Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbstversicherung. freiwillige Weiterversicherung in der Angestelltenversicherung und in der Arbeiterrentenversicherung. Beanstandung und Überweisung von Beiträgen an den Rentenversicherungsträger
Orientierungssatz
Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung in der Angestelltenversicherung können mangels entgegenstehenden geäußerten Willens des Versicherungsberechtigten nicht in solche zur Selbstversicherung umgedeutet werden.
War der Kläger jedoch mangels zurückgelegter Versicherungszeiten in der Angestelltenversicherung zu einer Weiterversicherung in dieser nicht berechtigt, hat der Rentenversicherungsträger sämtliche Beiträge zur Angestelltenversicherung nach AVG § 143 Abs 3 zu beanstanden und an den zuständigen Rentenversicherungsträger der Arbeiterrentenversicherung zu überweisen, wenn der Kläger zur freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeiterrentenversicherung nach RVO § 1244 aF und in der Folgezeit zur Fortsetzung der vor dem 1. Januar 1957 aufgenommenen freiwilligen Weiterversicherung nach der Übergangsvorschrift des ArVNG Art 2 § 4 Abs 1 berechtigt war.
Normenkette
AVG § 143 Abs. 3 Fassung: 1965-06-09; RVO § 1233 Fassung: 1957-02-23; AVG § 10 Fassung: 1957-02-23; AnVNG Art. 2 § 5 Abs. 1; RVO § 1244 Fassung: 1938-05-01; ArVNG Art. 2 § 4 Abs. 1; RVO § 1421 Abs. 3 Fassung: 1965-06-09
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 02.04.1971) |
SG Dortmund (Entscheidung vom 19.11.1970) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. April 1971 und das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19. November 1970 sowie der Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 1968 und ihr Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1969 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der am 11. Juli 1922 geborene Kläger war vor dem letzten Kriege als landwirtschaftlicher Lehrling, Gehilfe und Verwalter tätig gewesen. Für ihn sind in den Jahren 1938 bis 1941 insgesamt 71 Wochenbeiträge zur damaligen Invalidenversicherung (InV) entrichtet worden, die nach Umrechnung 17 Pflichtbeitragsmonate ergeben. Vom Juli 1941 bis Juli 1945 leistete er Kriegsdienst und befand er sich in Kriegsgefangenschaft. Anschließend arbeitete er bis Anfang November 1952 im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb, ohne daß für ihn Beiträge zur Rentenversicherung (RentV) geleistet wurden. Vom 7. November 1952 bis 31. Mai 1956 war er als Hilfsarbeiter tätig. Für diese Zeit sind für ihn 43 Monatsbeiträge an die Landesversicherungsanstalt (LVA) Westfalen abgeführt worden. Anschließend übernahm er den elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb.
Am 9. Juli 1956 ließ sich der Kläger von der Ausgabestelle der Angestelltenversicherung (AnV) der Stadt Dortmund für eine freiwillige Weiterversicherung die Versicherungskarte Nr. 1 der AnV ausstellen. Damals war er jedoch zu einer Weiterversicherung in der AnV nicht befugt, weil er in dieser bisher keine Versicherungszeiten zurückgelegt hatte. Er hätte sich nur in der InV freiwillig weiterversichern können; dagegen war er zur Selbstversicherung in der AnV berechtigt (§ 21 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG - aF, §§ 1243, 1244 der Reichsversicherungsordnung - RVO - aF).
Der Kläger entrichtete in der Versicherungskarte Nr. 1 einmal 7 Versicherungsmarken zu je 14,50 DM mit dem Aufdruck 56 für 1956 und ferner insgesamt 41 Monatsbeiträge für die Jahre 1957 bis 1962.
Die Karte wurde am 18. Dezember 1963 von der Ausgabestelle der Stadt Dortmund aufgerechnet. Gleichzeitig ließ sich der Kläger die Versicherungskarte Nr. 2 für "Freiw. Weiterversicherung (Landwirt)" ausstellen. In dieser sind 35 Beitragsmarken zu je 14,- DM für die Zeit bis 1965 entrichtet.
Aufgrund eines Anfang 1967 gestellten Rentenantrages, der von der Beklagten mit der Begründung abgelehnt wurde, der Kläger sei noch nicht berufsunfähig, überprüfte jene die Wirksamkeit der zur AnV entrichteten Beiträge. Durch Bescheid vom 10. Juli 1968 beanstandete sie, nachdem der Kläger gegen den Rentenablehnungsbescheid Klage erhoben hatte, im Laufe des Berufungsverfahrens die für die Zeit vom 1. Januar 1957 bis 30. November 1965 entrichteten 76 Monatsbeiträge zur AnV, nicht dagegen die für 1956 entrichteten 7 Beiträge der Klasse V. Diese seien zu Recht entrichtete Beiträge zur Selbstversicherung in der AnV und könnten nicht beanstandet werden. Die seit dem 1. Januar 1957 entrichteten Beiträge seien dagegen unwirksam. Die Selbstversicherung könne nach Art. 2 § 5 Abs. 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) vom 23. Februar 1957 über den 31. Dezember 1956 hinaus nicht fortgesetzt werden. Der Kläger sei nach § 10 AVG nF auch zur Weiterversicherung in der AnV nicht berechtigt gewesen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde durch Bescheid vom 29. Juli 1969 zurückgewiesen.
Vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund hat der Kläger beantragt, die Bescheide vom 10. Juli 1968 und 29. Juli 1969 aufzuheben. Diese Klage hat das SG durch Urteil vom 19. November 1970 abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Der Kläger hat nunmehr gegen das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 2. April 1971 die von diesem zugelassene Revision eingelegt. Er beantragt,
das angefochtene Urteil, das Urteil des SG vom 19. November 1970 und den Bescheid vom 10. Juli 1968 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1969 aufzuheben.
Gerügt wird vor allem unrichtige Anwendung des § 143 Abs. 3 AVG.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
II.
Die Revision des Klägers ist im wesentlichen begründet.
Wie die Vorinstanzen übereinstimmend und insoweit zutreffend ausführen, war der Kläger 1957 zur freiwilligen Weiterversicherung weder in der Arbeiterrentenversicherung (ArV) nach § 1233 RVO idF des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) vom 23. Februar 1957 noch in der AnV nach § 10 AVG idF des AnVNG befugt gewesen. Eine solche Berechtigung entfiel deshalb, weil er nicht innerhalb eines Zeitraums vom 10 Jahren für mindestens 60 Kalendermonate Beiträge für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet hatte. Er hatte in der Zeit vom April 1938 bis Juli 1941 nur 17 Monate Pflichtversicherungszeit und von November 1952 bis Mai 1956 nur 43 Monate Pflichtversicherungszeit aufzuweisen. Wie immer man den zusammenhängenden 10-Jahreszeitraum auch abgrenzt, so liegen darin niemals 60 Pflichtversicherungsmonate. Dazu können auch die angegebenen Militärdienst- und Kriegsgefangenenzeiten nicht verhelfen, die nach § 1233 Abs. 1 Satz 3 RVO und nach § 10 Abs. 1 Satz 3 AVG bei der Ermittlung des Zeitraums von 10 Jahren nicht zu berücksichtigen sind, weil sie Ersatzzeiten sind. Die Militärdienst- und Kriegsgefangenenzeit umfaßt insgesamt 49 Monate, um welche sich der 10-Jahreszeitraum, gerechnet von April 1938 an, oder zurückgerechnet von Mai 1956, verlängern würde. Er würde demnach nur Pflichtversicherungszeiten erfassen, die von April 1938 bis April 1952 oder von Mai 1942 bis Mai 1956 zurückgelegt worden sind. In beiden Zeiträumen liegen jedoch keine 60 Pflichtversicherungsmonate vor. Damit hat für den Kläger vom 1. Januar 1957 an aufgrund des neuen Rechts keine Berechtigung zu einer freiwilligen Weiterversicherung mehr bestanden.
Eine Fortsetzung der bisherigen Selbstversicherung in der AnV war aufgrund der Übergangsvorschrift des Art. 2 § 5 Abs. 1 AnVNG nicht möglich, weil der Kläger nicht, wie dort vorgeschrieben ist, die Selbstversicherung in der AnV bereits vor dem 1. Januar 1956 begonnen hatte. Das Beanstandungsrecht der Beklagten war im Jahre 1968 schließlich noch nicht wegen Zeitablaufs nach § 145 Abs. 2 AVG wie im Falle der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. März 1968 (BSG 28, 26) untergegangen, da die Versicherungskarte Nr. 1 erst Ende 1963 aufgerechnet worden ist. Es besteht daher jetzt noch.
Damit sei, so führen die Vorinstanzen aus, das Verhalten der Beklagten berechtigt. Insbesondere könne sie die streitigen Beiträge nicht lediglich nach Maßgabe des § 143 Abs. 3 AVG beanstanden. Danach hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, wenn freiwillige Beiträge zur RentV der Angestellten entrichtet sind, obwohl die Weiterversicherung in diesem Versicherungszweig nicht zulässig ist, diese Beiträge unbeschadet des § 145 Abs. 2 Nr. 2 AVG zu beanstanden und sie dem zuständigen Versicherungsträger zu überweisen, wobei alsdann die Beiträge als zu Recht entrichtete Beiträge dieses Versicherungszweiges gelten. Diese Vorschrift sei, wie das LSG weiter dargelegt hat, hier deshalb nicht anwendbar, weil der Kläger 1957 und in den folgenden Jahren nicht in der ArV zur Weiterversicherung berechtigt gewesen sei. Dagegen könne er auch nicht geltend machen, er sei beim Beginn der freiwilligen Versicherung in der AnV durch die Bediensteten der Stadtverwaltung D unrichtig beraten worden. Dies treffe nicht zu, da er 1956 nach dem damaligen Recht zur Selbstversicherung berechtigt gewesen sei. Abgesehen hiervon brauche sich die Beklagte als Versicherungsträger ein etwaiges fehlerhaftes Verhalten von Bediensteten der Stadt Dortmund als einer selbständigen Einrichtung des öffentlichen Rechts nicht entgegenhalten zu lassen. Schließlich sei sie auch nach Eingang der am 18. Dezember 1963 aufgerechneten Versicherungskarte Nr. 1 nicht verpflichtet gewesen zu prüfen, ob der Kläger zur freiwilligen Versicherung berechtigt war (BSG, SozR § 1421 RVO Nr. 1). Die Beklagte habe in ihrem Bescheid vom 10. Juli 1968 zu Recht darauf hingewiesen, daß die für 1956 geklebten 7 Beiträge gültige Beiträge zur Selbstversicherung gewesen seien. Da der Kläger den Versicherungszweig ... der AnV nach Aufgabe seiner invalidenversicherungspflichtigen Beschäftigung bewußt gewählt habe, könnten die 7 für 1956 entrichteten freiwilligen Beiträge zur AnV nur als solche zur Selbstversicherung angesehen werden. Daß dem Kläger in der Folgezeit das Recht zur Fortsetzung der Selbstversicherung genommen worden sei, hindere die Wirksamkeit der 1956 rechtmäßig entrichteten Beiträge nicht und gebe keinen Grund und keine Möglichkeit zu ihrer Beanstandung oder zu einer Umdeutung in Versicherungsbeiträge zur InV. Hierzu fehle es sowohl an einer gesetzlichen Ermächtigung als auch an dem erforderlichen Bedürfnis.
Gegen diese Auffassung wendet sich die Revision mit Recht. Auch die Beklagte will an ihr nicht mehr in vollem Umfang festhalten. Sie führt dazu aus, seit der Änderung des § 143 Abs. 3 AVG durch Art. 1 § 2 Nr. 45 des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (RVÄndG) vom 9. Juni 1965 (BGBl I 476) finde diese Vorschrift nicht nur in den Fällen Anwendung, in denen es sich um einen Wanderversicherten handele, der lediglich den nach § 10 Abs. 3 AVG (§ 1233 Abs. 3 RVO) zuständigen Versicherungszweig verfehlt habe, sondern auch dann, wenn die Versicherungsbeiträge nur zu einem Versicherungszweig entrichtet seien, die Versicherungsberechtigung aber ausschließlich in einem anderen Versicherungszweig bestanden habe. Da § 143 Abs. 3 AVG auch vor dem 1. Januar 1957 entrichtete Beiträge erfasse (BSG SozR Nr. 3 zu § 1421 RVO), gelte diese neue Regelung auch für die Fälle, in denen die Berechtigung zur freiwilligen Weiterversicherung nach § 1244 RVO aF nur in der InV bestanden habe, die freiwillige Weiterversicherung aber irrtümlich in der AnV aufgenommen worden sei. Habe deshalb in einem derartigen Fall das Recht zur Selbstversicherung (§ 1243 RVO aF) in dem Versicherungszweig, zu dem die freiwilligen Weiterversicherungsbeiträge irrtümlich entrichtet worden seien, nicht mehr bestanden, weil der Versicherte zB das 40. Lebensjahr bereits vollendet gehabt habe, könnten die fehlentrichteten freiwilligen Beiträge nach § 143 Abs. 3 AVG (§ 1421 Abs. 3 RVO) ohne weiteres dem zuständigen Versicherungszweig überwiesen werden und seien danach zu Recht entrichtete freiwillige Beiträge dieses Versicherungszweiges. Sei der Versicherte aber - wie im vorliegenden Fall - noch zur Selbstversicherung in dem anderen Versicherungszweig berechtigt gewesen, verbiete jedoch Art. 2 § 5 Abs.1 AnVNG die Fortsetzung dieser Selbstversicherung, so wäre er mit der vom SG und LSG vertretenen Auffassung schlechter gestellt als derjenige, der nicht mehr zur Selbstversicherung berechtigt gewesen sei. Ein solches Ergebnis sei unbillig. Aus diesem Grunde erscheine es gerechtfertigt, die im Jahre 1956 zu Recht in der AnV entrichteten freiwilligen Beiträge des Klägers nach § 143 Abs. 3 AVG zu beanstanden und an die zuständige LVA zu überweisen, weil im Jahre 1956 das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung in der RentV der ArV bestanden habe. Dazu müsse jedoch zuvor die LVA Westfalen beigeladen und gehört werden. Wegen der Vorschrift des § 168 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) könne aber nur das LSG in dieser Weise den Rechtsstreit erledigen.
Dieser Auffassung ist im Ergebnis zuzustimmen. Der Kläger hat 1956 nicht Beiträge zur Selbstversicherung, sondern solche zur freiwilligen Weiterversicherung in der AnV geleistet. Hätte er in die Selbstversicherung eintreten wollen, so hätte es einer darauf gerichteten ausdrücklichen oder den objektiven Umständen zu entnehmenden Willenserklärung mit entsprechender nachfolgender Beitragsentrichtung bedurft (vgl. Malkewitz, Wann ist der Eintritt in die Selbstversicherung der Invaliden- und Angestelltenversicherung vollzogen?, Die Sozialversicherung 1952, 55 sowie Koch/Hartmann/v. Altrock/Fürst, Das AVG, 2. Aufl., § 21 AVG aF Anm. 4 S. 264). Die ausdrückliche Willenserklärung lag regelmäßig in dem Antrag auf Ausstellung einer Quittungskarte zum Zwecke der Selbstversicherung. Es ist weder festgestellt noch bestehen Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger einen solchen Antrag gestellt hat. Vielmehr sprechen die objektiven Umstände dagegen. Nach § 17 Abs. 5 der Beitragsordnung vom 21. November 1924 (RGBl I 745) war auf einen solchen Antrag hin die Versicherungskarte für Selbstversicherte am Kopf der ersten Seite als solche zu bezeichnen. Jene Beitragsordnung vom 21. November 1924 war 1956 noch gültig (vgl. LSG Hamburg vom 27. Februar 1959, Breithaupt 1959, 926; BSG, SozR § 1413 RVO Nr. 1). Erst die am 4. Juni 1964 in Kraft getretene allgemeine Verwaltungsvorschrift über Versicherungskarten und Aufrechnungsbescheinigungen in der RentV der Arbeiter und der RentV der Angestellten (VVA) vom 27. Mai 1964 hat die entsprechenden früheren Vorschriften, die größtenteils noch aus den Jahren 1911 und 1912 stammten, ersetzt (vgl. Nordhorn, BABl 1964, 791). Die vorgeschriebene Kennzeichnung als Selbstversicherung fehlt aber gerade auf der erwähnten Versicherungskarte Nr. 1. Da davon ausgegangen werden muß, daß die Ausgabestelle die Versicherungskarte ordnungsgemäß ausgestellt hat, ist den tatsächlich festgestellten und objektiv gegebenen Umständen zu entnehmen, daß der Kläger 1956 freiwillige Beiträge zur Weiterversicherung und nicht zur Selbstversicherung entrichten wollte und auch entrichtet hat.
Die Beklagte hatte diese Beiträge ebenso zu beanstanden wie die folgenden; denn der Kläger war mangels zurückgelegter Versicherungszeiten in der AnV zu einer Weiterversicherung in dieser nicht berechtigt. Da jedoch der Kläger im Jahre 1956 zur freiwilligen Weiterversicherung in der ArV nach § 1244 RVO aF und in der Folgezeit zur Fortsetzung der vor dem 1. Januar 1957 aufgenommenen freiwilligen Weiterversicherung nach der Übergangsvorschrift des Art. 2 § 4 Abs. 1 ArVNG befugt war, hatte die Beklagte in ihrem Bescheid vom 10. Juli 1968 sämtliche Beiträge zur AnV nach § 143 Abs. 3 AVG idF des RVÄndG zu beanstanden und der LVA Westfalen zu überweisen mit der Wirkung, daß sie dort als zu Recht entrichtete Beiträge der ArV gelten (SozR § 1421 RVO Nr. 3).
Die Beklagte wird diese Beanstandung und Überweisung der Beiträge nach § 143 Abs. 3 AVG nachzuholen haben. Dem steht nicht entgegen, daß sie die für 1956 entrichteten Beiträge als wirksame Beiträge zur Selbstversicherung in der AnV anerkannt hat. Zwar kann nach § 145 Abs. 3 Satz 1 AVG und § 1423 Abs. 3 Satz 1 RVO der Versicherte vom Träger der RentV die Feststellung verlangen, daß während der in der Entgeltsbescheinigung eingetragenen oder mit Beitragsmarken belegten Zeiten ein gültiges Versicherungsverhältnis bestanden hat. Hieraus folgt umgekehrt das Recht des Versicherungsträgers, die Wirksamkeit von Beiträgen anzuerkennen mit der Folge, daß sein etwaiges Beanstandungsrecht erlischt. Ein solches Anerkenntnis ist nicht an eine bestimmte Form gebunden, es erfordert also keinen formellen, selbständigen Verwaltungsakt, sondern kann auch in einem bestimmten Verhalten enthalten sein. Wann ein Anerkenntnis vorliegt, ist Frage des Einzelfalles (vgl. u.a. Hanow/Lehmann, Invalidenversicherung, 4. Aufl., § 1445 RVO Noten 9 und 12; Hanow/Lehmann/Bogs, Rentenversicherung der Arbeiter, 5. Auflage, § 1423 RVO Note 8; Koch/Hartmann/v.Altrock/Fürst, Das AVG 2. und 3. Aufl., § 146 AVG, Anm. III 1, S. V 884; VerbKomm., 6. Aufl., § 1423 RVO Note 13). Die für 1956 entrichteten freiwilligen Beiträge hat die Beklagte aber bisher nicht als wirksam entrichtete Beiträge zur Weiterversicherung in der AnV anerkannt, sondern nur als solche zur Selbstversicherung gedeutet.
Sind die für 1956 entrichteten Beiträge an die zuständige LVA überwiesen, so gelten sie als dort zu Recht entrichtete Beiträge dieses Versicherungszweiges, weil der Kläger im Jahre 1956 zur Weiterversicherung in der InV berechtigt war. Außerdem kommt ihm die Übergangsvorschrift des Art. 2 § 4 Abs. 1 ArVNG zugute, die ihn zur Fortsetzung einer bis zum 1.1.1957 zu Recht begonnenen Weiterversicherung nach § 1244 RVO aF berechtigte, so daß auch die nachfolgenden Beiträge lediglich zu einem falschen Versicherungszweig entrichtet sind.
Damit müssen die Bescheide vom 10. Juli 1968 und 29. Juli 1969 aufgehoben werden, weil die Beklagte die darin beanstandeten Beiträge ohne jede Beschränkung als ungültig erklärt hat, während nur eine Beanstandung sämtlicher Beiträge in der beschränkten Form des § 143 Abs. 3 AVG statthaft gewesen wäre. Außerdem muß das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden, um die LVA Westfalen beiladen zu können. Dagegen kann der Senat nicht entsprechend dem Antrag des Klägers den Fall schon jetzt endgültig entscheiden.
In seiner abschließenden Entscheidung wird das LSG im übrigen auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen