Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensausgleich im Rahmen der Witwenbeihilfe-Streichung des § 48 Abs 2 S 2 BVG durch das AFGHStruktG vom 1975-12-18
Orientierungssatz
Durch die Streichung des § 48 Abs 2 S 2 BVG durch das AFGHStruktG vom 1975-12-18 ist die Voraussetzung für den Schadensausgleich im Rahmen der Witwenbeihilfe, daß in den wirtschaftlichen Verhältnissen oder der Versorgung der Witwe gerade wegen der Schädigungsfolgen ein wirtschaftlicher Nachteil entstanden ist, nicht entfallen. Auch nach dem ab 1.1.1976 geltenden Recht besteht ein Rechtsanspruch auf Schadensausgleich im Rahmen der Witwenbeihilfe nur, wenn die Versorgung der Witwe durch die Schädigungsfolgen nicht unerheblich beeinträchtigt worden ist.
Normenkette
BVG § 48 Abs 2 S 2 Fassung: 1972-07-24; BVG § 48 Abs 1 S 4 Fassung: 1972-07-24; BVG § 48 Abs 1 S 1 Fassung: 1975-12-18; AFGHStruktG Art 2 § 1 Nr 5 Buchst b Fassung: 1975-12-18
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin ist die Witwe des H. N. (N.). Dieser ist schädigungsunabhängig am 31. Oktober 1975 verstorben. Er bezog bis zu seinem Tode Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 vH, aber weder Pflegezulage noch Berufsschadensausgleich.
Auf Antrag der Klägerin bewilligte mit Bescheid vom 18. Februar 1976 das Versorgungsamt Witwenbeihilfe als Kannleistung in Höhe von 2/3. Ein Schadensausgleich wurde gem § 48 Abs 1 Satz 4 iVm § 48 Abs 2 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) idF vor dem 1. Januar 1976 = aF nicht gewährt, weil die Schädigungsfolgen des Verstorbenen sich nicht nachteilig auf die Versorgung der Witwe ausgewirkt hätten. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) hat den Beklagten verurteilt, Schadensausgleich zu gewähren. In der Begründung heißt es: Die Vorschrift des § 48 Abs 2 Satz 2 BVG aF, die bisher die Gewährung von Schadensausgleich an die Klägerin verhindert habe, gelte seit dem 1. Januar 1976 nicht mehr, so daß der Klägerin als Witwe eines Beschädigten mit einer MdE um 70 vH auch der Schadensausgleich zu gewähren sei. N. sei vor Inkrafttreten der Neufassung des § 48 Abs 1 BVG gestorben; die Witwe habe Witwenbeihilfe dem Grunde nach bezogen, so daß ihr diese Leistung weiter zu gewähren sei.
Mit der Revision führt der Beklagte aus, die Streichung des § 48 Abs 2 Satz 2 BVG aF sei nur im Hinblick auf die gleichzeitige Neufassung des § 48 Abs 1 BVG durch das Haushaltsstrukturgesetz (HStruktG) angezeigt gewesen. Hierin sei der entschädigungsrechtliche Charakter des BVG hervorgehoben worden. Es sei nicht anzunehmen, daß durch die Streichung des § 48 Abs 2 Satz 2 BVG aF eine Leistungsverbesserung bewirkt werden sollte. Da N. vor dem 1. Januar 1976 verstorben sei, könne die Klägerin nicht die Leistungen in gleicher Weise erhalten, wie wenn sie nach § 48 Abs 1 BVG nF einen Rechtsanspruch hätte.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. Januar 1982 abzuändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 22. Juni 1978 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Die festgestellten Tatsachen reichen nicht aus, um abschließend über die Sache zu entscheiden.
Nach § 48 Abs 1 BVG idF durch das 4. Anpassungsgesetz vom 24. Juli 1972, -BGBl I S 1284- (= aF) konnte Witwen eines Beschädigten mit Anspruch auf Rente nach einer MdE um wenigstens 70 vH eine Witwenbeihilfe gewährt werden. Ein Schadensausgleich konnte jedoch in diesen Fällen nur gewährt werden, wenn sich die Schädigungsfolgen des Verstorbenen nachteilig auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Witwe auswirkten (§ 48 Abs 2 Satz 2 BVG aF). § 48 BVG ist durch das Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungsgesetzes und des Bundesversorgungsgesetzes vom 18. Dezember 1975 BGBl I S 3113 (HStruktG-AFG) geändert worden. Diese Neufassung ist am 1. Januar 1976 in Kraft getreten. In § 48 Abs 1 Satz 1 heißt es nunmehr über die Witwenbeihilfe: "Ist ein Schwerbeschädigter nicht an den Folgen einer Schädigung gestorben, so ist der Witwe Witwenbeihilfe zu gewähren, wenn der Schwerbeschädigte durch die Folgen der Schädigung gehindert war, eine entsprechende Erwerbstätigkeit im vollen Umfang auszuüben und dadurch die Versorgung seiner Hinterbliebenen nicht unerheblich beeinträchtigt worden ist."
Das LSG hat das Urteil des Sozialgerichts (SG) aufgehoben, weil nach den Übergangsvorschriften des HStruktG-AFG § 48 Abs 2 Satz 2 BVG aF gestrichen worden und deshalb nicht mehr danach zu fragen sei, ob sich die Schädigung des Ehemannes nachteilig auf die Versorgung der Witwe ausgewirkt habe. Dieser Auffassung ist nicht beizupflichten. Es kann dahinstehen, ob das Recht, das zur Zeit des Todes des Ehemannes der Klägerin am 31. Oktober 1975 galt, oder das seit dem 1. Januar 1976 in Kraft getretene oder - wie das LSG es konstruiert hat - für den Anspruch dem Grunde nach das alte, für den Schadensausgleich seit dem 1. Januar 1976 jedoch das neue Recht. Sowohl nach altem als auch nach neuem - und auch nach dem kombinierten - Recht ist Voraussetzung für den Schadensausgleich im Rahmen der Witwenbeihilfe, daß in den wirtschaftlichen Verhältnissen oder der Versorgung der Witwe gerade wegen der Schädigungsfolgen ein wirtschaftlicher Nachteil festzustellen ist. Das wurde für das alte Recht in § 48 Abs 2 Satz 2 BVG aF ausdrücklich gesagt. Entgegen der Auffassung des LSG ist dieses Erfordernis nicht deshalb weggefallen, auch nicht für die Vergangenheit, weil dieser Satz gestrichen worden ist. Das LSG hat nämlich nicht bedacht, daß auch ohne diese ausdrückliche Vorschrift für das alte Recht stets zu prüfen war, ob die Schädigung des verstorbenen Ehemannes sich nachteilig auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Witwe auswirkten. Wie das Bundessozialgericht (BSG) ausgesprochen hat (Urteil vom 8. Dezember 1970 - 8 RV 671/69 - in BVBl 1971, 105), war die Einfügung des § 48 Abs 2 Satz 2 BVG aF durch das Dritte Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 28. Dezember 1966, (BGBl I S 750) lediglich eine Klarstellung des bereits bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Rechts. Unter Hinweis auf die frühere Rechtsprechung des BSG ist dort ausgeführt worden, daß in jedem Einzelfall geprüft werden müsse, ob zwischen Schädigung und mangelhafter Versorgung der Witwe ein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Aber auch nach neuem Recht besteht ein Rechtsanspruch auf Witwenbeihilfe nur, wenn die Versorgung der Witwe durch die Schädigungsfolgen nicht unerheblich beeinträchtigt worden ist. Das hat das LSG auch nicht verkannt; es hat angenommen, daß hier das Merkmal der wirtschaftlichen Beeinträchtigung der Witwe gleichsam für alle Einzelansprüche der Witwenbeihilfe vor die Klammer gezogen worden sei. Konsequenterweise ist auch der Anspruch auf Schadensausgleich nur unter dieser Bedingung gegeben.
Nach alledem ist auch in dem hier vorliegenden Fall danach zu fragen, ob sich die Schädigungsfolgen des N. nachteilig auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin ausgewirkt haben. Das ist nach dem Recht zu prüfen, das zZt des Todes des Ehemannes der Klägerin galt (Art 2 Abs 3 HStruktG-AFG). Das SG hat zwar einen wirtschaftlichen Nachteil verneint. Dieses Urteil ist aber vom LSG aufgehoben worden. Daß der Anspruch des N. auf Gewährung von Berufsschadensausgleich bindend abgelehnt worden ist, kann für die Witwenbeihilfe nicht übernommen werden. Das LSG wird eigenständig für die Versorgung der Witwe zu prüfen haben, ob deren wirtschaftliche Stellung durch Schädigungsfolgen ihres Ehemannes nachteilig beeinflußt worden sind (vgl dazu BSG SozR 3100 § 48 Nr 4).
Die Kostenentscheidung bleibt dem das Verfahren abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen