Leitsatz (amtlich)
Wird eine Ausfallzeit nur zu einem Bruchteil der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit aus einem vor dem 1.1.1966 begründeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis hinzugerechnet, so steht § 58c RKG (= § 1260c RVO) der Berücksichtigung des nicht angerechneten Teils der Ausfallzeit bei der Versichertenrente nicht entgegen (Abgrenzung zu BSG 1983-03-17 11 RA 59/82).
Orientierungssatz
Zur Auslegung des Wortes "soweit" als Begrenzung dem Umfang nach (vgl BSG 1978-06-27 4 RJ 149/76 = BSGE 46, 286).
Normenkette
RKG § 58c Fassung: 1977-06-27; RVO § 1260c Fassung: 1977-06-27; BeamtVG §§ 4, 82, 13
Verfahrensgang
SG Dortmund (Entscheidung vom 16.11.1981; Aktenzeichen S 22 Kn 168/81) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, wie die Vorschrift des § 58c des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) auszulegen ist.
Der 1916 geborene Kläger bezieht seit dem 1. Februar 1981 Knappschaftsruhegeld gemäß § 48 Abs 5 RKG, das durch Bescheid vom 31. Januar 1981 bewilligt wurde. Nach der Berechnung in diesem Bescheid wurde eine Ausfallzeit vom 13. November 1947 bis zum 29. Oktober 1949 nicht berücksichtigt, weil der Kläger als Berechtigter nach dem Bundesgesetz zu Art 131 des Grundgesetzes außerdem Versorgungsbezüge erhält, für die die Zeit vom 19. Januar 1946 bis zum 31. Januar 1971 zu einem Sechstel als Zurechnungszeit angerechnet ist. Der Kläger machte im Widerspruchsverfahren gegen den Bewilligungsbescheid geltend, die genannte Ausfallzeit dürfe nur zu einem Sechstel unberücksichtigt bleiben. Gegen den als unbegründet zurückgewiesenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund Klage erhoben mit dem Begehren, bei der Berechnung des Knappschaftsruhegeldes die Ausfallzeit vom 13. November 1947 bis zum 29. Oktober 1949 zu fünf Sechsteln zu berücksichtigen.
Mit Urteil vom 16. November 1981 gab das SG der Klage statt. In den Urteilsgründen führte es aus, die Verpflichtung, fünf Sechstel der genannten Ausfallzeit zu berücksichtigen, ergebe sich bereits aus dem Gesetzestext, denn für die Versorgungsbezüge des Klägers sei die Zeit vom 19. Januar 1946 bis zum 31. Januar 1971, innerhalb welcher die im Streit stehende Ausfallzeit liege, nur zu einem Sechstel angerechnet worden. Eine Auslegung des Gesetzes, wie die Beklagte es wünsche, würde bei Versicherten zu Ungleichbehandlungen führen, wenn bei deren Versorgung Ausfallzeiten zu unterschiedlichen Anteilen berücksichtigt würden. Ein solches Ergebnis widerspreche dem Sinn des § 58c RKG. Die Beklagte könne sich zur Auslegung des § 58c RKG auch nicht auf die Verwaltungsvorschrift nach § 18 Abs 4 Fremdrentengesetz (FRG) vom 7. August 1962 berufen. Durch Beschluß vom 12. Februar 1982 hat das SG die Sprungrevision zugelassen.
Die Beklagte rügt mit der von ihr eingelegten Revision eine Verletzung des § 58c RKG durch das Berufungsgericht.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG Dortmund vom 16. November 1981 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die vom SG durch Beschluß zugelassene und damit statthafte Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, auf das Knappschaftsruhegeld des Klägers fünf Sechstel der Ausfallzeit vom 13. November 1947 bis 29. Oktober 1949 anzurechnen. Diesem Begehren des Klägers steht § 58c RKG nicht entgegen.
Nach dieser durch Art 2 § 3 Nr 13 des 20. Rentenanpassungsgesetzes vom 27. Juni 1977 (BGBl I, 1040) mit Wirkung vom 1. Januar 1980 in das RKG eingeführten Vorschrift bleiben - ua - Ausfallzeiten bei der Berechnung der Versichertenrente unberücksichtigt, soweit sie bei einer Versorgung aus einem vor dem 1. Januar 1966 begründeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zugrunde gelegt werden. Die genannte Ausfallzeit des Klägers fällt in einen Zeitraum, der gemäß § 117 Abs 1 iVm § 181a Abs 1 des Bundesbeamtengesetzes (BBG aF) idF des Zweiten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern vom 23. Mai 1979, BGBl I, 1173) (mit Wirkung vom 1. Januar 1977 abgelöst durch die inhaltsgleichen Vorschriften der §§ 13 Abs 1, 82 Abs 1 des Beamtenversorgungsgesetzes vom 24. August 1976, BGBl I, 2485 -BeamtVG-) nur zu einem Sechstel der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit des Klägers hinzugerechnet wird. In § 58c RKG ist indes - wie sich bereits aus der Einschränkung "soweit" ergibt - die Nichtberücksichtigung beitragsloser Zeiten auf den tatsächlichen Umfang ihrer "Zugrundelegung" bei der beamtenrechtlichen Versorgung beschränkt. Damit stimmt auch die Systematik und die Sprachregelung des BeamtVG überein, weil nach dessen § 4 Abs 3 das Ruhegehalt "auf der Grundlage" der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge und der "ruhegehaltsfähigen Dienstzeit" berechnet wird. "Grundlage" der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit in diesem Sinne kann hier - infolge der Begrenzungsvorschriften der §§ 117 Abs 1, 181a Abs 1 BBG aF (§§ 13 Abs 1, 82 Abs 1 BeamtVG) - nur die versorgungsrechtliche Zurechnungszeit und damit nur ein Sechstel der in diesen Vorschriften genannten Gesamtzeit sein. Dem entspricht, daß die Ausfallzeit des Klägers auch nur zu diesem Bruchteil der beamtenrechtlichen Versorgung iS des § 58c RKG "zugrunde gelegt" ist.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in ständiger Rechtsprechung dem Wort "soweit" eine Begrenzung dem Umfang nach beigemessen (vgl SozR Nr 3 zu § 193 RVO; SozR 2200 § 1242 Nr 3; SozR 4100 § 37 Nr 1, BSGE 41, 241 = SozR 4100 § 57 Nr 2; BSGE 42, 5 = SozR 4100 § 57 Nr 3; BSGE 44, 226 = SozR 2200 § 1241 Nr 5; BSGE 45, 29 = SozR 4100 § 40 Nr 16; BSGE 46, 286 = SozR 2200 § 1236 Nr 10) und in diesem Zusammenhang betont, daß auch der Gesetzgeber die Wörter "wenn" und "soweit" in der ihnen schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zukommenden unterschiedlichen Bedeutung verwendet (so BSG in SozR 4100 § 160 Nr 2). Es hat sogar aus der Ersetzung des Wortes "soweit" durch das Wort "sofern" in § 57 Arbeitsförderungsgesetz weitgehende rechtliche Folgerungen gezogen (vgl BSGE 48, 92, 99 = SozR 2200 § 1236 Nr 15 und BSGE 50, 111, 113 = SozR 4100 § 57 Nr 11). Der erkennende Senat sieht keinen Anlaß, von dieser ständigen Rechtsprechung bei der Auslegung des § 58c RKG abzuweichen. Hätte der Gesetzgeber in dieser Vorschrift den Ausschluß beitragsloser Zeiten bei der Rentenberechnung unabhängig davon gewollt, ob diese Zeiten ganz oder nur zum Teil bei der beamtenrechtlichen Versorgung zugrunde gelegt werden, so hätte er - unter Verzicht auf den einschränkenden Begriff "soweit" - den Nebensatz allgemein, etwa beginnend mit dem Wort "wenn" (so BSG in SozR 4100 § 160 Nr 2) oder entsprechend dem Wortlaut des § 18 Abs 3 Satz 1 FRG in seiner ursprünglichen Fassung (aF) vom 25. Februar 1960 (BGBl I, 93) formulieren können.
Aus den vorstehenden Erwägungen kann der im Schrifttum zu den mit § 58c RKG inhaltsgleichen Vorschriften der §§ 1260c Reichsversicherungsordnung (RVO), 37c Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) überwiegend vertretenen Meinung, wonach bei nur teilweiser Berücksichtigung einer beitragslosen Zeit bei der Bemessung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit nicht nur dieser Teil, sondern die Gesamtzeit der Versorgung zugrunde liege (vgl Verbandskommentar zum 4. und 5. Buch der RVO, Stand 1. Januar 1982, § 1260c, Anm 8; Zweng/Scheerer/Buschmann, Handbuch der Rentenversicherung, 2. Aufl, Stand 1. Juni 1982, § 1260c, Anm II 3; Kaltenbach/Maier in Koch/Hartmann, AVG, 2.-3. Aufl, Stand Juli 1982, § 37c, Anm D 3.2) nicht gefolgt werden. Diese Auffassung stützt sich lediglich auf den dementsprechenden Wortlaut der Nr 6 Abs 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 7. August 1962 (BAnz Nr 151) zu § 18 Abs 3 Satz 1 FRG aF, sie wäre somit - unabhängig von den hiergegen bereits im Urteil des 1. Senats des BSG vom 24. März 1983 (1 RJ 82/82) geäußerten und vom erkennenden Senat geteilten Bedenken - nur dann vertretbar, wenn die Formulierung der §§ 1260c RVO, 37c AVG und 58c RKG mit dem Wortlaut des § 18 Abs 3 Satz 1 FRG aF übereinstimmen würde. Das ist indes gerade nicht der Fall, weil in § 18 Abs 3 Satz 1 FRG aF - abweichend von den vorgenannten Vorschriften - die Einschränkung "soweit" nicht enthalten ist. Im Hinblick auf die Bedeutung, die der Gesetzgeber dieser Wortwahl nach der zitierten Rechtsprechung des BSG regelmäßig beimißt, muß deshalb davon ausgegangen werden, daß mit der einleitenden Voraussetzung "soweit" in § 58c RKG eine nur zu einem Bruchteil als Zurechnungszeit bei der beamtenrechtlichen Versorgung zugrunde gelegte Ausfallzeit auch nur in diesem Umfang bei der Rentenberechnung unberücksichtigt bleiben soll (ebenso Miesbach-Busl, RKG, Kommentar, Stand Juni 1980, § 58c, Anm 2).
Diese Gesetzesauslegung stimmt auch mit dem Sinn und Zweck der Regelung überein, eine Doppelversorgung im Falle der Gewährung einer gesetzlichen Rente an einen zugleich versorgungsberechtigten Beamten zu vermeiden (vgl hierzu eingehend aufgrund der Entstehungsgeschichte des § 1260c RVO: BSG-Urteil vom 24. März 1983 aaO). Allein durch die Berücksichtigung der in § 58c RKG aufgeführten beitragslosen Zeit zu einem Sechstel als ruhegehaltsfähige Dienstzeit bei der Beamtenversorgung und zu fünf Sechstel bei der Rentenberechnung wird jedoch eine Überversorgung nicht bewirkt (im Grundsatz ebenso BSG-Urteil vom 24. März 1983 aaO). Damit wird der Kläger lediglich mit einem "Nur-Versicherten", dem die anerkannten Ausfallzeiten voll angerechnet werden, gleichgestellt. Eine derartige zu einer Gleichbehandlung führende Auslegung der Vorschrift hält der Senat auch aus verfassungsrechtlichen Gründen für geboten.
Mit dieser Entscheidung weicht der erkennende Senat nicht vom Urteil des 11. Senats des BSG vom 17. März 1983 (11 RA 59/82) ab, wonach eine Zeit auch dann einer beamtenrechtlichen Versorgung iS des § 37c AVG zugrunde gelegt ist, wenn sie nicht zu einer konkreten Erhöhung der Versorgungsbezüge geführt hat. Jenes Urteil betrifft einen Fall, in dem die Ersatzzeiten (Zeiten des Wehrdienstes und des Reichsarbeitsdienstes) gemäß § 9 BeamtVG in vollem Umfang als ruhegehaltsfähig zu berücksichtigen sind, so daß der 11. Senat über die Auslegung der mit § 58c RKG inhaltlich übereinstimmenden Vorschrift des § 37c AVG unter Beachtung des Wortes "soweit" bei einer nur bruchteilmäßigen Hinzurechnung einer Ausfallzeit zur ruhegehaltsfähigen Dienstzeit (§§ 13, 82 BeamtVG) nicht zu entscheiden hatte.
Der Sprungrevision der Beklagten muß nach alledem der Erfolg versagt bleiben (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen