Leitsatz (redaktionell)
Für die Annahme einer besonderen Härte iS des BVG § 89 Abs 1 reicht es allein nicht aus, daß es wegen eines durch einen Dienstunfall verursachten Todes eines Bundeswehrsoldaten nicht mehr zur Eheschließung gekommen ist und daß dieser Tod die Absicht zur alsbaldigen Eheschließung vereitelt hat; es ist weiterhin erforderlich (vergleiche BSG 1968-02-01 10 RV 333/66 = BSGE 27, 286), daß wehrdienstbedingte Umstände die alsbaldige Eheschließung verhindert haben.
Normenkette
BVG § 89 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20
Tenor
Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. März 1969 und des Sozialgerichts Frankfurt (Main) vom 15. Mai 1968 aufgehoben.
Die Klage gegen den Bescheid vom 21. Juni 1966 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. September 1966 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Mutter und Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte im April 1963 die Gewährung von sogenannter "Brautversorgung" als Versorgungsleistung im Wege des Härteausgleichs nach einem Bundeswehrsoldaten K. beantragt, mit dem sie seit September 1961 noch bevor er zur Bundeswehr eingezogen worden war, verlobt gewesen war. Nachdem sich im Januar 1963 ärztlich bestätigt hatte, daß die Mutter der Klägerin in anderen Umständen war, beschlossen die Verlobten, im April 1963 zu heiraten, nachdem K. Ende März 1963 von der Bundeswehr entlassen worden sei. Am 22. Januar erlitt K. einen Dienstunfall und starb am 23. Januar 1963 an dessen Folgen.
Das Versorgungsamt ermittelte, daß K. auf Antrag in der Zeit von Mitte Januar 1963 bis zu seiner Entlassung am 31. März 1963 drei Tage Heiratsurlaub hätte erhalten können. Der Bundesminister für Arbeit lehnte die Zustimmung zur Gewährung von Versorgung im Wege des Härteausgleichs ab, weil der wehrdienstbedingte Tod des Soldaten allein, auch bei nachgewiesene Absicht zur alsbaldigen Eheschließung, die Gewährung des Härteausgleichs nicht rechtfertige und im vorliegenden Falle keine Ereignisse vorgelegen hätten, welche aus dienstlichen Gründen eine Eheschließung während der Zugehörigkeit zur Bundeswehr ausgeschlossen hätten. Dementsprechend lehnte das Versorgungsamt durch den Bescheid vom 21. Juni 1966 die Gewährung von Härteausgleich ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. September 1966).
Auf die Klage der Mutter der Klägerin hat das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 15. Mai 1968 die Verwaltungsbescheide aufgehoben.
Der Beklagte hat Berufung eingelegt und vorgetragen, aus den Gesamtumständen des Falles könne nicht geschlossen werden, daß die alsbaldige Heirat durch Umstände des Wehrdienstes verhindert worden sei. Das Landessozialgericht (LSG) hat den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) beigeladen. Durch Urteil vom 26. März 1969 hat es die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Es hat die Auffassung des SG gebilligt, daß nicht nur das Verlöbnis, sondern auch die Absicht zur alsbaldigen Heirat nachgewiesen seien. Für die Brautversorgung genüge es, wenn die beiderseitige ernsthafte Absicht zur alsbaldigen Eheschließung dargetan sei. Ein Zeitraum von Januar bis April sei bei Heiraten angemessen und habe sich hier geradezu angeboten, weil der Verstorbene ohnehin am 31. März 1963 aus der Bundeswehr ausgeschieden sei; er sprenge den Rahmen einer alsbaldigen Heiratsabsicht nicht. Diese sei allein durch den jähen Tod des Bräutigams vereitelt worden.
Der Beklagte hat Revision eingelegt und beantragt zu erkennen:
Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 15. Mai 1968 und das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. März 1969 werden aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Er rügt mit näherer Begründung eine Verletzung des § 89 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und ist der Ansicht, es genüge nicht, daß wegen des Todes des Verlobten es nicht mehr zur Eheschließung gekommen sei. Umstände des Wehrdienstes hätten hier der alsbaldigen Eheschließung nicht entgegengestanden.
Der Beigeladene tritt den Ausführungen des Beklagten bei.
Die Klägerin beantragt,
die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. März 1969 als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Im Laufe des Revisionsverfahrens ist die Mutter der Klägerin gestorben und von ihr als Alleinerbin beerbt worden.
Sämtliche Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die durch Zulassung statthafte Revision ist form-und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie mußte auch Erfolg haben.
Nach § 80 Abs. 1 Satz 2 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) i. V. m. § 38 Abs. 1 Satz 1 BVG steht Hinterbliebenenversorgung der Witwe, den Waisen und den Verwandten der aufsteigenden Linie zu. Zu diesem Personenkreis hat die Mutter der Klägerin nicht gehört; sie ist mit K. nicht verheiratet gewesen. Ein Rechtsanspruch auf Versorgung hat ihr demnach nicht zugestanden. Infolgedessen kann - wie die Verwaltung und die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben - vorliegend Versorgung nur als Ermessensleistung zum Ausgleich einer besonderen Härte gewährt werden.
Ein solcher Härteausgleich ist bisher beim Bundessozialgericht (BSG) nur in Fällen streitig geworden, in welchen die beabsichtigte Eheschließung mit einem Soldaten durch Kriegsereignisse verhindert worden ist. Der Senat hat keine Bedenken dagegen, einen derartigen Härteausgleich auch dann für rechtlich zulässig zu erachten, wenn die Eheschließung mit einem Bundeswehrsoldaten durch die Besonderheiten des Wehrdienstes verhindert worden ist. Er verkennt nicht, daß solche Verhältnisse bei Angehörigen der Bundeswehr selten, vielleicht sogar sehr selten, sein werden. Dies ändert aber nichts an der Rechtslage, daß durch § 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 SVG die Vorschriften des BVG - also auch die des § 89 BVG - entsprechend anzuwenden sind.
Nach § 89 Abs. 1 BVG kann mit Zustimmung des BMA ein Ausgleich gewährt werden, wenn sich in einzelnen Fällen aus den Vorschriften dieses Gesetzes besondere Härten ergeben. Nach der Rechtsprechung des BSG (BSG 27, 75 ff = SozR Nr. 1 zu § 89 BVG) ist die besondere "Härte" i. S. des § 89 Abs. 1 BVG ein unbestimmter Rechtsbegriff, der aus dem Gesetz selbst auszulegen und der gerichtlichen Nachprüfung zugänglich ist.
Sind die Voraussetzungen dieses unbestimmten Rechtsbegriffes nicht erfüllt, kann die Ablehnung des Härteausgleichs nicht rechtswidrig sein, weil in diesem Fall die in § 89 Abs. 1 BVG enthaltene Ermächtigung eine Ermessensentscheidung nicht zuläßt. Das LSG ist der Ansicht gewesen, eine besondere Härte sei darin zu erblicken, daß es wegen des durch einen Dienstunfall verursachten Todes des K. nicht mehr zur Eheschließung gekommen sei, und daß dieser Tod die Absicht zur alsbaldigen Eheschließung vereitelt habe. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht hinreichend berücksichtigt, daß dies nicht allein für die Annahme einer besonderen Härte ausreicht. Denn es ist weiterhin erforderlich (BSG 27, 286 ff = SozR Nr. 2 zu § 89 BVG), daß wehrdienstbedingte Umstände die alsbaldige Eheschließung verhindert haben. Wenn auch das LSG in dieser Hinsicht keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat, so ist doch durch die Bezugnahme auf das Urteil des SG hier in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß der Einheitsführer des verstorbenen Verlobten mitgeteilt hat, ein Heiratsurlaub von drei Tagen hätte in der Zeit von Mitte Januar bis Ende März 1963 jederzeit beantragt und gewährt werden können. Auf diese Tatsache haben der Beklagte und der Beigeladene zu Recht hingewiesen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kann es unerörtert bleiben, welche Frist man zur Vorbereitung einer Eheschließung als angemessen oder nicht mehr angemessen betrachten will. Denn derartige Erwägungen haben mit der Vereitelung der Eheschließung durch wehrdiensteigentümliche Verhältnisse nichts mehr zu tun. Wenn hierauf abgehoben würde, würde der wehrdienstbedingte Tod allein für die Gewährung einer Brautversorgung im Härteausgleich ausreichen. Damit würde durch das Instrument des Härteausgleichs der nach dem SVG und BVG versorgungsberechtigte Personenkreis erweitert werden. Dies kann nicht rechtens sein. Wehrdiensteigentümliche Verhältnisse, welche eine alsbaldige Eheschließung verhindert hätten, sind hier nicht dargetan. Der Tod des K infolge eines Dienstunfalls ist als solcher Umstand nicht zu werten, denn er bildet die gesetzliche Voraussetzung für die Gewährung von Hinterbliebenenrente. Für die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 89 BVG - i. V. m. § 80 Abs. 1 SVG - aber ist es erforderlich, daß darüber hinaus die Eigentümlichkeiten des Wehrdienstes der alsbaldigen Eheschließung entgegengestanden haben. Derartige Auswirkungen des Wehrdienstes sind für den vorliegenden Fall nicht dargetan. Im Gegenteil ist durch die Möglichkeit, Heiratsurlaub zu erhalten, der Termin der beabsichtigten Eheschließung durch die Eigentümlichkeiten des Wehrdienstes nicht beeinflußt worden.
Da die tatsächlichen Feststellungen des LSG für eine Entscheidung in der Sache selbst ausgereicht haben, mußten die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage gegen die Verwaltungsbescheide abgewiesen werden.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Da die Voraussetzungen der §§ 165, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG erfüllt sind, konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
Fundstellen