Leitsatz (amtlich)
Die Berechnung der Rente nach den günstigeren Vorschriften des alten Rechts ist nicht davon abhängig, daß am 1956-12-31 die Wartezeit nach jenen Vorschriften bereits erfüllt war; es reicht vielmehr aus, wenn die Wartezeit bei dem Eintritt des Versicherungsfalles nach den vom 1957-01-01 an geltenden Vorschriften erfüllt ist.
Leitsatz (redaktionell)
Für die Anwendung der Vergleichsberechnung nach ArVNG Art 2 § 42 ist es nicht erforderlich, daß die Wartezeit bereits am 1956-12-31 erfüllt war.
Normenkette
ArVNG Art. 2 § 42 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts in München vom 21. Januar 1960 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Für die im Jahre 1893 geborene Klägerin waren von 1910 bis zu ihrer Verheiratung im Jahre 1921 Pflichtbeiträge zur Invalidenversicherung entrichtet worden. Für die Jahre 1953 bis 1956 leistete die Klägerin vor dem 1. Januar 1957 je 52 freiwillige Wochenbeiträge; im Jahre 1957 entrichtete sie weiterhin freiwillig 13 Wochen- und 9 Monatsbeiträge.
Seit dem 1. April 1958 bezieht die Klägerin, die seit diesem Zeitpunkt berufs- und erwerbsunfähig ist, auf Grund des Bescheids der Beklagten vom 22. Oktober 1958 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die nach den seit dem 1. Januar 1957 geltenden Vorschriften der §§ 1253 ff. Reichsversicherungsordnung (RVO) auf monatlich 5,60 DM festgesetzt wurde.
Das Sozialgericht (SG) Landshut wies die Klage, mit der die Klägerin die Zahlung einer nach der Vergleichsberechnung des Art. 2 § 42 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) berechneten höheren Rente begehrte, ab, weil jene Vorschrift nur angewendet werden könne, wenn am 31. Dezember 1956 die Wartezeit durch anwartschaftserhaltende Beiträge erfüllt gewesen sei.
Mit ihrer Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) in München hatte die Klägerin Erfolg; das LSG hob durch Urteil vom 21. Januar 1960 das Urteil des SG auf und verurteilte die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Bescheids zur Zahlung einer nach der Vergleichsberechnung des Art. 2 § 42 ArVNG berechneten Rente. Es sah die Wartezeit für die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit durch die für die Zeit von 1953 bis Ende 1957 entrichteten Beiträge als erfüllt an. Es sei unzutreffend, daß eine Rentenberechnung nach altem Recht nur dann möglich sei, wenn mindestens 60 Beitragsmonate nach dem bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Recht zurückgelegt seien. Auch beim Vorliegen nur eines Beitrags habe - zB in den Fällen des § 1263 a RVO aF - eine Rente berechnet werden können. Art. 2 § 42 ArVNG sei eine Berechnungsvorschrift, wie sich aus der vom Gesetzgeber gewählten Überschrift für diese Vorschrift ergebe. Zu ihrer Anwendbarkeit dürfe daher nicht mehr verlangt werden, als notwendig sei, um eine Rente nach altem Recht berechnen zu können, soweit im Gesetz nicht ausdrücklich besondere Bedingungen zusätzlich aufgeführt seien. Dies sei nicht erfolgt hinsichtlich der Erfüllung einer besonderen Wartezeit von 60 Beitragsmonaten bis zum 31. Dezember 1956.
Nach dem Grundgedanken des Art. 2 § 42 ArVNG solle der Versicherte, der in den Jahren 1957 bis 1961 Rentner werde, vor der sofort fühlbaren Auswirkung der Berechnungsvorschriften des neuen Rechts - insbesondere infolge des Grundsatzes der beitragsgerechten Rente - geschützt werden und nicht weniger Rente erhalten, als er bei Weitergeltung des früheren Rechts bekommen hätte. Auch wenn derartige Übergangsvorschriften im Einzelfall zu Unbilligkeiten führten, rechtfertigten diese aus dem Rahmen des üblichen heraustretenden Einzelfälle keine dem Gesetzeswortlaut und Gesetzeszweck entgegenstehende Auslegung. So komme beispielsweise die Wohltat des Art. 2 § 42 ArVNG auch dem Versicherten zugute, der mit der Beitragszahlung erst Ende des Jahres 1956 begonnen habe.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 5. April 1960 zugestellte Urteil am 20. April 1960 unter Antragstellung die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Sie rügt eine Verletzung des Art. 2 § 42 ArVNG. Die Vorschrift des Art. 2 § 42 ArVNG, die ursprünglich nicht vorgesehen und schon bei der Gesetzesberatung umstritten gewesen sei, falle aus dem Rahmen der Berechnung der dem heutigen Rentenrecht zugrunde gelegten Arbeitswertrente heraus. Sie sei nur eine zeitlich befristete Übergangsregelung, die der Besitzstandswahrung diene. Versicherte, die bis zum 31. Dezember 1961 Rentner würden, sollten unter der Voraussetzung, daß Anwartschaft und Wartezeit am 31. Dezember 1956 in Ordnung gewesen seien, hinsichtlich der Rentenhöhe nicht schlechter gestellt werden, als wenn ihr Versicherungsfall unter der Herrschaft des alten Rechts eingetreten wäre. Die Ausnahmevorschrift des Art. 2 § 42 ArVNG sei daher nicht ausweitend auszulegen, sondern nur anzuwenden, wenn der Versicherte auf Grund seiner Beitragsleistung nach dem bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Recht bereits eine höhere Rente habe erwarten dürfen. Entscheidend sei daher, ob jene Bestimmung, wie sie dies annehme, eine Bestimmung zum Zwecke der Besitzstandswahrung oder eine Berechnungsvorschrift sei. Für ihre Auffassung spreche auch das Urteil des erkennenden Senats vom 1. Juli 1959 (BSG 10, 139 ff). Nur wenn man im Sinne dieses Urteils jene Vorschrift als Besitzstandssicherung ansehe, sei verständlich, daß die Anwartschaft nicht aus allen bis zum 31. Dezember 1956 geleisteten Beiträgen erhalten zu sein brauche. Betrachte man die Bestimmung dagegen als eine Berechnungsvorschrift, so sei nicht einzusehen, warum nicht die allgemeinen Grundsätze über die Anwartschaft gelten sollten. Es gehe nicht an, § 42 aaO je nach der Auslegung hinsichtlich der Anwartschaft als eine besitzstandswahrende und hinsichtlich der Wartezeit als Berechnungsvorschrift anzusprechen.
Es sei auch nicht zu rechtfertigen, bei allen Personen, die am 31. Dezember 1956 die Wartezeit noch nicht erfüllt hätten, für die Berechnung ihrer Rente den für die Sonderregelung des § 1263 a RVO aF vorgesehenen Mindeststeigerungsbetrag anzusetzen.
Die Erfüllung der Wartezeit am 31. Dezember 1956 habe auch nicht ausdrücklich vorgeschrieben werden müssen; Übergangsvorschriften regelten stets nur Fälle, in denen das neue Recht vom alten Recht abweiche; weder früher noch jetzt habe jedoch eine Rente ohne Erfüllung der Wartezeit gewährt werden können. Die Erfüllung der Wartezeit erst nach dem 31. Dezember 1956 sei für die beabsichtigte Rechtswohltat systemwidrig. Schließlich sei die Wartezeit nach altem Recht auch zur Zeit des Versicherungsfalles nicht erfüllt gewesen, da die Klägerin insgesamt nur 217 gültige Wochenbeiträge und 9 Monatsbeiträge, demnach nach der Bestimmung des § 1262 Abs. 3 RVO aF nur 59 Beitragsmonate, geleistet habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Klage gegen den angefochtenen Bescheid der Beklagten abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist statthaft, da das LSG sie zugelassen hat. Sie ist auch frist- und formgerecht unter Antragstellung eingelegt und begründet worden.
Die Revision ist jedoch nicht begründet, da die Voraussetzungen für die Vergleichsberechnung nach Art. 2 § 42 ArVNG, wie das LSG zutreffend angenommen hat, gegeben sind. Der Eintritt des Versicherungsfalles liegt, da die Klägerin nach den mit der Revision nicht angefochtenen Feststellungen des LSG seit April 1958 berufs- und erwerbsunfähig ist, in dem vom Art. 2 § 42 ArVNG vorgesehenen Zeitraum (1. Januar 1957 bis 31. Dezember 1961).
Die aus den bis zum 31. Dezember 1956 zurückgelegten Versicherungszeiten nach altem Recht berechnete Rente ist auch gegenüber einer nach dem seit dem 1. Januar 1957 geltenden Recht aus allen Versicherungszeiten berechneten Rente für die Klägerin günstiger.
Aus den vor dem 1. Januar 1957 entrichteten Beiträgen war die Anwartschaft nach den bis dahin geltenden Vorschriften zwar nicht aus allen, aber aus den seit dem Jahr 1953 entrichteten Beiträgen erhalten; dies reicht nach der inzwischen ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 10, 139 ff) zur Anwartschaftserhaltung im Sinne des Art. 2 § 42 ArVNG aus.
Die Klägerin hatte auch nach der insoweit mit zulässigen Rügen nicht angefochtenen Feststellung des LSG für das Jahr 1957, das dem Versicherungsfall vorausging, mehr als neun Monatsbeiträge entrichtet.
Die Klägerin hatte schließlich im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles die Wartezeit auch erfüllt; für diese Wartezeitberechnung sind, da es sich um einen nach dem 31. Dezember 1956 eingetretenen Versicherungsfall handelt, nur die Vorschriften der §§ 1249 ff. RVO nF, nicht jedoch die davon abweichenden der Wartezeitregelung des alten Rechts zugrunde zu legen, so daß die Beklagte mit ihrer Rüge, die Wartezeit nach altem Recht sei im Zeitpunkt des Versicherungsfalles nicht erfüllt - ganz abgesehen davon, daß insoweit keine zulässige Verfahrensrüge erhoben ist - auch sachlich-rechtlich nicht durchdringen konnte.
Die Anwendung der fraglichen Bestimmung hängt daher allein davon ab, ob bis zum 31. Dezember 1956 auch die nach dem bis dahin geltenden Recht vorgeschriebene Wartezeit erfüllt sein mußte.
Der Gesetzeswortlaut als solcher spricht dafür, daß die Erfüllung der Wartezeit am 31. Dezember 1956 nicht zu fordern ist, da ausdrücklich nur die Erhaltung der Anwartschaft als besondere Voraussetzung für die Anwendung des § 42 aaO vorgeschrieben ist und die Berücksichtigung einer an sich systemfremden, weil nicht auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalles bezogenen zusätzlichen Wartezeit nicht ohne weiteres so selbstverständlich erscheint, daß sie als weitere Voraussetzung zur Anwendung jener Bestimmung keiner besonderen Erwähnung bedürfte.
Bereits aus diesem Grunde sind Schrifttum und Rechtsprechung bisher überwiegend zu einer Ablehnung des Erfordernisses der Wartezeiterfüllung gekommen. Es ist allerdings zuzugeben, daß die Begründung allein mit dem gesetzlichen Wortlaut nicht völlig durchschlagend erscheint.
Gewisse Bedenken könnten einmal hinsichtlich der Eindeutigkeit dieses Wortlauts daraus hergeleitet werden, daß zwar die Bestimmungen über die Anwartschaft, nicht aber diejenigen über die Wartezeit infolge der Neuregelung grundsätzlich fortgefallen sind und deshalb - zumindest vordringlich - zwar die ausnahmsweise weiter verlangte Anwartschaftserhaltung ausdrücklich gesetzlich normiert werden mußte, während dies für die Wartezeiterfüllung scheinbar nicht so nötig war. Demgegenüber ist jedoch darauf hinzuweisen, daß eine solche Auffassung nur dann berechtigt wäre, wenn die Übergangsbestimmungen für derartige Fälle den Ablauf des 31. Dezember 1956 als fiktiven Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles für dessen Berechnung nach altem Recht vorgeschrieben hätten, da die Forderung einer zusätzlichen zweiten, vor dem Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllenden Wartezeit aus dem bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Recht nicht hergeleitet werden kann.
Zum anderen verbleibt, auch wenn der Gesetzeswortlaut - für sich betrachtet - gegen das Verlangen der Erfüllung einer Wartezeit schon zum 31. Dezember 1956 spricht, noch die Frage, ob nicht der Sinn und Zweck der Vorschrift und ihre systemgemäße Anwendung diese Wartezeit erfordern. Insoweit ist vielfach darauf abgestellt worden, ob § 42 aaO den Charakter einer Vorschrift zur Besitzstandswahrung hat oder ob es sich dabei um eine reine Berechnungsvorschrift handelt (vgl. Verbandskommentar, 6. Aufl., Anm. 10 zu § 42 aaO; Gesamtkommentar Anm. 8 a zu § 42 aaO; Ludwig, Praxis 1959, 548; Jantz-Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, Anm. II zu § 42 aaO).
Legt man die Bestimmung eng als Vorschrift zur Besitzstandswahrung aus, wie dies die Beklagte will, so hätte nur derjenige Versicherte Anspruch auf Berechnung nach den alten Vorschriften, der bereits am 31. Dezember 1956 einen Anspruch auf Rente gehabt hätte, falls der Versicherungsfall schon an diesem Tage eingetreten wäre; das wäre nicht der Fall, wenn am 31. Dezember 1956 die Wartezeit noch nicht erfüllt war, weil alsdann ein zu diesem Zeitpunkt nach altem Recht schon bestehender Besitzstand, der bei damaligem Eintritt der Invalidität ohne weiteres einen Rentenanspruch ausgelöst hätte, noch gar nicht vorhanden war.
Ist jene Vorschrift dagegen ausschließlich als Berechnungsvorschrift gedacht, dann genügt es, wenn nur die vom Gesetzgeber ausdrücklich geforderte Anwartschaftserhaltung am 31. Dezember 1956 vorlag; die Wartezeit dagegen brauchte dann erst im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles (1957 bis 1961) erfüllt zu sein.
Bei richtiger Betrachtungsweise wird jedoch § 42 aaO ausschließlich weder der einen noch der anderen Gruppe zuzurechnen sein; die Bestimmung weist vielmehr deutlich Merkmale auf, die Elemente beider Gruppen in sich vereinen.
Sowohl der Wortlaut der Vorschrift selbst, die die "Berechnung" der Renten bei bestimmten Versicherungsfällen regelt, wie die amtliche Überschrift des Abschnitts C des Art. 2 ArVNG, in dessen größerem Rahmen jene Vorschrift gestellt ist: "Übergangsregelung für die Berechnung der Renten" lassen es nicht zu, ihr den Charakter als Berechnungsvorschrift abzusprechen. Andererseits ist die hier vorgesehene Berechnungsweise jedoch, wie besonders deutlich aus dem Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik des Bundestages (BT-Drucksache zu Drucksache Nr. 3080, S. 25 zu § 41) hervorgeht, gerade geschaffen, um einer gewissen Gruppe von Versicherten mit bisher kurzer Versicherungsdauer, niedrigen Beiträgen u.ä., die in den auf den Zeitpunkt der Neuregelung folgenden fünf Jahren Rentner werden, besondere Vergünstigungen zu gewähren, die in einer Berechnung nach der bisherigen Rentenformel (zuzüglich eines Betrags von DM 21,-- ) bestehen, falls die Berechnung nach der neuen Formel ungünstiger wäre. Die Begrenzung auf fünf Jahre wird damit begründet, daß normalerweise bei weiterer Beitragszahlung innerhalb dieser Zeit stets ein finanzieller Ausgleich erreicht sein dürfte. Als Voraussetzung der Vergünstigung wahrend dieser Zeit, innerhalb derer jenem Versicherten durch eigene Beitragszahlung der Erwerb eines ihm angemessenen Rentenanspruchs noch nicht möglich ist, wird bewußt auf den Willen zur Erhaltung der Anwartschaft abgestellt, womit offenbar die gewollte Verbundenheit und Zugehörigkeit des Versicherten zur Rentenversicherung als Voraussetzung für die Vergünstigung vorgeschrieben werden sollte.
§ 42 aaO vereinigt also in sich die Merkmale einer Berechnungsvorschrift und diejenigen einer Besitzstandsklausel; als eine Berechnungsvorschrift, die der Besitzstandswahrung dient, kann die Vorschrift demnach weder als dem einen noch ausschließlich als dem anderen Zweck zugeordnet betrachtet werden. Unter diesen Umständen schließt die Tatsache, daß § 42 aaO auch den Besitzstand der Versicherten sichert, nicht aus, daß diese Bestimmung auch dann angewendet werden kann, wenn die Wartezeit nach altem Recht am 31. Dezember 1956 noch nicht erfüllt war. Im Sinne dieser Bestimmung hat eine schutzwürdige Rechtsstellung nämlich nicht nur derjenige Versicherte erlangt, der, falls der Versicherungsfall am 31. Dezember 1956 eingetreten wäre, Anspruch auf eine Rente nach altem Recht gehabt hätte, sondern auch derjenige, der ohne Erfüllung der Wartezeit am 31. Dezember 1956 auf Grund seiner Anwartschaftserhaltung die Möglichkeit erworben hatte, durch weitere Beitragsleistung bis zum Eintritt seines Versicherungsfalles einen Anspruch auf eine solche Rente zu erhalten. Jeder derartige Versicherte konnte bisher nach Erfüllung der Wartezeit nach Eintritt des Versicherungsfalles mit der Gewährung einer Mindestrente rechnen.
Weder in der Begründung des Gesetzes noch in dem Ausschußbericht ist die Frage der Erfüllung einer zusätzlichen Wartezeit am 31. Dezember 1956 überhaupt erwähnt. Zu dem Personenkreis, der an diesem Stichtag erst eine kurze Versicherungsdauer bzw. eine geringe Beitragsdichte aufweisen konnte und deshalb nach dem Ausschußbericht in den Genuß der Vergünstigungen kommen sollte, zählen aber auch gerade die Versicherten, die bis zu diesem Zeitpunkt die Wartezeit noch nicht erfüllt hatten, denen danach jene Vergünstigung unter der Voraussetzung der Erhaltung der Anwartschaft auch zuteil werden sollte.
Der Annahme, daß die Wartezeit zum 31. Dezember 1956 nicht erfüllt gewesen sein muß, steht auch die bisherige Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG 10, 139) nicht entgegen; der Senat hat damals diese Frage, auf die es bei der dortigen Entscheidung nicht ankam, vielmehr durchaus bewußt offen gelassen.
Schließlich ist zwar zuzugeben, daß die hier gefundene Auslegung u.U. eine große Vergünstigung für diejenigen Versicherten bedeuten kann, die am 31. Dezember 1956 erst einige wenige Beiträge zur Sozialversicherung geleistet hatten, eine Vergünstigung, deren objektive Berechtigung in diesen Fällen zweifelhaft erscheinen und die an sich systemwidrig sein mag. Derartige unbillige Ergebnisse in seltenen Einzelfällen dürfen jedoch nicht zu einer allgemeinen Auslegung einer Bestimmung verleiten, die für die große Menge aller normalen Fälle unzutreffend erscheint und vom Gesetzgeber generell nicht gewollt sein kann, sondern müssen ebenso hingenommen werden, wie dies auch für bei anderen gesetzlichen Regelungen vorkommende Grenzfälle gilt.
Da somit weder Sinn und Zweck der Vorschrift des § 42 aaO noch ihre systemgemäße Anwendung eine dem Gesetzeswortlaut entgegenstehende Auslegung fordern, ist mit der herrschenden Ansicht anzunehmen, daß die Vorschlaft auch dann angewendet werden kann, wenn die Wartezeit nicht bereits am 31. Dezember 1956 nach altem Recht, sondern erst und nur im Zeitpunkt des Versicherungsfalles - möglicherweise also auch erst mit Beiträgen, die nach dem 31. Dezember 1956 geleistet sind - nach neuem Recht erfüllt wird (vgl. Gesamtkomm. aaO; Jantz-Zweng aaO; Brackmann, Handbuch S. 706 s b) aa); Ludwig, ZfS 1961, 8, 11; Soz.Vers. 1957, 231; Praxis 1959, 548; Jahn, ZfS 1957, 317; Hoernigk, BB 1959, 165; Binter, SGb 1960, 299; LSG Baden-Württemberg, Breith. 1960, 994 u.a.m.).
Es war daher die Revision der Beklagten gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Bundessozialgericht
Der Vorsitzende des 4. Senats
Az.: 4 RJ 106 / 60
Kassel, den 10. Juli 1961
Graf-Bernadotte-Platz 3
Fernruf: 16261
Anschrift: Kassel-Wilh., Postfach 88
Beschluß
In Sachen
der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz, Landshut, Maximilianstraße 18-19,
Beklagten und Revisionsklägerin,
gegen
Klägerin und Revisionsbeklagte,
Prozeßbevollmächtigter:
wird das Urteil des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 20. April 1961 auf Grund des § 138 des Sozialgerichtsgesetzes wie folgt berichtigt:
1.) In der zehnten Zeile auf Blatt 3 der Urschrift - der sechsten Zeile auf Seite 3 der Ausfertigungen - werden die Worte "sei nur erfolgt" ersetzt durch die Worte "sei nicht erfolgt".
2.) In der zwölften Zeile von unten auf Blatt 6 der Urschrift - der elften Zeile von oben auf Seite 6 der Ausfertigungen - wird die Paragraphenbezeichnung "der §§ 1253 ff" ersetzt durch die Bezeichnung "der §§ 1249 ff".
Fundstellen