Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Syndikuspatentanwalt. Pflichtversicherung auf Antrag in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung. Verfassungsrecht
Leitsatz (amtlich)
Eine Pflichtversicherung auf Antrag in der berufsständischen Versorgungseinrichtung genügt nicht den Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Orientierungssatz
1. Dies verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht.
2. Auch wenn der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bei seiner Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6 an die bestandskräftige Zulassungsentscheidung der Patentanwaltskammer nach § 41b Abs 2 PatAnwO gebunden ist, besteht über diesen berufsrechtlichen Aspekt und die weiteren Zulassungsanforderungen der PatAnwO hinaus jedoch keine Bindung an den Zulassungsbescheid. Ob andere (landesrechtliche) Umstände der Annahme einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung entgegenstehen, hat der Rentenversicherungsträger daher selbstständig zu prüfen.
Normenkette
SGB VI § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; SGB X § 45; PatAnwO §§ 41b, 41d; AVG § 7 Abs. 2; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. September 2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) für ihre Beschäftigung als Syndikuspatentanwältin.
Die 1972 geborene Klägerin ist Diplomingenieurin und seit dem 1.4.1997 bei der (Vorgängerin der) Beigeladenen zu 2. angestellt. Sie wurde ab 24.3.2009 als Patentanwältin zugelassen und ist insoweit auf ihren Antrag seit dem 1.8.2010 Mitglied des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg (Beigeladener zu 1.). Seit dem 1.4.2012 ist sie als "Director Patent Creation" tätig. Sie berät als Syndikuspatentanwältin das Unternehmen in Angelegenheiten gewerblicher Schutzrechte und tritt für das Unternehmen verantwortlich vor dem Patentamt und dem Patentgericht auf. Für diese Tätigkeit erteilte ihr die Patentanwaltskammer nach Anhörung der Beklagten gemäß § 41b Abs 1 Patentanwaltsordnung (PAO) eine zusätzliche Zulassung als "Patentanwältin (Syndikuspatentanwältin)" zur Patentanwaltschaft (Bescheid vom 24.5.2016; Aushändigung der Zulassung am 12.7.2016) . Dem auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gerichteten Antrag der Klägerin vom 30.3.2016 entsprach die Beklagte ab 12.7.2016 (Bescheid vom 7.9.2016) . Nach einer Überprüfung hob sie den Befreiungsbescheid nach Anhörung der Klägerin zunächst von Beginn an (Bescheid vom 21.8.2017) und im Widerspruchsverfahren für die Zukunft ab 6.2.2018 (Tag der Bekanntgabe des Abhilfebescheids) nach § 45 SGB X wieder auf (Abhilfebescheid vom 31.1.2018; Widerspruchsbescheid vom 9.4.2018) .
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8.5.2019) . Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte habe den rechtswidrigen Befreiungsbescheid für die Zukunft zurücknehmen dürfen. Die Klägerin sei nicht "aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung" Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung. Vielmehr habe sie dort eine "Pflichtmitgliedschaft auf Antrag" ab dem 1.8.2010 begründet. Dass keine Möglichkeit bestehe, die einmal durch Antrag begründete Mitgliedschaft ebenso frei wieder zu kündigen, mache die auf einer eigenständigen Willensentscheidung beruhende Mitgliedschaft nicht zu einer gesetzlichen Mitgliedschaft. Die Klägerin habe über das "Ob" ihrer Mitgliedschaft selbst disponieren können und auch disponiert. Sie habe die damit verbundenen Folgen berücksichtigen können. Dem stehe das Urteil des BSG vom 28.6.2018 ( B 5 RE 2/17 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 17 RdNr 47) nicht entgegen (Urteil vom 21.9.2021) .
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI . Die Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgung sei zwar durch Antrag begründet worden, wirke aber ab diesem Moment wie eine Pflichtmitgliedschaft und genüge daher den Voraussetzungen der Vorschrift. Um die Mitgliedschaft zu beenden, müsste sie nach § 10 Abs 5 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg (im Folgenden: Satzung) ihre Kanzlei aufgeben. Dies gelte jedenfalls, soweit Syndikuspatentanwälte als Patentanwälte im Sinne der Satzung anzusehen seien, auch wenn es im Zeitpunkt des Erlasses der Satzung diese Berufsbezeichnung noch nicht gegeben habe. Würde sie eine neue Beschäftigung in Bayern, Brandenburg, Hamburg oder Nordrhein-Westfalen aufnehmen, könnte sie als unmittelbares oder durch Staatsvertrag vermitteltes Pflichtmitglied der bayerischen berufsständischen Versorgungseinrichtung von der Versicherungspflicht in der GRV befreit werden. Dasselbe müsse aber in Baden-Württemberg gelten, weil hier wegen einer "auf Gesetz beruhenden Verpflichtung" , nämlich der Austrittssperre der Satzung, die Pflicht zur Mitgliedschaft in der Form des Verbleibs begründet werde. Dies entspreche dem vom LSG zitierten Hinweis im Urteil des BSG vom 28.6.2018 auf die Möglichkeit einer Pflichtmitgliedschaft auf Antrag im Fall eines Kanzleisitzes in Baden-Württemberg oder Sachsen .
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. September 2021 und des Sozialgerichts Heilbronn vom 8. Mai 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. August 2017 in der Fassung des Bescheids vom 31. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. April 2018 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie teilt die Auffassung des LSG.
Die Beigeladene zu 1. schließt sich dem Antrag der Klägerin an. Sie weist darauf hin, dass sie einen fristgemäßen Antrag auf Aufnahme nach § 6 Abs 2 Rechtsanwaltsversorgungsgesetz Baden-Württemberg (RAVG BW) nicht ablehnen könne. Daran würden dieselben Rechtsfolgen wie auch sonst bei einer Pflichtmitgliedschaft geknüpft. Ein sozialer Schutz durch die GRV sei wegen der als gleichwertig anerkannten Versorgung in den auf Landesebene errichteten berufsständischen Versorgungseinrichtungen nicht geboten. Da die rechtlichen Interessen des Landes Baden-Württemberg betroffen seien, hätte dieses nach § 75 SGG beigeladen werden müssen.
Die Beigeladene zu 2. unterstützt den Vortrag der Klägerin, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet ( § 170 Abs 1 Satz 1 SGG ) .
Einer Sachentscheidung steht nicht entgegen, dass das Land Baden-Württemberg nicht beigeladen worden ist. Die Voraussetzungen für eine sog notwendige Beiladung nach § 75 Abs 2 Alt 1 SGG sind nicht erfüllt. Das Land ist an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen könnte. Der Landesgesetzgeber wird in der Ausgestaltung seiner versorgungsrechtlichen Regelungen durch die Entscheidung nicht eingeschränkt. Soweit der Beigeladene zu 1. berechtigte Interessen des Landes durch die Entscheidung berührt sieht, käme lediglich eine einfache Beiladung nach § 75 Abs 1 Satz 1 SGG in Betracht. Eine fehlende einfache Beiladung kann aber nicht vom Revisionsgericht nachgeholt werden und stellt keinen sachentscheidungshindernden Verfahrensmangel dar (vgl BSG Urteil vom 26.1.2022 - B 6 KA 8/21 R - SozR 4-5531 Nr 31148 Nr 1 RdNr 16 mwN) .
Die Revision hat auch in der Sache keinen Erfolg. Das LSG hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Die Beklagte durfte den Bescheid vom 7.9.2016 über die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der GRV durch Bescheid vom 21.8.2017 in der Gestalt des Bescheids vom 31.1.2018 sowie des Widerspruchsbescheids vom 9.4.2018 nach § 45 SGB X (in der Fassung ≪idF≫ der Bekanntmachung vom 18.1.2001, BGBl I 130) mit Wirkung für die Zukunft ab 6.2.2018 zurücknehmen.
Gemäß § 45 Abs 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der auf Antrag der Klägerin erteilte und damit aus der hier maßgeblichen Sicht der Klägerin begünstigende Befreiungsbescheid vom 7.9.2016 ist rechtswidrig (dazu 1.) und konnte für die Zukunft wegen fehlenden Vertrauensschutzes (vgl § 45 Abs 2 SGB X ) innerhalb der Ausschlussfrist (vgl § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X ) durch Ermessensentscheidung der Beklagten (dazu 2.) zurückgenommen werden.
1. Der Befreiungsbescheid ist rechtswidrig, weil nicht alle Voraussetzungen für eine Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der GRV vorliegen. Nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 1 SGB VI (idF des Gesetzes zur Organisationsreform in der GRV - RVOrgG - vom 9.12.2004, BGBl I 3242) werden von der Versicherungspflicht befreit "Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind". Die Klägerin ist in der ausgeübten Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2. abhängig beschäftigt (vgl § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV idF der Bekanntmachung vom 12.11.2009, BGBl I 3710) . Sie erbringt als "Director Patent Creation" nichtselbstständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis (vgl §§ 611 ff BGB idF des Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 21.2.2017, BGBl I 258) . Als gegen Arbeitsentgelt (nicht geringfügig) Beschäftigte unterliegt sie der Rentenversicherungspflicht ( § 1 Satz 1 Nr 1 Halbs 1 Alt 1 SGB VI idF des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24.4.2006, BGBl I 926) .
Die Klägerin ist auch kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer. Sie ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG ( § 163 SGG ) bereits seit dem 24.3.2009 als Patentanwältin (vgl § 5 PAO idF des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 2.9.1994, BGBl I 2278) und zusätzlich durch Bescheid der Patentanwaltskammer vom 24.5.2016 als "Syndikuspatentanwältin" nach § 41b PAO (idF des Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 12.5.2017, BGBl I 1121, mit Wirkung vom 1.1.2016) zur Patentanwaltschaft mit Aushändigung der Urkunde am 12.7.2016 wirksam ( § 18 Abs 1 PAO idF des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im patentanwaltlichen Berufsrecht vom 14.8.2009, BGBl I 2827; § 52g Abs 3 PAO ≪ab 1.8.2022, nF≫) zugelassen worden. Mit der Zulassung ist eo ipso die Mitgliedschaft in der Patentanwaltskammer verbunden (vgl § 53 Abs 1 Satz 1 PAO idF des Gesetzes zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung, der PAO und anderer Gesetze vom 31.8.1998, BGBl I 2600; § 53 Abs 2 Nr 1 PAO nF) . Die zugelassene Syndikuspatentanwältin wird rückwirkend zu dem Zeitpunkt (obligatorisches) Mitglied der Patentanwaltskammer, zu dem der Antrag auf Zulassung dort eingegangen ist, sofern nicht die ihr zugrunde liegende Tätigkeit erst nach der Antragstellung begonnen hat ( § 41b Abs 4 Nr 2 PAO idF des Gesetzes vom 12.5.2017, aaO) . Die zum 1.1.2016 eingeführte Zulassung als Syndikuspatentanwältin nach § 41b PAO gilt nicht als eine nach dem 31.12.1994 eintretende Erweiterung der Pflichtmitglieder in der berufsständischen Kammer ( § 231 Abs 4a SGB VI idF des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12.2015, BGBl I 2517 iVm § 6 Abs 1 Satz 3 SGB VI idF der Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754) .
Die Klägerin ist wegen der Beschäftigung jedoch nicht aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied der Beigeladenen zu 1. geworden. Die Pflichtmitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung ergibt sich nicht bereits aus der Bindungswirkung der Zulassungsentscheidung durch die Patentanwaltskammer (dazu a) . Nach den vom LSG festgestellten maßgeblichen landesrechtlichen Vorschriften werden Patentanwälte nicht zwangsläufig eo ipso, sondern nur "auf Antrag" in die Versorgungseinrichtung aufgenommen. Das genügt nach Wortlaut, Systematik und dem aus der Gesetzgebungsgeschichte ersichtlichen Sinn und Zweck des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI nicht (dazu b) . Dieser Auslegung steht höchstrichterliche Rechtsprechung, insbesondere auch das Urteil des 5. Senats des BSG vom 28.6.2018 ( B 5 RE 2/17 - SozR 4-2600 § 6 Nr 17 RdNr 47), nicht entgegen (dazu c) . Da die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1. wegen der ersten Zulassung als Patentanwältin beantragt wurde, ist auch der nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI ("wegen") erforderliche Kausalzusammenhang ihrer Mitgliedschaft mit der Tätigkeit als Syndikuspatentanwältin nicht hinreichend klar ersichtlich (dazu d) . Unabhängig davon würde hier auch bei einer gesetzlichen Erstreckung der Mitgliedschaft auf die spätere Zulassung die ursprüngliche Antragstellung als wesentliche Ursache für die Mitgliedschaft und die doppelte Beitragszahlung fortbestehen (dazu e) . Das Ergebnis verstößt nicht gegen Verfassungsrecht (dazu f) .
a) Die Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung ergibt sich nicht bereits aus der Bindungswirkung der Zulassungsentscheidung durch die Patentanwaltskammer. Nach § 41b Abs 2 Satz 4 PAO (idF des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12.2015, BGBl I 2517) ist der Träger der Rentenversicherung bei seiner Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Abs 3 SGB VI an die bestandskräftige Zulassungsentscheidung der Patentanwaltskammer nach Satz 1 der Vorschrift gebunden. Er darf somit das Vorliegen einer (syndikus-)anwaltlichen Tätigkeit nicht mehr, wie es vor dem Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung zum 1.1.2016 der Fall war, eigenständig prüfen. Über diesen berufsrechtlichen Aspekt und die weiteren Zulassungsanforderungen der PAO hinaus besteht jedoch keine Bindung an den Zulassungsbescheid. Ob andere (landesrechtliche) Umstände der Annahme einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung entgegenstehen, hat die Beklagte selbstständig zu prüfen.
b) Die Versicherungspflicht in einem berufsständischen Versorgungswerk bestimmt sich nach den einschlägigen versorgungsrechtlichen Normen (stRspr; vgl zB BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 RE 2/17 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 17 RdNr 46 zur sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des Versorgungsträgers) . Die normative Ausgestaltung der Pflichtversorgung freier Berufe liegt in der Zuständigkeit des jeweiligen Landesgesetzgebers (vgl dazu BVerfG Beschluss vom 2.5.1961 - 1 BvR 203/53 - BVerfGE 12, 319 - juris RdNr 22; BVerwG Beschluss vom 21.2.1994 - 1 B 19/93 - juris RdNr 5 ) . Nach den bindenden Feststellungen des LSG zum nicht revisiblen Landesrecht ( § 162 SGG , vgl BSG Urteil vom 19.10.2023 - B 1 KR 22/22 R - juris RdNr 45 , zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen) unterscheidet das hier einschlägige RAVG BW klar zwischen der Pflichtmitgliedschaft im Sinne des § 5 RAVG sowie der Pflichtmitgliedschaft auf Antrag im Sinne des § 6 RAVG. § 6 Abs 2 Satz 1 RAVG BW sieht vor, dass Patentanwälte mit Kanzleisitz in Baden-Württemberg auf Antrag in das Versorgungswerk aufgenommen werden, "wenn sie den Antrag innerhalb von zwei Jahren nach der Zulassung zur Patenanwaltschaft stellen". Noch deutlicher sind die in der Satzung gewählten Überschriften zu § 5 - "Mitgliedschaft kraft Gesetzes" - und zu § 9 - "Mitgliedschaft auf Antrag" -. Dass aufgrund dieser Regelungen nach den Feststellungen des LSG die Mitgliedschaft nicht automatisch mit der Zulassung zur Patentanwaltschaft, sondern erst durch eine eigene Dispositionsentscheidung des Betroffenen ("Antrag") begründet wird, genügt nicht den Anforderungen des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI an eine gesetzlich verpflichtende Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung.
aa) Dieses Verständnis wird durch den Wortlaut des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI ("aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied" einer berufsständischen Versorgungseinrichtung) nicht ausgeschlossen, sondern gestützt. Dadurch kommt das gesetzlich vorgeschriebene Zustandekommen der Mitgliedschaft zum Ausdruck. Die inhaltliche Ausgestaltung der Pflichtmitgliedschaft ist - hinsichtlich der Höhe der Beiträge und des Umfangs der Leistungen - Gegenstand anderer Regelungen ( § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b und c SGB VI ) . Entgegen der klägerischen Auffassung macht der Wortlaut jedenfalls nicht deutlich, dass entweder das Entstehen der Verpflichtung gesetzlich "angeordnet" sein oder ihr Fortbestehen auf einem Gesetz "beruhen" muss.
Mit der Alternativformulierung soll ein formeller Gesetzesvorbehalt zum Ausdruck kommen. Dies hat das BSG schon bald nach Inkrafttreten des § 7 Abs 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) zum 1.3.1957 (idF des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - AnVNG - vom 23.2.1957, BGBl I 88) , der insoweit gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI , geklärt. Würde als "Gesetz" jede materielle Rechtsnorm gelten, zB auch Tarifordnungen und Satzungen, wäre eine nur aus einer untergesetzlichen Norm abgeleitete Versicherungspflicht stets "durch Gesetz angeordnet". Die Unterscheidung zwischen den beiden Regelungsalternativen verlangt den Schluss, dass der Gesetzgeber die Wahl haben soll, die Verpflichtung selbst festzulegen oder anderen Stellen insoweit zu ermächtigen. Wird diese Befugnis mittels abgeleiteter Rechtsnormen ausgeübt, "beruht" die sich daraus ergebende Verpflichtung auf Gesetz ( BSG Urteil vom 7.12.1962 - 1 RA 4/61 - BSGE 18, 154 = SozR Nr 2 zu Art 2 § 1 AnVNG - juris RdNr 9).
bb) Eine auf das obligatorische Zustandekommen der Mitgliedschaft abstellende Auslegung entspricht dem Ausnahmecharakter der Norm. Bereits § 7 Abs 2 AVG war eng auszulegen. Dies hat das BSG aus dem Zwangscharakter der Rentenversicherung abgeleitet, die bis in Einzelheiten hinein gesetzlich genau festgelegt ist und, von wenigen übersehbaren Ausnahmen abgesehen, keine freien Gestaltungen zulässt (vgl BSG Urteil vom 7.12.1962 - 1 RA 4/61 - BSGE 18, 154 = SozR Nr 2 zu Art 2 § 1 AnVNG - juris RdNr 10) . Für die Nachfolgevorschrift des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI gilt nichts anderes. Es handelt sich auch insoweit um eine abschließende Ausnahmeregelung, die einer erweiternden oder entsprechenden Anwendung nicht zugänglich ist ( BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 5 RE 13/14 R - BSGE 115, 267 = SozR 4-2600 § 6 Nr 12, RdNr 50 mwN; zu diesem Aspekt vgl auch Mey in NZS 2022, 355 ) .
cc) Auch aus der Gesetzgebungsgeschichte zu § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI wird deutlich, dass Versicherten die Befreiungsmöglichkeit von der Rentenversicherungspflicht gerade deshalb eingeräumt wird, weil sie zu einer berufsgruppenspezifischen Alterssicherung gesetzlich verpflichtet sind und deshalb ohne eigenes Zutun einer doppelten Beitragspflicht unterworfen sind, und nicht, um ihnen die Wahl einer für sie gegebenenfalls günstigeren Versorgung zu ermöglichen.
Bereits § 7 Abs 2 AVG idF des AnVNG setzte für die Befreiung von der GRV die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung bestehende Mitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung voraus. Die in 2. Lesung im Bundestag in das AVG eingefügte Vorschrift ( BT-Drucks 02/3115 S 5) hatte insbesondere die damals bereits etablierten Versorgungseinrichtungen der Heilberufe im Blick (vgl den auf Ärzte begrenzten Alternativantrag, Anl 3 zum Sitzungsprotokoll der 184. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 16.1.1957). Derartige Einrichtungen beruhten schon aus wirtschaftlichen Gründen auf einem Beitrittszwang (vgl BVerfG Beschluss vom 25.2.1960 - 1 BvR 239/52 - BVerfGE 10, 354 - juris RdNr 40ff, 57 zur Pflichtmitgliedschaft in der Bayerischen Ärzteversorgung als einer gerechtfertigten Einschränkung der Freiheitsgarantie des Art 2 Abs 1 GG ).
Durch das Gesetz zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs vom 25.6.1979 (BGBl I 797) ist die Befreiungsmöglichkeit zusätzlich von Beitragszahlungen an und die Erbringung bestimmter Leistungen durch die berufsständische Einrichtung abhängig gemacht worden. In dieser Fassung ist § 7 Abs 2 AVG zum 1.1.1992 durch das Rentenreformgesetz 1992 vom 18.12.1989 ( BGBl I 2261, 1990 I 1337) inhaltsgleich in § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI übernommen worden.
Mit dem Gesetz zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom 15.12.1995 (BGBl I 1824) hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1.1.1996 die Voraussetzungen des Befreiungsanspruchs erneut verschärft und - ohne Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (vgl BVerfG Beschluss ≪Nichtannahme≫ vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 , 1 BvR 1753/05 - SozR 4-2600 § 6 Nr 7) - auf Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer beschränkt (unter der weiteren Voraussetzung, dass bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft bestanden hat). Allein die Pflichtmitgliedschaft in einer Versorgungseinrichtung sollte nicht mehr ausreichen, um von der Rentenversicherungspflicht befreit zu werden. Der Gesetzgeber reagierte damit auf die Gründung von neuen Versorgungseinrichtungen, bei denen eine Pflichtmitgliedschaft bereits mit einer freiwilligen Mitgliedschaft in der Berufskammer begründet werden konnte. Aufgrund dieser Entwicklung wurde ein Erosionsprozess mit Folgen für die Funktionsfähigkeit der GRV befürchtet. Auch wenn sich die Auszehrung des beitragspflichtigen Personenkreises nur in kleinen Schritten vollziehe, wecke jede Möglichkeit zum Verlassen der Solidargemeinschaft der Rentenversicherung das Interesse auch anderer eventuell größerer Gruppen an einer gruppenspezifischen Alterssicherung. Zu der nunmehr erforderlichen Pflichtmitgliedschaft in der jeweiligen Berufskammer wird ausdrücklich ausgeführt, dass weder eine freiwillige Versicherung noch eine Pflichtmitgliedschaft auf Antrag ausreiche ( BT-Drucks 13/2590 S 18 zu A I, S 21 f zu Nr 3 Buchst a). Auch wenn sich die Gesetzesformulierung hinsichtlich der Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer ("kraft gesetzlicher Verpflichtung") von derjenigen in der Versorgungseinrichtung unterscheidet, wird aus den damaligen gesetzgeberischen Erwägungen ersichtlich, dass der freiwillige Zugang - sei es zur berufsständischen Kammer oder zur Versorgungseinrichtung - keine Befreiungsmöglichkeiten eröffnen soll. Ziel der Regelung war die langfristige Sicherung der Funktionsfähigkeit der GRV (vgl BVerfG Beschluss ≪Nichtannahme≫ vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 , 1 BvR 1753/05 - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16) und die Festigung der "Friedensgrenze" zwischen GRV und berufsständischer Versicherung ( BT-Drucks 13/2590 S 1) . Sieht das (landesrechtliche) Versorgungsrecht eine obligatorische Mitgliedschaft nicht vor, so ist schon nicht ersichtlich, dass die Interessen der beiden Systeme gleichermaßen betroffen sind. Die auch im Interesse der Versicherten mit der Befreiung angestrebten Ziele, die Belastung einer "doppelten Beitragszahlungspflicht" zu verhindern und eine "geschlossene Versicherungsbiographie" zu ermöglichen ( BT-Drucks 13/2590 S 18 zu A I) , knüpfen an die gesetzliche Versicherungspflicht im Versorgungswerk an und machen sie nicht entbehrlich. Ansonsten würde den Betroffenen eine nicht zu rechtfertigende Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Art ihrer Altersversorgung eingeräumt, die anderen in der GRV Pflichtversicherten nicht zusteht (vgl BSG Urteil vom 9.3.2005 - B 12 RA 8/03 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 3 - juris RdNr 19 mit zustimmender Anm Welti SGb 2006, 104f ; nachgehend BVerfG Beschluss ≪Nichtannahme≫ vom 5.5.2008, aaO) .
c) Diese Auslegung steht nicht in Widerspruch zu bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung. Der Senat hat vielmehr schon früher bekräftigt, dass für die Befreiung nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI das Vorliegen einer "Pflichtmitgliedschaft" in der Versorgungseinrichtung wegen der Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe maßgeblich ist (vgl zB BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 RK 20/96 - juris RdNr 22 f; nachgehend BVerfG Beschluss ≪Nichtannahme≫ vom 31.8.2004 - 1 BvR 1776/97 ) .
Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht daraus, dass bestimmte Antragspflichtversicherte in der GRV (vgl zB § 2 Abs 1 Nr 11 AVG ; § 4 Abs 2 SGB VI ) aus Gleichbehandlungsgründen grundsätzlich ebenso befreit werden können wie Pflichtversicherte in der GRV (vgl erstmals BSG vom 28.4.1982 - 12 RK 30/80 - SozR 2400 § 7 Nr 3 - juris RdNr 20 f) . Dass auch Selbstständigen, die zunächst der Versicherungspflicht in der GRV nicht unterliegen, im Fall einer Antragspflichtversicherung eine Befreiung gewährt werden kann, stellt die Abgrenzung der Systeme nicht in Frage. Im Übrigen sollen auch Antragsverpflichteten in der GRV nur begrenzte Dispositionsmöglichkeiten eingeräumt werden: Ist die Antragspflichtversicherung erst nach dem Beginn der Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk begründet worden, so übt der Versicherte einen Antrag auf Befreiung grundsätzlich rechtsmissbräuchlich aus, weil er bewusst und freiwillig eine doppelte Sicherung geschaffen hat (vgl BSG Urteil vom 9.12.1982 - 12 RK 15/80 - SozR 2400 § 7 Nr 4 - juris RdNr 13; BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 73/81 - juris RdNr 12 f) .
Soweit der 5. Senat in der von der Klägerin zitierten Entscheidung vom 28.6.2018 (SozR 4-2600 § 6 Nr 17 RdNr 47) im Rahmen eines obiter dictum darauf hinweist, dass kein weiterer Kanzleisitz in Baden-Württemberg oder Sachsen aufgrund der dort möglichen "Pflichtmitgliedschaft auf Antrag" bestehe, bleibt zunächst unklar, ob und welche Relevanz der 5. Senat dem Vorliegen eines solchen beigemessen hätte (Möller MittdtschPatAnw 2019, 155, 157 sieht dagegen einen "Fingerzeig" darauf, dass die nach Antrag bestehende Versicherungspflicht ausreiche) . Der Hinweis steht jedenfalls nur im Zusammenhang mit der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit des beigeladenen Versicherungsträgers einer berufsständischen Versorgung, die an den dortigen Kanzleisitz für die selbstständige Tätigkeit der Klägerin geknüpft war. Nähere Ausführungen zur Pflichtversicherung auf Antrag enthält das Urteil nicht.
d) Unabhängig davon ist hier der nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI erforderliche Kausalzusammenhang ("wegen") der bereits zum 1.8.2010 entstandenen Mitgliedschaft der Klägerin im Versorgungswerk mit ihrer Beschäftigung als Syndikuspatentanwältin nicht hinreichend ersichtlich.
Grundlage für die Aufnahme in das Versorgungswerk war die zuvor erteilte personenbezogene Zulassung als "Patentanwältin" im Jahr 2009. Von dieser Zulassung war die Tätigkeit als "Syndikuspatentanwältin" nach damaliger Rechtslage nicht umfasst. Denn die Erwerbstätigkeit als Syndikuspatentanwältin bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern entsprach - bis zur Neuordnung des Berufsrechts - nicht dem Berufsbild des Patentanwalts als unabhängigem Organ der Rechtspflege (vgl BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 RE 2/17 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 17 RdNr 44 ff mwN) . Dass § 231 Abs 4b SGB VI seit 2016 gegebenenfalls eine Rückwirkung der Befreiung für Beschäftigungen in der Vergangenheit vorsieht, ändert daran nichts. Denn diese Regelung setzt eine bereits wirksam erteilte Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikuspatentanwältin voraus ( BSG Urteil vom 26.2.2020 - B 5 RE 2/19 R - SozR 4-2600 § 231 Nr 7 RdNr 24, 36) .
Ob sich die 2010 begründete Mitgliedschaft im Versorgungswerk auf die der Zulassung von 2016 zugrunde liegende Beschäftigung als Syndikuspatentanwältin erstreckt, geht aus dem baden-württembergischen Landesrecht jedenfalls nicht mit der für eine Befreiung nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI gebotenen Klarheit hervor. Der Senat ist an dieser Beurteilung nicht dadurch gehindert, dass es sich bei landesrechtlichen Vorschriften grundsätzlich um nicht revisibles Recht handelt ( § 162 SGG ) . Denn er ist befugt, den Inhalt des maßgeblichen Landes- und Satzungsrechts selbst zu ermitteln, wenn das LSG dazu keine ausreichenden, in sich widerspruchsfreien Feststellungen getroffen hat ( BSG Urteil vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1, RdNr 23; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 162 RdNr 7b). Das LSG hat die Erstreckung der Pflichtmitgliedschaft auf die Beschäftigung als Syndikuspatentanwältin aber nicht festgestellt, sondern ausdrücklich dahinstehen lassen.
Wie die Klägerin selbst einräumt, bezieht sich § 6 Abs 2 RAVG BW auf das bei Inkrafttreten des Gesetzes am 1.1.1985 (GBl 1984, 671) allein existierende Berufsbild der "Patentanwälte". Selbst wenn unter den Begriff des "Patentanwalts" im Wege einer dynamischen Auslegung auch der "Patentanwalt (Syndikuspatentanwalt)" subsumiert würde, bliebe fraglich, ob sich die einmal begründete "Pflichtmitgliedschaft auf Antrag" automatisch auf die weitere tätigkeitsbezogene Zulassung erstreckt oder diese auch nur im Fall eines weiteren fristgemäßen Antrags im Sinne von § 6 Abs 2 RAVG BW umfasst. Insoweit lassen sich auch aus den landesrechtlichen Vorschriften zur Beendigung der Mitgliedschaft keine eindeutigen Rückschlüsse ziehen. Nach § 7 Abs 4 RAVG BW und § 10 Abs 5 der Satzung sind Patentanwälte auf Antrag (erst) aus der Mitgliedschaft zu entlassen, wenn sie ihre Kanzlei in Baden-Württemberg aufgeben. Da mit der zusätzlichen Zulassung als Syndikuspatentanwältin eine weitere Kanzlei verbunden ist ( § 41d Abs 4 PAO : Arbeitsstätte) , bleibt auch hier zweifelhaft, ob sich die Norm nur auf den mit der jeweiligen Zulassung verknüpften Kanzleisitz oder automatisch auf beide Tätigkeitsorte bezieht. Aus den landesrechtlichen Regelungen folgt damit nicht hinreichend klar, dass sich eine Pflichtmitgliedschaft für die Klägerin "wegen" ihrer Beschäftigung als Syndikuspatentanwältin bereits aus ihrer zuvor eingegangenen Mitgliedschaft als Patentanwältin ergibt. § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI erfordert aber eine "leicht und augenfällig nachprüfbare" gesetzliche Regelung zur Versicherungspflicht (vgl bereits BSG Urteil vom 7.12.1962 - 1 RA 4/61 - BSGE 18, 154 = SozR Nr 2 zu Art 2 § 1 AnVNG, juris RdNr 10: "Unklare oder zu allgemein gehaltene Ermächtigungen sind im System einer gesetzlich streng geordneten Zwangsversicherung unbrauchbar.").
e) Selbst wenn sich die Mitgliedschaft im Versorgungswerk auch auf die Beschäftigung als Syndikuspatentanwältin automatisch erstrecken würde, könnte hier nicht von einer obligatorischen Pflichtversicherung im Sinne von § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI ausgegangen werden, weil die frühere Antragstellung wesentliche Ursache für die Mitgliedschaft bliebe. Die Klägerin ist mit ihrer freiwilligen Antragstellung selbst eine "Pflichtmitgliedschaft" neben der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für ihre alleinige Erwerbstätigkeit bei der Beigeladenen zu 2. eingegangen. Damit hat sie selbst auch die doppelte Beitragspflicht herbeigeführt, wobei ihre Beiträge zur Beigeladenen zu 1. wegen der Pflichtversicherung in der GRV auf 3/10 des Regelpflichtbeitrags reduziert waren (§ 13 Abs 1 der Satzung) . Dass sie dabei der Vorstellung unterlegen haben mag, sie könne wegen ihrer Beschäftigung als Syndikuspatentanwältin befreit werden, führt zu keiner anderen Bewertung. Der Gesetzgeber wollte mit der Änderung des Berufsrechts durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12.2015 (BGBl I 2517) zwar die vor den Urteilen des 5. Senats vom 3. April 2014 ( B 5 RE 13/14 R - BSGE 115, 267 = SozR 4-2600 § 6 Nr 12, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 3/14 R - jeweils juris) bestehende Befreiungspraxis der Beklagten hinsichtlich der Vier-Kriterien-Theorie weitgehend wiederherstellen ( BT-Drucks 18/5201 S 2 zu B, 14 ff zu A) , hat dabei aber nicht auf das Erfordernis der Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung verzichtet. Die Sonderregelung des § 231 Abs 4c SGB VI (idF des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12.2015, BGBl I 2517) betrifft nur den Fall, dass Personen nach dem 3.4.2014 in Anbetracht der höchstrichterlichen Rechtsprechung ihre Zulassung zurückgegeben und damit ihre Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk verloren haben. Soweit in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Bundestagsausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu § 231 Abs 4c SGB VI eine Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk auch dann als gegeben angesehen wird, wenn eine formal freiwillig fortgeführte Mitgliedschaft in einem bisher zuständigen Versorgungswerk eine "an sich" bestehende Pflichtmitgliedschaft in einem neu zuständigen Versorgungswerk ersetzt (vgl BT-Drucks 18/6915 S 27) , ändert diese für Fälle eines Ortswechsels anwendbare Auslegung nichts an dem grundsätzlichen Erfordernis einer obligatorisch eintretenden Pflichtversicherung.
f) Das hier gefundene Ergebnis widerspricht nicht dem Grundrecht der Klägerin aus Art 2 Abs 1 GG . Der Gesetzgeber darf die Vorsorgefreiheit Beschäftigter durch Versicherungszwang in der GRV begrenzen und bei der ausnahmsweisen Eröffnung von Befreiungsmöglichkeiten die Leistungsfähigkeit der verbleibenden Versichertengemeinschaft in der GRV berücksichtigen. Dabei darf er insbesondere dem Anliegen, Versicherte mit typischerweise günstigen Risiken in der GRV zu halten, erhebliche Bedeutung beimessen (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 19; BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 RE 2/17 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 17 RdNr 49) . Es existiert von Verfassungs wegen auch kein Wahlrecht zugunsten der jeweils günstigsten Versorgungsmöglichkeit (vgl BVerfG Beschluss ≪Nichtannahme≫ vom 31.8.2004 - 1 BvR 1776/97 - BVerfGK 4, 46 , juris RdNr 11). Ebenso wenig ist es verfassungsrechtlich zu beanstanden, dass die Versicherungspflicht nicht an die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit eines Versicherungspflichtigen anknüpft (vgl BVerfG Beschluss ≪Nichtannahme≫ vom 31.8.2004 - 1 BvR 1776/97 - BVerfGK 4, 46 , juris RdNr 12).
Die Ungleichbehandlung ( Art 3 Abs 1 GG ) mit im Versorgungswerk aufgrund Gesetzes pflichtversicherten Rechtsanwälten (vgl § 5 RAVG BW) ist wegen dieser weiteren Zwangsversicherung sachlich gerechtfertigt. Ein Gleichheitsverstoß ist auch nicht deshalb ersichtlich, weil bei einem Kanzleisitz in einem anderen Bundesland nach dortigen landesrechtlichen Regelungen eine nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI relevante Pflichtmitgliedschaft entstehen könnte. Der Landesgesetzgeber ist nicht durch den Gleichheitssatz gehindert, bei seiner Rechtsetzung von Vorschriften des Bundes oder anderer Bundesländer abzuweichen, die diese für vergleichbare Sachverhalte in ihrem Gesetzgebungsbereich erlassen haben. Die Betroffenen können sich daher zur Begründung eines Verstoßes gegen Art 3 Abs 1 GG nicht auf abweichende Regelungen in anderen Ländern berufen (vgl BSG Urteil vom 10.10.2018 - B 13 R 20/16 R - BSGE 127, 11 = SozR 4-2600 § 56 Nr 9, RdNr 33; BVerfG Beschluss vom 7.11.2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225 , juris RdNr 48) .
2. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 45 SGB X sind erfüllt. Die Beklagte hat die Klägerin angehört ( § 24 Abs 1 SGB X idF der Bekanntmachung vom 18.1.2001, BGBl I 130) und insbesondere die Rücknahmefrist des § 45 Abs 3 SGB X eingehalten sowie das ihr eingeräumte Ermessen gesetzmäßig ausgeübt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG . |
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Heinz |
Padé |
Bergner |
Fundstellen
Haufe-Index 16287727 |
RegNr, 35189 (BSG-Intern) |
NZA 2024, 1264 |
Die Beiträge zur Sozial- und Arbeitslosenversicherung, Beilage 2024, 128-129 (Kurzwiedergabe) |
SGb, 228 (Kurzwiedergabe) |
SozR, 4 (vorgesehen) |