Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergangsrecht. ehemalige DDR. Frist. Kenntnisnahme. zuständiger Unfallversicherungsträger. Antragstellung. Krankenkasse. Weiterleitung. Fiktion
Orientierungssatz
1. Ein Unfall kann dem Unfallversicherungsträger auch durch einen Antrag bekannt werden, jedoch ist der Eingang eines Antrags für das Bekanntwerden iS des § 1150 Abs 2 S 2 Nr 1 RVO nicht erforderlich; die Kenntnis von dem Unfall kann auch auf jede andere Weise eintreten. Das Bekanntwerden iS von § 1150 Abs 2 S 2 Nr 1 RVO bezeichnet ein rein tatsächliches Geschehen.
2. Da § 16 Abs 2 S 2 SGB 1 lediglich die Einhaltung eines Zeitablaufs für den Eingang eines Antrages fingiert, nicht jedoch andere Voraussetzungen für Sozialleistungen wie etwa das tatsächliche Bekanntwerden eines Vorfalls bei einem Sozialleistungsträger (vgl BSG vom 28.10.1981 - 3 RK 59/80 = SozR 2200 § 216 Nr 5), kann dieser Umstand aufgrund des § 16 Abs 2 S 2 SGB 1 einem anderen Sozialleistungsträger nicht zugerechnet werden (vgl LSG Stuttgart vom 11.2.1999 - L 7 U 1616/97 = HVBG-Info 1999, 1257).
Normenkette
SGB I § 16 Abs. 2 S. 2; RVO § 1150 Abs. 2 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen eines Unfalls, den die Klägerin in der ehemaligen DDR erlitten hat; umstritten ist insbesondere, ob die Rechtsfolgen dieses Unfalls nach den im Beitrittsgebiet früher geltenden Recht oder denen der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu beurteilen sind.
Die im Jahre 1962 geborene Klägerin nahm am Abend des 24. November 1981 während ihres Studiums an der Ingenieurschule in W. an einer Feier ihrer Seminargruppe in der Kellerbar des Internats der Schule teil. Diese Veranstaltung war von der Gruppe der Freien Deutschen Jugend (FDJ) der Ingenieurschule organisiert und von der Internatsleitung genehmigt worden. Am Ende der Feier begab sich die Klägerin mit anderen Studentinnen in eines der in der dritten Etage des Internatsgebäudes gelegenen Zimmer. Aus ungeklärten Gründen fiel sie aus dem Fenster dieses Zimmers und erlitt als Folge dieses Sturzes schwere Verletzungen. Ein Verfahren auf Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall wurde von der Ingenieurschule nicht eingeleitet.
Mit an den Gemeindeunfallversicherungsverband Sachsen-Anhalt (GUV) gerichtetem Schreiben vom 20. Dezember 1993, das am 30. Dezember 1993 bei der Barmer Ersatzkasse (BEK) W. einging, von dort an den GUV (Eingang 3. Januar 1994) und von dort wiederum an die Beklagte weitergeleitet wurde (Eingang 3. März 1994), beantragte die Klägerin die "Anerkennung eines Arbeitsunfalls aus dem Jahr 1981". Sie trug vor, sie sei damals nach Beendigung der Feier mit auf das Zimmer einer Studienfreundin gegangen, weil sich diese mit ihr wegen eines persönlichen Konfliktes unterhalten wollte, und um ihre Jacke zu holen; wie es zu dem Fenstersturz gekommen sei, wisse weder sie noch eine der damals im Zimmer anwesenden Studentinnen.
Die Beklagte lehnte die Gewährung einer Entschädigung aus Anlaß des Ereignisses vom 24. November 1981 durch Bescheid vom 13. Oktober 1994 ab. Die Klägerin habe zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden, weil das beabsichtigte Gespräch mit der Studienfreundin allein der privaten Risikosphäre zuzuordnen sei und nicht im inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit gestanden habe. Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15. März 1995, Urteil des Sozialgerichts Halle ≪SG≫ vom 3. Juni 1997). Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) die Beigeladene verurteilt, der Klägerin wegen des Unfalls vom 25. November 1981 ab dem 1. Januar 1992 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 45 vH zu zahlen. Zuständiger Versicherungsträger für die Entschädigung dieses Unfalls sei die Beigeladene, weil es sich um einen Unfall iS des § 1 der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeit vom 11. April 1973 - GBl I Nr 22 S 199 - (VersSchutzErwVO) handele, die hier gemäß § 1150 Abs 2 Satz 1 RVO Anwendung finde. Der Unfall der Klägerin sei einem zuständigen Unfallversicherungsträger des Beitrittsgebiets zwar erst mit dem Eingang ihres Schreibens vom 20. Dezember 1993 bei dem GUV am 3. Januar 1994 bekanntgeworden. Da dieses Schreiben aber schon am 30. Dezember 1993 bei der BEK, einem Sozialversicherungsträger, eingegangen sei, gelte nach § 16 Abs 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) dieser ausdrücklich auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls gerichtete Antrag der Klägerin als bereits im Dezember 1993 gestellt, so daß auch die erforderliche Kenntnis des Unfallversicherungsträgers auf diesen Zeitpunkt "vorzuverlagern" sei. Nach § 1 Abs 2 VersSchutzErwVO sei hier das Vorliegen eines Arbeitsunfalls anzunehmen, weil der Unfall beim Umkleiden geschehen sei, das noch mit der von der FDJ veranstalteten und damit versicherten Feier im Zusammenhang gestanden habe.
Mit ihrer - vom Senat zugelassenen - Revision macht die Beigeladene geltend, das LSG habe übersehen, daß die genauen Umstände des Sturzes der Klägerin nicht feststellbar seien und daß daher unter Berücksichtigung der die Klägerin treffenden Beweislast ein Arbeitsunfall auch nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht nicht feststellbar sei.
Das Berufungsgericht habe auch § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO und § 16 Abs 2 Satz 2 SGB I nicht zutreffend angewandt. Selbst wenn es sich bei dem Unfall nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe, sei das LSG zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Unfall einem zuständigen Unfallversicherungsträger noch vor dem 31. Dezember 1993 bekanntgeworden sei. Dem GUV als für das Beitrittsgebiet zuständigem Träger der Unfallversicherung sei der Unfall erst mit Zugang des Schreibens der Klägerin vom 20. Dezember 1993 am 3. Januar 1994 bekanntgeworden, so daß die Frage, ob es sich dabei um einen Arbeitsunfall gehandelt habe, gemäß § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO nach den Vorschriften der RVO zu beurteilen sei; danach liege indes kein Arbeitsunfall vor. Das LSG habe insoweit zu Unrecht unter Anwendung des § 16 SGB I auf den Eingang des Schreibens bei der BEK am 30. Dezember 1993 abgestellt und damit festgestellt, daß § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO eine Antragsfrist enthalte. Damit weiche es von dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. Oktober 1998 - B 2 U 26/97 R - (HVBG-Info 1998, 3381) ab, in dem ausdrücklich festgehalten sei, daß § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO eine gesetzliche Ausschlußfrist und eben keine Antragsfrist enthalte. Dies habe zur Folge, daß § 16 SGB I, der sich (nur) auf Anträge beziehe, nicht anwendbar sei. Gründe für diese Abweichung habe das LSG nicht dargelegt und seien auch nicht zu erkennen. Der Unfall der Klägerin sei daher dem GUV erst am 3. Januar 1994 bekanntgeworden. Dieses Bekanntwerden sei iS des § 1150 Abs 2 RVO verspätet und habe zur Folge, daß der Unfall vom 25. November 1981 kein Arbeitsunfall iS des Dritten Buches der RVO sei, der Revision mithin stattzugeben sei.
Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 30. Juni 1999 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 3. Juni 1997 zurückzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 30. Juni 1999 zu ändern und die Beigeladene zu verurteilen, der Klägerin wegen der Folgen des Unfalls vom 25. November 1981 ab dem 1. Januar 1994 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 45 vH zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 30. Juni 1999 zu ändern und die Beigeladene zu verurteilen, der Klägerin wegen der Folgen des Unfalls vom 25. November 1981 ab dem 1. Dezember 1993 eine Verletztenrente nach einer MdE um 45 vH zu zahlen.
Die Beklagte schließt sich dem Antrag der Beigeladenen und Revisionsklägerin an.
Die Klägerin bezieht sich auf "die Erwägungen aus dem Schriftsatz vom 22.12.1999 zur Nichtzulassungsbeschwerde" und trägt weiter vor, alle denkbaren Zwecke des Betretens des Zimmers stünden mit einer versicherten Tätigkeit in Zusammenhang, so daß es nicht darauf ankomme, welcher konkrete Fall damals vorgelegen habe. Die Revisionsklägerin lege den Begriff des Bekanntwerdens falsch aus, indem sie die Antragstellung nicht als eine Unterart des Bekanntwerdens auffasse. Eine Bindung des BSG an die getroffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG bestehe insoweit nicht, als es das Bekanntwerden des Unfalls angehe. Da die Revisionsklägerin hierauf ihre Revisionsbegründung stütze, sei auch von ihr - der Klägerin - insoweit neuer Sachvortrag zulässig. Da die Fristeinhaltung in den Vorinstanzen nicht problematisiert worden sei, könne ein hierfür ggf notwendiger Tatsachenvortrag von ihrer Seite nicht ausgeschlossen sein.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beigeladenen ist begründet. Die Klägerin hat entgegen der Ansicht des LSG keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente aufgrund der Folgen des in der ehemaligen DDR erlittenen Unfalls, weil es sich dabei nicht um einen von der Beklagten oder einem anderen Unfallversicherungsträger zu entschädigenden Arbeitsunfall handelt. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, wie das SG im Ergebnis zutreffend entschieden hat.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich noch nach den vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) geltenden Vorschriften, da der geltend gemachte Unfall bereits vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten war (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, §§ 212 ff SGB VII).
Verletztenrente wird nach § 581 Abs 1 Nr 2 RVO (als Teilrente) gewährt, solange die Erwerbsfähigkeit des Verletzten infolge eines Arbeitsunfalls gemindert ist. Einen Arbeitsunfall iS dieser Vorschrift hat die Klägerin jedoch nicht erlitten. Ihr Unfall hat sich nach den gemäß § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bindenden Feststellungen des LSG in der Nacht vom 24. zum 25. November 1981 in der ehemaligen DDR ereignet. Nach § 1150 Abs 2 Satz 1 RVO, der gemäß § 215 Abs 1 SGB VII für die Übernahme der vor dem 1. Januar 1992 (in der ehemaligen DDR) eingetretenen Unfälle und Krankheiten als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung weiter anzuwenden ist, gelten Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten iS des Dritten Buches (der RVO). Dies gilt nicht für Unfälle und Krankheiten, die einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt werden und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären (§ 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO). Der Unfall der Klägerin ist zwar vor dem 1. Januar 1992 eingetreten. Da ihr Schreiben vom 20. Dezember 1993, das auf diesen Unfall hinweist, dem GUV als einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Unfallversicherungsträger erst am 3. Januar 1994, also nach dem 31. Dezember 1993, zugegangen und diesem der Unfall damit bekanntgeworden ist, gilt nicht die Fiktion des § 1150 Abs 2 Satz 1 RVO, sondern es kommt für die Anerkennung als Arbeitsunfall nach Satz 2 aaO darauf an, ob der Unfall nach dem Dritten Buch der RVO zu entschädigen wäre. Die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen des LSG zum Bekanntwerden des Unfalls sind für den Senat bindend, denn die Klägerin hat sie nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen (§ 163 SGG). Zwar verweist die Klägerin insoweit auf ihre Ausführungen in dem von ihr im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde eingereichten Schriftsatz vom 22. Dezember 1999. Darin heißt es ua, sie habe bereits in der ersten Dezemberhälfte des Jahres 1993 den GUV telefonisch über den Unfall informiert. Hierbei handelt es sich jedoch um neuen Sachvortrag, mit dem sie im Revisionsverfahren nicht mehr gehört werden kann. Die von der Klägerin vorgetragene Ansicht, sie sei insoweit zu neuem Sachvortrag berechtigt, weil die Beigeladene ihre Revisionsbegründung auf die Feststellungen des LSG zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens stütze, stellt keine zulässige Verfahrensrüge dar; es ist nicht ersichtlich, welche Verfahrensvorschrift hier verletzt sein soll. Diese Auffassung der Klägerin ist auch kaum nachvollziehbar, da die tatsächlichen Feststellungen zum Eingang ihres Schreibens vom 20. Dezember 1993 beim GUV am 3. Januar 1994 bereits im erstinstanzlichen Urteil enthalten sind. Beide Vorinstanzen haben diese tatsächlichen Feststellungen ihren rechtlichen Ausführungen zugrunde gelegt; lediglich durch die Anwendung des § 16 Abs 2 Satz 2 SGB I ist das LSG zu dem Ergebnis gekommen, der Antrag gelte als dem GUV bereits vor dem 1. Januar 1994 zugegangen und damit sei auch die Kenntnis des Unfallversicherungsträgers auf diesen Zeitpunkt "vorzuverlagern". Die tatsächlichen Feststellungen und deren rechtliche Bedeutung müssen der Klägerin mithin jedenfalls im Berufungsverfahren bekannt gewesen sein, so daß sie dort ihren jetzigen neuen Sachvortrag hätte anbringen und unter Beweis stellen können.
Nach § 16 Abs 2 Satz 2 SGB I gilt ein Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er ua bei einem unzuständigen Leistungsträger eingeht. Ein Unfall kann dem Unfallversicherungsträger zwar auch durch einen Antrag bekannt werden, jedoch ist der Eingang eines Antrags für das Bekanntwerden iS des § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO nicht erforderlich; die Kenntnis von dem Unfall kann auch auf jede andere Weise eintreten. Das Bekanntwerden iS dieser Vorschrift bezeichnet ein rein tatsächliches Geschehen. Dementsprechend hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 26. Oktober 1998 - B 2 U 26/97 R - (HVBG-Info 1998, 3381) entschieden, daß § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1 RVO keine Antrags-, sondern eine gesetzliche Ausschlußfrist enthält. Da § 16 Abs 2 Satz 2 SGB I lediglich die Einhaltung eines Zeitablaufs für den Eingang eines Antrags fingiert, nicht jedoch andere Voraussetzungen für Sozialleistungen wie etwa das - hier geforderte - tatsächliche Bekanntwerden eines Vorfalls bei einem Sozialleistungsträger (vgl BSG SozR 2200 § 216 Nr 5), kann dieser Umstand aufgrund des § 16 Abs 2 Satz 2 SGB I einem anderen Sozialleistungsträger nicht zugerechnet werden (vgl LSG Baden-Württemberg Urteil vom 11. Februar 1999 - L 7 U 1616/97 - = HVBG-Info 1999, 1257).
Der Unfall der Klägerin wäre nicht als Arbeitsunfall nach dem Dritten Buch der RVO zu entschädigen. Arbeitsunfall iS des § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet. Dazu ist es in der Regel erforderlich, daß das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und daß die Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat (BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92). Zunächst muß also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der sog innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84).
Die Klägerin besuchte nach den bindenden Feststellungen des LSG zur Zeit des Unfalls die Ingenieurschule in W. Damit gehörte sie zwar als Studierende an einer (Fach-) Hochschule gemäß § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst d RVO zu den gegen Arbeitsunfall versicherten Personen. Nach dieser Vorschrift sind in der gesetzlichen Unfallversicherung gegen Arbeitsunfall Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen versichert, soweit sie nicht bereits zu den nach Nrn 1 bis 3 und 5 bis 8 des § 539 Abs 1 RVO Versicherten gehören. Der Unfall ereignete sich indes nach den bindenden Feststellungen des LSG nicht bei einer mit dieser versicherten Tätigkeit im inneren Zusammenhang stehenden Verrichtung.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist der Unfallversicherungsschutz während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen ebenso wie derjenige während des Besuchs allgemeinbildender Schulen zur Abgrenzung vom eigenwirtschaftlichen Bereich der Studierenden auf Tätigkeiten innerhalb des organisatorischen Verantwortungsbereichs der Hochschule beschränkt. Insoweit ist der Schutzbereich enger als der Versicherungsschutz in der gewerblichen Unfallversicherung. Allerdings sind bei der Abgrenzung des organisatorischen Verantwortungsbereichs der Hochschule die besonderen Verhältnisse einer Aus- und Fortbildung an Hochschulen zu beachten. Nicht nur der unmittelbare Besuch von Vorlesungsveranstaltungen an der Hochschule soll versichert sein, da sich das Studium an der Hochschule hierin nicht erschöpft und oftmals nicht einmal den wesentlichen Teil des Aufenthalts an der Hochschule ausmacht. Studierende sind deshalb in der Regel auch versichert, wenn sie anstelle von Unterrichtsveranstaltungen oder daneben andere Hochschuleinrichtungen wie Universitätsbibliotheken, Seminare und Institute zu Studienzwecken aufsuchen oder sich an Exkursionen der Hochschule beteiligen (s BSG SozR 3-2200 § 539 Nrn 26, 36 mwN).
Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist zu entnehmen, daß sich der Unfall im Anschluß an eine Feier der Seminargruppe der Klägerin ereignete. Feiern der Studenten gehörten ersichtlich nicht zu den spezifischen Ausbildungsveranstaltungen der Ingenieurschule. Die Teilnahme daran stand auch nicht unter dem hierfür allenfalls in Betracht kommenden Gesichtspunkt einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung unter Unfallversicherungsschutz. Eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG vor, wenn die Zusammenkunft der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und der Belegschaft sowie der Betriebsangehörigen untereinander durch die Teilnahme möglichst aller Betriebsangehörigen dient und deshalb grundsätzlich allen Betriebsangehörigen offenstehen soll, und wenn sie von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert und von ihrer Autorität als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung getragen wird (s BSG SozR 2200 § 548 Nr 69 mwN). Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob der für die allgemeine gewerbliche Unfallversicherung entwickelte Versicherungsschutz von betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen überhaupt im Bereich der Unfallversicherung der Studenten Anwendung finden kann. Denn auch bei Bejahung dieser Frage hätte die Teilnahme an der Feier im vorliegenden Falle nicht unter Unfallversicherungsschutz gestanden. Zwar ergäbe sich hier ein Ausschluß wohl noch nicht aus dem Umstand, daß die Veranstaltung nicht allen Ingenieurschulangehörigen offenstand, da auch bei Veranstaltungen von Abteilungen oder Gruppen des Gesamtbetriebes Unfallversicherungsschutz besteht, falls - was hier gut möglich wäre - die Größe des Betriebes keine gemeinsame Veranstaltung erlaubt (vgl BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 21 und Brackmann/Krasney, SGB VII, 12. Aufl, § 8 RdNr 122, beide mwN). Unfallversicherungsschutz scheidet hier aber deswegen aus, weil die Feier nicht von der Leitung der Ingenieurschule veranstaltet, nicht von ihrer Autorität als Gemeinschaftsveranstaltung getragen war und auch nicht in ihrem organisatorischen Verantwortungsbereich stand. Nach den bindenden Feststellungen im Berufungsurteil war die Veranstaltung von der FDJ-Gruppe der Ingenieurschule, einer nicht der Hochschulleitung angehörenden Gruppierung, organisiert und von der Internatsleitung - nicht der Ingenieurschulleitung - lediglich genehmigt worden. Sie war daher auch nicht von deren Autorität als Gemeinschaftsveranstaltung getragen und stand auch nicht in deren Verantwortungsbereich. Versicherungsschutz für die Teilnahme an den Veranstaltungen einer gesellschaftlichen Organisation - wie hier der FDJ - wird nach der RVO nicht gewährt.
Nach alledem ist die Revision der Beigeladenen entsprechend ihrem Hauptantrag begründet. Das Urteil des LSG war mithin aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
NJ 2002, 166 |
AuS 2001, 51 |