Entscheidungsstichwort (Thema)

Förderung der beruflichen Bildung Selbständiger. Ehegatteninnengesellschaft

 

Orientierungssatz

1. Eine Förderung bildungswilliger Selbständiger ist nur zweckmäßig, wenn das mit der Bildungsmaßnahme verfolgte Ziel für den Arbeitsmarkt von nicht nur untergeordneter Bedeutung ist (Anschluß an BSG 19.2.1976 12/7 RAr 32/74 = SozR 4100 § 36 Nr 13).

2. Da "Arbeitsmarkt" der Markt für unselbständige Beschäftigungen ist, erscheint die Förderung eines Selbständigen demgemäß allein zweckmäßig, wenn er entweder dann aufgrund erhöhter Qualifikation Arbeitsplätze neu zu schaffen oder zu erhalten vermag, oder wenn er mit Hilfe der Bildungsmaßnahme seine eigenen Chancen als künftiger Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt verbessern will; bei früher einmal beitragspflichtig beschäftigten Selbständigen müssen dann aber konkrete Umstände die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt als Unselbständiger auch naheliegend erscheinen lassen.

3. Der Annahme einer Innengesellschaft steht nicht entgegen, daß sich die Ehegatten des Gesellschaftsverhältnisses möglicherweise nicht bewußt gewesen sind und daß das Geschäft nach außen auf den Namen nur eines der Ehegatten gelaufen ist.

 

Normenkette

AFG § 36 Fassung: 1969-06-25, § 41 Abs 1 Fassung: 1969-06-25; BGB § 705

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 20.01.1984; Aktenzeichen L 4 Ar 147/77)

SG Berlin (Entscheidung vom 11.11.1977; Aktenzeichen S 62 Ar 503/76)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte die Fortbildung des Klägers zum staatlich geprüften Betriebswirt zu fördern hat.

Der 1944 geborene Kläger übte nach Erlangung der Realschulreife seit 1961 verschiedene Beschäftigungen aus, ab 1968 als Programmierer, Systemanalytiker und Dozent für EDV. Im Mai 1972 machte er sich als Inhaber der Einzelhandelsfirma B. selbständig. In dieser Firma war er, nachdem seine Ehefrau sie übernommen hatte, von Januar bis Juni 1975 als Wirtschaftsberater gegen eine Vergütung von 2.800,-- DM im Monat angestellt; im Februar 1975 legte er nach rund einjähriger Gasthörerschaft an einer Fachoberschule die Abschlußprüfung im Ausbildungsberuf des Datenverarbeitungskaufmanns ab. Von Juli bis September 1975 bezog der Kläger Arbeitslosengeld (Alg). Ab Oktober 1975 nahm er an einem Lehrprogramm einer Akademie für angewandte Betriebswirtschaft teil, das er im September 1977 mit der Prüfung zum staatlich geprüften Betriebswirt abschloß. Anschließend war er als Betriebswirt mit einem Stundenlohn von 20,-- DM wieder bei seiner Ehefrau beschäftigt, von der er zum Juli 1979 die Firma zurückübernahm.

Den im September 1975 gestellten Antrag, die Teilnahme an dem Lehrprogramm "Staatlich geprüfter Betriebswirt" als berufliche Fortbildung zu fördern, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 13. November 1975, Widerspruchsbescheid vom 8. April 1976), da die Teilnahme nicht zweckmäßig sei; der Kläger habe bereits eine berufliche Qualifikation, die dem Kenntnisstand des angestrebten Lehrgangszieles vergleichbar sei bzw diesen sogar übersteige. Ferner hat die Beklagte in der Berufungsinstanz bezweifelt, daß der Kläger jemals in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu seiner Ehefrau gestanden habe; er sei immer selbständiger Firmeninhaber gewesen und habe diese Tätigkeit weder aufgegeben noch beabsichtige er das zu tun. Seine Fortbildungsförderung als Selbständiger sei für den Arbeitsmarkt aber nicht bedeutsam, weil er auch aufgrund einer erhöhten Qualifikation keine neuen Arbeitsplätze schaffe, sondern nur seine Ehefrau beschäftige.

Die Klage und die Berufung blieben erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) hat im Urteil vom 20. Januar 1984 dem Kläger keine Förderleistungen zugebilligt, da er einem Selbständigen gleichzustellen sei. Schon seit Mai 1972 bestehe zwischen ihm und seiner Ehefrau ununterbrochen eine Innengesellschaft; beide hätten den Betrieb durch den Einsatz ihrer Arbeitskraft bei entsprechender Arbeitsteilung gemeinsam geführt. Nach eigenen Bekundungen habe der Kläger die "Sacharbeit", die Ehefrau die Verwaltungsaufgaben erledigt. Auf die wechselnde Vertretung der Firma nach außen komme es sonach nicht an. Bei dieser Sachlage habe die berufliche Weiterbildung des Klägers keine Beziehung zum Arbeitsmarkt.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision beantragt der Kläger, unter Aufhebung der angefochtenen Urteile und Bescheide die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen der beruflichen Fortbildung vom 1. Oktober 1975 bis zum 30. September 1977 zu gewähren, hilfsweise, das Urteil des LSG aufzuheben und den Rechtsstreit zurückzuverweisen.

Zur Begründung macht er Verfahrensmängel geltend und rügt eine Verletzung der §§ 36, 41 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) sowie von § 705 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Das LSG habe eine Innengesellschaft angenommen, ohne die dafür erforderlichen Ermittlungen anzustellen und Gelegenheit zu geben, sich hierzu tatsächlich und rechtlich zu äußern. In Wahrheit habe eine Ehegatteninnengesellschaft nicht vorgelegen; er sei in der Firma seiner Ehefrau gegen ein festes Arbeitsentgelt angestellt gewesen und wegen Auftragsmangels gekündigt worden. Im übrigen sei die Fortbildungsmaßnahme zu fördern, selbst wenn er einem Selbständigen gleichzustellen wäre, denn die Maßnahme sei arbeitsmarktbezogen gewesen (Hinweis auf BSGE 38, 282, 286).

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet; zutreffend hat das LSG entschieden, daß ein Anspruch des Klägers auf Förderung seiner Teilnahme an dem Lehrprogramm "Staatlich geprüfter Betriebswirt" nicht besteht.

Die Teilnahme an dem Lehrprogramm stellte für den Kläger eine berufliche Fortbildung dar, wie sie das AFG in § 41 Abs 1 umschreibt; da der Kläger die Förderung bereits vor dem 1. Januar 1976 beantragt und das Programm zu diesem Zeitpunkt schon begonnen hatte, ist das Gesetz in der Fassung anzuwenden, die es vor dem Inkrafttreten des Haushaltsstrukturgesetzes-AFG (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 gehabt hat (Art 1 § 2 Abs 1 HStruktG-AFG). Nach den Feststellungen des LSG kann insoweit zwar davon ausgegangen werden, daß die in § 41 und ferner in § 42 AFG aF geforderten Voraussetzungen für eine Förderung, wie auch die Beteiligten annehmen, erfüllt sind; nach § 36 AFG aF dürfen Leistungen zur individuellen Förderung der beruflichen Bildung (und damit Fortbildung) indes nur gewährt werden, wenn die Förderung unter Berücksichtigung der Lage und der Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig erscheint. Dies ist hier nicht der Fall gewesen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 36 AFG aF (BSGE 38, 282; SozR 4100 § 36 Nr 13), der der Senat folgt, ist eine Förderung bildungswilliger Selbständiger nur zweckmäßig, wenn das mit der Bildungsmaßnahme verfolgte Ziel für den Arbeitsmarkt von nicht nur untergeordneter Bedeutung ist. Da "Arbeitsmarkt" der Markt für unselbständige Beschäftigungen ist, erscheint die Förderung eines Selbständigen demgemäß allein zweckmäßig, wenn er entweder dann aufgrund erhöhter Qualifikation Arbeitsplätze neu zu schaffen oder zu erhalten vermag, oder wenn er mit Hilfe der Bildungsmaßnahme seine eigenen Chancen als künftiger Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt verbessern will; bei früher einmal beitragspflichtig beschäftigten Selbständigen - wie dem Kläger - müssen dann aber konkrete Umstände die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt als Unselbständiger auch naheliegend erscheinen lassen.

Ausgehend hiervon hat das LSG den Kläger zu Recht als Partner einer Innengesellschaft unter Ehegatten einem Selbständigen iS dieser Rechtsprechung gleichgestellt. Die Gesellschafterstellung des Klägers hat es entgegen dessen Vortrag nicht lediglich aus einer chronologischen Abfolge der Tätigkeiten gefolgert. Vielmehr hat das LSG festgestellt, daß zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau in der Firma B. eine berufliche Gemeinschaft mit festgelegter Aufgabenverteilung bestanden hat. Damit waren die Voraussetzungen der §§ 705 ff BGB für eine Innengesellschaft gegeben (BSGE 38, 179, 180 = SozR 2200 § 1266 Nr 1; BSGE 40, 161, 164 = SozR aa0 Nr 3 sowie SozR aa0 Nrn 11, 17 und 22; mit Hinweisen auf BGHZ 8, 249; 31, 197; 47, 163). Ihr steht nicht entgegen, daß sich die Ehegatten des Gesellschaftsverhältnisses möglicherweise nicht bewußt gewesen sind und daß das Geschäft nach außen auf den Namen nur eines der Ehegatten gelaufen ist. Der Umstand, daß die äußere Inhaberschaft mehrfach untereinander gewechselt hat, konnte nach den gegebenen Umständen eher nur den Willen verdeutlichen, den Betrieb unter Einsatz aller wirtschaftlich nutzbaren Möglichkeiten als gemeinsame Existenzgrundlage auch gemeinsam zu führen.

Als Gesellschafter dieser Innengesellschaft ist der Kläger im Rahmen des § 36 AFG aF als Selbständiger anzusehen. Wie er während der Zeiten der Innengesellschaft jeweils sozialversicherungs- und steuermäßig (zu Recht oder zu Unrecht) behandelt worden ist, ist insoweit ohne Bedeutung. Seiner wahren Natur nach war er jedenfalls Mitunternehmer. Seine Gesellschafterstellung umfaßte alle seine Tätigkeiten in der Firma B.; sie stellten seinen Beitrag (iS des § 705 BGB) zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszweckes dar. Selbst wenn man annehmen wollte, in einer Ehegatteninnengesellschaft könne ein Ehegatte bei der Innengesellschaft außerdem noch "beschäftigt" sein (vgl BSGE 40, 161, 163), war im Falle des Klägers für eine zusätzliche abhängige Beschäftigung bei der Innengesellschaft neben der Gesellschaftertätigkeit kein Raum. Der Kläger muß daher bei der Entscheidung über die Förderung der streitigen Bildungsmaßnahme entsprechend den wahren Verhältnissen vor, während und nach der Maßnahme uneingeschränkt als Selbständiger gelten.

Diese Einordnung führt dazu, daß gemäß den zu § 36 AFG aF für die Förderung von Selbständigen entwickelten Grundsätzen die Förderung der streitigen Bildungsmaßnahme beim Kläger unter Berücksichtigung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes nicht zweckmäßig erscheint. Nach dem festgestellten Sachverhalt diente das Lehrprogramm "Staatlich geprüfter Betriebswirt" nämlich ihm selbst in seiner Eigenschaft als Betriebs(mit)inhaber sowie dem Betrieb; nach eigenem Vortrag machte ihn die Erlangung des staatlichen Prüfungszeugnisses konkurrenzfähiger und kam die vertiefte bzw verbreiterte berufliche Bildung ihm bei der Auftragserledigung zugute. Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß für den Kläger die Gefahr bestand, den Betrieb schließen und auf den Arbeitsmarkt als Unselbständiger zurückkehren zu müssen, sind vom LSG nicht festgestellt worden; auch ist kein Hinweis darauf vorhanden, daß das Lehrprogramm den Kläger befähigt hätte, im Betrieb, der keine fremden Arbeitnehmer beschäftigte, nunmehr Arbeitsplätze für solche zu schaffen.

Die Rügen von Verfahrensmängeln des LSG greifen sämtlich nicht durch. Soweit der Kläger Verstöße gegen die §§ 103, 112 Abs 2 Satz 2 und 128 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) rügt, macht der Senat von der in § 170 Abs 3 Satz 1 SGG gebotenen Möglichkeit Gebrauch und verzichtet auf eine Begründung. Zu der Rüge aus § 62 (iVm § 128 Abs 2) SGG verweist er auf den vom LSG im Urteil wiedergegebenen Schriftsatz der Beklagten vom 23. März 1982. Seitdem mußte der rechtskundig vertretene Kläger wissen, daß sein Status als abhängig Beschäftigter in Zweifel stand; durch die Urteilsbegründung konnte er sonach nicht überrascht werden. Das gilt selbst dann, wenn - was nicht festgestellt ist - der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG nicht darauf hingewiesen worden sein sollte, daß das LSG auch eine Mitunternehmerschaft aufgrund einer Ehegatteninnengesellschaft als rechtserheblich ansehen könne; denn dabei konnte es sich lediglich um eine Abschwächung gegenüber der von der Beklagten behaupteten Alleinunternehmerschaft handeln. Darüber hinaus ist die Rüge auch deshalb nicht begründet, weil das Revisionsvorbringen des Klägers zur "Innengesellschaft" dem LSG nicht neu gewesen wäre. Der hierzu in der Revision gebrachte Vortrag hat nämlich lediglich die schon bekannten - und vom LSG berücksichtigten - Argumente wiederholt.

Nach alledem stellt sich die Entscheidung des LSG als zutreffend dar, so daß die Revision des Klägers zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1660968

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