Leitsatz (redaktionell)

Die Pflicht des Gerichts, nach SGG § 109 einen bestimmten Arzt über medizinische Fragen zu hören ist gegenständlich nicht eingeschränkt. Der Versorgungsberechtigte kann daher auch in Bezug auf die Frage, ob eine Ermessensentscheidung einer Behörde zutreffend ergangen ist, einen Antrag nach SGG § 109 stellen.

 

Normenkette

SGG § 109 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. September 1965 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Gründe

Mit Bescheid vom 18. Juni 1941 lehnte die zuständige Versorgungsbehörde nach dem Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsgesetz (WFVG) den Antrag des Klägers auf Anerkennung der Folgen eines Mittelfußbruches links als Wehrdienstbeschädigung mit der Begründung ab, es handle sich bei diesem Körperschaden um einen angeborenen Bildungsfehler des linken Kahnbeines, der in keinem Fall durch den geleisteten Wehrdienst, insbesondere nicht durch einen Motorradunfall im September 1939, verursacht worden sei. Dies gehe schon daraus hervor, daß der Kläger erst 1/2 Jahr nach dem Unfall ärztliche Hilfe in Anspruch genommen habe. Den nach dem Körperbeschädigten-Leistungsgesetz (KBLG) gestellten Versorgungsantrag lehnte die zuständige Versorgungsbehörde mit Bescheid vom 23. Oktober 1950 unter Hinweis auf den vorgenannten Bescheid ab. Die gegen diese Ablehnung eingelegte Berufung wies das Oberversicherungsamt in N mit Urteil vom 4. Dezember 1951 als unbegründet zurück; das Landesversicherungsamt Bayern verwarf den Rekurs des Klägers gegen dieses Urteil als verspätet mit Entscheidung vom 3. Juli 1952. Auch den nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom Kläger wegen derselben Gesundheitsstörung gestellten Antrag lehnte die Versorgungsbehörde mit Bescheid vom 1. Februar 1952 unter Hinweis auf die Rechtsverbindlichkeit der früheren Bescheide ab. Das Sozialgericht (SG) wies mit Urteil vom 13. Januar 1954 die Klage ab. Die hiergegen eingelegte Berufung nahm der Kläger zurück, nachdem sich der Beklagte in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) am 2. Juni 1958 verpflichtet hatte, die Berufungsschrift als Antrag auf Erteilung eines Zugunstenbescheides nach § 40 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren in der Kriegsopferversorgung (VerwVG) zu behandeln. Daraufhin holte die Versorgungsbehörde ein Gutachten von Dr. Sch des Versorgungskrankenhauses B vom 12. November 1958 ein, der ausführte, daß der beim Kläger am linken Mittelfuß vorliegende Befund "wohl eindeutig für einen alten Bruch des Kahnbeines spreche". Er, der Gutachter, könne sich aber schlecht vorstellen, daß ein Verletzter mit einer Luxationsfraktur des Kahnbeines am anderen Tage noch Dienst versehen könne. Aufgrund der bestehenden Bedenken holte die Versorgungsbehörde noch eine gutachtliche Äußerung von Prof. Dr. H in K ein (Gutachten vom 20. Februar 1959), der es für sehr wenig wahrscheinlich hielt, daß es sich bei dem Befund am linken Mittelfußknochen und Kahnbein des Klägers um traumatische Veränderungen handle. Das ganze sehe nach einer Entwicklungsstörung aus. Dieser Auffassung war auch der Facharzt für Röntgenologie Dr. D (Stellungnahme vom 27. Februar 1959). Nunmehr erteilte die Versorgungsbehörde den Bescheid vom 16. April 1959, in dem sie die Erteilung eines Zugunstenbescheides ablehnte und ausführte, bei dem Körperschaden handle es sich nicht um einen Mittelfußbruch links; vielmehr seien die Veränderungen im Bereich des Fußgelenkes durch eine Anomalie bedingt. Es verbleibe somit bei der Ablehnung im Bescheid vom 1. Februar 1952. Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. November 1959).

Im Klageverfahren hat das SG Gutachten von Prof. Dr. H, Dres. B und B W-haus A, Gutachten vom 14. Oktober 1960 und 7. Dezember 1961) eingeholt und mit Urteil vom 28. März 1962 die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger mit Schriftsatz vom 9. April 1963 gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) den Antrag gestellt, Prof. Dr. N in W als Sachverständigen darüber zu hören, "daß es sich beim Kläger mit Wahrscheinlichkeit um einen im Wehrdienst erlittenen Unfall handelt".

Das LSG hat - mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung - mit Urteil vom 23. September 1965 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Bayreuth vom 28. März 1962 zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, Streitgegenstand sei der Bescheid vom 16. April 1959 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 1959, der unter Hinweis auf den rechtsverbindlichen Bescheid vom 1. Februar 1952 die Erteilung eines Zugunstenbescheides nach § 40 Abs. 1 VerwVG ablehne. Ein solcher Bescheid setze voraus, daß die frühere Entscheidung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unrichtig sei; bestünden lediglich Zweifel an der Richtigkeit der früheren Entscheidung, so dürfe ein neuer Bescheid nicht ergehen. Ob die Voraussetzung für die Erteilung eines Zugunstenbescheides gegeben sei, könne die Versorgungsverwaltung erst nach Überprüfung des Sachverhalts entscheiden. Zu diesem Zwecke könne sie - wie hier geschehen - auch neue ärztliche Gutachten beiziehen; damit sei sie noch keinesfalls in eine Neuprüfung im Sinne einer Neuregelung des Rechtsverhältnisses eingetreten. In dem angefochtenen Bescheid habe sich die Versorgungsbehörde ausdrücklich auf die rechtsverbindliche frühere Entscheidung berufen. Es handle sich somit um eine Ermessensentscheidung der Versorgungsverwaltung, die nur im Rahmen des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG von den Gerichten überprüft werden könne.

Diese Prüfung habe ergeben, daß Art und Umfang der von der Versorgungsbehörde vorgenommenen Überprüfung des Versorgungsrechtsverhältnisses pflichtgemäßen Erwägungen entspreche und die Ablehnung der Erteilung eines Zugunstenbescheides sachlich gerechtfertigt sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die frühere Versagung der Anerkennung der Beinerkrankung als Schädigungsfolge nach dem BVG unrichtig gewesen sei. Im Verwaltungsverfahren seien mehrere Fachärzte, insbesondere Prof. Dr. H und der Röntgenologe Dr. D, gehört worden, die im Gegensatz zum Versorgungskrankenhaus B und zu den vom Kläger eingereichten Auskünften der Ärzte Dres. R, H, A und K mit eingehender Begründung den schon im Jahre 1941 eingenommenen Standpunkt bestätigt hätten, daß es sich bei der Erkrankung des Klägers um einen angeborenen Bildungsfehler des linken Kahnbeines handele. Hinzu komme, daß Prof. Dr. H und Privatdozent Dr. R von der Orthopädischen Universitätsklinik in K sowie die Dres. B und B von der Orthopädischen Klinik des W-hauses A in ihrer Eigenschaft als vom SG gehörte ärztliche Sachverständige die Auffassung über eine Bildungsanomalie bestätigt hätten. Unter diesen Umständen könne die Unrichtigkeit des Bescheides vom 1. Februar 1952 nicht festgestellt werden. Ein Ermessensfehler durch die Verwaltungsbehörde liege somit nicht vor. Nur auf diese Feststellung komme es nach Auffassung des Senats an. Bei dieser Rechtslage sei der Antrag des Klägers, Prof. Dr. N aus W als Sachverständigen nach § 109 SGG darüber zu hören, ob die Beinerkrankung mit Wahrscheinlichkeit Schädigungsfolge sei, "als unbehelflich" abzulehnen. Für die Überzeugungsbildung des Senats, daß die Versorgungsbehörde ihre dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung unterliegende Ermessensentscheidung fehlerfrei getroffen habe, komme es nämlich bei dem nach § 54 Abs. 2 SGG eingeschränkten richterlichen Prüfungsrecht auf die Erforschung des Umstandes, zu dem sich der genannte Arzt äußern solle, nicht mehr an.

Der angefochtene Bescheid sei daher rechtmäßig.

Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.

Gegen dieses, ihm am 27. Oktober 1965 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11. November 1965, beim Bundessozialgericht (BSG) am 12. November 1965 eingegangen, Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 27. Januar 1966 mit einem am 30. Dezember 1965 eingegangenen Schriftsatz vom 28. Dezember 1965 begründet.

Er beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Der Kläger rügt eine Verletzung der §§ 54 Abs. 2 und 109 SGG durch das LSG und trägt insbesondere vor, bei dem angefochtenen Bescheid handle es sich nicht um einen Zugunstenbescheid im Sinne des § 40 Abs. 1 VerwVG, sondern um einen sog. Zweitbescheid, d. h. um einen Verwaltungsakt, der nach erneuter sachlicher Prüfung ergangen sei und mit dem die Verwaltungsbehörde das Rechtsverhältnis auf dem Gebiete des Versorgungsrechtes habe neu regeln wollen. Damit sei aber das LSG verpflichtet gewesen, in eine völlig neue sachliche Prüfung einzutreten, nicht aber nur den Verwaltungsakt unter dem Gesichtspunkt eines Ermessensfehlers im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG zu überprüfen.

Im übrigen sei § 109 SGG dadurch verletzt, daß der Antrag des Klägers, Prof. Dr. N zu hören, abgelehnt worden sei. Die Auffassung des LSG, der Beweisantrag des Klägers sei nicht erheblich, gehe fehl. Hierbei habe das LSG verkannt, daß die in das Wissen des nach § 109 SGG benannten Sachverständigen gestellte Beweisfrage - ob das Beinleiden des Klägers auf Schädigungsfolgen beruhe - auch dann erheblich gewesen sei, wenn der angefochtene Bescheid nur im Rahmen des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG zu überprüfen gewesen wäre. Er - der Kläger - habe nämlich mit seinem Antrag nach § 109 SGG das Ziel verfolgt, medizinisch bedeutsame Umstände darzutun, die zu der Überzeugung hätten führen sollen, daß der Beklagte sein Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt habe, wenn er den ursächlichen Zusammenhang bereits aufgrund der vorliegenden medizinischen Gutachten abgelehnt habe; insoweit verweist der Kläger auf die Entscheidung des BSG vom 20. August 1963 - 11 RV 430/61 und 8 RV 1005/62 -. Im übrigen wird auf die Revisionsbegründung verwiesen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers gegen das Urteil des 6. Senats des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. September 1965 - Az.: L 6/V 540/62 - als unzulässig zu verwerfen.

Er ist der Auffassung, daß ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG nicht gegeben ist.

Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 164, 166 SGG). Da das LSG die Revision nicht nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen und der Kläger eine Gesetzesverletzung bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einer Schädigung im Sinne des BVG nicht gerügt hat (§ 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG), ist die Revision nur statthaft, wenn ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügt wird und vorliegt (BSG 1, 150). Werden mehrere wesentliche Verfahrensmängel gerügt und liegt einer der gerügten Mängel vor, so kommt es für die Statthaftigkeit der Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht mehr darauf an, ob auch die übrigen gerügten wesentlichen Mängel im Verfahren des LSG gegeben sind (BSG in SozR SGG § 162 Nr. 122).

Der Kläger rügt zutreffend eine Verletzung des § 109 SGG durch das LSG. Nach dieser Vorschrift muß auf Antrag des Versorgungsberechtigten ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Bei der Prüfung, ob das LSG § 109 SGG verletzt hat, muß das BSG - wie bei der Prüfung sonstiger Verfahrensfehler - von der sachlich-rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichtes ausgehen.

Das LSG hat die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob die Versorgungsbehörde bei der Ablehnung eines Zugunstenbescheides nach § 40 Abs. 1 VerwVG das ihr eingeräumte Ermessen überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Ein Ermessensfehler in diesem Sinne liegt nach der Auffassung des LSG im Rahmen des § 40 Abs. 1 VerwVG nur dann vor, wenn die Versorgungsbehörde die Erteilung eines Zugunstenbescheides ablehnt, obwohl die frühere Entscheidung unrichtig war. Nach dem Inhalt des angefochtenen Urteils vertritt das LSG offensichtlich die Auffassung, daß die gerichtliche Prüfung der Ermessensentscheidung nicht darauf beschränkt ist, ob die Versorgungsbehörde nach dem ihr "im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung bekannten Sachverhalt" ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat; vielmehr geht das LSG davon aus, daß die Gerichte die Ermessensprüfung nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG auf Grund des Sachverhalts vorzunehmen haben, wie er sich "im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung" ergibt. Diese sachlich-rechtliche Auffassung des LSG folgt schon aus dem Umstand, daß es für seine Meinung, die Versorgungsbehörde habe bei der Ablehnung des Zugunstenbescheides ermessensfehlerfrei gehandelt, auch die vom SG - also nach Abschluß des Verwaltungsverfahrens - eingeholten ärztlichen Gutachten verwertet hat.

Aufgrund dieser sachlich-rechtlichen Auffassung - die im übrigen der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats entspricht - durfte das LSG aber nicht den Antrag des Klägers, Prof. Dr. N gemäß § 109 SGG zu hören, ablehnen. Es hat diesen Antrag des Klägers mit der Begründung abgelehnt, daß es auf die Erforschung des Umstandes, zu dem sich der genannte Arzt äußern solle, im Rahmen der Prüfung des LSG über die Fehlerhaftigkeit der Ermessensentscheidung der Versorgungsbehörde nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG nicht mehr ankomme. Das LSG hat hierbei übersehen, daß die Pflicht des Gerichts, nach § 109 SGG einen bestimmten Arzt über medizinische Fragen zu hören, gegenständlich nicht eingeschränkt ist; sie erstreckt sich auf alle streitigen medizinischen Fragen, über die die Anhörung eines Arztes begehrt wird. Deshalb kann der Versorgungsberechtigte auch in bezug auf die Frage, ob eine Ermessensentscheidung einer Behörde zutreffend ergangen ist, einen Antrag nach § 109 SGG stellen; denn ein solcher Antrag kann nach dieser Vorschrift entweder nur unter den Voraussetzungen des Abs. 2 oder dann abgelehnt werden, wenn die Beweisfrage nicht erheblich ist. Im vorliegenden Fall ist aber die Beweisfrage, die der Kläger in das Wissen des Arztes gestellt hat, erheblich gewesen. Sinn und Zweck dieses Antrages war nämlich, nachzuweisen, die Ablehnung der Anerkennung der von ihm geltend gemachten Gesundheitsstörung im Wege des Zugunstenbescheides habe nicht pflichtgemäßem Verwaltungsermessen entsprochen, weil die medizinische Beurteilung, auf die die Versorgungsbehörde ihre Ablehnung gestützt hat, gänzlich unzureichend gewesen sei oder den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft widersprochen habe. Wenn das LSG den Antrag des Klägers nach § 109 SGG von vornherein als ungeeignet angesehen hat, um mit seiner Hilfe einen Ermessensfehler der Versorgungsbehörde darzutun, so hat es die Würdigung dieses Beweises in unzulässiger Weise vorweggenommen (siehe dazu Urteil des 11. Senats des BSG vom 20. August 1963 - 11 RV 430/61 -).

Zwar kann der vom Kläger nach § 109 SGG benannte medizinische Sachverständige keine Ausführungen zur Frage des Ermessensfehlgebrauchs bei der Ablehnung eines Zugunstenbescheides nach § 40 Abs. 1 VerwVG machen; er war aber als Arzt aufgrund seiner Fachkenntnisse in der Lage, sich dazu zu äußern, ob die geltend gemachten Gesundheitsstörungen auf das vom Kläger angeschuldigte Ereignis im Jahre 1939 ursächlich zurückzuführen sind. Ebenso hätte sich aus seinen Ausführungen auch ergeben können, daß die bisher gehörten Sachverständigen in medizinischer Hinsicht zu einer Fehlbeurteilung gelangt sind. Der Antrag des Klägers auf Anhörung von Prof. Dr. N nach § 109 SGG war also möglicherweise geeignet für einen Nachweis, daß die früheren bindend gewordenen Bescheide unrichtig sind, so daß nach der Rechtsauffassung des LSG in einem solchen Fall die Ablehnung einer günstigeren Entscheidung nach § 40 Abs. 1 VerwVG durch die Versorgungsbehörde ermessenswidrig wäre. Im übrigen hat das LSG selbst die nach Abschluß des Verwaltungsverfahrens vom SG eingeholten Gutachten zur Beantwortung der Frage herangezogen, ob die früher bindend gewordenen Bescheide der Versorgungsbehörde unrichtig waren. Ist es aber - wie im vorliegenden Fall - erforderlich oder möglich, zur Prüfung einer Ermessenshandhabung der Verwaltung nach deren Entscheidung im gerichtlichen Verfahren neue Tatsachen zu berücksichtigen, so kann es dem Kläger nicht verwehrt sein, im Rahmen des § 109 SGG zum Beweis seiner Behauptungen die Einholung eines Gutachtens durch einen Arzt seines Vertrauens zu beantragen. In der Ablehnung des Antrages nach § 109 SGG durch das LSG liegt ein wesentlicher Mangel in seinem Verfahren im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG, so daß die Revision statthaft ist. Sie ist auch begründet, denn es ist nicht auszuschließen, daß das LSG ohne den bezeichneten Verfahrensmangel zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gelangt wäre. Das angefochtene Urteil war somit aufzuheben. Die Sache mußte an das LSG zurückverwiesen werden, da es dem BSG als Revisionsinstanz versagt ist, im Rahmen des § 109 SGG über eine Tatfrage Beweis zu erheben (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2149215

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