Verfahrensgang
Hessisches LSG (Urteil vom 24.01.1984) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. Januar 1984 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten; im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darum, ob das Altersruhegeld des Klägers unter Anwendung von § 37c Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) ohne Berücksichtigung von Ersatzzeiten zu berechnen ist.
Der im Jahre 1915 geborene Kläger erhält ab März 1980 von der beigeladenen Pensionskasse … ein Ruhegeld, das zunächst rund DM 3.400,– im Monat betrug. Er war bei einer Privateisenbahn des öffentlichen Verkehrs beschäftigt, ab 1936 Mitglied der Beigeladenen und von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Gemäß der Satzung der Beigeladenen haben er und seine Arbeitgeberin Beiträge (bei der Arbeitgeberin Zuschüsse genannt) zur Beigeladenen entrichtet (ab 1936 der Kläger 6 %, die Arbeitgeberin 7 %; ab 1949 der Kläger 9 %, die Arbeitgeberin 10 % des versicherten Monatseinkommens); für die Zeit des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft (September 1939 bis Juni 1945) zahlte die Arbeitgeberin allein. Ab 1976 bezog der Kläger ein Diensteinkommen auf der Grundlage einer Besoldung nach der Gruppe 15 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG), dabei ab März 1979 nach der Stufe 15. Bei der Berechnung des Ruhegeldes auf der hierfür höchstmöglichen Grundlage einer Besoldung nach Gruppe 14 Stufe 14 BBesG nebst einem Erhöhungsbetrag von DM 17,30 hat die Beigeladene eine anrechnungsfähige Beitragszeit von 42 Jahren und 2 Monaten zugrunde gelegt; einbezogen sind die Zeiten des Reichsarbeitsdienstes –RAD– (April bis September 1936) sowie des Wehr- und Kriegsdienstes einschließlich Gefangenschaft (November 1937 bis Juni 1945).
Ab Mai 1980 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersruhegeld mit rund DM 445,– im Monat ohne Berücksichtigung der RAD-, Wehr- und Kriegsdienstzeiten, weil diese Zeiten iS von § 37c Abs. 1 AVG bei einer Versorgung aus einem vor dem 1. Januar 1966 begründeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen zugrunde gelegt seien (Bescheid vom 2. Mai 1980; Widerspruchsbescheid vom 28. August 1980).
Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Auf die Berufung verurteilte das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte, ein höheres Altersruhegeld unter Anrechnung der streitigen Zeiten als Ersatzzeiten zu gewähren. Der Kläger gehöre nicht zu dem von § 37c AVG erfaßten Personenkreis, da er eine Versorgung (nach beamtenrechtlichen Grundsätzen) aus einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis und nicht aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis erhalte. § 37c AVG sei auf öffentlich-rechtliche Dienst- und Arbeitsverhältnisse mit Versorgungsansprüchen beschränkt. Hieran werde durch die Versorgungszusage der Beigeladenen, derer sich die Arbeitgeberin zur Erfüllung ihrer Versorgungsverpflichtung bediene, nichts geändert.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine rechtsfehlerhafte Nichtanwendung des § 37c Abs. 1 AVG. Der Kläger sei von dieser Vorschrift betroffen, weil ihm Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen vor dem 1. Januar 1966 zugesichert (gewährleistet) worden sei. Auf den Umstand, daß seine Arbeitgeberin sich zur Einlösung der Versorgungszusage der Beigeladenen bediene und auch der Kläger Beiträge entrichtet habe, komme es nicht an (Hinweis auf BSGE 55, 19).
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger und die Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet; das Altersruhegeld des Klägers ist unter ungekürzter Anrechnung der Ersatzzeiten vom 1. April bis 26. September 1936 und vom 3. November 1937 bis 8. Juni 1945 zu berechnen.
§ 37c Abs. 1 AVG, den der Senat noch in seiner derzeitigen, bis Ende Juni 1985 geltenden Fassung anzuwenden hat, steht dem nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift bleiben bei der Berechnung von Versichertenrenten Ersatzzeiten unberücksichtigt, „soweit sie bei einer Versorgung aus einem vor dem 1. Januar 1966 begründeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen zugrunde gelegt sind oder bei Eintritt des Versorgungsfalles zugrunde gelegt werden.” Das trifft im Falle des Klägers nicht zu.
Die Anwendung des § 37c Abs. 1 AVG kann allerdings nicht, wie das LSG meint, daran scheitern, daß der Kläger in keinem „öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis” gestanden habe. Nach dem reinen Wortlaut der Gesetzesfassung könnte man zwar meinen, daß nicht nur das Dienstverhältnis, sondern auch das Arbeitsverhältnis ein „öffentlich-rechtliches” sein müsse. Das kann jedoch schon deshalb nicht stimmen, weil es im deutschen Recht kein öffentlich-rechtliches Arbeitsverhältnis gibt (das wäre in Wahrheit ein Dienstverhältnis); das Arbeitsverhältnis ist, unabhängig vom Rechtsstatus der Vertragspartner, immer zivilrechtlicher Art. Dementsprechend wird in den §§ 13 Abs. 1 Buchst a Satz 3 AVG und 1587a Abs. 2 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) deutlich zwischen „einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis” und „einem Arbeitsverhältnis” mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen unterschieden. Der Senat hat deshalb schon im Urteil vom 28. August 1984 (11 RA 74/83, zur Veröffentlichung bestimmt) ausgeführt, daß § 37 Abs. 1 AVG neben öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen auch – zivilrechtliche – Arbeitsverhältnisse mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen erfasse. Dies hat der Gesetzgeber mittlerweile bestätigt. Denn der Abs. 1 von § 37c AVG ist durch Art. 3 Nr. 4 des RAG 1985 vom 5. Juni 1985, das am 1. Juli 1985 in Kraft treten wird (BGBl 1985 I 913), in einer Weise umgestaltet worden, die jeden Zweifel an der Einbeziehung „zivilrechtlicher” Arbeitsverhältnisse – mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen – beseitigt; die Neufassung hat hierin klarstellenden Charakter.
Sieht man das dem Kläger von der Pensionskasse gewährte Ruhegeld als eine „Versorgung” iS des § 37 Abs. 1 AVG an, so wäre diese im weiteren auch als eine Versorgung „aus” einem Arbeitsverhältnis zu werten. Das gilt unbeschadet des Umstandes, daß es sich bei der Beigeladenen um eine von der Arbeitgeberin getrennte selbständige Einrichtung handelt. Die Arbeitgeberin des Klägers war nämlich verpflichtet, ihre Arbeitnehmer, also auch den Kläger, der Pensionskasse zuzuführen. Damit hatte das private Arbeitsverhältnis des Klägers seine Mitgliedschaft bei der Beigeladenen und im Hinblick hierauf außerdem seine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung zur Folge. Eine derart mittelbare Grundlage einer Versorgung in einem Arbeitsverhältnis genügt im Rahmen des § 37c Abs. 1 AVG selbst dann, wenn der Arbeitgeber dadurch von jeder eigenen Versorgungsverpflichtung frei kommt; ob eine solche Versorgung außerdem hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums iS des Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes (GG) entspräche, ist für § 37c Abs. 1 AVG unerheblich (Urteil vom 28. August 1984).
Gleichwohl ist § 37c Abs. 1 AVG hier jedoch deshalb nicht anwendbar, weil das Ruhegeld des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis keine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen ist. Eine solche Versorgung muß, wie der Senat mehrfach entschieden hat (BSG 55, 19; Urteil vom 28. August 1984; SozR 5866 § 12 Nrn 5 und 6), auf dem Alimentationsprinzip beruhen und nach Voraussetzung, Art. und Umfang ungeachtet gewisser Abweichungen dem Beamtenrecht entsprechen. Dabei hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung eine Begrenzung auf 68% des Grundgehaltes und Ortszuschlages, eine Nichtgewährung von Weihnachtsgeld und die Anrechnung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung als unschädlich bezeichnet; er hat jedoch verlangt, daß die Versorgung nach dem letzten Arbeitsentgelt und nach der Dauer der Beschäftigung ausgerichtet ist; sie müsse ferner ihre Grundlage in einer früheren Zusicherung bzw Vereinbarung lebenslanger Versorgung entsprechend der im Beamtenrecht haben, eine vertragliche Regelung, die bloß an die beamtenrechtliche Versorgungshöhe anknüpfe, genüge nicht.
Hiervon ausgehend braucht der Senat im vorliegenden Fall nicht alle Besonderheiten des Ruhegeldsystems der Pensionskasse daraufhin zu prüfen, ob sie die Annahme einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen zulassen oder ausschließen. Er kann sich auf die im Folgenden beschriebenen zwei Abweichungen beschränken; sie lassen jede für sich jedenfalls eine solche Annahme nicht zu.
Dabei handelt es sich zunächst um die eigenen Beitragsaufwendungen des Klägers. Nach dem feststehenden Sachverhalt hat der Kläger bis auf die Zeiten seines RAD, Wehr- und Kriegsdienstes sowie der Gefangenschaft selber Beiträge für seine Altersversorgung aufgebracht, die 6% bis 1949 und danach 9% des versicherten Monatseinkommens betrugen. Ein Leistungssystem, das Beitragsaufwendungen dieses Umfanges für spätere Ruhegelder voraussetzt, kann aber nicht als „Versorgung”, es müßte, der Rentenversicherung vergleichbar, von der es befreit, als „Versicherung” gekennzeichnet werden. Es entfernt sich jedenfalls weit von dem im Beamtenrecht geltenden Grundsatz, daß der Beamte während seiner Dienstzeiten für seine spätere Versorgung keine Beiträge an den Dienstherrn oder eine die Versorgung zahlende Kasse zu leisten hat. Dies ist auch in der Rechtsprechung anderer oberster Bundesgerichte schon zum Ausdruck gekommen. So hat das Bundesarbeitsgericht eine Beitragsleistung nur solange für unschädlich gehalten, wie sie nicht derart erheblich ist, um die Versorgungsregelung den Charakter einer gleichwertigen Versorgung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewinnen zu lassen (AP Nr. 21 zu Art. 52 G 131, Bl 875 Rs); das BVerwG hat (in BVerwGE 54, 177, 181) eine dem Ruhegehalt ähnliche Versorgung nicht mehr angenommen, wenn der Empfänger zur Aufbringung der Mittel in einem nicht unwesentlichen Umfang beigetragen hat; das könne der Fall sein, wenn er von den laufenden Beiträgen für die Versorgung mindestens ein Viertel selbst aufgebracht habe. Hiernach kann jedenfalls vorliegend nicht von nur unbedeutenden eigenen Beitragsleistungen die Rede sein. Der Kläger hat Beiträge in Höhe von zunächst 6% für nur zu zwei Drittel angerechnete Beitragszeiten und ab 1949 von 9% für voll angerechnete Beitragszeiten entrichtet; seine Beiträge blieben jeweils nur 1% unter den Zuschüssen der Arbeitgeberin, so daß Beiträge und Zuschüsse als nahezu gleichwertig bezeichnet werden können. Eine „Gleichheit” mit der Beamtenversorgung ist auch nicht dadurch hergestellt worden, daß die Arbeitgeberin in Lohn und Gehalt stillschweigend Anteile für die spätere Versorgung eingerechnet hätte; im Gegensatz zu den vom Senat entschiedenen Fällen der Pfarrerversorgung (BSGE 55, 19, 21; Urteil vom 28. August 1984) war beim Kläger das Arbeitsentgelt für die Beschäftigungszeiten nicht um vom Arbeitnehmer zu tragende Beiträge bzw Beitragsanteile erhöht worden.
Des weiteren hat der Kläger seit 1976 ein Arbeitseinkommen auf der Grundlage einer Besoldung nach der Gruppe 15 BBesG, ab März 1979 nach der Stufe 15 dieser Gruppe, bezogen, wohingegen ihm Ruhegeld auf der nach der Satzung der Beigeladenen (Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Anlage zu § 33 der Satzung) für eine Versorgung höchstmöglichen Grundlage einer Besoldung nach der Gruppe 14 Stufe 14 BBesG zugesichert und berechnet worden ist. Eine derartige Einschränkung schließt es ebenfalls aus, eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen für gegeben zu erachten. Denn die Regelung läßt den im Beamtenversorgungsrecht als Teil des Alimentationsprinzips geltenden Grundsatz der amtsgemäßen Versorgung außer Acht, der, wie der erkennende Senat in SozR 5866 § 12 Nrn 5 und 6 bereits ausgeführt hat, ihre Ausrichtung nach dem letzten Arbeitsentgelt und nach der Dauer der Beschäftigung gebietet (s auch BSGE 26, 181, 185; BVerfGE 11, 28.3).
Die Revision der Beklagten war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1, 2 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen