anders als die rechtlichen Beziehungen der Ärztekammern zu ihren Mitgliedern, die im allgemeinen Verwaltungsrecht wurzeln und über die deshalb im Streitfall die allgemeinen Verwaltungsgerichte entscheiden, gehören die Angelegenheiten der Kassenzahnärzte zum Recht der Sozialversicherung und damit vor die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit.
Die Beklagte hat die streitigen Honorarteile des Klägers mit Recht einbehalten. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich nicht, ob die Beklagte dem Kläger jemals einen förmlichen Bescheid über die Einbehaltung von Teilen seines Kassenhonorars für ihr Versorgungswerk erteilt hat oder - was näher liegt - die Honorarabzüge jeweils in den vierteljährlichen Honorarfestsetzungsbescheiden ausgewiesen hat. In dem einen wie dem anderen Falle könnte eine bindende Feststellung über die Berechtigung der Beklagten zur Einbehaltung der fraglichen Beträge vorliegen (§ 77 SGG), so daß es nicht mehr darauf ankäme, ob die Beklagte nach materiellem Recht zur Vornahme der streitigen Honorarabzüge befugt war. Die Entscheidung würde indessen nicht anders ausfallen, wenn zwischen den Beteiligten keine Bindung eingetreten und deshalb die materielle Berechtigung der Beklagten zur Vornahme der Honorarabzüge zu prüfen wäre.
Der Senat hat in dem schon genannten Urteil vom 20. Juli 1966, das ein kassenärztliches Versorgungswerk betraf, offen gelassen, ob nach der Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands (KVD) in der Fassung vom 27. Januar 1941 (AN 1941 II 104), insbesondere aufgrund der darin der KVD erteilten Ermächtigung, Maßnahmen zu treffen, "die der Erhaltung der Arbeitskraft der Ärzte und ihrer wirtschaftlichen Sicherstellung dienen" (§ 2 Abs. 2 Satz 5), auch die Errichtung einer Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Kassenärzte zulässig war. Für Kassenzahnärzte ist diese Frage nach der Satzung der KZVD vom 14. November 1933 mit Änderungen vom 29. Juli 1937 und 18. März 1943 (AN 1934 IV 4, 1937 IV 289 und 1943 II 143) unbedenklich zu bejahen.
§ 2 Abs. 4 Satz 3 dieser Satzung, der seinerseits durch § 8 der Verordnung über die KZVD vom 27. Juli 1933 (RGBl I 540) gedeckt war, lautete in der Fassung vom 29. Juli 1937:
"Sie (d.h. die KZVD) kann hierbei (d.h. bei der Verteilung der Gesamtvergütung) Maßnahmen treffen, die bevölkerungspolitische (Sicherstellung der vordringlichen Besetzung von Zahnarztsitzen), erbbiologische (Familienstand) und soziale Gesichtspunkte (Unterstützungen, Beihilfen) berücksichtigen und solche, die einen Ausgleich unter Zahnärzten eines Gebietes oder unter mehreren Gebieten bezwecken".
Aufgrund dieser Bestimmung errichte die KZVD noch im Jahre 1937 eine "Sozialkasse", die nach Maßgabe von gleichzeitig erlassenen Richtlinien Leistungen an erwerbsunfähige, vorübergehend arbeitsunfähige und alte Kassenzahnärzte sowie deren Hinterbliebene gewährte (vgl. Zahnärztliche Mitteilungen 1937 S. 743, 811, 812, 813 ff).
Nach dem Kriege übernahmen die bisherigen regionalen Untergliederungen der handlungsunfähig gewordenen KZVD deren Aufgaben und traten als selbständige Körperschaften in die Rechtsstellung der KZVD ein, wie sie durch die Verordnung über die KZVD und deren Satzung umschrieben war, sofern nicht die Länder insoweit neue Vorschriften erließen, was für das Land Schleswig-Holstein nicht zutrifft (vgl. hierzu Hess/Venter, Das Gesetz über Kassenarztrecht, Anm. I 1 zu Art. 4 §§ 2 bis 4, S. 353 f). In Schleswig-Holstein ist lediglich die Befugnis der dortigen Zahnärztekammer zur Unterhaltung einer Versorgungs- und Fürsorgeeinrichtung landesgesetzlich geregelt worden (vgl. § 3 des Gesetzes über die Zahnärztekammer vom 18. Dezember 1953 mit Änderungen vom 27. Juli 1959 und 16. November 1967, GVOBl. Schleswig-Holstein 1953 S. 186, 1959 S. 164 und 1967 S. 254).
Die Beklagte konnte mithin im Jahre 1947 nach § 2 Abs. 4 Satz 3 der Satzung der KZVD bei der Honorarverteilung "Maßnahmen treffen, die ... soziale Gesichtspunkte (Unterstützungen, Beihilfen) berücksichtigen". Zu den hiernach zulässigen Maßnahmen gehörte die Schaffung einer Betreuungseinrichtung wie der WWIB; mit ihr setzte die Beklagte für ihren Bezirk die Tätigkeit der früheren Sozialkasse der KZVD fort.
Die Richtlinien, nach denen die Beklagte die Betreuung vornahm - sie wurden von der Delegiertenversammlung der Beklagten beschlossen und mit Wirkung vom 1. Oktober 1947 zu verbindlichem Satzungsrecht erklärt - sahen nun allerdings nicht ausdrücklich vor, daß die Leistungen aus der kassenzahnärztlichen Gesamtvergütung zu bestreiten waren, die Mitglieder der Beklagten sich also entsprechende Honorarabzüge gefallen lassen mußten. Das LSG hat jedoch § 4 der WWIB-Richtlinien, wonach die Beklagte die Mittel für die Beihilfen trug, dahin ausgelegt, daß die erforderlichen Beträge vorweg aus der Gesamtvergütung zu entnehmen waren. Diese Auslegung ist für den Senat bindend, da sie den Inhalt einer Norm betrifft, deren Verletzung im Revisionsverfahren nicht nachgeprüft werden kann, weil sie nur im Bezirk des Berufungsgerichts galt (§ 162 Abs. 2 SGG iVm § 562 der Zivilprozeßordnung, § 202 SGG).
Die Befugnis der Beklagten, den Kläger mit seinem Kassenhonorar zur Finanzierung ihrer Betreuungseinrichtung heranzuziehen, erlosch ... auch nicht mit dem Inkrafttreten des GKAR vom 17. August 1955 (BGBl I 513); denn das GKAR ließ landesrechtliche, d.h. auf das Gebiet eines Landes beschränkte Regelungen über die Altersversorgung der Kassenärzte (einschließlich einer Versorgung für den Fall der Berufsunfähigkeit und des Todes) unberührt (Art. 4 § 1 Abs. 2 Satz 2). Dieser Vorbehalt zugunsten von landesrechtlichen Regelungen, die bei Inkrafttreten des GKAR bereits bestanden, schloß, wie der Senat schon früher entschieden hat, auch die Ermächtigung ein, die für die jeweilige Versorgungseinrichtung erlassenen Rechtsnormen später zu ändern, (vgl. das angeführte Urteil des Senats vom 20. Juli 1966 und BVerfGE 11, 192, 200). Sollte nämlich der Zweck jener Übergangsvorschrift erreicht werden, bestehende Versorgungseinrichtungen am Leben zu erhalten, so mußte ihnen der Gesetzgeber auch die Möglichkeit geben, die für sie erlassenen Bestimmungen später einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder einem Wechsel in den Anschauungen der sie tragenden Gemeinschaft anzupassen, namentlich was die Höhe der zu gewährenden Leistungen betrifft.
Die Beklagte war mithin berechtigt, die WWIB-Richtlinien auch nach dem Inkrafttreten des GKAR noch zu ändern. Das ist geschehen durch Erlaß der AIHV-Bestimmungen, die nach den Feststellungen des LSG zwar erst am 1. Mai 1957 wirksam wurden, jedoch die vorher gültig gewesen WWIB-Richtlinien lediglich "ersetzten". Dieser Feststellung, die ebenfalls Landesrecht betrifft und deshalb vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft werden kann, ist zugleich zu entnehmen, daß die 1947 errichtete Versorgungseinrichtung der Beklagten nicht etwa mit dem Erlaß der neuen Bestimmungen aufgelöst und an ihre Stelle ein neues Versorgungswerk getreten ist, sondern daß die alte Einrichtung im Jahre 1957 nur ein neues rechtliches Gewand erhalten, ihre Identität aber nicht eingebüßt hat. An der Gewährung der Versorgungsleistungen hat sich dadurch, daß auf sie nach den neuen Bestimmungen ein Rechtsanspruch besteht, praktisch wenig geändert; sie werden nach wie vor in den Fällen der Berufsunfähigkeit und des Todes gezahlt, wobei ihre Höhe allerdings den gewandelten Zeitverhältnissen angepaßt worden ist. Auch das bisherige Finanzierungssystem ist im wesentlichen unverändert geblieben.
Da somit die neuen AIHV-Bestimmungen der Beklagten wirksam erlassen worden sind, hat die Beklagte für die ganze streitige Zeit - bis zum Wegzug des Klägers im Jahre 1961 - mit Recht Honorarabzüge für Zwecke der erweiterten Honorarverteilung beim Kläger vorgenommen.
Der Kläger kann die einbehaltenen Beträge auch nicht als Entschädigung dafür verlangen, daß er nach seinem Wegzug und dem Ausscheiden bei der Beklagten eine - rechtlich gesicherte - Anwartschaft auf Leistungen aus ihrem Versorgungswerk verloren hat.
Daß weder die früheren WWIB-Richtlinien noch die derzeitigen AIHV-Bestimmungen einem ausgeschiedenen Kassenzahnarzt einen Anspruch auf Auszahlung von einbehaltenen Honorarteilen geben, daß vielmehr dem Ausgeschiedenen die von ihm geleisteten "Beiträge" nur in der Form zugute kommen können, daß ihm bei Eintritt des Versorgungsfalles aus Billigkeitsgründen gewisse Leistungen gewährt werden (vgl. § 7 Abs. 2 der AIHV-Bestimmungen), hat das Berufungsgericht für den Senat bindend festgestellt. Das LSG hat ferner zutreffend angenommen, daß darin keine entschädigungslose und damit verfassungsrechtlich unzulässige "Enteignung" liegt.
Ob eine Anwartschaft auf Versorgung durch eine öffentlich-rechtliche Institution als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG, d.h. als ein Recht anzusehen ist, das die den Eigentumsbegriff konstituierenden Merkmale trägt oder wenigstens der - durch das bürgerliche Recht und die gesellschaftlichen Anschauungen geprägten - Position eines Eigentümers so nahe kommt, daß seine entschädigungslose Entziehung mit dem rechtsstaatlichen Gehalt des GG unvereinbar wäre (vgl. BVerfGE 4, 241; 11, 226; 14, 293), braucht hier nicht entschieden zu werden. Auch wenn die Frage grundsätzlich zu bejahen wäre - schutzbedürftig erscheint insbesondere ein Anwartschaftsrecht, das allein oder überwiegend durch eigene Beitragsleistung "erdient" worden ist (vgl. BSG 9, 127, 128; 15, 71, 74f) -, wäre damit für den Kläger nichts gewonnen, denn er hat niemals eine zeitlich über die Dauer seiner Mitgliedschaft bei der Beklagten hinausreichende Anwartschaft auf Versorgung besessen. Alle Rechte, die ihm gegen die Beklagte zustanden, waren vielmehr von vornherein auf die Dauer seiner Mitgliedschaft bei der Beklagten begrenzt und insofern inhaltlich eingeschränkt (vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Wäre in dieser Zeit der Versorgungsfall bei ihm eingetreten, so hätte er bestimmte Leistungen aus dem Versorgungswerk der Beklagten, mittelbar also von der Gemeinschaft der in der Beklagten zusammengeschlossenen Kassenzahnärzte des Landes Schleswig-Holstein, erhalten. Als Äquivalent für die Übernahme dieses Versorgungsrisikos hatte er gewisse Abzüge von seinem Kassenhonorar zu dulden; mit ihnen wurden Leistungen finanziert, die die Beklagte während der Mitgliedschaft des Klägers anderen Kassenzahnärzten gewährte, bei denen der Versorgungsfall tatsächlich eingetreten war. Mit dem Ausscheiden aus dieser Risikogemeinschaft endeten für den Kläger einerseits alle Zahlungsverpflichtungen, andererseits aber auch - abgesehen von der Billigkeitsregelung in § 7 Abs. 2 der AIHV-Bestimmungen - jeder weitere Versorgungsschutz. Irgendeine feste künftige Versorgungszusage - unabhängig von der Mitgliedschaft bei der Beklagten - hatte der Kläger durch die Heranziehung zur Finanzierung des Versorgungswerks der Beklagten nicht erlangt. Eine solche konnte ihm daher auch mit dem Ausscheiden bei der Beklagten nicht genommen werden, so daß schon aus diesem Grunde ein Anspruch auf Auszahlung der einbehaltenen Honorarteile unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer "Enteignungsentschädigung" entfällt.
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG, das die Abweisung der Klage durch das SG bestätigt hat, ist demnach als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen