Leitsatz (amtlich)
Nach dem bis zum 1961-12-31 geltenden Rechtszustand liegt eine Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens (GAL 1957 § 2) auch dann vor, wenn kleinere Teile zurückbehalten werden Unschädlich ist im allgemeinen, wenn das Zurückbehalten bis zu etwa 1/4 der bisherigen Betriebsgröße, es sei denn, daß der zurückbehaltene Teil selbst noch eine dauerhafte Existenzgrundlage im Sinne des GAL 1957 § 1 Abs 4 darstellt.
Normenkette
GAL § 2 Fassung: 1957-07-27; GAL 1957 § 2 Fassung: 1957-07-27; GAL § 1 Abs. 4 Fassung: 1957-07-27; GAL 1957 § 1 Abs. 4 Fassung: 1957-07-27
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 16. Januar 1961 wird zurückgewiesen, soweit es sich um den Altersgeldanspruch bis zum 31. Dezember 1961 handelt.
Im übrigen wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Der 1884 geborene verheiratete Kläger bezog am 1. Oktober 1957 eine Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter. Er bewirtschaftete als Pächter
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von 1920 bis 1933 |
4,-- ha, |
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von 1933 bis 1940 |
10,-- ha, |
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von 1940 bis 1950 |
6,-- ha |
und |
von 1950 bis 28. Februar 1958 |
4,12 ha |
Land. |
Seit dem 1. März 1958 hat er nur noch 2,5 ha Pachtland in Bewirtschaftung. Die Beklagte lehnte seinen Antrag auf Altersgeld ab, weil er bis Ende Februar 1958 noch 4,12 ha Pachtland bewirtschaftet und sich deshalb nicht vor dem 1. März 1958 des landwirtschaftlichen Unternehmens entäußert habe. Vom 1. März 1958 ausgehend, sei er aber nicht 15 Jahre hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen (§ 25 Abs. 1, § 1 Abs. 4 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957 (BGBl I, 1063) - GAL aF -), sondern 15 Jahre vor 1958 nur von 1945 bis 1950. Auf die Klage hin verurteilte das Sozialgericht (SG) die Beklagte, den Kläger vom 1. Oktober 1957 an das halbe Altersgeld zu bewilligen. Das Landessozialgericht (LSG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger sei nur bis 1950 hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen, da die nachher noch betriebene Landwirtschaft keine dauernde Existenzgrundlage mehr dargestellt habe. Die im Jahre 1950 vorgenommene Betriebsverkleinerung erfülle nicht den Begriff der Entäußerung, weil Unternehmensteile zurückbehalten wurden, die im Verhältnis zum Gesamtunternehmen für die Weiterführung des Betriebes wesentlich waren. Das LSG ließ die Revision zu.
Nachdem ihm das Urteil am 23. Februar 1961 zugestellt war, beantragte der Kläger am 1. März 1961 die Bewilligung des Armenrechts. Dem Antrag wurde am 20. Mai 1961 entsprochen und ein Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigter beigeordnet; der Beschluß Wurde am 26. Mai 1961 zugestellt. Der Bevollmächtigte legte am 8. Juni 1961 Revision ein und begründete sie am 27. Juni 1961.
Der Kläger trägt vor, wenn er von der seit 1933 bewirtschafteten Fläche von 10 ha seit dem 1. März 1958 nur noch 2,5 ha bewirtschafte, so habe er sich damit der wirtschaftlichen Existenzgrundlage entäußert. Denn es komme nicht darauf an, in welchem Verhältnis der jetzt noch bewirtschaftete Boden zu dem früher bewirtschafteten stehe, sondern nur auf die absolute Größe des jetzt noch bewirtschafteten Landes; 2,5 ha Land, die der Kläger noch gepachtet habe, um zwei Milchkühe zu weiden, stellten keine dauerhafte Existenzgrundlage dar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 16. Januar 1961 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Schleswig vom 9. Juni 1960 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die durch die Zulassung statthafte, auch form- und fristgerecht eingelegte Revision ist nicht begründet.
Zunächst war dem Kläger wegen Versäumnis der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Denn er war, nachdem er innerhalb der Revisionsfrist ein Armenrechtsgesuch eingereicht hatte, bis zur Zustellung des ihm das Armenrecht bewilligenden Beschlusses ohne sein Verschulden verhindert, die Revisionsfrist einzuhalten (§ 67 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Armenrechtsbeschlusses ist die Revision eingelegt, innerhalb eines weiteren Monats ist sie begründet worden, so daß die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben sind (vgl. § 67 Abs. 2 SGG).
Nach den von der Revision nicht angegriffenen und deshalb nach § 163 SGG für das Bundessozialgericht bindenden Feststellungen des LSG war der Kläger bis 1950 hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer, weil bis zu diesem Zeitpunkt die von ihm als Pächter bewirtschafteten Grundstücke eine dauerhafte Existenzgrundlage darstellten (§ 1 GAL aF). Er könnte daher nach § 25 Abs. 1 GAL aF Altersgeld erhalten, wenn er neben hier nicht streitigen anderen Voraussetzungen während der 15 Jahre, die der Entäußerung des Unternehmens vorangegangen sind, hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer war. Wenn das LSG bei Anwendung dieser Vorschrift zu dem Ergebnis gekommen ist, im Jahre 1950 habe wegen Zurückbehaltens von 4,12 ha Land keine Entäußerung des Unternehmens vorgelegen, so ist dies nicht zu beanstanden.
Zu dem Begriff der Entäußerung gibt § 2 GAL aF zwar einige Hinweise. Nicht geregelt ist aber insbesondere, ob bei Zurückbehalten von Unternehmensteilen, wie es in der praktischen Handhabung nicht selten vorkommt, überhaupt eine Entäußerung vorliegt bzw. welcher Anteil zurückbehalten werden kann, ohne daß Entäußerung zu verneinen wäre. Dagegen sicht § 2 Abs. 6 des am 1. Januar 1962 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte vom 3. Juli 1961 (BGBl I, 845) - GAL nF - vor, daß bei nur teilweiser Abgabe die Voraussetzung der Abgabe des Unternehmens erst dann erfüllt ist, wenn der Einheitswert oder der Arbeitsbedarf des nicht abgegebenen Teils 25 v.H. der nach § 1 Abs. 4 festzusetzenden Mindesthöhe (Grenze der Existenzgrundlage) nicht überschreitet. Außerdem darf das abgegebene Unternehmen, sofern es als selbständiges Unternehmen bestehen bleibt, durch das Zurückbehalten von Unternehmensteilen die genannte Mindesthöhe nicht unterschreiten. Wie sich aus der Amtlichen Begründung für die Neufassung (BR-Drucks. 123/59, Abschnitt II Nr. 2 e) ergibt, sollte die bisher nicht geregelte und der Rechtsprechung zur Klärung überlassene Frage, wie groß ein zurückbehaltener Unternehmensteil sein dürfe, ohne daß die Leistungsvoraussetzung der Abgabe als nicht erfüllt angesehen werden müsse, nunmehr geordnet werden. Der neu eingefügte Abs. 6 sollte einen einheitlichen Maßstab festlegen, weil es zu erheblichen Ungleichheiten hinsichtlich des Teils, der zurückbehalten werden dürfe; führen würde, wenn man hierbei von der ursprünglichen Größe des Unternehmens ausginge. Diese Vorschrift des neuen Rechts ist jedoch für Ansprüche vor dem 1. Januar 1962 nicht anwendbar, weil sie erst an diesem Tage in Kraft getreten ist.
Für das alte Recht geht der Senat von folgenden Überlegungen aus: Entäußerung ist grundsätzlich anzuerkennen, wenn der Betrieb, wirtschaftlich betrachtet, von dem bisherigen Unternehmer nicht mehr fortgesetzt wird, und zwar gleichgültig, ob er in einem oder in mehreren Stücken abgegeben wird. Unschädlich ist es, wenn verhältnismäßig kleine Teile zurückbehalten werden. Allerdings liegt eine Abgabe nicht schon dann vor, wenn der zurückbehaltene Teil keine dauerhafte Existenzgrundlage mehr bildet (vgl. § 1 Abs. 4 GAL aF), weil bei dieser Auffassung unter Umständen eine Abgabe des Unternehmens bereits zu bejahen wäre, wenn nur geringfügige Teile abgegeben würden und so die Mindestgrenze des § 1 Abs. 4 GAL aF unterschritten wäre. Eine Abgabe ist stets auch dann zu verneinen, wenn der zurückbehaltene Teil, für sich allein betrachtet, noch eine dauerhafte Existenzgrundlage darstellt, gleichgültig welchen Anteil er ausmacht; denn hier wird noch ein landwirtschaftliches Unternehmen fortgeführt, und der Veräußerer bleibt landwirtschaftlicher Unternehmer Schewe/Zöllner (Alterssicherung der Landwirte, § 2 Anm. III 3) halten das Zurückbehalten von 5 bis 20 % des festgesetzten Einheitswerts für unwesentlich, während sich in der Verwaltungspraxis allgemein durchgesetzt hat, daß der zurückbehaltene Teil 25 v.H. des gesamten Unternehmens nicht überschreiten darf. Auch der Senat ist der Auffassung, daß man für die alte Fassung des Gesetzes nicht auf einen Prozentsatz des Meßwertes wie in § 2 Abs. 6 GAL nF abstellen sollte, sondern darauf, welcher prozentuale Teil des Unternehmens zurückbehalten worden ist bzw. ob ein Vergleich zwischen dem abgegebenen und dem zurückbehaltenen Teil so ausfällt, daß man sagen muß, das alte Unternehmen sei als solches nicht mehr vorhanden, sondern entäußert. Dies wird man dann zu bejahen haben, wenn Unternehmensteile von höchstens etwa einem Viertel der bisherigen Betriebsgröße zurückbehalten werden, es sei denn, daß der zurückbehaltene Teil, gleichgültig welchen Anteil er an dem Gesamtunternehmen ausmacht, selber noch eine dauerhafte Existenzgrundlage im Sinne des § 1 Abs. 4 GAL bildet.
Im vorliegenden Falle hat der Kläger 1950 von der bis dahin bewirtschafteten Fläche von 6 ha weit mehr als ein Viertel, nämlich 4, 12 ha, zurückbehalten. Es hat also im Jahre 1950 keine Entäußerung stattgefunden. Geht man aber von einer Entäußerung in Jahre 1950 aus, so fehlt es für die Zubilligung des Altersgeldes einmal, von der Entäußerung an gesehen, an einer 15 jährigen Bewirtschaftung als Unternehmer im Sinne des § 1 GAL aF (§ 25 Abs. 1 GAL aF). Zum anderen war der Kläger vom 1. Oktober 1957 bis zum 28. Februar 1958 kein beitragspflichtiger Unternehmer, da er wegen Bezuges seiner Rente gemäß § 8 Abs. 4 GAL beitragsfrei war. Für die Zeit bis zum 31. Dezember 1961 ist die Klage daher abzuweisen.
Ob für die Zeit vom 1. Januar 1962 an ein Altersgeldanspruch gegeben ist, kann aus den bisherigen Feststellungen nicht entnommen werden. Nach dieser war der Kläger hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 GAL für die Zeit von 1933 bis 1950. Er war dies also am 1. Oktober 1957 nicht mehr. Wenn er nun inzwischen das Unternehmen abgegeben hat (das Gesetz verlangt nicht, daß die Abgabe bereits in dem Zeitpunkt erfolgt, in dem das Unternehmen keine dauerhafte Existenzgrundlage mehr bietet), könnten die Voraussetzungen eines Alterzgeldanspruchs nach § 26 Abs. 1 GAL nF erfüllt sein. Nach § 2 Abs. 6 GAL nF ist jetzt die Zurückbehaltung eines Teils bis zu 25 v.H. der nach § 1 Abs. 4 GAL nF festzusetzenden Mindesthöhe unschädlich (vgl. oben). Da die letztere jedoch nicht ersichtlich ist, kann der Senat nicht prüfen, ob die zurückbehaltenen 2,5 ha ein Viertel dieses Satzes überschreiten. Weiter ist § 26 Abs. 3 GAL nF zu beachten. Hiernach ist bei verheirateten Unternehmern, die keine Abkömmlinge haben, die Voraussetzung der Abgabe auch dann erfüllt, wenn der Einheitswert oder der Arbeitsbedarf des nicht abgegebenen Teils 50 v.H. der Mindesthöhe des § 1 Abs. 4 GAL nF nicht überschreitet. Hierzu sagt der Tatbestand des angefochtenen Urteils nichts, außer daß der Kläger verheiratet ist.
Das Urteil des LSG muß daher insoweit aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden, als es sich um den Anspruch vom 1. Januar 1962 an handelt.
Dem LSG bleibt auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens überlassen.
Fundstellen